L 22 RA 90/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RA 530/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RA 90/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit vom 16. März 1966 bis 30. Juni 1990 und die Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der im ... 1940 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur (Urkunde der Universität R. vom 28. Januar 1966).

Vom 16. März 1966 bis 30. Juni 1990 arbeitete er als Diplom-Ingenieur (Abteilungsleiter, wissenschaftlicher Mitarbeiter) bei der Deutschen Schiffsrevision und -Klassifikation (DSRK). Zum 01. Februar 1973 trat er der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete Beiträge nur für das Einkommen bis 1 200,00 Mark monatlich beziehungsweise 14 400,00 Mark jährlich.

Im Januar 2001 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG), die streitige Zeit als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI festzustellen.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass bereits zu Zeiten der DDR mehrere andere Beschäftigte in das Zusatzversorgungssystem aufgenommen worden seien. In etlichen Fällen sei auch bei ehemaligen Mitarbeitern eine nachträgliche Anerkennung im Zusammenhang mit der Rentenberechnung erfolgt. Es liege eine Ungleichbehandlung vor.

Mit dem am 13. November 2002 als Einschreiben zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid vom 06. November 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der DSRK handele es sich weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) noch um einen gleichgestellten Betrieb.

Dagegen hat der Kläger am 10. Dezember 2002 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben.

Er hat vorgetragen: Zahlreiche Mitarbeiter der DSRK seien zuletzt noch 1990 in die zusätzliche Altersversorgung einbezogen worden. Daraus könne nur abgeleitet werden, dass es sich bei der DSRK um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Unbestritten sei zwar, dass die DSRK kein Schifffahrtsbetrieb im Sinne des Betreibens von Schifffahrt gewesen sei. Sie sei jedoch an der direkten Durchführung der Schifffahrt beteiligt gewesen und daher als Institut und Betrieb der Schifffahrt anzusehen. Die genannten Begriffe seien umfassender zu verstehen. Die DSRK sei insbesondere keine typische Behörde gewesen, auch wenn sie die Aufsicht über die technische Schiffssicherheit in der See- und Binnenschifffahrt ausgeübt habe, was sich schon daran zeige, dass deren Angehörige nicht nach den für Behörden üblichen Tarifen des Staatsapparates, sondern nach dem Rahmenkollektivvertrag (RKV) Seeverkehrswirtschaft entlohnt worden seien. Nach dem RKV Seeverkehrswirtschaft sei sie daher den Reedereibetrieben gleichgestellt gewesen. Die von ihm ausgeübte Beschäftigung habe ihrem Charakter nach vollständig den Anforderungen entsprochen, wie sie an Ingenieure in volkseigenen Produktionsbetrieben gestellt worden seien. Mit der Gestaltung technisch-wissenschaftlicher Vorschriften sei die Grundlage für den schöpferischen Entwurfsprozess des Konstrukteurs in den Produktionsbetrieben geschaffen worden. Er sei im wissenschaftlichen Komplex der Schiffsfestigkeit tätig gewesen, habe unter anderem Vorschriften im Schiffbau weiterentwickelt, die direkte Grundlage für die Vorschriften in den Konstruktionsbüros gewesen seien. Aufgrund dieser Vorschriften seien die Konstruktionsbüros mit der Projektierung beauftragt worden. Anschließend sei von der DSRK die Zeichnungsprüfung erfolgt, die Grundlage für den Bau der Schiffe und der durch die DSRK erfolgten Erteilung der Klassifikation nach Beaufsichtigung des Baus gewesen sei. Es sei ihre spezielle Aufgabe gewesen, den Stand des technischen Wissens in Regeln der Technik (Vorschriften) umzusetzen und zu überwachen. Dazu seien auch eigene wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt worden. Die DSRK sei 1950 als volkseigenes Unternehmen gegründet und dann 1960 in ein staatliches Organ bei unveränderter Aufgabenstellung umgewandelt worden. Der Kläger hat den Arbeitsvertrag mit der Deutschen Schiffs-Revision und -Klassifikation vom 12. März 1966 nebst Änderungsvertrag vom 20. März 1969 und Mitteilung über die Gehaltsveränderung und Urlaubsregelung der DSRK vom 04. Oktober 1990 sowie verschiedene Vorschriften vorgelegt.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, die DSRK sei für die Wahrnehmung der technischen Schiffssicherheit zuständig und damit nicht Betrieb der Schifffahrt, das heißt Transport von Gütern und Passagieren, gewesen. Als Organ des Ministeriums für Verkehrssicherheit sei es auch nicht Ministerium gewesen.

Das Sozialgericht hat die Auskunft der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost vom 02. Juni 2003 eingeholt und vom Bundesarchiv in einem anderen Verfahren übersandte Unterlagen zur DSRK beigezogen.

Mit Urteil vom 30. Januar 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die DSRK sei kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Darunter fielen nur solche Betriebe, die formalrechtlich den Status eines solchen Betriebes hatten, also als "VEB" firmierten. Die DSRK sei Organ des Ministeriums für Verkehrswesen für die Wahrnehmung der sich auf dem Gebiet der technischen Schiffssicherheit ergebenden staatlichen Aufgaben gewesen (Anordnung über das Statut der DDR-Schiffs-Revision und -Klassifikation vom 27. Dezember 1972). Sie sei auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellt gewesen, insbesondere kein Institut oder Betrieb der Schifffahrt gewesen. Nach der Anordnung über das Statut der DDR-Schiffs-Revision- und -Klassifikation vom 27. Dezember 1972 habe die DSRK die Aufgabe gehabt, die technische Schiffssicherheit von aufsichts- und klassifikationspflichtigen Wasserfahrzeugen, einschließlich deren Bauteile, Ausrüstungen und Einrichtungen, zu überwachen und dadurch zum Schutz des Fahrzeuges und des menschlichen Lebens auf See und anderen Gewässern und dem sicheren Transport der Ladung beizutragen. Dazu habe ihr insbesondere oblegen a) die Ausarbeitung und der Erlass der für die technische Schiffssicherheit erforderlichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Bestimmungen über den technischen Arbeitsschutz und den Umweltschutz, b) Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften der DSRK und Ausstellung der in den Vorschriften geforderten Dokumente, c) Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen über die technische Schiffssicherheit in internationalen Übereinkommen und Empfehlungen und Ausstellung der entsprechenden Dokumente, d) Kontrolle der technischen Fahrtüchtigkeit von aufsichtspflichtigen Fahrzeugen und Ausstellung entsprechender Zeugnisse, e) Klassifikation der klassifikationspflichtigen Fahrzeuge und Ausstellung der Klasse-Atteste, f) Prüfung und Bestätigung der Seefähigkeit der nicht von der DSRK klassifizierten Fahrzeuge, g) Prüfung und Feststellung des Freibords sowie der Freibord-, Einsenkungs- und Tiefgangsmarken, h) Eichung und Festlegung der Eichmarken, i) Platzvermessung der Fahrzeuge, die der Personenbeförderungen dienen, j) Anfertigung von technischen Gutachten über Fahrzeuge und dazugehörigen Anlagen und Einrichtungen, k) Prüfung und Zulassung von Containern. Die DSRK sei somit ein Schiffsaufsichtsorgan der DDR gewesen, dem die Gewährleistung der technischen Sicherheit aller nationalen Wasserfahrzeuge durch Erlass und Kontrolle der Einhaltung von Bau-, Reparatur-, Ausrüstungs- und Betriebsvorschriften oblegen habe. Die Nichteinbeziehung des Klägers verletze ihn nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Nach welchen Maßstäben die vom Kläger vorgetragene Einbeziehung anderer Mitarbeiter der DSRK erfolgt sei, insbesondere ob dabei von der Ermessensregelung oder von einem Einzelvertrag Gebrauch gemacht worden sei, könne letztlich dahinstehen. Eine Einbeziehung aufgrund der abstrakt-generellen Regelungen nach der Versorgungsordnung komme jedenfalls nicht in Betracht. Art. 3 Abs. 1 GG vermittle auch keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis.

Gegen das ihm am 18. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. März 2004 eingelegte Berufung des Klägers.

Bei der DSRK handele es sich um einen gleichgestellten Betrieb. Der vom Sozialgericht vorgenommenen engen Auslegung, wonach nur solche Betriebe, die dem Transport von Menschen und von Ladungen dienten, zu den Schifffahrtsbetrieben gehörten, sei nicht zu folgen. Allgemein würden unter Schifffahrtsbetrieben alle Betriebe erfasst, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Schifffahrtsprozess stünden und insoweit unverzichtbar seien. Betrieb der Schifffahrt sei daher im verallgemeinernden Sinne, wie er zum Beispiel im RKV Seeverkehrswirtschaft zu finden sei, zu verstehen. Die DSRK sei nicht Organ des Ministeriums, sondern Produktionsbetrieb gewesen. Als Dienstleistungsbetrieb sei sie für das zuverlässige Funktionieren des Transportprozesses zu klassifizieren. Für ihre Klassifizierung als volkseigener Betrieb im volkswirtschaftlichen Sinne spreche auch, dass die Haushaltsorganisation mit einem Jahresplan untersetzt worden sei und es zu den Planverpflichtungen gehört habe, einen entsprechenden volkswirtschaftlichen Gewinn zu erwirtschaften. Sie habe nicht lediglich Überwachungsfunktionen wahrgenommen. Die Auffassung des Klägers werde auch durch die beigefügte Stellungnahme des Germanischen Lloyd vom 28. April 2004 gestützt. Danach müsse die DSRK als Produktionsbetrieb angesehen werden und dürfe nicht eine Einordnung als ministeriale Aufsichtsbehörde erfahren. Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg (S 11 RA 110/03) sei die DSRK ein Institut der Schifffahrt gewesen, denn darunter seien diejenigen Lehr- oder Forschungsstellen zu verstehen, die der Forschung oder dem Gewerbe dienten und von außen beobachtend und begleitend tätig würden und - wie vorliegend - Probleme der Schifffahrt erfassten und überwachten. Die DSRK habe auch nicht lediglich Überwachung wahrgenommen, sondern auch selbst erprobt und in technische Prozesse eingegriffen. Nach dem Sozialgericht Hamburg sei mit der 2. Durchführungsbestimmung beabsichtigt gewesen, einen möglichst weiten Auslegungsrahmen zu schaffen, um unter anderem Schulen, Institute, Betriebe etc. miterfassen zu können. Unerheblich sei (so auch nach dem Urteil des BSG vom 06. Mai 2004 -B 4 RA 52/03 R), dass die DSRK möglicherweise dem Ministerium für Verkehr unterstellt gewesen sei. Die bestimmte Einordnung der DSRK in ein lediglich der Statistik dienendes System habe keine versorgungsrechtliche Relevanz.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. Januar 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2002 zu verpflichten, die Zeit vom 16. März 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass die DSRK im statistischen Betriebsregister unter der Betriebsnummer 91070657 der Wirtschaftsgruppe 91140 (staatliche Verwaltung) zugeordnet gewesen sei. Daraus folge, dass es sich nicht um einen Verkehrsbetrieb, welcher dem Wirtschaftsbereich 4 zugehörig gewesen sei, gehandelt habe.

Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 08. September 2004 mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht kommt. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 04. Oktober 2004 gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (44 210940 W 005), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung - insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beteiligten bereits ausführlich ihre Argumente vorgebracht haben - nicht für erforderlich hält, hat er nach deren Anhörung von der durch § 153 Abs. 4 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Beschluss zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2002 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 16. März 1966 bis 30. Juni 1990 und die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Der Kläger hat keine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVtI erworben, denn er erfüllte insbesondere nicht am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVtI.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben, und insbesondere die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, und die als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Solche Zeiten der Zugehörigkeit liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt. Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.

Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVtI grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch derjenige, dem früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren Verwaltungsakt in der DDR wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV unbeachtlich geworden ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen - dies trifft jedoch auf die AVtI nicht zu - galten auch ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a, wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR, wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden waren. Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVtI erhalten hatte, hatte nach deren Recht keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 1).

Die AVtI kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und 4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 - GBl DDR 1951, 487 - (2. DB zur AVtI-VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befand. Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor Ablauf eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen nach § 1 dieser Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.) erlosch der Anspruch auf Rente nicht.

War der Betroffene in die AVtI einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner Anwartschaft verlustig.

Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürften, nicht einbezogen gewesen seien (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Wie oben ausgeführt, konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren, nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R). Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass bundesrechtlich wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 angeknüpft wird und es aus bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage, sondern ausschließlich darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R).

Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R und B 4 RA 20/03 R - fortgeführt und eindeutig klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren. An dieser Rechtsprechung hat das BSG mit Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 12/04 R festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
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