L 6 RJ 604/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 71/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 604/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 11. August 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Anrechnung von Ersatzzeiten für den Zeitraum November 1942 bis Sommer 1947 bei seiner Altersrente.

Der 1926 geborene Kläger gibt zu seinem Berufsleben an, keine Berufsausbildung durchlaufen zu haben, von 1940 bis 1959 in familienhafter Mithilfe landwirtschaftlicher Arbeiter, sodann bis 01.07.1965 abhängig beschäftigter Monteur und anschließend immer selbständiger Landwirt gewesen zu sein. Er hat nach seinem Versicherungsverlauf im Zeitraum 06.04.1959 bis 01.07.1965 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt, anschließend ist er vom 01.08.1965 bis 30.06.1969 arbeitslos gewesen; ab 01.01.1975 bis 31.12.1984 hat er freiwillige Beiträge geleistet. Sein Versicherungsverlauf enthält außerdem noch eine Rentenbezugszeit vom 01.02.1985 bis 31.12. 1990.

Seit 01.02.1985 bezog der Kläger von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit, die von der Beklagten ab 01.02.1991 in Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 1248 Abs.5 RVO umgewandelt wurde.

Am 11.11.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seine Rente neu festzustellen und bei der Rentenberechnung die Zeit vom November 1942 bis Sommer 1947 als Ersatzzeit zu berücksichtigen; er habe den Reichsarbeitsdienst sowie militärischen Dienst abgeleistet und sei anschließend in Kriegsgefangenschaft gewesen.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26.11.2003 und Widerspruchsbescheid vom 17.12.2003 ab. Bei der Berechnung des Altersruhegelds sei die geltend gemachte Ersatzzeit nicht anrechenbar gewesen, weil die nach § 1251 RVO erforderlichen Anrechnungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Ab 01.01. 1992 seien zwar gemäß § 250 SGB VI diese Anrechnungsvoraussetzungen entfallen; eine Neufeststellung der bereits laufenden Rente allein aus Anlass des In-Kraft-Tretens des SGB VI am 01.01.1992 sei aber durch § 306 Abs.3 SGB VI ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Die am 23.12.2003 zur Niederschrift bei der Beklagten eingereichte Klage wies das Sozialgericht Landshut (SG) mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2004 ab, wobei es gemäß § 136 Abs.3 SGG auf die Gründe der angegriffenen Bescheide verwies.

Mit seiner am 22.09.2004 zur Niederschrift des SG eingereichten Berufung gegen diesen ihm am 17.09.2004 zugestellten Gerichtsbescheid macht der Kläger geltend, die nach § 1251 RVO erforderlichen Voraussetzungen für die Anrechnung von Ersatzzeiten lägen vor.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 11.08. 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Rente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt neu festzustellen und dabei die Zeit vom November 1942 bis Sommer 1947 als Ersatzzeit zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten - Klageakte des SG Landshut; Rentenakten der Beklagten - und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 11.08.2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2003 sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass seine Renten unter Anrechnung von Ersatzzeiten vom November 1942 bis Sommer 1947 neu festgestellt werden.

Der Kläger kann sein Begehren nicht auf § 44 Abs.1 SGB X stützen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Der Kläger macht zwar geltend, beim Erlass der Rentenbescheide vom 11.06.1985 und 11.12.1990 seien zu Unrecht die angegebenen Ersatzzeiten vom November 1942 bis Sommer 1947 nicht berücksichtigt, die Renten somit zu Unrecht zu niedrig festgestellt worden. Dieses Vorbringen erweist sich jedoch als unzutreffend. Die fraglichen Ersatzzeiten sind nämlich nach dem für die Bescheide vom 11.06.1985 und 11.12.1990 anzuwendenden Recht der RVO nicht anrechenbar gewesen, wobei somit dahinstehen kann, ob und ggf. in welchem zeitlichen Umfang sie tatsächlich vorgelegen haben.

Nach § 1250 Abs.1 Buchst. b RVO waren bei der Rentenberechnung anrechnungsfähige Versicherungszeiten Zeiten ohne Beitragsleistung gemäß § 1251 RVO (Ersatzzeiten). Gemäß § 1251 Abs.1 Nr.1 RVO waren Ersatzzeiten (u.a.) solche, wie sie vom Kläger geltend gemacht werden, nämlich Zeiten des militärischen oder militärähnlichen Dienstes im Sinne der §§ 2 und 3 BVG, der auf Grund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist, sowie Zeiten der Kriegsgefangenschaft.

Diese Zeiten konnten nach § 1251 Abs.2 Satz 1 RVO als Ersatzzeiten nur angerechnet werden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte. Insbesondere auch die Voraussetzung einer Vorversicherung liegt nicht vor, weil der Kläger seine erste versicherungspflichtige Beschäftigung erst am 06.04.1959 aufgenommen hat.

An dieser relativ späten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit scheitert auch eine Anrechnung nach § 1251 Abs.2 Satz 2 Buchst. a RVO, wonach die Anrechnung von Ersatzzeiten auch ohne vorhergehende Versicherungszeiten möglich war, wenn innerhalb von drei Jahren nach Beendigung der Ersatzzeit oder einer durch sie aufgeschobenen oder unterbrochenen Ausbildung eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden ist. Denn die hier normierte Frist von drei Jahren beginnt mit dem Ende der angegebenen Ersatzzeiten im Sommer 1947 und endet, da der Kläger keine Berufsausbildung durchlaufen hat, bereits im Sommer 1950, also lange vor dem 06.04.1959.

Die Anrechnung der geltend gemachten Ersatzzeiten war nach § 1251 Abs.2 Satz 2 Buchst. c RVO auch dann möglich, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nach Ablauf der in Buchstabe a genannten Frist von drei Jahren aufgenommen worden war und die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter sechzig Monaten, mit Beiträgen für eine rentenversicherungs-pflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt gewesen ist (sog. Halbdeckung); hierbei wurden der Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung und der Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten war, nicht mitgezählt, jedoch die hierfür entrichteten Pflichtbeiträge. Bei der Ermittlung der Anzahl der Kalendermonate vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles blieben die auf die Zeit nach Eintritt in die Versicherung entfallenden Ersatzzeiten, Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.1986, Ausfallzeiten nach § 1259 Abs.1 Nr.1 bis 4 RVO, die gesamte Ausfallzeit nach Art.2 § 14 ArVNG und Zeiten eines Rentenbezuges unberücksichtigt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1259 Abs.3 RVO nicht erfüllt waren. Diese Anrechnungsvoraussetzung der Halbdeckung ist beim Kläger ebenfalls nicht erfüllt gewesen, wie die vom Senat nachgeprüfte zutreffende maschinelle Berechnung der Beklagten in Anlage 4 des Bescheides vom 11.12.1990 (vgl. Blatt 90 Rs. der Rentenakte) zeigt. Diese Berechnung bezieht sich zwar auf die Frage der Anrechnung von Ausfallzeiten nach § 1259 RVO; die Anrechnungsvoraussetzungen für Ausfallzeiten, § 1259 Abs.3 RVO, und Ersatzzeiten, § 1251 Abs.2 RVO, sind jedoch identisch.

Damit waren also nach dem bis 31.12.1991 geltenden Recht der RVO die geltend gemachten Ersatzzeiten nicht anrechenbar, wobei - wie bereits oben ausgeführt - dahinstehen kann, ob und ggf. in welchem Umfang sie vorgelegen haben. Die Bescheide vom 11.06.1985 und 11.12.1990 sind somit nicht nach § 44 SGB X zurückzunehmen (wobei in diesem Zusammenhang § 44 Abs.4 SGB X unbeachtet bleiben kann).

Nach dem ab 01.01.1992 geltenden Recht werden die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente u.a. auch aus den beitragsfreien Zeiten ermittelt, vgl. § 66 Abs.1 Nr.2 SGB VI, wozu nach § 54 Abs.4 SGB VI auch Ersatzzeiten gehören. Ersatzzeiten sind u.a. die in § 250 Abs.1 Nr.1 SGB VI genannten Zeiten, die mit den in § 1251 Abs.1 Nr.1 RVO genannten Ersatzzeiten identisch sind. Da eine der Bestimmung des § 1251 Abs.2 RVO entsprechende Anrechnungsvorschrift fehlt, wären die angegebenen Ersatzzeiten, wenn sie tatsächlich vorliegen, was aber - vgl. unten - dahinstehen kann, nach neuem Recht grundsätzlich anrechenbar (vgl. KassKomm-Niesel, Stand: August 2004, § 250 SGB VI Rdnr.4).

Einer entsprechenden Neufeststellung steht jedoch § 306 Abs.1 SGB VI entgegen. Hiernach werden aus Anlaß einer Rechtsänderung die einer Rente zugrundegelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt, wenn der Anspruch auf Leistung der Rente bereits vor dem Zeitpunkt der Änderung rentenrechtlicher Vorschriften bestanden hat.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend gegeben (vgl. zum folgenden das BSG-Urteil vom 23.05.1995 - 13/4 RA 35/94 = SozR 3-2600 § 306 Nr.1 zur Frage der Neufeststellung wegen nach altem Recht nicht anrechenbarer Ersatzzeiten - wie vorliegend -; vgl. auch KassKomm-Niesel, Stand: August 2004, § 306 SGB VI Rdnr.3). Beim Kläger bestand vor dem In-Kraft- Treten des SGB VI am 01.01.1992 ein Anspruch auf Altersruhe- geld (seit 11.12.1990). Es geht ihm auch allein aus Anlass der Rechtsänderung in Gestalt des Inkrafttretens der Regelungen des SGB VI um eine neue Bestimmung der seiner Rente zugrundegelegten persönlichen Entgeltpunkte (die laufende nach den Vorschriften der RVO berechnete Rente ist gemäß § 307 Abs.1 SGB VI in Entgeltpunkte umgewertet, aber nicht neu festgestellt worden). Erst dadurch, dass § 250 SGB VI keine dem alten § 1251 Abs.2 RVO entsprechenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anrechnung von Ersatzzeiten mehr enthält, wäre angesichts des Versicherungsverlaufs des Klägers nach neuem Recht eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich. Der Auffassung des BSG (vgl. a.a.O. mit weiteren Nachweisen) ist zu folgen, dass nach § 306 Abs.1 SGB VI eine Neubestimmung der Entgeltpunkte auch dann ausscheidet, wenn - wie hier - allein aufgrund einer Rechtsänderung (weitere) beitragsfreie Zeiten (Anrechnungs-, Ausfall- oder Ersatzzeiten) anrechenbar werden.

Da der Kläger somit eine Neufeststellung seiner Renten nicht verlangen kann, war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 11.08.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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