L 17 U 30/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 332/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 30/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.11.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalles vom 17.10.1998 über den 30.04.2001 hinaus streitig.

Der 1961 geborene Kläger erlitt am 17.10.1998 einen Arbeitsunfall. Beim Füllen eines Schwingförderers mit Rohlingen rutschte er auf öligem Boden aus und fiel direkt auf die rechte Schulter. Dabei zog er sich eine Prellung des rechten Oberarmes, Skapulahalsfraktur rechts sowie Schulterpfannenfraktur rechts zu (Durchgangsarztbericht des Prof. Dr.W. vom 17.10.1998/05.11.1998). Vom 26.10. bis 06.11.1998 wurde er stationär im Krankenhaus St.J. S. behandelt. Arbeitsunfähig krank war er bis 14.03.1999.

Die Beklagte zog Arztberichte des Krankenhauses St.J. S. und des Chirurgen Dr.H. vom 17.12.1998/ 22.02.1999 sowie Auskünfte über Erkrankungen des Klägers von der Techniker Krankenkasse W. vom 16.03.1999 und der BKK Post vom 13.04.1999 zum Verfahren bei. Sodann erstellte Dr.H. am 10.05.1999 ein Gutachten, in dem er eine Hautnarbe über der vorderen Schulterpartie rechts, posttraumatische Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk, eine leichte Knochennarbe im Bereich des Skapulahalses sowie glaubhafte Bewegungs- und Belastungsschmerzen im rechten Schultergelenk als Unfallfolgen annahm. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er bis 03.05.1999 mit 30 vH, anschließend 20 vH. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des beratenden Chirurgen Dr.H. vom 07.07.1999 ein und gewährte mit Bescheid vom 28.07.1999 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 vH ab 15.03.1999. Als Folgen des Arbeitsunfalles vom 17.10.1998 anerkannte sie: Verbreiterte, teils druckschmerzhafte Hautnarbe über der vorderen Schulterpartie rechts, Bewegungseinschränkung im Schultergelenk, insbesondere bei der Seithebung des Armes und der Außendrehung des Schultergelenkes, geringe Verschmächtigung der Muskulatur des Armes, glaubhafte Beschwerden, leichte Knochennarbe des Schulterblatthalses bei noch liegendem Fremdmaterial nach verheiltem Bruch des Schulterblatthalses der rechten Schulter und mit Eigenknochenmaterial versorgtem Bruch einer vorbestehenden Knochenzyste im Bereich der rechten Schulterpfanne.

Nach Beiziehung eines für die LVA Unterfranken erstellten Gutachtens des Internisten Dr.H. vom 23.09.1999 veranlasste die Beklagte ein weiteres Gutachten des Dr.H. vom 27.10.1999. Dieser stellte keine wesentliche Änderung des objektiven Befundes gegenüber dem ersten Rentengutachten fest. Nach Durchführung eines Heilverfahrens in der Klinik B. Bad K. (stationärer Aufenthalt: 11.01. bis 08.02.2000) erstellte der Orthopäde Dr.H. am 07.02.2001 ein Gutachten, in dem er hinsichtlich der Unfallfolgen von einer verbreiterten, teils druckschmerzhaften Hautnarbe über der vorderen Schulterpartie rechts, mäßigen, glaubhaft schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk mit umschriebenen muskulären Schonzeichen sowie leichten reaktiven umformenden Veränderungen an der rechten Schulterpfanne bei noch liegendem Fremdmaterial nach verheiltem Bruch des Schulterblatthalses der rechten Schulter unter Mitbeteiligung der Schulterpfanne sowie reizlosen Operationsnarbe am linken Beckenkamm ausging. Eine wesentliche Besserung im Heilverlauf nahm er nicht an und bewertete die MdE weiterhin mit 20 vH. Der Beratungsarzt Dr.H. ging in einer Stellungnahme vom 14.03.2001 von einer geringgradigen Bewegungseinschränkung des rechten Oberarmes aus, wobei die objektiven Bewegungsausmaße nur eine MdE in Höhe von 10 vH rechtfertigten. Die deutlichen subjektiven Beschwerden mit Narbenempfindlichkeit und muskulärer Dysbalance bedingten eine Gesamt-MdE von 15 vH.

Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 21.03.2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.04.2001 eine Rente auf unbestimmte Zeit ab. Gleichzeitig entzog sie die bisherige vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats April 2001. Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte sie an: Verbreiterte Hautnarbe über der vorderen Schulterpartie rechts, mäßige, schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Schultergelenk, leichte Verschmächtigung der Schulterkappen- und Oberarmmuskulatur, glaubhafte bei Belastung zunehmende Beschwerden, leichte umformende Veränderungen an der Schulterpfanne bei noch liegendem Fremdmaterial nach verheiltem Bruch des Schulterblatthalses der rechten Schulter und mit Eigenknochenmaterial versorgtem Bruch einer vorbestehenden Knochenzyste im Bereich der rechten Schulterpfanne (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 19.09.2001).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und beantragt, die Rente über den 30.04.2001 hinaus weiter zu gewähren. Er hat sich auf das Gutachten des Dr.H. berufen und einen für seine private Unfallversicherung erstellten Arztbericht des Chirurgen Dr.M. vorgelegt. Der vom SG mit Gutachten vom 15.10.2002 gehörte Chirurg Dr.H. hat die Unfallfolgen im Bescheid vom 26.04.2001 mit einer MdE von 10 vH als angemessen bewertet angesehen. Das SG hat von Dr.M. ein chirurgisches Gutachten vom 04.08.2003 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Dieser ist von einer mehr als mäßigen Bewegungseinschränkung im Schultergelenk sowie einer deutlichen Verschmächtigung der Schulterkappen- und Oberarmmuskulatur ausgegangen und hat die Unfallfolgen mit einer MdE von 20 vH bewertet. Die Beklagte hat eine MdE von 15 vH für angemessen gehalten (Stellungnahme des Dr.H. vom 17.09.2003).

Mit Urteil vom 19.11.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Feststellungen der Dres.H. und H. bezogen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, die noch bestehenden Unfallfolgen bedingten eine MdE von 20 vH. Nach Beiziehung der einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen hat Prof. Dr.S. ein orthopädisches Gutachten vom 01.07.2004 erstellt und die MdE infolge des Arbeitsunfalles über den 30.04.2001 hinaus mit 10 vH bewertet. Mit Schreiben vom 05.08.2004 hat der Kläger vier CTs der rechten Schulter vom 20.10.1998 vorgelegt. In einer gutachtlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 25.08.2004 hat Prof. Dr.S. nach Auswertung der CTs an seiner Bewertung festgehalten.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 27.09.2004 die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG durch den Orthopäden Dr.P. beantragt. Der Berichterstatter hat die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG mit Schreiben vom 06.10.2004 abgelehnt. Anschließend hat der Kläger noch einen Durchgangsarztbericht des Dr.H. vom 12.11.2004 vorgelegt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 19.11.2003 sowie des Bescheides vom 26.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2001 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH über den 30.04.2001 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 19.11.2003 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Beklagtenakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente über den April 2001 hinaus (§§ 2 Abs 1 Nr 1, 8 Abs 1, 56 Abs 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII).

Verletztenrente ist nach § 56 Abs 1 SGB VII dann zu gewähren, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Arbeitsunfalles um wenigstens 20 vH gemindert ist. Eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles ist u.a. anzunehmen, wenn zwischen dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 245; 38, 127, 129; Bereiter-Hahn/Schiecke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, Anm. 3, 3.4 zu § 548 RVO).

Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr.S. und Dr.H. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen des Arbeitsunfalles nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert ist. Als Folgen des Arbeitsunfalles sind im Bereich der rechten Schulter lediglich eine Narbe nach operativem vorderen Schultergelenkszugang, endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter ohne relevante funktionelle Beeinträchtigung sowie subjektiv beklagte Kraftminderung und Schmerzen verblieben.

Am Unfalltag kam es bei dem Kläger zu einem Bruch im Bereich des ventro-caudalen Glenoids. Dabei handelte es sich um einen Impressionsbruch. Nach den vorliegenden Röntgenaufnahmen zeigte sich bei der Untersuchung am Unfalltag auch eine unfallunabhängige Zyste in diesem Bereich, die zu einer Schwächung der Knochenstruktur geführt hatte. Danach ist das geschilderte Unfallereignis (direkter Sturz auf die rechte Schulter) zwar nicht die alleinige Ursache des erlittenen Bruches, dennoch muss man es als wesentliche Teilursache der erlittenen Fraktur ansehen. Dies insbesondere deshalb, weil der Kläger vor dem Ereignis vollkommen beschwerdefrei war und körperlich schwer arbeiten konnte. Die Versorgung des Bruches wurde operativ vorgenommen, insbesondere die Schulterpfanne wieder angehoben und mit zwei Schrauben fixiert. Nach dem Röntgenverlauf konnte sie ohne wesentliche Gelenkstufe rekonstruiert werden. Für das Gelenk zwischen Oberarmkopf und Schulterpfanne zeigen sich jetzt keine relevant erkennbare Zeichen eines vorzeitigen Arthroseprozesses. Bei der körperlichen Untersuchung durch Prof. Dr.S. ergab sich auch kein Hinweis auf eine Instabilität im Bereich der rechten Schulter. Insgesamt ließ sich eine gute Beweglichkeit der Schulter, die nur als geringfügig und endgradig eingeschränkt bezeichnet werden kann, feststellen. Daraus resultiert keine funktionelle Beeinträchtigung. Im funktionellen Bereich zeigte sich eine gute aktive Beweglichkeit und Kraftentfaltung für die verschiedenen Bewegungen. Auch konnte bei der Umfangmessung der beiden oberen Gliedmaßen im Seitenvergleich keine ausgeprägte Seitendifferenz als Hinweis für eine schmerzbedingte Atrophie nachgewiesen werden.

Die vom Kläger geklagten Beschwerden im Bereich des linken oberen Beckenkammes (Narbenbereich) sind unfallfremder Natur. Sie gehen auf die Entnahme körpereigener Knochen zurück, um die unfallfremde Zyste aufzufüllen.

Eine rentenberechtigende MdE lässt sich aus den vorhandenen unfallbedingten Beeinträchtigungen nicht herleiten. Aufgrund der Beweglichkeit der rechten Schulter (für die Abspreizung und Nachvornebewegung von deutlich über 120°) kann die MdE nur mit unter 20 vH angenommen werden. Da aber gewisse Restbeschwerden nach dem operativen Eingriff mit Osteosynthese im Bereich des Glenoides nicht ausgeschlossen werden können, ist die MdE ab Mai 2001 mit 10 vH zu bewerten. Diese Beurteilung erfolgt in Anlehnung an Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl, S 604 und Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 11.Aufl, S 147, nach denen eine Bewegungseinschränkung bei Vorhebung bis 120° nur mit einer MdE von 10 vH korreliert.

Den Gutachten des Dr.H. und des Dr.M. kann der Senat hinsichtlich der Höhe der MdE nicht folgen. Die von Dr.H. festgestellte Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes ließ sich bei der Untersuchung durch Prof. Dr.S. nicht mehr finden. Die von Dr.H. beschriebene leichte reaktive umformende Veränderung an der rechten Schulterpfanne kann nicht als wesentlich angesehen werden und der Bruch im Bereich der Schulterpfanne ist gut verheilt. Eine wesentliche Stufe ist nicht mehr nachweisbar. Eine MdE von 20 vH ist deshalb nicht nachvollziehbar. Die im Gutachten von Dr.M. dokumentierte rechtsseitige schlechtere Beweglichkeit im Vergleich zu links war bei der Untersuchung durch Prof. Dr.S. nicht mehr festzustellen. Eine grobe Kraftminderung des rechten Schultergürtels ließ sich nicht attestieren. Da die Bewegungsausmaße für den Arm nach vorne und zur Seite eindeutig über 120 Grad liegen, kann aufgrund der Bewegungseinschränkung die MdE nicht über 10 vH liegen.

Die vom Kläger nachgereichen CT-Aufnahmen vom 20.10.1998 führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie bestätigen nur, dass die unfallfremde Zyste zu einer Schwächung der Knochenstruktur geführt hat. Der Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG bedarf es nicht. Bereits im ersten Rechtszug ist ein Arzt nach § 109 SGG (Dr.M.) gehört worden. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die die Einholung eines derartigen Gutachtens rechtfertigen würden (Meyer-Ladewig, SGG, 6.Aufl, § 109 Anm 10 a).

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Weitergewährung einer Verletztenrente. Das Urteil des SG Würzburg ist nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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