L 16 RJ 429/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 204/01 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 429/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43, 44 Sechstes Sozialgesetzbuch - SGB VI - a.F.) bzw. Rente wegen Erwerbsminderung (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung n.F.).

Der 1946 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina.

In der Bundesrepublik hat er zwischen dem 06.11.1974 und dem 15.07.1998 für insgesamt 110 Monate Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Vom 20.10.1978 und dem 21.06.1993 stand er in keinem pflichtversicherten Arbeitsverhältnis. Zwischen 21.06.1993 und 15.07.1997 sind alle Kalendermonate mit einem Pfichtbeitrag belegt.

In Bosnien-Herzegowina hat der Kläger zwischen dem 01.09.1964 und dem 03.04.1992 für 21 Jahre und 11 Monate Versicherungszeit nachgewiesen. Bei der Untersuchung im Januar 2000 beim bosnischen Träger gab der Kläger an, in der Bundesrepublik als hochqualifzierter Elektriker (Meister) gearbeitet zu haben, eine Berufsausbildung verneinte er.

Der letzte deutsche Arbeitgeber, die Firma E. (Gesellschaft für Hochspannungsanlagenbau) teilte der Beklagten mit, der Kläger sei als Freileitungsmonteur und Steiger mit angelernten Arbeiten beschäftigt gewesen, die ca. eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren erfordert haben. Ein Ausbildungsabschluss wurde nicht nachgewiesen, der Kläger habe sich seine Qualifikation auf der Baustelle und durch betriebsinterne Schulungen angeeignet, um die Tätigkeit eines voll ausgebildeten Facharbeiters habe es sich aber nicht gehandelt. Der Betrieb sei nicht tarifvertraglich erfasst, die hausinternen Lohngruppen wurden in Kopie übersandt. Danach wurde der Kläger in der Einstiegslohngruppe 5 und zuletzt in der Lohngruppe 6 entlohnt. Das Arbeitsverältnis wurde wegen der nicht erteilten Verlängerung der Aufenthaltsduldung beendet. Bereits von 1974 bis 1978 war der Kläger als Freileitungsmonteur bei der Firma S. beschäftigt gewesen. Er teilte mit, er wolle noch Zeugnisse über seine Berufsausbildung übersenden. Er habe 1961 bis 64 eine Ausbildung in Jugoslawien zum Elektromonteur absolviert und diese mit der Prüfung 1964 abgeschlossen. Diese Unterlagen wurden auch im Berufungsverfahren nicht vorgelegt.

Mit dem am 11.03.1999 in Bosnien gestellten Rentenantrag wurde ein Untersuchungsbericht vom 16.02.2000 (Tag der Untersuchung 17.01.2000) der Invalidenkommission Z. vorgelegt. Der Kläger könne im bisher hauptsächlich ausgeübten Beruf seit März 1999 nur noch unter zwei Stunden täglich arbeiten, auch die Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei wesentlich reduziert. Neben Wirbelsäulenveränderungen als Unfallfolge wurde auch ein psychiatrischer Befund erhoben. Danach handelt es sich um eine zeitweilige regressive psychotische und präpsychotische Störung und impulsive Reaktion, mit Tendenz zur regressiven Fixierung unterstützt von körperlichen Beschwerden und Rentenmotiven. Der Zustand sei jetzt in Remission, erfordere aber weitere ärztliche Behandlung.

In Auswertung der Unterlagen hat Dr.D. den Kläger als Elektriker für weniger als zwei Stunden täglich einsetzbar beurteilt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er aber vollschichtig tätig sein, sofern häufiges Bücken, häufige einseitige Körperhaltung, dauerndes Stehen und Gehen, besonderer Zeitdruck vermieden werde und es sich um leichte Arbeiten zu ebener Erde handele.

Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.04. 2000 ab, mit der Begründung, der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig, er könne zwar den Beruf als angelernter Elektromonteur nicht mehr ausüben, er sei aber zumutbar verweisbar auf Tätigkeiten als Sortierer, Montierer oder einfacher Pförtner.

Zur Begründung seines Widerspruchs legte der Kläger weitere ärztliche Unterlagen vor. Aus Deutschland sei er am 30.07.1998 abgeschoben wurde, anschließend sei er in Bosnien bis 03.04.1999 arbeitslos gewesen und habe Arbeitslosengeld bezogen. Seit 15.05.1999 beziehe er vom bosnischen Träger Invalidenrente.

Bei der Beklagten ging ein weiterer Untersuchungsbericht vom 12.12.2000 der Invalidenkommission M. ein, dort wurde erneut eine polymorphe psychotische Störung in Remission sowie ein Zustand nach Frakturen diagnostiziert. Der Kläger sei für seinen Beruf arbeitsunfähig, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen zu ebener Erde seien halb- bis untervollschichtig möglich. Dr.D. konnte bei Überprüfung keine Änderung der Leistungsbeurteilung erkennen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000 zurück mit der Begründung, der Kläger sei nicht berufsunfähig.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut und führte zur Begründung aus, er fühle sich seit der Operation 1992 sehr schlecht und in der Arbeitsfähigkeit sehr behindert.

Das Sozialgericht veranlasste eine Begutachtung des Klägers nach Untersuchung am 07.04.2003 durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr.Z. und die Ärzte für Neurologie, Psychiatrie Dr.P. und Dr.S ...

Dr.Z. hat in seinem Gutachten die Diagnosen gestellt: 1. Wirbelsäulenbeschwerden bei Zustand nach Kompressionsbruch des 4. Lendenwirbelkörpers, 2. Funktionsstörung der rechten Hüfte bei Zustand nach Hüftgelenksfraktur im Jahr 2000, 3. Bluthochddruck, 4. leichtergradige depressive Störung.

Bei der Untersuchung fanden sich die Wirbelsäule steil gestellt, die Rückenmuskulatur verspannt und druckschmerzhaft. Die Beweglichkeit der HWS, BWS und der oberen und mittleren LWS und beider Hüftgelenke war frei, wenn auch mit Schmerzangabe. Im mittleren oberen LWS-Bereich waren keinerlei Bewegungen möglich, das Gangbild war hinkend unter Schonung des rechten Beins, es besteht auch eine geringe Beinverkürzung. Die Muskulatur an den Beinen war aber soweit gut und seitengleich ausgeprägt. Insgesamt handele es sich nicht um eine gravierende Funktionsstörung im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Hüftgelenks, auszuschließen seien aber Tätigkeiten, bei denen der Kläger schwer heben und tragen müsse, außerdem seien Bücken und Zwangshaltungen zu vermeiden. Der bestehende Bluthochdruck sei medikamentös gut eingestellt, Folgeschäden am Herz-Kreislaufsystem seien nicht feststellbar. Insgesamt seien zwar leistungseinschränkende Umstände feststellbar, jedoch könne eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründet werden. Als Freileitungsmonteur und Steiger könne der Kläger nicht mehr tätig sein, er könne aber die genannten Verweisungsberufe wie Montierer, Sortierer in der Metall- oder Elektroindustrie oder einfacher Pförtner ebenso verrichten wie Verpacker von Kleinteilen, Verrichter sowie Zureichen, Abnehmen und Transportieren. Die Umstellungsfähigkeit auf Tätigkeiten mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten sei nicht beeinträchtigt, auch seien keine Einschränkungen beim Anmarschweg zur Arbeitsstätte vorhanden oder zusätzliche Arbeitspausen erforderlich.

Die Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr.P. und Dr.S. haben die Diagnosen gestellt: 1. Leichtgradige depressive Störung, 2. chronisches Wirbelsäulenschmerzsyndrom ohne Nervenwurzelbeteiligung. Im Gegensatz zum ärztlichen Gutachten vom Februar 2000 konnte bei der Untersuchung keine Parese nachgewiesen werden. Es waren keine Zeichen einer psychotischen Störung vorhanden und es ergaben sich auch keine Hinweise auf eine aktuelle Nervenwurzelsymptomatik. Eine zeitliche Leistungseinschränkung bestehe nicht, der Kläger könne noch acht Stunden täglich arbeiten, auch die Umstellungsfähigkeit und nervliche Belastbarkeit sei nicht eingeschränkt.

Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 09.04.2003 die Klage ab. Zur Begründung hat es sich auf das Ergebnis der Begutachtung durch Dr.S. und Dr.Z. gestützt. Als Angelernter im oberen Bereich könne der Kläger auf Tätigkeiten z.B eines Montierers oder Sortierers in der Metall- oder Elektroindustrie, aber auch als einfacher Pförtner verwiesen werden. Diese Tätigkeiten seien aus gesundheitlichen Gründen vollschichtig möglich und auch zumutbar.

Dagegen legte die Klägerbevollmächtigte Berufung ein. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich in letzter Zeit erheblich verschlechtert, es sei wegen des psychischen Zustands eine stationäre Untersuchung und Behandlung des Klägers erforderlich gewesen, auch die Gehfähigkeit habe sich verschlechtert.

Die vorgelegten Unterlagen zur ergänzenden Stellungnahme und Auswertung an Dr.Z. und Dres.P. und S. übersandt.

Dr.Z. hat in der Stellungnahme vom 03.05.2004 eine Verschlechterung der Beweglichkeit in den Hüftgelenken bestätigt, diese sei aber nicht in einem rentenrelevanten Ausprägungsgrad, denn es sei bisher schon berücksichtigt worden, dass der Kläger nicht lange gehen oder stehen könne, weiterhin seien aber Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und überwiegend im Sitzen zumutbar. Es ergebe sich aus den vorgelegten Attesten kein neuer medizinischer Sachverhalt, der eine Abweichung der bisherigen Leistungsbeurteilung rechtfertige.

Dr.P. und Dr. S. haben in der ergänzenden Stellungnahme vom 14.04.2004 ebenfalls keine Änderung der Leistungsbeurteilung nachvollziehen können, die Auswertung der vorgelegten Unterlagen zeige eine zeitlich begrenzte depressive Erkrankung, die adäquate Behandlungsmaßnahmen erfordert habe. Deshalb sei von einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen, nicht jedoch von einer Änderung der Leistungsbeurteilung.

Zu den ergänzenden Stellungnahmen hat sich die Klägerbevollmächtigte trotz mehrfacher Erinnerung nicht geäußert.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.04.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ab Antrag Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht und die Bekagte haben zu Recht den Rentenanspruch des Klägers verneint, da dieser weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist, aber auch keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den bisherigen Bestimmungen hat. Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI). Für den Ansprch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei (vgl. § 300 Abs.1 SGB VI).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs.1 SGB VI a.F., da er vom Zeitpunkt des Rentenantrags im März 1999 bis jetzt nicht im Sinne des 2. Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die deren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Diese hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor. Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen noch vollschichtig verrichten. Hierbei sind Arbeiten in Zwangshaltung, verbunden mit häufigem Heben und Tragen von schweren Lasten sowie häufigem Bücken nicht mehr zumutbar. Der Kläger sollte auch keine Arbeiten verrichten müssen, die mit besonderer nervlicher Belastung einhergehen wie Schicht- und Akkordarbeit. Einschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen aber nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.10). Auch die Umstellungsfähigkeit auf andere als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ist erhalten.

Für die Feststellung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers stützt sich der Senat vor allem auf die im sozialgerichtlichen Verfahren erstellten Gutachten von Dr.Z. und Dr.S. , die ergänzend im Berufungsverfahren zu den weiteren ärztlichen Unterlagen aus dem Heimatland des Klägers Stellung genommen haben. Diese Gutachter haben ausführlich und überzeugend alle erhobenen Befunde ausgewertet, sich mit den dort getroffenen Aussagen auseinandergesetzt und haben nach eigener Untersuchung die Leistungseinschränkungen des Klägers gut nachvollziehbar dargestellt und begründet. Diese überzeugenden Leistungsbeurteilungen konnten durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht entkräftet werden. Die Gesundheitsstörungen sind aber nicht so schwerwiegend, so dass der Kläger leichte Arbeiten unter Beachtung der Einchränkung noch vollschichtig verrichten kann. Der Befund an den Hüftgelenken hat sich zwar seit der Untersuchung im April 2003 verschlechtert, denn damals waren die Hüftgelenke noch frei beweglich. Jetzt ist in den Berichten zwar von einer Einschränkung die Rede, dem Kläger konnte aber langes Stehen und Gehen bereits vorher nicht mehr zugemutet werden, so dass eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens dadurch nicht eingetreten ist. Der Kläger selbst wendet im Übrigen auch nicht ein, dass sitzende Tätigkeiten ausgeschlossen seien. Bezüglich der psychischen Störung handelt es sich, und dies ist bereits bei der Untersuchung im April 2003 festgestellt worden, um einen gelegentlich akuten behandlungsbedürftigen Befund, der von den behandelnden Ärzten aber auch als depressive Störung in Remission bezeichnet wurde. Diese Befunde sind eindeutig einer zeitlich begrenzten depressiven Erkrankung zuzuordnen, die die eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen erforderte. Es kann daher nur von einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gesprochen werden. Der Schweregrad einer mittelgradigen Depression stellt für soziale und berufliche Aktivitäten im Alltag keine so weitreichende Leistungseinschränkung dar, so dass leichte Arbeiten weiterhin möglich sind. Bezüglich der jetzt geltend gemachten Harnentleerungsstörung berichtete der Kläger bei der Erstuntersuchung lediglich von einem Harndrang von drei- bis viermal nachts. Da bei der Untersuchung im April 2003 keine Paresen und Reflexauffälligkeiten vorhanden waren, konnte ein Konus-Caudasyndrom eindeutig ausgeschlossen werden. Deshalb ist nicht nachvollziehbar, auf welcher ursächlichen Grundlage diese Veränderungen entstanden sein sollten. Die Störung ist vielmehr, wie die früher geltend gemachte Gefühlsstörung am gesamten rechten Bein einer psychogenen Symptombildung zuzuordnen. Häufigerer Harndrang führt im Übrigen nicht zur Erwerbsunfähigkeit, besonders wenn man dem Kläger nur Arbeiten nicht im Akkord und nicht im Freien zumuten kann. An anderen üblichen Arbeitsplätzen ist hingegen das Aufsuchen einer Toilette ohne Schwierigkeiten möglich.

Mit dem verbliebenden Leistungsvermögen kann der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Freileitungsmonteur nicht mehr ausüben. Bei dieser Tätigkeit handelte es sich um eine angelernte Arbeit, die der Kläger auf der Baustelle und durch betriebsinterne Schulungen erlernt hat. Die Bezahlung erfolgte nach der tariflichen bzw. betriebsinternen Einstufung in den Lohngruppen 5 bzw. 6, also Lohngruppen, in denen Monteure eingestuft sind. Der Kläger hat nicht die höchste dieser Lohngruppen, nämlich die 7, erreicht. Selbständige Monteure und Kolonnenführer werden dagegen nach 8 und 9 eingruppiert. Für eine berufliche Ausbildung ergeben sich keine Hinweise, der Kläger hat trotz Aufforderung keine Zeugnisse vorgelegt und im Rentenantrag auch eine entsprechende Berufsausbildung verneint. Auch der Arbeitgeber konnte nicht über einen Ausbildungsnachweis berichten. Trotzdem ist der Kläger in Hinblick auf die vom Arbeitgeber mit zwei Jahren angegebene Anlernzeit als oberer Angelernter einzustufen. Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. Niesel, Kasseler Kommentar zu § 43 SGB VI a.F. Rdnr.21 und 96 m.w.N., Stand Juni 1998). Maßgeblicher Hauptberuf ist deshalb der Beruf des Freileitungsmonteurs, den der Kläger, wie ausgeführt, nicht mehr ausüben kann. Er ist aber dennnoch nicht berufsunfähig, denn es reicht nicht aus, wenn der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG vgl. u.a. SozR 2200 § 1246 Rdnr.138). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung an die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderung der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn.27 und 35). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR § 1246 Nr.143 mit weiteren Nachweisen SozR 3-2200 § 1246 Nrn.5 und 45). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger in die Gruppe des angelernten Arbeiters und zwar im oberen Bereich einzuordnen. Im Urteil vom 29.03.1994 hat das Bundessozialgericht (Urteil 29.03.1994 Az.: 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr.45) dargestellt, dass die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter nach der Rechtsprechung in einen oberen und einen unteren Bereich zerfällt. Die Grenze zwischen dem oberen und unteren Bereich hat das BSG in der genannten Entscheidung so gezogen, dass dem oberen Bereich alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen Ausbildung von über einem Jahr bis zu zwei Jahren zugeordnet werden. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass im Bereich der Anlerntätigkeit im Sinne der entsprechenden Stufe des Mehrstufenschemas als markante Größe die 12- und die 24-monatige Ausbildung zu erkennen ist, wobei eine Ausbildungszeit von 24 Monaten die Regel darstelle (vgl. § 25 Abs.2 Nr.2 in Verbindung mit § 26 Abs.6 BBIG). Als Angehöriger der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich kann der Kläger nicht schlechthin auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden, vielmehr scheiden zum einen ungelernte Tätigkeiten mit nur ganz geringen qualitativen Werten aus; die zumutbaren Verweisungstätigkeiten müssen sich vielmehr durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen (ständige Rechtsprechung z.B. BSG vom 29.03.1994 a.a.O. m.w.N.). Solche Tätigkeiten werden in der Regel der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten im unteren Bereich zuzurechnen sein; aber auch durch Qualitätsmerkmale herausgehobene ungelernte Tätigkeiten kommen hier in Betracht. Aus der Einschränkung der Verweisbarkeit folgt aber zusätzlich, dass die in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist. So hat auch das Sozialgericht entsprechend dieser Einteilung den Kläger dem oberen Bereich der Angelernten zugeordnet und Tätigkeiten genannt, die er noch verrichten kann. Dabei ist aus einer Vielzahl von berufskundlichen Stellungnahmen bekannt, dass der Pförtner, auch der sogenannte einfache Pförtner, aufgrund seiner verantwortungsvollen Stellung aus dem Kreise der ungelernten Tätigkeiten herausragt und somit als mögliche Verweisungstätigkeit in Betracht kommt. Aufgrund der Vorbildung des Klägers als Elektromonteur im Freileitungsbau sind aber auch Tätigkeiten als Montierer in der Elektroindustrie denkbar, wie sie z.B. in den Tarifgruppenregelungen genannt sind.

Sofern die Tätigkeiten im Sitzen zu verrichten sind und nur gelegentliches Stehen und Gehen gefordert wird, kann der Kläger derartige Tätigkeiten auch verrichten und sich darauf umstellen.

Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmte § 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann und dass hierbei die jeweililge Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats vom BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr.8).

Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 SGB VI a.F., weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des 2. Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs.2 Satz 2 Nr.2 SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - irgendeine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage erneut nicht zu berücksichtigen.

Auch nach den §§ 43, 240, 241 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach wie bisher ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter einen zumutbaren anderen Beruf vollschichtig bzw. mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Da die gerichtlichen Sachverständigen von einem achtstündigen Leistungsvermöggen des Klägers ausgehen, erfüllt er diese Voraussetzungen ebenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Ziffer 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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