L 1 RJ 60/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 39 RJ 1001/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 60/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juni 2004 wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten in beiden Instanzen. 3. Der Streitwert wird auf 472,58 EUR festgesetzt. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Erstattungsverpflichtung in Höhe von 472,58 EUR.

Der am XX.XXXXXXX 1923 geborene, seit 1987 verwitwete - am XX.XXXXXX 2002 verstorbene - H. W. (Versicherter) bezog von der Beklagten Altersrente, die monatlich auf sein Konto bei der D. Bank XX überwiesen wurde. Er lebte zuletzt mit Frau I. S. zusammen, die nach dem privatschriftlichen Testament vom XX.XXXXXX 1997 seine Erbin war und ab Mai 2002 in einem Alten- und Pflegeheim lebte. Die Wohnungsmiete des Versicherten wurde vom Kläger, einem Hausmakler und Grundstücksverwalter, mittels Lastschrifteinzuges (Einzugsermächtigung) monatlich vom Konto des Versicherten eingezogen. Als am 29. April 2002 noch die Altersrente für den Monat Mai (1.033,84 EUR) auf diesem Konto einging, waren dort 439,98 EUR als Haben verbucht. Am 29. April 2002 ging auf dem Konto eine weitere Zahlung von 666,00 EUR ein. Dann wurden Beträge von 44,10 EUR, 40,90 EUR und 24,00 EUR abgebucht, bevor am 3. Mai 2002 die monatliche Miete von 472,58 EUR vom Kläger eingezogen wurde. Der Betrag von 666,00 EUR wurde wegen Überzahlung an die Bundeskasse Kiel zurück überwiesen, so dass am 28. Mai 2002 der Kontostand 1.068,74 EUR betrug. Hiervon zog die D. Bank zunächst eine Kontoführungsgebühr von 17,94 EUR ab, die sie der Beklagten später erstattete. Frau S. überwies den restlichen Betrag von 1.050,80 EUR auf ihr eigenes Konto und löste das Konto des Versicherten am 3. Juni 2002 auf. Sie bezahlte die Miete für die zum 31. August 2002 gekündigte Wohnung des Versicherten für die Monate Mai bis August 2002 an den Kläger.

Aus der Rentenzahlung für Mai 2002 verblieb noch eine Überzahlung von 1.010,52 EUR. Diesen Betrag versuchte die Beklagte zunächst von Frau S. zurückzubekommen, was durch deren Tod vom XX.XXXXXXXX 2003 vereitelt wurde. Nunmehr wandte sich die Beklagte im Wege der Anhörung an den Kläger. Sie forderte ihn unter dem 12. und 19. Juni 2003 unter Hinweis auf § 118 Abs. 4 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf, den Mietbetrag von 472,58 EUR zurückzuerstatten. Diesem Begehren kam der Kläger mit der Begründung nicht nach, dass er vom Tod des Versicherten erst am 28. Mai 2002 erfahren und das Mietverhältnis noch bis zum 31. August 2002 gedauert habe. Daraufhin erließ die Beklagte den Erstattungsbescheid vom 9. Juli 2003 über 472,58 EUR. Der Kläger widersprach. Der Mietzins für Mai 2002 sei nicht aus der überzahlten Rente, sondern aus einem anderen Guthaben des Kontos abgerufen worden. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2003 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 29. Oktober 2003 erhobene Klage, mit der der Kläger u. a. geltend gemacht hat, dass er nicht Empfänger der Miete, sondern lediglich Verwalter der Wohnung des Versicherten (gewesen) sei. Zahlungsempfänger sei der von ihm vertretene Eigentümer der Wohnung gewesen.

Das Sozialgericht hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage durch Urteil vom 9. Juni 2004 abgewiesen sowie die Berufung zugelassen. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI n. F., der hier schon Anwendung finde, lägen vor. Der Kläger sei auf Grund der Abbuchung zu Gunsten seiner Grundstücks- und Hausverwaltung Empfänger des Betrages von 472,58 EUR gewesen. Die Beklagte habe auf den Kläger zurückgreifen können.

Gegen das ihm am 11. Juni 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Juli 2004 Berufung eingelegt. Er bringt vor, keinen Einblick in das Konto des Versicherten gehabt zu haben, und wiederholt, nicht Empfänger des eingezogenen Mietbetrages, sondern lediglich Besitzmittler an dem Geldbetrag für den Eigentümer und Vermieter gewesen zu sein. Er halte daran fest, dass der Mietzins nicht aus Rentenmitteln, jedenfalls nicht in einer Höhe von 439,98 EUR, die sich am 29. April 2002 noch als Guthaben auf dem Konto des Versicherten befunden hätten, abgebucht worden sei. Auch in Höhe des Restbetrag von 32,60 EUR sei nicht sicher, dass dieser aus der in Rede stehenden Rentenzahlung befriedigt worden sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juni 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die kraft Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 9. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2003 ist rechtmäßig. Der Kläger ist verpflichtet, den am 3. Mai 2002 vom Konto des Versicherten abgebuchten Betrag von 472,58 EUR zu erstatten.

Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistung unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen (§ 118 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB VI n. F.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Zwar ist § 118 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB VI n. F. erst zum 29. Juni 2002 in Kraft getreten (Art. 8 Nr. 6 iVm Art. 25 Abs. 8 des Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungs-Neuregelungsgesetzes (HZvNG) vom 21. Juni 2002, BGBl. I S. 2167, 2181, 2189), als sowohl die Rentenüberzahlung erfolgt als auch der Einzug bereits durch den Kläger vorgenommen worden und damit der (etwaige) Erstattungsanspruch entstanden war. Jedoch ist auf den gegebenen Sachverhalt dennoch das neue Recht anzuwenden. Denn nach § 300 Abs. 1 SGB VI sind Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die Anwendung der durch das HZvNG aufgehobenen früheren Fassung des § 118 Abs. 4 (idF des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl. I S. 1824) nach § 300 Abs. 2 SGB VI kommt nicht in Betracht, weil die Geltendmachung der Erstattungsforderung durch die Beklagte gegenüber dem Kläger später als drei Monate nach der Gesetzesänderung erfolgte (vgl. BSG v. 11. Dezember 2002, B 5 RJ 42/01 RSozR 3-1500 § 54 Nr. 46).

Am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI n. F. besteht kein Zweifel. Die Monatsrente für Mai 2002 wurde für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht, weil dem Versicherten über den April 2002 Altersrente wegen seines Todes nicht mehr zustand. Außerdem wurde der Mietzins für Mai 2002 auf das Konto des Klägers im Wege des Lastschrifteinzuges weitergeleitet. Dies genügt zur Erfüllung des Erstattungstatbestandes. Alle hiergegen erhobenen Einwände des Klägers hat das Sozialgericht zutreffend als rechtlich unerheblich qualifiziert. Auf die erstinstanzlichen Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, wird insoweit Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Berufungsverfahren hat der Kläger nichts Neues vorgebracht. Ob er Einblick in das Versichertenkonto – dessen Bewegungen im Tatbestand aufgeführt sind - hatte, ist ebenso unerheblich wie seine – im Übrigen unzutreffende – Behauptung, er habe den Mietzins nicht "aus der Rente" eingezogen. Schließlich entbehren auch die Ausführungen des Klägers, er sei nicht "Empfänger" des entsprechenden Betrages gewesen, einer rechtlichen Grundlage. Denn er hat den von der Beklagten zurückgeforderten Betrag eingezogen. Soweit der Kläger sich sinngemäß auf Vertrauensschutz beruft, dringt er damit nicht durch. Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist ein eigener, von § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch losgelöster Anspruch. Der erstattungspflichtige Empfänger kann sich auf Vertrauensschutz nicht berufen.

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Senat hat die Kostenentscheidung des Sozialgerichts geändert (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 197a Rdnr. 12), weil der Kläger nicht zum Personenkreis des § 183 SGG gehört, auf den das Gerichtskostengesetz (GKG) keine Anwendung findet.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den Vorschriften des GKG in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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