L 8 RJ 96/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 31 RJ 1645/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 96/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin des 1946 geborenen und 2002 verstorbenen Versicherten K L (im Folgenden Versicherter). Der Versicherte hat den Beruf des Zimmermannes erlernt und in diesem Beruf bis April 1997 gearbeitet. Vom 15. April 1997 an war er arbeitsunfähig erkrankt und hat vom 27. Mai 1997 an Krankengeld bezogen. Er war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.

Seinen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 23. August 1998 lehnte die Beklagte nach einer von ihr veranlassten Untersuchung durch die Ärztin für Innere Medizin Dr. W(vom 5. November 1998), wonach das Leistungsvermögen als Zimmermann aufgehoben sei, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten aber bestehe, mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 ab. Im Ergebnis des Widerspruchsverfahrens erkannte sie den Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Wirkung vom 1. August 1998 ausgehend von einem am 15. April 1997 eingetretenen Leistungsfall an (insoweit festgestellt mit Ausführungsbescheid vom 7. Juli 1999) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück, da nach den Feststellungen der Ärztin für Innere Medizin Dr. W ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten und bei einer Reihe weiterer qualitativer, aber nicht wesentlicher Einschränkungen noch bestehe und damit Erwerbsunfähigkeit nicht vorliege (Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 1999).

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin ein internistisches Gutachten durch den Arzt für Innere Medizin Prof. Dr. Heingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20. Mai 2000, das auf einer Untersuchung am 29. März 2000 und dabei durchgeführten bodyplethysmographischen und spirometrischen Lungenfunktionsprüfungen und ergometrischen Belastungsuntersuchungen beruht, eine chronische Bronchitis ohne Nachweis von Funktionsstörungen, Hinweise auf ein panlobuläres Lungenemphysem, eine Gasaustauschstörung, einen arteriellen Hypertonus Grad I, einen Zustand nach 2/3 Resektion des Magens, eine chronische Gastritis Grad II, ein Nebennierenadenom ohne Ausfallerscheinungen und ein HWS- und LWS-Syndrom ohne Wurzelreizerscheinungen diagnostiziert. Der Versicherte sei langjähriger Zigarettenraucher und die Schädigung des respiratorischen Systems damit erklärbar. Eine Asbestose liege nicht vor. Die Gasaustauschstörung, deren Ursache nicht geklärt sei, bestehe nicht in einem Ausmaß, dass dem Kläger auch leichte körperliche Arbeiten nicht mehr zugemutet werden könnten. Eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch eine kardiovaskuläre Erkrankung bestehe nicht. Auch durch die gastritische Erkrankung, die nach Angaben des Versicherten mit Magenbeschwerden und Sodbrennen eineinhalb Stunden nach den Mahlzeiten einhergingen, sei eine wesentliche Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht eingetreten. Bei Berücksichtigung aller Beschwerden verbleibe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen ohne einseitige Belastungen vor allem der Wirbelsäule in gut klimatisierten Räumen, nicht unter Zeitdruck, nicht an laufenden Maschinen und nicht in einem festgelegten Arbeitsrhythmus. Arbeiten, die mit Heben und Tragen von mittelschweren bis schweren Lasten einhergingen, seien zu unterlassen. Früh- und Spätschichten seien zumutbar, Nachtschichten dagegen nicht. Die Fingergeschicklichkeit, die Belastbarkeit der Hände und der Beine seien nicht reduziert. Für geistige Arbeiten bestünden keine Einschränkungen, ebenso wenig bei der Wegefähigkeit. Wegen der 2/3 Resektion des Magens müssten häufig kleine Mahlzeiten zu sich genommen werden. Aus diesem Grunde seien während einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich alle 2 Stunden kleine Pausen von etwa 10 Minuten zu gewährleisten.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 4. Januar 2000 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, ab dem 1. August 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Der Versicherte verfüge zwar über ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es liege jedoch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vor, die die Fähigkeit des Versicherten, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuüben, zusätzlich einschränke, da die bestehenden Krankheiten betriebsunübliche Pausen erforderlich machten. Er könne daher nicht mehr unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen tätig werden. Die Regelung des § 4 Arbeitszeitgesetz sehe bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und mehr eine Ruhepause von 30 Minuten vor, die in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden könne. Die vom Sachverständigen als notwenig erachtete Einlegung einer zehnminütigen Pause zur Einnahme von Zwischenmahlzeiten sei dadurch nicht gedeckt. Eine geeignete Verweisungstätigkeit habe die Beklagte nicht genannt. Die Tätigkeit des Pförtners komme nicht in Betracht. Auch wenn es im täglichen Arbeitsleben möglich sein möge, während der Arbeit kleinere Mahlzeiten einzunehmen, handele es sich dabei nicht um eine Pause im rechtlichen Sinn. Eine solche Pause werde nur dann gewährt, wenn es sich um eine im Voraus festliegende Unterbrechung der Arbeitszeit handele, in der der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung freigestellt sei. Jedenfalls habe der Versicherte als Pförtner auf die von der Beklagten angeführten Unterbrechungsmöglichkeiten bei der Arbeit keinen Rechtsanspruch. Bei einer Einstellung könne er mit anderen Regelungen, die in bestehenden Arbeitsverhältnissen aus Fürsorgegesichtspunkten gewährt würden, nicht rechnen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen Prof. Dr. Huckauf (vom 9. September 2001) eingeholt. Darin hat dieser dargestellt, dass die notwenigen kleineren Mahlzeiten sich auf die Einnahme vorgefertigter Nahrungsmittel beschränkten und eine Pause für deren Zubereitung nicht erforderlich sei. Solche kleineren Mahlzeiten bestünden nach seiner Auffassung aus belegtem Brot, Obst, Jogurt etc. Sie könnten auch während der Arbeit ohne nennenswerte Unterbrechung des Arbeitsablaufs eingenommen werden. Insofern sei seine vorangegangene Stellungnahme im Gutachten zu korrigieren. Ein Gutachtenauftrag des Senats auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zur Abklärung der vom behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. v H diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen konnte vor dem Tod des Versicherten nicht mehr durchgeführt werden. Der Senat hat einen Befundbericht der behandelnden Internistin Dr. B vom 26. Dezember 2002 eingeholt, wonach sich der Versicherte in der Zeit vom 30. Oktober 1999 bis zu seinem Tod weiterhin in einem schlechten Allgemeinzustand befunden habe. Angina pectoris-Beschwerden seien nie geklagt worden. Schließlich hat der Neurologe und Psychiater v H in einem Befundbericht vom 26. Januar 2004 im Einzelnen dargestellt, der Versicherte habe sich am 8. März 2000 bei seinem Praxisvorgänger Dr. K und am 15. Januar 2001 bei ihm vorgestellt. Es sei ein psychiatrisches Gespräch erfolgt; eine weitere Behandlung habe es nicht gegeben. Er habe eine Angsterkrankung, eine Alkoholabhängigkeit und den Verdacht auf organische Wesensveränderungen diagnostiziert.

Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Monat August 2002 anerkannt. Im Übrigen ergebe sich aus dem Befundbericht von Dr. B per se keine Minderung des qualitativen Leistungsvermögens. Sie ist weiter der Auffassung, eine spezifische Leistungseinschränkung im Sinne einer betriebsunüblichen Pausennotwenigkeit liege nicht vor. Die 2/3 Resektion des Magens habe 1977 stattgefunden, eine Therapie wegen der chronischen Gastritis sei nicht erfolgt, weitergehende Leistungseinschränkungen resultierten aus dieser Erkrankung nicht. Bei dieser Konstellation sei eine Pausennotwendigkeit nicht nachvollziehbar. Entsprechend habe der Sachverständige entgegen seinen Feststellungen im Gutachten vom 20. Mai 2000 im Berufungsverfahren bestätigt, dass Pausen im eigentlichen Sinne nicht benötigt würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2000 aufzuheben, soweit dem verstorbenen Versicherten damit Erwerbsunfähigkeitsrente für Zeiten vor dem 1. August 2002 zugesprochen wurde, und abzuändern, soweit danach für den Monat August 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit statt Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen ist, und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Jedenfalls ergebe sich eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die eine konkrete Benennungspflicht nach sich zöge. Der Pförtnerberuf sei angesichts des handwerklich geprägten Berufslebens des Versicherten nicht als Verweisungstätigkeit geeignet. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er die für den Umgang mit Besuchern und Lieferanten und die Erteilung von Auskünften erforderlichen Voraussetzungen erfüllt habe.

Dem Senat haben die Akten der Beklagten (Az.: 25 190849 P 025) sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin (Az.: S 31 RJ 2113/00) vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt hatten (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die zulässige Berufung ist begründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist nur noch der Anspruch des Versicherten auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit von August 1998 bis Juli 2002, den nach seinem Tode die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin im Sinne des § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) weiterhin geltend macht, nicht dagegen mehr ein Anspruch auf Rente für Erwerbsunfähigkeit für August 2002. Unabhängig davon, ob ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, den die Beklagte für den Monat August 2002 anerkannt hat, Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden ist und der Senat also zu der von der Beklagten beantragten Änderung des sozialgerichtlichen Urteils berechtigt gewesen wäre, hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 6. März 2003 mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für Zeiten nach dem 31. Juli 2002 nicht mehr beansprucht. Für den Monat August 2002 ist der Rechtsstreit damit auf andere Weise als durch Urteil erledigt, so dass für eine Entscheidung des Senats insoweit kein Raum mehr ist.

Der streitige Anspruch besteht in der Sache nicht. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1999 erweist sich als rechtmäßig, soweit die Klägerin ihn noch angreift.

Auf den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch finden die Vorschriften über die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] a.F.) weiterhin Anwendung (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. besteht für Versicherte, wenn sie erwerbsunfähig sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI a.F.), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 und § 43 Abs. 3 und 4 SGB VI a.F; sog Drei-Fünftel-Belegung) und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI a.F.). Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs. 2 SGB VI a.F.).

Der Versicherte, der die genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum geltend gemachten Beginnzeitpunkt der Rente erfüllt hatte, war nicht erwerbsunfähig. Mit dem ihm verbliebenen Leistungsmögen konnte er im streitigen Zeitraum Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig ausüben. Nach kritischer Auseinandersetzung mit den medizinischen Gutachten, die im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren eingeholt worden sind, und nach Würdigung der übrigen vorliegenden medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass er noch körperlich leichte und geistig (seiner Ausbildung entsprechend) mittelschwere Tätigkeiten in geschlossenen Räumen vorwiegend im Sitzen ohne einseitige körperliche Belastungen und ohne festgelegten Arbeitsrhythmus, nicht an laufenden Maschinen und ohne Zeitdruck (wie etwa Akkord- und Fließbandarbeiten), ohne Wechsel- und Nachtschichtdienste und ohne Arbeiten in andauernden Zwangshaltungen bzw. mit besonderer Belastung der Wirbelsäule verrichten konnte, wie der allgemeine Arbeitsmarkt sie bietet. Ein zeitlich reduziertes oder gar aufgehobenes Leistungsvermögen für leichte körperliche und geistige Tätigkeiten bestand nicht. Trotzdem der Versicherte an den Folgen eines akuten Herzinfarktes verstorben ist, ist insbesondere nicht ersichtlich, dass zuvor eine koronare Erkrankung bestanden hat, die das Leistungsvermögen für leichte Arbeiten nachhaltig beeinträchtigt hätte. Dies hat Prof. Dr. H ausdrücklich und auf der Grundlage ausführlicher Untersuchungen verneint. Der nachfolgende Befundbericht der Ärztin Dr. B ist nicht aussagekräftig genug, um zu einer anderen Schlussfolgerung kommen können. Schließlich konnte eine grundlegende Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten durch eine seelische Erkrankung nicht nachgewiesen werden, was nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht. Der im sozialgerichtlichen Verfahren tätig gewesene Sachverständige hat irgendeinen Anhalt für eine Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens durch eine Erkrankung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht erkennen können. Das dieser Einschätzung entgegenstehende ärztliche Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. H konnte allenfalls Anlass zu einer gutachterlichen Untersuchung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen geben, die nicht mehr abgeschlossen werden konnte. Eine eingehende Einschätzung der Leistungsfähigkeit ist durch Dr. van Heys nicht vorgenommen worden. Dies ist auch nachvollziehbar, denn es hat über die einmalige Vorstellung bei ihm und seinem Praxisvorgänger hinaus keine weitergehende Überprüfung des Gesundheitszustandes in kürzeren Abständen und keine Therapie stattgefunden, die Rückschlüsse auf gesundheitliche Beeinträchtigungen oder gar das Leistungsvermögen zuließen.

Mit diesem Leistungsvermögen war der Versicherte nicht erwerbsunfähig. Insbesondere ergibt sich aus den vorliegenden körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen keine Pflicht zur Benennung einer bestimmten Tätigkeit. Eine besondere spezifische Leistungsminderung, die nach den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen wegen erheblicher Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes die Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit auslösen könnte (vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 104, 117), liegt entgegen der Auffassung des SG nicht vor. Weder ergibt sich eine solche Einschränkung bei Beachtung der für den Versicherten notwendig gewesenen Pausen noch liegen Anhaltspunkte für einen Fall der sog. Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen vor.

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erheblich ist, ob Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann. Bei Vollzeittätigkeiten ist dann zu prüfen, ob es Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt, wenn der Versicherte die Erwerbstätigkeit nur unter nicht üblichen Arbeitsbedingungen verrichten kann. Solche nicht üblichen Arbeitsbedingungen sind auch zusätzliche, nicht in der AZO bzw dem seit dem 1. Juli 1994 geltenden § 4 Arbeitszeitgesetz vorgeschriebene Pausen. Wenn der Versicherte solche zusätzlichen Pausen benötigt, besteht eine schwere Leistungsbehinderung auch für die Verweisbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSG vom 6. 6. 1986 SozR 2200 § 1246 Nr 136). Das BSG hat allerdings sowohl in dem zuletzt genannten Urteil als auch in dem Urteil vom 30.5.1984 (SozR 2200 § 1247 Nr 43) und schließlich in der Entscheidung vom 20. 4. 1993 (5 RJ 34/92) klargestellt, dass ein Versicherter nicht schon deshalb erwerbsunfähig ist, weil er über die in der AZO bzw. ArbZG vorgeschriebenen Pausen hinaus zusätzliche Pausen während der Arbeitszeit benötigt. Entscheidend ist nach dieser Rechtsprechung, in welchem Umfang Arbeitsplätze vorhanden sind, bei denen der Arbeitnehmer solche zusätzlichen Pausen tatsächlich in Anspruch nehmen kann. Dabei ist nicht notwendig, dass entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen über Pausenregelungen bestehen. Ausreichend ist es auch, wenn tatsächlich Arbeitsplätze vorhanden sind, die dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechen. Dies hat das SG ungeprüft gelassen, sondern ist pauschal davon ausgegangen, dass die von ihm als notwendig unterstellten weiteren Pausen aus Fürsorgegesichtspunkten nur langjährig Beschäftigten gewährt würden.

Der Senat sieht sich zu weitergehenden Ermittlungen diesbezüglich nicht gedrängt (vgl. zu den Ergebnissen solcher Ermittlungen etwa LSG Hessen Urteil vom 28. Januar 2003 - L 2 RJ 1181/00, Nachrichten der LVA Hessen 2003, 43, wonach die Einlegung von zwei zusätzlichen Pausen von je 15 Minuten Dauer in den Mitgliedsunternehmen des Verbandes der Metall- und Elektrounternehmen Hessen eV möglich ist). Im Ergebnis der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. Hvom 9. September 2001 ist die medizinische Notwendigkeit, dem Versicherten zusätzliche Pausen im Rechtssinne zu gewähren, ohnehin nicht ersichtlich. Eine Pause im Rechtssinn setzt – wie das SG zutreffend dargelegt hat – eine Unterbrechung der Arbeit voraus, die nicht lediglich ein rein faktisches Abbrechen der tatsächlichen Leistung der versprochenen Dienste, sondern die Befreiung von der Arbeitspflicht bedeutet. Der Begriff der Ruhe-Pause soll sie von anderen Erscheinungen zeitlichen Aussetzens mit der Arbeitsleistung abgrenzen. Der Mitarbeiter soll sich während dieses Zeitraums erholen und neue Kraft schöpfen können, und sie also zu seiner eigenen freien Verfügung haben. Solche zusätzlichen Pausen benötigte der Versicherte auf der Grundlage der Stellungnahme des Prof. Dr. H nicht. Eine bestimmte langsame und gründliche ("ruhige") Nahrungsaufnahme ist bei den vom Sachverständigen geforderten Arbeitsunterbrechungen ebenso wenig notwendig wie eine zeitaufwendige Vorbereitung der Nahrung, also insbesondere ein Aufwärmen der Speisen. Eine eigentliche Arbeitsunterbrechung ist mit der danach erforderlichen Unterbrechung der Arbeit aber nicht verbunden, wie der Sachverständige ausdrücklich ausgeführt hat. Das Essen eines Brotes oder eines Stückes Obst ohne eigentliche Unterbrechung der Arbeit wird aus Sicht des Senats im Arbeitsleben jedoch toleriert, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass der Versicherte über einen Zeitraum von fast 20 Jahren trotz der Folgen der Magenoperation ersichtlich keine Probleme mit dem Arbeitsablauf im Baugewerbe hatte. Die beschriebene Notwendigkeit der Unterbrechung der Arbeit stellt damit keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung dar.

Ein Fall der sog. Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, der ebenfalls die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich machte, liegt nicht vor. Eine schwere oder die Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkung neben der dargestellten Notwendigkeit der Unterbrechung der Arbeit durch eine regelmäßige Essensaufnahme wird aus dem Gutachten von Prof. Dr. H nicht ersichtlich. Die von dem Sachverständigen genannten Einschränkungen - Ausschluss von Tätigkeiten, die nicht überwiegend im Sitzen erfolgen, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind sowie der Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst und an laufenden Maschinen – gehören allesamt nicht zu den Einschränkungen, die zu Benennungspflicht führen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) ist nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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