L 9 B 249/04 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 KR 2931/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 249/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin vom 9. September 2004, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache als Leistungserbringerin zur Abgabe von Hilfsmitteln der Gruppe Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel zuzulassen, zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht. Im vorliegenden Fall ist allerdings die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt. Denn im Falle des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung vermittelt diese der Antragstellerin für die Dauer des Widerspruchs- und Klageverfahrens eine Rechtsposition, nämlich die (vorläufige) Zulassung als Hilfsmittelerbringerin, die sie auch in dem Hautsacheverfahren anstrebt. Auch eine solche vorläufige Rechtsposition ist eine Vorwegnahme der Hauptsache. Einstweilige Anordnungen dürfen aber grundsätzlich die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen. Daher ist es in der Regel nicht zulässig, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zum Erlass eines im Hauptsacheverfahren beantragten Verwaltungsaktes zu verpflichten (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 86 b RdNr. 31). Dies gilt hier umso mehr, als die begehrte Anordnung zu einer rückwirkend nicht mehr korrigierbaren Statusgewährung für die Antragstellerin führen würde.

Dieses Vorwegnahmeverbot darf nur in engen Grenzen durchbrochen werden. Der Bürger muss sich grundsätzlich zunächst auf das Klageverfahren verweisen lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Hauptsacherechtsschutz zu spät käme und dies für den Bürger zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führen würde, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr abwenden oder ausgleichen ließen (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Auflage 1998, § 16 RdNr. 212). Vor diesem Hintergrund sind bei einer Vorwegnahme der Hauptsache in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das Vorliegen des Anordnungsanspruchs besonders strenge Anforderungen zu stellen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt in diesen Fällen nur dann in Betracht, wenn zumindest eine überwiegende Erfolgsaussicht in der Hauptsache besteht (Finkelnburg/ Jank, a.a.O., § 16 RdNr. 218). Eine solche überwiegende Erfolgsaussicht vermag der Senat nach der im Anordnungsverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht zu erkennen.

Nach § 126 Abs. 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ist als Leistungser- bringer zuzulassen, wer eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel gewährleistet und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt. Im vorliegenden Fall erfüllt die Antragstellerin selbst unstreitig nicht diese fachlichen Voraussetzungen für die Leitung eines Orthopädie-Fachbetriebes. Der Senat kann offen lassen, ob der hierfür vorgesehene Ehemann der Antragstellerin diese fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Denn jedenfalls müssen Leistungserbringer nicht nur allgemein zu einer ordnungsgemäßen, fachgerechten Ausübung ihres Berufes geeignet und in der Lage sein, was in der Regel die Verwaltungsbehörden unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zu überwachen haben. Denn die Tätigkeit für die Krankenkassen stellt über diesen rein berufsrechtlichen Aspekt hinaus, der von § 126 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfasst wird, besondere Anforderungen an die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit eines Leistungserbringers. Er muss jederzeit die Gewähr dafür bieten, die Versicherten bedarfsgerecht, zweckmäßig und wirtschaftlich in der fachlich gebotenen Qualität nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu versorgen, wobei er das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. In dieser Hinsicht steht den Krankenkassen gegenüber den Ordnungsbehörden ein eigenständiges Prüfungsrecht bezüglich der persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit eines Heilmittelerbringers zu. Die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit bezüglich der besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung (einschließlich der Leistungsabrechnung) ist bei einer Tätigkeit für die Kassen ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des gesamten Leistungserbringungsrechts (Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. Dezember 2001 - B 3 KR 19/00 R -, SozR 3-2500 § 124 Nr. 10).

Ob der Ehemann der Antragstellerin die Gewähr für die jederzeitige Erfüllung der besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung und insbesondere der Leistungsabrechnung bietet, ist nach der hier gebotenen summarischen Prüfung schon deshalb zweifelhaft, weil er ausweislich des Führungszeugnisses des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof vom 9. August 2004 mehrfach vorbestraft ist, so u.a. wegen Beleidigung, Nötigung und Urkundenfälschung. Insbesondere die Verurteilung wegen Urkundenfälschung ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt auch einschlägig, weil diese Verurteilung vom Amtsgericht Z wegen einer von ihm vorgenommenen Veränderung einer ärztlichen Verordnung mit dem Ziel erfolgte, von einer Krankenkasse eine Vergütung für Leistungen zu erhalten, die nicht erbracht worden waren (Urteil des Amtsgerichts Z vom 31. Januar 2002 - , rechtskräftig seit dem 25. April 2002). Ein derartiges Abrechnungsverhalten stellt eine grobe Pflichtverletzung dar, die grundsätzlich zu einer nachhaltigen Störung des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Kassen und den Leistungser- bringern führt und deswegen eine Zulassungsentziehung rechtfertigt (Urteil des BSG vom 13. Dezember 2001, a.a.O.), bzw. einer Zulassung als Leistungserbringer entgegenstehen kann.

Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Es entspricht insoweit ständiger Rechtsprechung des Senats, den Wert des Verfahrensgegenstandes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte des Streitgegenstandes der Hauptsache, hier mangels genügender Anhaltspunkte auf die Hälfte des Auffangstreitwertes von 5.000,00 Euro, festzusetzen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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