L 24 KR 6/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 177/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 6/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob die Klägerin als Niederlassungsleiterin und stille Gesellschafterin einer Steuerberatungsgesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Beigeladene zu 3., eine in E. ansässige Steuerberatungsgesellschaft, betreibt eine Vielzahl von Niederlassungen in Deutschland mit dem Geschäftsmodell, das die Niederlassungsleiter als stille Gesellschafter der Beigeladenen zu 3. - lediglich für die jeweilige Niederlassung - an dieser beteiligt werden.

Die Klägerin ist seit dem 01. April 1992 Niederlassungsleiterin der Beigeladenen zu 3. in P. Grundlage ihrer Tätigkeit sind ein Anstellungsvertrag vom 05. März 1992 und ein Vertrag zur Gründung einer stillen Gesellschaft vom selben Tage.

In dem Anstellungsvertrag ist unter anderem Folgendes geregelt:

§ 1

...

2. Eine bestimmte Arbeitszeit ist nicht vereinbart. Es besteht jedoch Übereinstimmung darin, dass die wöchentlich Durchschnittsarbeitszeit mindestens 40 Stunden beträgt und die Einteilung der Arbeitszeit sich nach den betrieblichen Erfordernissen der Gesellschaft zu richten hat ...

3. Der Niederlassungsleiter verpflichtet sich, für die Laufzeit dieses Vertrages seine Arbeitskraft, seine Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zu widmen (ausgenommen Tätigkeit für Ehemann).

Er ist mit Rücksicht auf seine hervorragende Stellung als Vertreter der Gesellschaft nicht berechtigt, sonstige aktive Geschäfte für Eigen- und Fremdrechnung zu betreiben; ...

§ 2

1. Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Niederlassung hinausgehen, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Geschäftsführung.

Hierzu zählen zum Beispiel:

a) die Erteilung und der Widerruf von Prokuren, Generalvollmachten und Handlungsvollmachten jeder Art;

b) die Einstellung und die Entlassung von Berufsangehörigen sowie solcher Arbeitnehmer, deren Gehalt DM 3 000,00 monatlich übersteigt, ...

§ 3

1. Der Niederlassungsleiter erhält eine Vergütung, die jeweils durch Vereinbarung mit der Geschäftsführung festzulegen ist. Vom 01. April 1992 an wird das Gehalt auf DM 42 000,00/Jahr festgelegt plus Pkw.

Auf das Jahresgehalt erfolgen monatliche Vorauszahlungen von DM 3 500,00.

2. Ist der Niederlassungsleiter an der Ausübung seiner Tätigkeit durch Krankheit oder andere unverschuldete Ursachen vorübergehend gehindert, bleiben ihm seine Bezüge für die Zeit der Behinderung bis zur Dauer von drei Monaten erhalten.

Die Weiterzahlung der Bezüge vermindert sich jedoch um den Betrag, der dem von einer Krankenkasse gezahlten Krankengeld entspricht.

...

§ 5

Urlaub

Der Niederlassungsleiter hat Anspruch auf 25 Tage bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. Der Niederlassungsleiter hat den Zeitpunkt seines Urlaubes in Abstimmung mit der Geschäftsführung so einzurichten, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung getragen wird.

...

§ 7

Kündigung

1. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann mit einer Frist von sechs Monaten zu jedem Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden.

...

In dem Gesellschaftsvertrag zwischen der Beigeladenen zu 3. und der Klägerin wird unter anderem Folgendes geregelt:

§ 1

Die "GmbH" unterhält unter anderem in P. eine auswärtige Beratungsstelle, in der sie Steuerberatung betreibt. Dort werden eine eigene Buchführung erstellt und eigene Bankkonten geführt ...

Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Steuerberatungspraxis ...

§ 2

1. Die "GmbH" räumt dem "stillen Gesellschafter" eine atypische stille Beteiligung nur an der auswärtigen Beratungsstelle in P. ein, und zwar in Höhe von 15 % des Gesamtpraxiswertes einschließlich stiller Reserven und Praxiswert.

2. Die Niederlassung (stille Gesellschaft) wird mit einem, den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen dieses Vertrages unter-liegenden, Festkapital in Höhe von DM 20 000,00 ausgestattet.

Entsprechend seiner Beteiligungsquote entfällt auf den "stillen Gesellschafter" zu 1. ein Kapitalanteil in Höhe von DM 3 000,00.

Dieser Kapitalanteil ist von den "stillen Gesellschaftern" in bar einzulegen.

3. Sobald die auswärtige Beratungsstelle in eine Niederlassung umgewandelt wird, gilt die Beteiligung sinngemäß an der Niederlassung.

...

§ 3

Die Gesellschaft beginnt am 01. April 1992 und kann frühestens zum 31. Dezember 1995 gekündigt werden.

...

§ 4

Für die auswärtige Beratungsstelle ist ein separates Rechenwerk zu führen und jährlich eine Bilanz auf den Schluss des Wirtschaftsjahres aufzustellen.

Die "stillen Gesellschafter" haben die Informations- und Kontrollrechte gemäß §§ 118 HGB und 716 BGB ...

§ 5

Die Gesellschafter fassen ihre Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung oder wenn alle Gesellschafter damit einverstanden sind, außerhalb der Gesellschafterversammlung in beliebiger Form ...

a) Eine Gesellschafterversammlung kann von jedem Gesellschafter mit einer Frist von zwei Wochen, die mit dem Tag der Postaufgabe der Einladung beginnt und unter Angabe der Tagesordnung einberufen werden. Sie findet an Sitz der "GmbH" statt, kann jedoch auch durch besonderen Hinweis an anderen Orten innerhalb Deutschlands stattfinden.

...

c) Zur Beschlussfähigkeit müssen mindestens zwei Gesellschafter und 91 % sämtlicher Stimmrechte anwesend oder vertreten sein (siehe unter d).

Kommt eine beschlussfähige Gesellschafterversammlung nicht zustande, so ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften wie unter a) eine zweite Gesellschafterversammlung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf die vertretenen Stimmen beschlussfähig ist.

d) Die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung erfolgt nach Stimmen. Jeder Prozentpunkt der Beteiligung ergibt eine Stimme.

Die Gesellschafter beschließen mit einer Mehrheit von 91 % der vorhandenen Stimmen. Über die Änderung dieses Gesellschafter-vertrages und die Auflösung der Gesellschaft kann nur einstimmig beschlossen werden.

...

§ 7

Der Gesellschafter der die auswärtige Beratungsstelle in Potsdam betreibenden Gesellschaft ist am Ergebnis und am Vermögen - einschließlich der stillen Reserven - dieser stillen Gesellschaft wie folgt beteiligt:

1. die Geschäftsinhaberin, "GmbH", mit 85 %

2. der "stille Gesellschafter" mit 15 %

Eine Beteiligung der "stillen Gesellschafter" an Verlusten der auswärtigen Beratungsstelle in Potsdam über seine Vermögenseinlage hinaus ist gemäß § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB ausgeschlossen.

Sollten dem Geschäftsinhaber wegen der Begrenzung des Abs. 2 höhere Verlustanteile zugerechnete werden als es seiner Beteiligung entspricht, werden ihm diese Differenzbeträge in folgenden Gewinnjahren als Vorhabgewinn zugerechnet.

§ 8

Gewinnanteile ..., Entnahmen sowie sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern werden auf Verrechnungskonten verbucht, die im Soll und Haben mit 10 % p. a. zu verzinsen sind.

...

Verlustanteile werden auf Verlustvortragskonten verbucht. Bis zu deren Ausgleich sind Gewinnanteile dort gemäß § 232 Abs. 2 Satz 2 HGB gutzuschreiben.

§ 9

Entnahmen sind nur zulässig, wenn sie aus Gewinnanteilen erfolgen, die nicht gemäß § 8 Abs. 2 mit Verlusten zu verrechnen sind.

Die jeweils vorhandene Liquidität kann der Gesellschafter im Verhältnis seiner Ergebnisbeteiligung Darlehenswaise entnehmen.

Ob und inwieweit solche Zahlungen im Einzelfall zulässig sind, entscheidet die Gesellschafterversammlung.

Die Ansprüche der stillen Gesellschafter aus einem zwischen ihnen und der "GmbH" eventuell abgeschlossenen Dienstvertrag bleiben hiervon unberührt.

...

§ 13

1. Die "stillen Gesellschafter" sind nicht berechtigt, während der Dauer ihrer Beteiligung an der Gesellschaft brancheneinschlägige Geschäfte zu tätigen, ein brancheneinschlägiges Unternehmen zu errichten oder sich an solchen Konkurrenzunternehmen unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen.

2. Im Falle der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses gilt für die stillen Gesellschafter ein uneingeschränktes Wettbewerbsverbot hinsichtlich derjenigen Mandanten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens Mandanten der Gesellschaft sind. Das Wettbewerbsverbot gilt auf die Dauer von drei Jahren.

Sowohl der Anstellungs- als auch der Gesellschaftsvertrag vom 05. März 1992 wurden durch eine Nachtragsvereinbarung vom 04. Januar 1995 ergänzt und modifiziert.

Dort heißt es unter anderem:

1. Die Niederlassung Potsdam soll weiterhin im Rahmen des bestehenden Anstellungs- und Gesellschaftsvertrages durch den Geschäftspartner zu 2. (die Klägerin) in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung der Gesellschaft geführt werden. Die oben genannten Verträge können nunmehr frühestens zum 31. Dezember 1999 gekündigt werden.

Die Verträge verlängern sich um jeweils weitere drei Jahre, wenn sie nicht zum Vertragsablauf mit einer Kündigungsfrist von neun Monaten aufgekündigt worden sind.

2. Die Zustimmungsgrenze in § 2 Nr. 1 b des Anstellungsvertrages wird auf DM 4 500,00 pro Arbeitnehmer angehoben. Im Falle einer Krankheit bleiben die Bezüge (Änderung § 3 Nr. 2) maximal für die Dauer von sechs Wochen erhalten. Für die darüber hinausgehende Versorgung ist der Niederlassungsleiter eigenständig verantwortlich.

3. Das Anstellungsverhältnis des Vertragspartners zu 2. ist aufgrund seines maßgeblichen Einflusses auf die Leitung der Niederlassung und seiner mitunternehmerischen Stellung als sozialversicherungsfrei anzusehen.

Dem Vertragspartner zu 2. werden die jeweiligen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung über die bestehenden Gehaltsvereinbarungen hinaus ausgezahlt.

Der Vertragspartner zu 2. verpflichtet sich, für eine entsprechende Kranken- und Rentenversicherung Vorsorge zu treffen. Er wird gegenüber der Gesellschaft einen entsprechenden Nachweis erbringen.

Die im ... 1949 geborene Klägerin beantragte am 28. Dezember 1994 bei der Beigeladenen zu 1. die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, die diesen Vorgang an die Beklagte weiterleitete, die wiederum der Klägerin ihren Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschaftergeschäftsführern einer GmbH mit einem Kapitalstimmenanteil von weniger 50 v. H. übersandte. Dieser Fragebogen ging am 10. Mai 1995 bei der Beklagten ein, als Betreff gab die Klägerin nunmehr "Befreiung von der Renten- und Arbeitslosenversicherung" an. In diesem Fragebogen ab die Klägerin an, sie halte 15 % der Gesellschaftsanteile, sei Geschäftsführerin und unterliege keinem Direktionsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit. Es handele sich um eine atypische stille Gesellschaft und sie sei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Sie verfüge über eine Sperrminorität und es liege ein schriftlicher Arbeitsvertrag vor, im Rahmen dessen sie zur Mitarbeit verpflichtet sei. Ihre Abberufung sei nicht monatlich möglich, ihr monatliches Gehalt betrage 6 000,00 DM. Sie entrichte von dieser Vergütung keine Einkommenssteuer. Entsprechend ihrer Anteile sei sie an der Gewinnverteilung beteiligt.

Mit Bescheid vom 16. Juni 1995 stellte die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Sozialpflichtversicherung ab. Sie habe als stille Gesellschafterin nicht die Stellung eines Gesellschafters im eigentlichen Sinne, da sie sowohl von der Geschäftsführung als auch von deren Einflussnahme ausgeschlossen sei. Daher sei sie nach den allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften versicherungspflichtig. Etwas anderes könne lediglich dann gelten, wenn sie nach dem Gesellschaftsvertrag zur Hälfte sowohl am Gewinn als auch am Verlust des Unternehmens teilnehme.

Auf Einwendungen der Klägerin hiergegen fand ein weiterer Schriftwechsel der Beklagten mit dem Beigeladenen und mit der Klägerin statt, in dessen Ergebnis die Beklagte unter dem 19. August 1996 einen erneuten Bescheid, nunmehr mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, erließ, in dem sie die Auffassung aus dem Bescheid vom 16. Juni 1995 wiederholte.

Mit ihrem Widerspruch vom 18. Juni 1996 mache die Klägerin geltend, sie könne aufgrund ihres Anteils von 15 v. H. und der Tatsache, dass in Gesellschafterversammlungen eine Mehrheit von 91 v. H. möglich sei, einen maßgeblichen Einfluss ausüben. Sie sei im Übrigen am Gewinn der Niederlassung P. beteiligt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei abhängig beschäftigt, da eine stille Gesellschaft gemäß § 335 HGB ein Schuldverhältnis sei und keine Rechtserwerbs- und Verpflichtungsgemeinschaft.

Hiergegen hat sich die am 05. Februar 1997 vor dem Sozialgericht Potsdam erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt hat.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 1997 zu verurteilen, festzustellen, dass die Klägerin ab dem 01. April 1992 in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei ist.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 20. November 2003 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit dem 01. April 1992 versicherungsfrei in den Zweigen der Sozialversicherung sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit stelle sich die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin, sondern als Unternehmerin dar. Nach dem Gesellschaftsvertrag über die stille Gesellschaft bezüglich der von ihr geleiteten Niederlassung in P. habe die Klägerin eine Sperrminorität dahingehend, dass sie dort alle ihr nicht genehmen Beschlüsse verhindern könne. Diese Regelung könne nur einstimmig geändert werden. Es obliege ihr, die Niederlassung P. gewinnbringend zu organisieren und zu führen, das Interesse der Klägerin sei, ihren Beruf als Steuerberaterin auszuüben und entsprechende Umsätze zu tätigen. Die monatliche Zahlung sei nicht als Gehalt anzusehen, es handele sich um ein Verrechnungskonto. Am Jahresende wird festgestellt, ob der vorab entnommene Gewinn dem tatsächlich erwirtschafteten Gewinn entspricht. Im Übrigen habe die Klägerin glaubhaft vorgetragen, dass sie über die Regelung des § 7 des Gesellschaftsvertrages, aus dem sich eine Begrenzung der Verlustbeteiligung auf 3 000,00 DM ergebe, tatsächlich auch darüber hinaus am Verlust beteiligt sei, sofern ein solcher eintrete. Die Gesellschafterin zu 3. leiste keine Zahlungen an die Niederlassung P., diese trägt sich vielmehr ausschließlich aus den von der Klägerin erwirtschafteten Einnahmen.

Gegen dieses der Beklagten am 15. Dezember 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 12. Januar 2004. Die Beklagte vertritt die Auffassung, da die Klägerin als stille Gesellschafterin lediglich einen Anteil in Höhe von 15 v. H. des Gesellschaftsvermögens der Niederlassung halte, könne nur die Möglichkeit einer Sperrminorität für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Eine Sperrminorität liege jedoch nicht vor, da dann, wenn eine beschlussfähige Gesellschafterversammlung nicht zustande komme, eine zweite Gesellschafterversammlung einzuberufen sei, die dann ohne Rücksicht auf die vertretenen Stimmen beschlussfähig sei und die dann mit der Mehrheit der anwesenden Stimmen beschließe. Wenn die Gesellschafterversammlung, wie im Vertrag geregelt, in Steinfurt stattfänden, seien Gesellschafterbeschlüsse denkbar, an denen die Klägerin nicht beteiligt ist. Auch gehe das Sozialgericht unzutreffend davon aus, dass die monatliche Zahlung an die Klägerin eine Entnahme und nicht eine Gehaltszahlung sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen waren im Verhandlungstermin nicht vertreten.

Die Beigeladene zu 1. schließt sich nach ihrem schriftlichen Vorbringen dem Antrag der Beklagten an und vertritt die Auffassung, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 3. und nicht bei der stillen Gesellschaft in der Niederlassung Potsdam angestellt sei, komme es auf die Sperrminorität dort nicht an.

Die Beigeladene zu 2. Teilt nach ihrem schriftlichen Vorbringen die Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1., stellt jedoch keinen eigenen Antrag.

Die Beigeladene zu 3. hat auch schriftlich nicht Stellung genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2005 ist als Zeuge der Rechtsanwalt B. H., E., der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3., vernommen worden. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf deren Niederschrift verwiesen.

Wegen des Tatbestandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die betreffende Akte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin in den Zweigen der Sozialversicherung - auch in der Arbeitslosenversicherung - versicherungsfrei ist.

Zur Feststellung der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung (gesetzliche Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) ist gemäß § 28 a ff. Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) die Krankenkasse als Einzugsstelle zuständig. Versicherungspflichtig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 24 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind Arbeitnehmer, das heißt Personen, die einer Beschäftigung in Form nichtselbständiger Arbeit nachgehen (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Die Versicherungs- beziehungsweise Beitragspflicht richtet sich nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis in der Sozialversicherung entwickelt haben. Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie dies insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall ist, vollständig entfallen darf es jedoch nicht. Es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, die Dienstleistung also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen, oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt (Urteil des Landessozialgerichtes [LSG] für das Land Brandenburg vom 01. Oktober 1999, Az. L 8 AL 60/98 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob der Teilhaber einer Gesellschaft nach § 705 ff. BGB als Leiter des Betriebs der stillen Gesellschaft abhängig und deshalb beitragspflichtig beschäftigt ist oder nicht. Auch dass hier die Form einer stillen Gesellschaft nach § 230 ff. HGB gewählt wurde, ändert daran nichts, zumal abweichend von den Vorschriften des HGB hier nicht nur Kapital, sondern auch Mitarbeit eingesetzt wurde. Die Regelung des sachlichen Umfanges der Geschäftsführungsbefugnis ermöglicht Varianten, die von einer weisungsfreien Geschäftsführung bis zu einer durchgehend weisungsgebundenen reichen, wobei letztere zur Folge hat, dass die Gesellschafter mit Hilfe des Weisungsrechtes die Geschäfte der Gesellschaft im Wesentlichen selbst führen. Gegen eine abhängige Beschäftigung lässt sich auch nicht einwenden, dass der Gesellschafter als Betriebleiter gegenüber den Arbeitnehmern der Gesellschaft Arbeitgeberfunktion wahrnimmt; denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Anders als Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschafter können daher zum Beispiel GmbH-Geschäftsführer zu den in abhängiger Beschäftigung stehenden Person gehören (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 m. w. N.). Der Senat wendet wie das BSG (SozR 7610 § 705 Nr. 3; Beschluss vom 26. Januar 1987 - 12 BK 48/88) diese zur GmbH entwickelten Grenzsätze auch auf die hier vorliegende Gesellschaftsform an. Tatsächliche Unterschiede, die dies nach der Stellung des Geschäftsführers verbieten würden, sind nicht ersichtlich.

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt allerdings nicht vor, wenn der Betriebsleiter an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH hat das Bundessozialgericht daher grundsätzlich verneint, wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt. Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers nicht ausreicht, um kraft Beteiligung die GmbH zu beherrschen, kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist und, wirtschaftlich gesehen, seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt.

Demgegenüber wird bei einem Geschäftsführer, der am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt ist, in der Regel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegen (BSG, s. o.).

Für die Beurteilung der Frage, ob die Niederlassungsleiterin einer Steuerberatungsgesellschaft, die in Bezug auf die Niederlassung, die sie führt, mit der GmbH, als deren Niederlassung der von ihr geführte Betrieb nach außen firmiert, eine stille Gesellschaft bildet, besteht keine Veranlassung, nicht die dargelegte Rechtsprechung zur GmbH heranzuziehen. Zwar ist die rechtliche Situation einer stillen Gesellschaft und einer GmbH völlig unterschiedlich, maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft sind jedoch die tatsächlichen Verhältnisse.

Die tatsächlichen Verhältnisse jedoch stellen sich hier wie beim Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH dar, der wesentlichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH hat.

Zwar ist der Beigeladenen zu 2. insoweit zuzustimmen, dass der Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3. und nicht zwischen der Klägerin und der stillen Gesellschaft geschlossen ist. Dennoch kann auch der Anstellungsvertrag nur im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer stillen Gesellschaft für die Niederlassung P. gesehen und interpretiert werden. Aus diesem Gesellschaftsvertrag ergibt sich, dass die Klägerin tatsächlich alle ihr nicht genehmen Beschlüsse der Gesellschaft verhindern kann. Sie muss nämlich nur zu den Gesellschaftsversammlungen erscheinen beziehungsweise, wenn sie aus wichtigen Gründen gehindert ist, wie dies nach dem Vertrag möglich ist, einen Vertreter entsenden. Ob die Klägerin tatsächlich von diesem Recht in jedem Einzelfall Gebrauch macht und ob Fälle denkbar sind, dass die Klägerin durch Nichterscheinen bei den Versammlung ihr unangenehme Beschlüsse nicht verhindert, kann dahingestellt sein. Für die Frage, ob jemand weisungsgebunden oder nicht weisungsgebunden arbeitet, kommt es - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht darauf an, ob ein nicht genehmer Beschluss der Gesellschaft in jedem Fall verhindert wird, sondern ob der Gesellschafter aufgrund seiner Sperrminorität, wenn er dies wünscht, in der Lage ist, ihm unangenehme Beschlüsse zu verhindern (vgl. BSGE 66, 69; Rechtsmacht entfällt nicht durch tatsächliche Nichtausübung). Dies ist hier zweifelsfrei der Fall. Dies hat dann - entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1. - auch Auswirkungen auf den Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3. Denn die Klägerin ist Leiterin der Niederlassung in P., sie ist dort die einzige Steuerberaterin und die einzige Person, die über die Sachkunde zur Führung dieses Betriebes verfügt. Diese Tätigkeit nimmt sie allein wahr. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von dem einer in einer GmbH angestellten Steuerberaterin, die keinen Anteil hat und der Mandanten zugewiesen werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 27. Oktober 1992 in NJW-RR 93,250), oder von dem eines Filialleiters einer Großwäscherei ohne eigene Anteile (vgl. BSG SozR 22000 § 1227 Nr. 17). Auch ein Rechtsanwalt ist nach der Rechtsprechung des BAG (NJW 93, 2458) nicht abhängig beschäftigt, wenn er als GbR-Gesellschafter tätig ist, auch wenn er von der Sozietät wirtschaftlich abhängig ist. Es gibt keinen Beauftragten der Beigeladenen zu 1. in P., der in der Lage wäre, ihr im Einzelnen Weisungen zu erteilen. Weisungen allgemeiner Art jedoch kann sie nach dem Gesellschaftsvertrag verhindern, soweit sie ihr nicht genehm sind.
Rechtskraft
Aus
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