L 8 AL 46/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 4081/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 46/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Der Kläger ist 1947 geboren worden. Mit Wirkung ab 28. Dezember 2001 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Alhi, nachdem der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft war (letzter Leistungssatz 308,77 DM; letztes Bemessungsentgelt 670,00 DM, Leistungsgruppe A/erhöhter Leistungssatz). Durch Bescheid vom 12. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das anrechenbare Einkommen übersteige den Leistungssatz von 262,64 DM. Aus dem Berechnungsbogen, der dem Bescheid vom 12. Dezember 2001 beigefügt war, ergab sich, dass allein das Einkommen des Klägers (Rente wegen Berufsunfähigkeit, monatlicher Zahlbetrag ab 1. Juli 2001 1.422,24 DM = 727,17 Euro) dazu führte, dass der Anspruch nicht bestand. Für das Einkommen der Ehefrau des Klägers, die in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand, war ein Anrechnungsbetrag von "0,00 DM" ausgewiesen. Gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2002 ist ein Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin noch anhängig (S 70 AL 1785/02). Am 1. März 2002 beantragte der Kläger erneut, ihm Alhi zu gewähren. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2002), weil das anrechenbare eigene Einkommen des Klägers mit 152,79 Euro wöchentlich den Leistungssatz von 133,70 Euro überstieg. Der Berechnungsbogen, welcher dem Bescheid vom 17. April 2002 beigefügt war, wies erneut kein anrechenbares Einkommen der Ehefrau des Klägers aus. Mit der Klage hat der Kläger, wie bereits in den Widerspruchsverfahren, geltend gemacht, dass das anrechenbare Einkommen seiner Ehefrau falsch berechnet worden sei. Durch Urteil vom 30. Juni 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alhi, weil er nicht bedürftig sei. Die Beklagte habe rechtlich und rechnerisch zutreffend die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers angerechnet. Ferner hat das Sozialgericht dem Kläger an die Staatskasse zu entrichtende Kosten von 150,00 Euro auferlegt. Die Rechtsverfolgung sei mutwillig. Das Gericht habe den Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung ausführlich und deutlich hingewiesen. Der Kläger habe keine Aspekte auch nur angedeutet, die eine andere Betrachtung des Falls zulassen würden; die Klage sei auch nicht begründet worden. Mit der Berufung macht der Kläger weiterhin die Zahlung Alhi geltend. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts führe nur die Zusammenrechnung der Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau dazu, dass der Anspruch nicht bestehe. Weil das Sozialgericht dies nicht berücksichtigt habe, sei es auch nicht gerechtfertigt gewesen, Mutwillenskosten zu verhängen.

Der Kläger beantragt der Sache nach, den Bescheid vom 17. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2002 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 133,70 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Der Senat konnte in der Sache entscheiden. § 17 Abs. 1 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz i.V.m. § 202 SGG, wonach während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann, steht dem nicht entgegen; denn der angefochtene Bescheid vom 17. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2002 war nicht in unmittelbarer Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens S 70 AL 1785/02 geworden. Im Gegensatz zur Leistungsbewilligung (s. dazu BSG, Urteil vom 12. Dezember 1984 -7 RAr 86/83- und Beschluss vom 26. März 1998 -B 11 AL 11/98 B-, beide zitiert nach juris) begründet die Ablehnung eines Leistungsantrags kein Dauerrechtsverhältnis. Denn der ablehnende Verwaltungsakt berücksichtigt nur die Sach- und Rechtslage bis zu seinem Erlass (bzw. bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides). Damit haben die hier streitigen Bescheide die im Verfahren S 70 AL 1785/02 angefochtenen im Sinne des Gesetzes weder geändert noch ersetzt. Sie sind auch nicht in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anderen Rechtsstreits geworden. Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 96 Abs. 1 SGG muss in diesem Fall die Einbeziehung des Verwaltungsaktes in dem bereits anhängigen Rechtsstreit auch dem Willen der Beteiligten entsprechen (s. zusammenfassend Binder in Handkommentar SGG, 2003, § 96 Rz. 19). Wenn daher, wie hier, beide Beteiligte übereinstimmend die neu ergangenen Bescheide nicht in den bereits anhängigen Rechtsstreit einbeziehen wollen, so steht dem kein gesetzliches Verbot im Wege. Folge für den Rechtsstreit S 70 AL 1785/02 ist, dass dort nur noch zulässig über den Bezugszeitraum bis 28. Februar 2002 entschieden werden kann.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi für die Zeit ab 1. März 2002. Gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) setzt der Anspruch voraus, dass der Arbeitslose bedürftig ist. Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Als Einkommen des Arbeitslosen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können, zu berücksichtigen, soweit das Einkommen nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist (§ 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB III). Die Rente wegen Berufsunfähigkeit stellt eigenes Einkommen des Klägers dar, da sie nicht zu den Einkünften gehört, die gemäß § 194 Abs. 3 nicht als Einkommen gelten. Vom eigenen Einkommen sind - soweit sie anfallen - abzusetzen (1.) die hierauf entfallenden Steuern, (2.) Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, wobei gemäß § 3 Abs. 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ein Pauschbetrag von 3 % des Einkommens anzusetzen ist, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind, und (3.) die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen hat der Kläger, wie ihm schon mehrfach erläutert worden ist, bereits deshalb keinen Anspruch auf Alhi, weil in Gestalt der Rente wegen Berufsunfähigkeit seine eigenen Einkünfte die Höhe des Anspruchs auf Alhi übersteigen, der sich ohne die Anrechnung ergeben würde: Der wöchentliche Leistungssatz für Alhi in der Leistungsgruppe A / erhöhter Leistungssatz beträgt bei einem Bemessungsentgelt von 340,00 Euro 133,70 Euro, das anzurechnende eigene Einkommen 152,79 Euro. Auf die Anlage zum Bescheid der Beklagten vom 17. April 2002 wird Bezug genommen. Ob das anrechenbare Einkommen der Ehefrau des Klägers "falsch" oder "richtig" berechnet worden ist, ist deshalb rechtlich bedeutungslos. Abgesehen davon ist, worauf der Kläger ebenfalls schon mehrfach hingewiesen worden ist, für die Ehefrau ein Anrechnungsbetrag von "0,00" Euro errechnet worden, der sich mithin nicht noch weiter verringern kann. Rechnerische Fehler konnte der Senat nach eigener Prüfung nicht erkennen. Ob der Kläger in Folge der Anrechnung nicht mehr in der Lage ist, seinen laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten, hat rechtlich keine Bedeutung. Die Alhi ist nicht, wie die Sozialhilfe, eine Leistung, die sich an einem bestimmten Bedarf orientiert. Keinen Anlass gab es dafür, den Ausspruch des Sozialgerichts über die so genannten "Mutwillenskosten" nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG zu ändern oder aufzuheben. Der Kläger war vom Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2003 darauf hingewiesen worden, dass der Anspruch (bereits) wegen der als sein eigenes Einkommen anzurechnenden Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht besteht. Für den rechtskundig vertretenen Kläger war spätestens zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass ein Anspruch unabhängig von dem Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren nicht besteht. Zur weiteren Begründung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts auf Seite 4 des angefochtenen Urteils Bezug genommen, die sich der Senat zu eigen macht. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved