L 7 KA 32/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 108/99*71
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 32/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten auch deren notwendigen außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer Genehmigung zur Teilnahme an der gesamtvertraglich vereinbarten Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten.

Der im Jahre 1963 geborene Kläger ist im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung seit September 1997 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist Facharzt für Allgemeinmedizin und führt die Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren/Sportmedizin.

Im April 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung der hier streitbefangenen Genehmigung. Daraufhin forderte die Beklagte unter dem 27. Mai 1998 vom Kläger den Nachweis von mindestens 100 Patientendokumentationen nach der Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten, gültig ab 1. Juli 1997 (Schmerztherapie-Vereinbarung) an; dem leistete der Kläger nicht Folge. Mit Schreiben vom 2. Juni 1998 lud die Beklagte den Kläger zu einem Kolloquium bei der Schmerztherapiekommission ein, die mit der Aufforderung verbunden wurde, weitere Nachweise in Bezug auf die fachlichen und organisatorischen Voraussetzungen bis zum 30. Juni 1998 bei der Beklagten vorzulegen. Der Kläger sagte wegen krankheitsbedingter Verhinderung die Teilnahme an diesem Kolloquium kurzfristig ab und teilte dabei telefonisch mit, er verfüge bisher nur über ca. 15 Patientendokumentationen.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 1998 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung der Genehmigung mit der Begründung ab, die vorgelegten Unterlagen seien für die Erteilung der Genehmigung nicht ausreichend. Insbesondere fehlten die Vorlage von 100 Patientendokumentationen, die erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium vor der Schmerztherapie-Kommission, der Praxisgrundriss und die Teilnahme an einer interdisziplinären Schmerzkonferenz. Im folgenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, wegen der Neugründung seiner Praxis benötige er eine längere Frist, um die geforderten Patientendokumentationen vorzulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Der Kläger habe weder die fachlichen Voraussetzungen noch die organisatorischen Anforderungen an seine Praxis erfüllt. Er habe die mindestens 100 Patientendokumentationen, die erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium, die regelmäßige Teilnahme an interdisziplinären Schmerzkonferenzen und den rollstuhlgerechten Zugang zu seiner Praxis nicht nachgewiesen.

Mit seiner am 1. Juni 1999 zu dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Ziel weiterverfolgt, die streitbefangene Genehmigung zu erhalten. Mit Urteil vom 8. März 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung seien nicht erfüllt. Der Kläger habe die Patientendokumentationen nicht vorgelegt, er habe nicht erfolgreich an einem Kolloquium vor der Schmerztherapie-Kommission teilgenommen und er habe auch nicht die interdisziplinären Schmerzkonferenzen bzw. Fortbildungsveranstaltungen besucht. Auch wenn der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung angekündigt habe, er werde diese Unterlagen nachreichen, so sei die Kammer von der Richtigkeit dieser Erklärungen nicht überzeugt. Darüber hinaus sei der rollstuhlgeeignete Zugang seiner Arztpraxis bislang nicht nachgewiesen.

Gegen dieses ihm am 25. April 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Mai 2001 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, ohne diese schriftsätzlich zu begründen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Teilnahme an der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach der Schmerztherapie-Vereinbarung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach? und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, ihm steht kein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach der Schmerztherapie-Vereinbarung zu.

Die Genehmigung richtet sich nach der Schmerztherapie-Vereinbarung in der ab dem 13. August 2001 geltenden Fassung, aufgeführt als Anlage 12 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte-/Ersatzkassen. Maßgebend ist die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehende Sach? und Rechtslage. Dies folgt daraus, dass zum einen der Kläger die Erteilung eines statusbegründenden, allein zukunftsgerichtet wirkenden Verwaltungsaktes begehrt, und dass zum anderen der Beklagten bei der Erteilung einer solchen Genehmigung weder ein Beurteilungs? noch ein Ermessensspielraum eingeräumt sind. Dies bedeutet die vollständige Nachprüfbarkeit der hier angefochtenen Entscheidungen der Beklagten, wobei ? wegen der zukunftsgerichteten Eigenschaften dieser Bescheide ? allein die jetzt geltende Sach? und Rechtslage zugrunde zu legen ist.

Ermächtigungsgrundlage der Schmerztherapie-Vereinbarung ist nicht § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch, sondern die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Abschluss bundesmantelvertraglicher Vereinbarungen. Auf dieser Grundlage sind die Partner der Bundesmantelverträge berechtigt, Vereinbarungen zur Verbesserung der Strukturqualität ärztlicher Leistungserbringung zu treffen. Die in der Schmerztherapie-Vereinbarung gestellten Anforderungen an die Fachkunde des Arztes werden allein dadurch erfüllt, dass der Arzt nachweist, dass er die in der Schmerztherapie-Vereinbarung selbst geregelten persönlichen und organisatorischen Anforderungen erfüllt. Darin liegt auch keine Verletzung des durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Grundrechts auf Berufsfreiheit des betroffenen Arztes (vgl. hierzu jüngst Bundessozialgericht, Urteil vom 8. September 2004, B 6 KA 18/03 R).

Die in der Schmerztherapie-Vereinbarung geregelten Voraussetzungen erfüllt der Kläger indessen nicht. Dies gilt zunächst für die im vorliegenden Rechtsstreit im Vordergrund stehenden übergangsrechtlich geregelten Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung. Insbesondere die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 der Schmerztherapie-Vereinbarung sind nicht erfüllt. Hiernach können Ärzte, die schmerztherapeutisch tätig sind, aber die Bedingungen des § 3 der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht erfüllen, eine Genehmigung zur Inanspruchnahme der Kostenerstattungsregelungen erhalten, wenn sie innerhalb eines Jahres nach In-Kraft-Treten dieser Vereinbarung nachweisen, dass sie neben den Voraussetzungen der §§ 4 und 5 die folgenden Bedingungen erfüllen: 1. Vorlage von Dokumentationen entsprechend den Anforderungen gemäß § 2 Nr. 8 der Schmerztherapie-Vereinbarung über 100 Patienten; 2. erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium gemäß den Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Verfahren zur Qualitätssicherung vor der jeweils zuständigen Schmerztherapie-Kommission.

Diese Voraussetzungen hat der Kläger während des gesamten Verwaltungs? und Gerichtsverfahrens nicht nachgewiesen. In diesem Zusammenhang ist es rechtlich nicht von Belang, ob der Kläger möglicherweise zukunftsgerichtet ? etwa durch weitere Behandlungsfälle, die zur Aufstockung seiner Patientendokumentationen führen, oder durch eine verbesserte räumliche, apparative oder personelle Ausstattung einer Praxis oder durch zukünftige Teilnahme an Kolloquien ? diese Voraussetzungen erfüllen wird, denn deren Berücksichtigung ist materiell-rechtlich durch die Ein-Jahres-Frist ausgeschlossen. Diese Frist stellt nicht etwa nur eine von der Beklagten verfahrenstechnisch zu beachtende Frist dar, sondern dient dem Zweck, eine schnelle Klärung von Fällen, für die die Vereinbarung einen Bestandsschutz vorsieht, vorzunehmen. Sie ist nicht geeignet, zukunftsgerichtet den Zugang zur gesamtvertraglich geregelten Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten zu ermöglichen.

Der Kläger erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 4 der Schmerztherapie-Vereinbarung. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er neben der vorrangig begehrten übergangsrechtlichen Abrechnungsgenehmigung auch die allgemeine Genehmigung zur Teilnahme an der schmerztherapeutischen Versorgung nach § 6 Abs. 4 der Schmerztherapie-Vereinbarung begehrt. Hierin liegt keine unzulässige Klageänderung nach § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn auch über diese Genehmigung hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ? auch wenn sie dies nicht ausdrücklich so formuliert hat ? der Sache nach entschieden, sie war auch von Anfang an Gegenstand der Klage.

Jedoch liegen die Voraussetzungen zur Erteilung dieser Genehmigung nicht vor. Hierbei kann offen bleiben, ob der Kläger inzwischen die Voraussetzungen des § 3 der Schmerztherapie-Vereinbarung erfüllt. Zwar ist der Kläger inzwischen ? anders als während des erstinstanzlichen Verfahrens ? zum Führen der Gebietsbezeichnung für ein klinisches Fach nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung berechtigt. Jedoch ist zweifelhaft, ob er die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Schmerztherapie-Vereinbarung geregelten Tätigkeiten, die der Weiterqualifizierung dienen, abgeleistet hat. Dies kann im vorliegenden Rechtsstreit indessen offen bleiben, denn jedenfalls erfüllt der Kläger derzeit nicht die organisatorischen Anforderungen nach § 5 der Schmerztherapie-Vereinbarung. Nach § 5 Nr. 1 müsste er über eine rollstuhlgeeignete Praxis verfügen, was derzeit ? nach dem Vorbringen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung ? nicht der Fall ist. Schon aus diesem Grund kann (derzeit) der Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Genehmigung nach § 6 Abs. 4 der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht bestehen. In diesem Zusammenhang ist es für die vorliegende Entscheidung unerheblich, dass der Kläger sich im Termin zur mündlichen Verhandlung der Sache nach bereit erklärt hat, gegebenenfalls die Voraussetzungen für eine rollstuhlgeeignete Praxis zu schaffen. Denn wie bereits ausgeführt, ist allein die Sach? und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Entscheidung des Senats maßgeblich. Im Unterschied etwa zu einer Entscheidung durch die Beklagte kann eine gerichtliche Entscheidung auch nicht unter einer aufschiebenden Bedingung ergehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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