L 11 KA 108/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 (25) KA 204/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 108/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.06.2003 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erhöhung des Individualbudgets des Klägers.

Der Kläger ist seit 1980 als Orthopäde/Rheumatologe in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Ab dem Quartal III/1999 gewährte die Beklagte dem Kläger im Rahmen des Individualbudgets ein maximal zulässiges Punktzahlvolumen von 1.248.859 Punkten. Der Fachgruppendurchschnitt betrug 1.247.349 Punkte.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten eine Erhöhung seines Individualbudgets und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, er sei seit etwa 20 Jahren als Orthopäde und im Teilgebiet Rheumatologie tätig. Da im Planungsbereich nur zwei orthopädische Rheumatologen tätig seien, sei der Sicherstellungsauftrag zur Versorgung dieser Patienten gefährdet. Bei der Entscheidung sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass seit dem zweiten Quartal 1999 Orthopäden mit der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie die Ziffer 16 EBM abrechnen könnten, was im Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Individualbudgets nicht der Fall gewesen sein. Er erbringe etwa 120 mal pro Quartal die in Ziffer 16 EBM beschriebene Leistung, so dass sein Individualbudget entsprechend angehoben werden müsse.

Mit Bescheid vom 23.02.2000 hat die Beklagte dem Kläger das oben genannte maximal zulässige Punktzahlvolumen ab dem Quartal III/1999 gewährt. Bei dieser Entscheidung hat sie das Quartal II/1999 als Bemessungsgrundlage genommen, da in diesem Quartal die Abrechnung der Ziffer 16 EBM (erstmalig) enthalten war.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es sei grob unbillig, ein einzelnes Quartal als Bemessungszeitraum zugrundezulegen. Die Änderung des EBM bezüglich der Ziffer 16 sei erst am 30.07.1999 veröffentlicht worden. Im ursprünglichen Bemessungszeitraum habe er zudem operative Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit seinen Patienten nach den gesetzlichen Vorgaben der sogenannten Kostenerstattung abgerechnet. Er beantrage deshalb, den alten Bemessungszeitraum beizubehalten und die entsprechenden Änderungen zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 06.09.2000 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid Bezug genommen.

In seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, er könne eine Erhöhung seines Individualbudgets beanspruchen, weil eine Sicherstellung des Versorgungsbedarfs der Bevölkerung dies erfordere. Zwar verlange die Ausnahmeregelung des § 7 HVM der Beklagten Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung im unmittelbarem Umfeld der Arztpraxis, wovon in seinem Falle nicht gesprochen werden könne, jedoch sei zu überprüfen, ob Praxisaufgaben im rheumatologischen Bereich stattgefunden hätten, welche die Höhe der Fallzahl seiner Praxis erklären könnten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2000 zu verurteilen, über seinen Widerspruch vom 13.03.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert.

Mit Urteil vom 25.06.2003 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte das ihr gemäß § 7 Abs. 11 des im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden HVMs eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt habe, weil sie lediglich auf ein Quartal und nicht wie ansonsten üblich auf einen Zeitraum von vier Quartalen abgestellt habe.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.12.2003 stützt. Eine Erhöhung des Individualbudgets aus Sicherstellungsgründen könne bereits dann nicht in Betracht kommen, wenn keine Erhöhung der Leistungsmenge im Vergleich zur Leistungsmenge aus dem Bemessungszeitraum gegeben sei. Sie habe die Entwicklung des Gesamtleistungsbedarfs der klägerischen Praxis seit dem Quartal III/1997 geprüft und festgestellt, dass der Gesamtleistungsbedarf in den nachfolgenden Quartalen nicht gesteigert worden sei. Damit bestehe kein Anspruch des Klägers auf Erhöhung des seiner Praxis zugeordneten Individualbudgets aus Sicherstellungsgründen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.06.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 154 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruches hinsichtlich der Höhe des ihm gewährten Individualbudgets. Die Anwendung der Bestimmungen über das Individualbudgets beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

§ 7 HVM in der zum 01.07.1999 beschlossenen Fassung (Rheinisches Ärzteblatt 9/1999 S. 59 ff.) ist rechtmäßig. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen im Urteil vom 20.11.2002 - L 11 KA 85/02 - sowie das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R -. Darin ist ausgeführt worden, dass Honorarverteilungsmaßstäbe Individualbudgets vorsehen können, die für jeden Vertragsarzt unter Zuordnung seines Honorars in einem früheren Bemessungszeitraum eine individuelle Honorarobergrenze ergeben. Die Beklagte hat unter Zugrundelegung des dem Kläger im Quartal II/1999 ausgezahlten Honorars das Individualbudget des Klägers zutreffend berechnet.

Der Kläger hat nicht bereits deshalb einen Anspruch auf die Gewährung eines höheren Individualbudgets, weil die in § 7 HVM in der Fassung vom 01.07.1999 bis 31.12.2002 vorgesehene Möglichkeit des Wachstums einer unterdurchschnittlichen Arztpraxis gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt. Denn dem Kläger ist bereits ab dem Quartal III/1999 ein maximales Punktzahlenvolumen gewährt worden, das oberhalb des Fachgruppendurchschnittes lag.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs. Denn er ist nicht dadurch beschwert, dass die Beklagte bei der Berechnung seines maximalen Punktzahlenvolumens allein das Quartal II/1999 zugrundegelegt hat. Der Senat hält es für sachgerecht, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 11 HVM Abrechnungsquartale zugrundelegt, in denen der Kläger aufgrund der Änderung des EBM die Möglichkeit hatte, die Ziffer 16 EBM abzurechnen. Demgegenüber erscheint es keinesfalls sachgerechter, Quartale zugrundezulegen, in denen diese Abrechnungsmöglichkeit nicht bestand.

Zwar ist die Beklagte - entgegen ihrer ansonsten üblichen Verwaltungspraxis - bei der Berechnung des Individualbudgets des Klägers allein vom Honorarvolumen eines Quartals - nämlich II/1999 - ausgegangen. Dies ist aber darin begründet, dass der Beklagten bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers Abrechnungsdaten über das Quartal III/1999 (und spätere Quartale) nicht vorgelegen haben. Im Übrigen ist der Kläger auch deshalb nicht beschwert, weil bei Zugrundelegung von vier Quartalen (ab der Abrechnungsmöglichkeit der Ziffer 16 EBM im Quartal II/1999) das für das Individualbudget relevante Leistungsvolumen geringer war als im zugrundegelegten Quartal II/1999. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.07.2004 vorgelegten Aufstellung, die im Erörterungstermin am 25.10.2004 mit den Beteiligten besprochen worden ist. Danach ist der "IB relevante Umsatz" von 128.720,78 im Quartal II/1999 in den Folgequartalen nicht mehr erreicht worden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erhöhung des maximalen Punktzahlvolumens aus Sicherstellungsgründen gemäß § 7 a Abs. 7 d bzw. Abs. 4 d des HVMs der Beklagten. Der Senat stellt vielmehr fest, dass Sicherstellungsgründe nicht vorgelegen haben. Denn der Gesamtleistungsbedarf der klägerischen Praxis im Quartal II/1999 betrug 1.653.258,5 Punkte und hat sich in den Folgequartalen - mit Ausnahme des Quartals III/1999 - kontinuierlich verringert. Eine Steigerung des Gesamtleistungsbedarfes erfolgte dann erst wieder ab dem Quartal I/2002, wobei in den Folgequartalen der Gesamtleistungsbedarf des Quartales II/1999 wieder erreicht wurde. Diese Entwicklung der vom Kläger erbrachten Leistungen, die sich in der Anforderung des jeweiligen Punktevolumens wiederspiegelt, macht deutlich, dass aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung eine Erhöhung des maximalen Punktzahlenvolumens nicht in Betracht kommt. Die Entwicklung verdeutlicht vielmehr, dass die klägerische Praxis maximal das im Referenzquartal erbrachte Leistungsvolumen erreicht und somit das aus diesem Leistungsvolumen errechnete Individualbudget ausreichend ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden und hier noch anzuwendenen Fassung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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