L 5 RA 3/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 4155/01*14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RA 3/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Berufungsverfahren außer- gerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 26. Februar 1950 geborene Kläger absolvierte von September 1967 bis Juni 1969 eine Lehre als Elektriker und war in diesem Beruf einige Jahre tätig, zuletzt von 1980 bis Juli 1985 bei den französischen Streitkräften. Nach einer Bandscheibenoperation wurde er in der Dienststelle umgesetzt und von August 1985 bis September 1994 als EDV-Buchhalter und Materialdisponent beschäftigt. Durch Abzug der Alliierten wurde der Kläger arbeitslos und durchlief vom 1. Februar 1996 bis zum 31. Januar 1997 eine vom Arbeitsamt geförderte Umschulung zum Buchhalter mit Abschluss. Zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kam es hernach aber nicht mehr.

Den ersten Rentenantrag des Klägers wegen Erwerbsminderung vom Oktober 1997 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 1998 und Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1998 nach Einholung von vier Gutachten auf orthopädischem, internistischem und nervenfachärztlichem Gebiet ab.

Am 23. Dezember 1999 stellte der Kläger, der weiterhin Leistungen vom Arbeitsamt bezog, erneut einen Rentenantrag und machte geltend, wegen orthopädischer und internistischer Leiden, die zur Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 geführt hatten, sowie Depressionen und Angstzuständen zu keinerlei Erwerbstätigkeit mehr in der Lage zu sein. Die Beklagte stellte das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fest und holte ein orthopädisches Gutachten von Dr. K ein, der unter dem 28. Januar 2000 ein vollschichtiges Leistungsvermögen als EDV-Buchhalter bejahte, denn der Kläger könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung ohne schweres Heben und Tragen und häufige Zwangshaltungen verrichten. Der danach beauftragte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie K stellte in seinem Gutachten vom 31. Januar 2000 eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch seit vielen Jahren bestehenden Alkoholmissbrauch bei nachweisbaren organischen Schäden, aber fehlender Krankheitseinsicht fest und empfahl eine Entgiftung mit anschließender Entwöhnungstherapie.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Wirbelsäulen? und Gelenkbeschwerden sowie einer durch ambulante nervenärztliche Behandlung besserungsfähige depressive Verstimmung seinen bisherigen Beruf noch vollschichtig ausüben könne. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Nervenarztes Dr. I geltend, dass er unter starken Depressionen leide und es häufig nicht wage, allein die Wohnung zu verlassen. Daraufhin gewährte ihm die Beklagte eine 16-wöchige stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung mit Zahlung von Übergangsgeld, die der Kläger vom 23. Oktober 2000 bis zum 22. Januar 2001 in der F-Klinik in M absolvierte. Die Maßnahme wurde vorzeitig und mit der Einschätzung eines derzeit aufgehobenen Leistungsvermögens des Klägers beendet, obwohl er sich laut ausführlichem Verlaufs- und Entlassungsbericht vom 8. März 2001 bei der Abschlussuntersuchung körperlich in recht gutem Allgemeinzustand befand, seine Schmerzzustände gebessert waren, die neuropsychologischen Tests erstaunlich gute Ergebnisse erbracht hatten, der Kläger in der Gruppe gut integriert war und auch subjektiv seine körperliche und seelische Erholung als sehr positiv eingeschätzt hatte. Bezüglich seiner Zukunftspläne wurde mitgeteilt, dass er sich "ein Leben als gesunder Rentner mit intakter Familie" vorstelle. Nachdem die Beratende Ärztin H beanstandet hatte, dass die von der Reha-Klinik abschließend geäußerte Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens nicht mit dem mitgeteilten Therapieverlauf in Einklang stehe, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 30. Mai 2001 als unbegründet zurück. Es sei unerheblich, dass er nach der Reha-Maßnahme noch arbeitsunfähig gewesen sei. Schwerwiegende Befunde, die die Annahme von Berufs? oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der §§ 43, 44 SGB VI rechtfertigen würden, seien während der Maßnahme nicht festgestellt worden, so dass er weiterhin vollschichtig als Buchhalter einsetzbar sei.

Mit der am 28. Juni 2001 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt und unter Hinweis auf ein weiteres Attest des Dr. I geltend gemacht, dass er vorwiegend wegen seiner neurologisch-psychiatrischen Leiden erwerbsunfähig sei.

Das Sozialgericht hat zunächst ein nervenfachärztliches Gutachten von der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. S eingeholt. In ihrem Gutachten vom 29. November 2001, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Sachverständige folgende Diagnosen gestellt: a) Alkoholabhängigkeit bei gegenwärtiger Abstinenz, b) Zustand nach Hirninfarkt rechts 1992 mit klinisch bedeutungslosen Residuen, c) toxisch-alimentär bedingte Polyneuropathie mit sensiblen Störungen sowie d) Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor dem Hintergrund des Zustandes nach Bandscheibenoperation 1984.

Dem Kläger sei es nach der stationären Therapie gelungen, die Alkoholabstinenz aufrechtzuerhalten, wodurch er selber nicht nur einen deutlichen Rückgang der Schmerzen, sondern auch seiner depressiv gefärbten Passivität verzeichne. Nach eigenen Angaben sei er wesentlich zukunftsorientierter und könne sich, da sein Gedächtnis nicht mehr durch "Filmrisse" beeinträchtigt sei, zu verschiedenen Themen "engagieren". Dessen ungeachtet bestehe ein auch von den behandelnden Ärzten unterstütztes somatisches Krankheitskonzept ("Rücken kaputt"), das den Kläger an der Aufrechterhaltung seines Rentenbegehrens festhalte. Es bestehe aus nervenärztlicher Sicht aber weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Haltung unter Vermeidung extremer klimatischer Bedingungen, Zwangshaltungen, einseitiger körperlicher Belastung, Wechsel? und Nachtschicht, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg. Arbeit an laufenden Maschinen bzw. in festgelegtem Arbeitsrhythmus sei grundsätzlich möglich, die Fingergeschicklichkeit erhalten. Der Kläger sei an der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten nicht gehindert. Die Auffassungsgabe, Entschluss?, Verantwortungs? sowie die Kontaktfähigkeit seien unbeeinträchtigt. Lern? und Merkfähigkeit, Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit, Anpassungs? und Umstellungsfähigkeit erschienen nur geringgradig beeinträchtigt. Nachdem Dr. I in seinem Attest vom 24. Februar 2002 ausgeführt hatte, dass das Gesamtbild des Klägers durch einen Wechsel von depressiven Verstimmungen bis hin zu Suizidalität und aggressiven Durchbrüchen mit Tätlichkeiten besonders der Ehefrau gegenüber gekennzeichnet sei, sich diese Symptomatik seit der Alkoholabstinenz verstärkt habe und bei einer Rückkehr ins Arbeitsleben mit einem erneuten Auftreten der Alkoholkrankheit zu rechnen sei, ist die Sachverständige Dr. S in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 2. April 2002 bei ihrer Leistungseinschätzung verblieben, da der Kläger sehr ausdrücklich die Verbesserung seines Befindens unter alkoholabstinenten Bedingungen zu schildern gewusst habe. Die Ausführungen des behandelnden Arztes seien nicht nachvollziehbar und würden, wenn sie zutreffend seien, eher die Indikation zu einer durch stimmungsstabilisierende Medikamente unterstützten spezifischen Behandlung darstellen als die Leistungsbeurteilung des Klägers verändern.

Anschließend hat das Sozialgericht Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt, und zwar von der praktischen Ärztin Dr. B, dem Internisten A, dem Nervenarzt Dr. I und dem Orthopäden Dr. M. Schließlich hat das Gericht noch ein weiteres schriftliches Gutachten von dem Praktischen Arzt, Diplompsychologen und Psychotherapeuten B angefordert, das dieser unter dem 28. Februar 2003 erstattet hat und auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Folgende Diagnosen hat der Sachverständige aufgeführt: 1. Mäßiggradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule nach Bandscheibenoperation 1984 und nach Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers aus dem Jahre 1994 2. Beginnende Arthrose linkes Hüftgelenk 3. Bluthochdruck (medikamentös angemessen eingestellt) 4. Tablettenpflichtige Zuckererkrankung 5. Polyneuropathie mit Missempfindungen im Bereich beider Unterschenkel und Füße ohne motorische Ausfälle 6. Seelisches Leiden 7. Beiderseitige Schwerhörigkeit, durch Hörgeräte gut ausgeglichen

Bezüglich des seelischen Leidens hat der Gutachter unter anderem ausgeführt, seit der stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung bestehe nachvollziehbar Alkoholabstinenz. Als Folgeschaden sei eine Polyneuropathie eingetreten, andere organtoxische Folgeschäden seien nicht festzustellen. Der aktuelle psychopathologische Befund sei gänzlich unauffällig, Depressionen oder Ängste seien nicht spürbar und von dem Kläger auch nicht angegeben worden. Er fühle sich jedoch nicht mehr vollwertig aufgrund seiner körperlichen Beschwerden und empfinde es als kränkend, dass er seiner vorzeitig pensionierten zweiten Ehefrau finanziell auf der Tasche liege. Als Diagnose könne eine rezidivierende depressive Störung festgestellt werden, bei Alkoholabhängigkeitssyndrom im Stadium der Abstinenz. Kognitive Störungen im Sinne eines hirnorganischen Psychosyndroms seien nicht festzustellen, womit auch der Befund der Alkoholentwöhnungsbehandlung korreliere. Diese habe ganz offensichtlich zu einer deutlichen Entlastung der seelischen Beschwerden geführt. Aktuell sei diesbezüglich überhaupt kein Leidensdruck festzustellen gewesen. Hierfür spreche auch, dass eine nachvollziehbar konsequente nervenfachärztliche oder psychotherapeutische Behandlung nicht stattfinde. Der Kläger begebe sich nach eigenen Angaben alle zwei bis drei Monate zu seinem Nervenarzt. Es bestehe ein Rentenbegehren und Versorgungswunsch. Ein sekundärer Krankheitsgewinn sei ganz offensichtlich eingetreten. Die Funktionseinschränkungen von Seiten der seelischen Erkrankung seien aktuell als geringgradig einzuschätzen. Das Leistungsvermögen des Klägers hat der Sachverständige bei Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen vergleichbar denen im Vorgutachten der Dr. S als vollschichtig beurteilt und daran nach Vorlage von Attesten des Orthopäden Dr. M und des Nervenarztes Dr. I in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 28. August 2003 festgehalten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. November 2003 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs? bzw. Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI in der hier maßgebenden, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Er sei schon nicht berufsunfähig gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI. Auszugehen sei von seiner letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit als EDV-Buchhalter und Materialdisponent, wobei die Kammer zu seinen Gunsten davon ausgehe, dass diese Tätigkeit im Rahmen des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas der Gruppe der angelernten Angestellten mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung zuzuordnen sei. Ob er diesen Beruf noch ausüben könne, könne dahinstehen, weil er jedenfalls sozial und gesundheitlich auf die Ausübung einer Tätigkeit als Registrator verwiesen werden könne. Hinsichtlich der Leistungsbeurteilung folge das Gericht den Einschätzungen der Gerichtsgutachter Dr. S und B. Die davon abweichende Einschätzung der Reha-Klinik und des behandelnden Nervenarztes Dr. I seien demgegenüber nicht nachvollziehbar. Angesichts des noch vollschichtigen Leistungsvermögens komme auch kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach den seit dem 1. Januar 2001 geltenden geänderten Vorschriften des SGB VI in Betracht.

Gegen das seinem früheren Prozessbevollmächtigten am 5. Dezember 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Januar 2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt und zur Begründung geltend macht, dass das Hauptleiden, nämlich seine starken orthopädischen Einschränkungen, nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Ferner habe das Arbeitsamt in einem sozialmedizinischen Gutachten (nach Aktenlage) vom 10. April 2003 sein Leistungsvermögen nur auf täglich drei bis unter sechs Stunden eingeschätzt.

Der Senat hat (auf Anregung der Beklagten) ein schriftliches Fachgutachten von dem Arzt für Orthopädie Dr. W angefordert. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 28. Mai 2004, auf das verwiesen wird, folgende Diagnosen aufgeführt: 1. Degeneratives LWS-Syndrom mit maximal mittelgradigen Funktionseinschränkungen bei Osteochondrose auf der Etage L 5/S 1 und Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 und L 5/S 1, Zustand nach folgenlos verheilter LWK 2?Fraktur 2. Cervicocephalgien 3. Vertigo unklarer Genese 4. Zustand nach knöchern verheilten Ermüdungsbrüchen der Ossa metatarsalea bds. 5. Behandlungsbedürftige Osteoporose 6. Sensible Polyneuropathie (distal betont) 7. Tablettenpflichtiger Diabetes mellitus 8. Bluthochdruckleiden 9. Seelische Leiden 10. Beidseitige Schwerhörigkeit

Der Kläger könne mit der vollen üblichen Arbeitszeit von acht Stunden täglich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bewältigen. Besondere klimatische Expositionen seien zu vermeiden, ebenso einseitige körperliche Belastungen, Arbeiten unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten, in Nachtschicht sowie mit häufigerer Bewältigung von Lasten über 5 kg. Die neu zu berücksichtigenden Veränderungen am Knochenstoffwechsel und die mehrfachen Ermüdungsbrüche beider Mittelfußknochen seien in die Gesamtbeurteilung einzubeziehen gewesen, woraus sich eine grundsätzliche Veränderung des bisher angenommenen Leistungsprofils aber nicht ergebe. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen, die üblichen Pausen reichten aus. Die sozialmedizinische Einschätzung des Arbeitsamtes sei aus orthopädischer Sicht nicht zu unterstützen.

Der Kläger hat Atteste seines behandelnden Orthopäden Dr. P vom 17. Juni 2004 sowie des Dr. I vom 4. Juli 2004 übersandt und hält an seinem Rentenbegehren fest.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgezogenes Übergangsgeld vom 1. Januar bis zum 22. Oktober 2000 sowie Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 23. Januar 2001 zu gewähren, hilfsweise ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts beurteilt die Sach- und Rechtslage zutreffend. Die Beklagte hat es mit ihrem Bescheid vom 23. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2001 zu Recht abgelehnt, dem Kläger Rente bzw. vorgezogenes Übergangsgeld wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Maßgebend für den im Dezember 1999 geltend gemachten Rentenanspruch des Klägers sind gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch die §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Das Sozialgericht hat die dort normierten Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsfähigkeit zutreffend dargestellt. Darauf wird Bezug genommen.

Der Kläger ist schon nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Maßgebender bisheriger Beruf des Klägers ist der eines Buchhalters, den er - als Angelernter - jahrelang bis September 1994 ausgeübt hat. Anschließend erwarb er nach einjähriger, vom Arbeitsamt geförderter Fortbildung auch einen entsprechenden Berufsabschluss. Mit dem Sozialgericht kann zu seinen Gunsten angenommen werden, dass ihm Berufsschutz als Angestellter mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung zusteht. Letztlich bedarf dies jedoch keiner abschließenden Prüfung, weil der Kläger weiterhin in seinem bisherigen Beruf als Buchhalter einsetzbar ist; ferner kann er zumutbar auf eine Tätigkeit als Registrator verwiesen werden.

Beim Kläger sind im Wesentlichen zwei Leidenskomplexe zu unterscheiden, die bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit eine Rolle spielen, nämlich zum einen seine Alkoholkrankheit und sein seelisches Leiden, zum anderen orthopädische Beschwerden. Nach Einleitung des Rentenverfahrens im Dezember 1999 stand zunächst aus gutachterlicher Sicht die Alkoholproblematik des Klägers im Vordergrund, die zumindest eine Gefahr für seine Erwerbstätigkeit darstellte. Von der dreimonatigen Alkoholentwöhnungsbehandlung, die der Kläger von Ende Oktober 2000 bis Ende Januar 2001 in der F-Klinik absolviert hat, konnte er offenbar objektiv und subjektiv erheblich profitieren, wie aus dem detailliert mitgeteilten Therapieverlauf hervorgeht. Der Beklagten und dem Sozialgericht ist darin beizupflichten, dass die sozialmedizinische Einschätzung eines bei Beendigung der Reha aufgehobenen Leistungsvermögens im Heilverfahrensentlassungsbericht vom 8. März 2001 dazu in krassem Widerspruch steht und auch nicht ansatzweise nachvollziehbar ist.

Die vom Kläger zur Begründung seiner im Juni 2001 erhobenen Klage behauptete Schwere insbesondere seiner psychiatrischer Leiden hat sich im Verlauf des Rechtsstreits nicht objektivieren lassen. Die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten haben vielmehr den beachtlichen Erfolg der Langzeittherapie bestätigt. Bei der Untersuchung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S im November 2001 war der Kläger glaubhaft "trocken" und berichtete von einem deutlichen Rückgang seiner Schmerzen wie auch seiner depressiv gefärbten Passivität. Die Sachverständige hat ihre Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens des Klägers für leichte Arbeiten in wechselnder Haltung mit gewissen Einschränkungen aus den von ihr erhobenen Befunden schlüssig abgeleitet. Die von dem behandelnden Nervenarzt Dr. I daran geäußerte Kritik hat die Gutachterin mit überzeugenden Argumenten zurückgewiesen. Auch im weiteren Verlauf des Klageverfahrens waren aus unabhängiger gutachterlicher Sicht die beim Kläger zu objektivierenden Funktionseinschränkungen durch seelische Leiden und die Alkoholkrankheit gering. Der Sachverständige B, der nicht nur als Praktischer Arzt, sondern auch als Dipl.-Psychologe und Psychotherapeut tätig ist, hat im Februar 2003 den aktuellen psychopathologischen Befund beim Kläger als gänzlich unauffällig beschrieben. Es bestehe weiterhin glaubhaft Alkoholabstinenz; außer einer Polyneuropathie seien keine weiteren organtoxischen Folgeschäden des jahrelangen Alkoholmissbrauchs festzustellen. Depressionen oder Ängste seien beim Kläger nicht spürbar gewesen und von ihm auch nicht angegeben worden. Die Alkoholentwöhnungsbehandlung habe offensichtlich zu einer deutlichen Entlastung der seelischen Beschwerden geführt. Ausdrücklich erwähnt hat der Sachverständige- wie auch die Gutachterin Dr. S und die Therapeuten in der Reha-Klinik -, dass der Kläger mit Nachdruck seine Berentung anstrebe, wofür es aufgrund seiner umfassenden Untersuchung jedoch keinerlei Rechtfertigung gab. Da deshalb auch dieser Gutachter das Leistungsvermögen des Klägers als nur - mäßig - qualitativ eingeschränkt beurteilt hat, hat das Sozialgericht folgerichtig einen Rentenanspruch verneint, weil der Kläger zumindest noch vollschichtig gesundheitlich, fachlich und sozial zumutbar als Registrator tätig sein könne und damit nicht berufs- und erst recht nicht erwerbsunfähig sei.

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Sachprüfung an, wobei aber auch nicht ersichtlich ist, was einer Weiterbeschäftigung des Klägers als Buchhalter entgegenstehen sollte. Nachdem der Kläger in erster Instanz erfolglos seine neurologisch-psychiatrischen Leiden in den Vordergrund gestellt hatte, hat er im Berufungsverfahren geltend gemacht, dass sein "Hauptleiden", nämlich seine starken Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet, bisher nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Das vom Senat daraufhin eingeholte fachorthopädische Gutachten bietet jedoch keinerlei Veranlassung, das Rentenbegehren des Klägers nunmehr positiv zu beurteilen. Der Sachverständige Dr. W-R ist in seinem Gutachten vom 28. Mai 2004 nämlich ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch acht Stunden täglich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bei Berücksichtigung gewisser Einschränkungen verrichten könne. Diese Einschätzung hat er nachvollziehbar aus den von ihm erhobenen Befunden abgeleitet. Der Senat folgt seiner Beurteilung auch darin, dass die - lediglich nach Aktenlage - abgegebene abweichende Beurteilung im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 10. April 2003 nicht zu überzeugen vermag. Mit dem von allen drei Gerichtsgutachtern festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Haltung ohne Zwangshaltungen, einseitige körperliche Belastung, Wechsel- und Nachtschicht, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie das Heben und Tragen von Lasten über 10 bzw. 5 kg kann der Kläger noch als Buchhalter bzw. auch als Registrator tätig sein, wobei es sich um körperlich leichte Bürotätigkeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel handelt.

Die vom Kläger zuletzt noch eingereichten Atteste seiner behandelnden Ärzte sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Leistungseinschätzung durch drei neutrale Gerichtssachverständige in Zweifel zu ziehen.

Soweit der Orthopäde Dr. P auf "Widersprüche" zwischen den von ihm erhobenen Befunden und den zuletzt getroffenen gutachterlichen Feststellungen hinweist, ist zu bemerken, dass die Diagnosen beider Ärzte im Wesentlichen übereinstimmen, für den Rentenanspruch aber die objektivierbaren Funktionseinschränkungen maßgebend sind. Hinsichtlich der vom behandelnden Arzt angegebenen "unveränderten Schultersteife" muss berücksichtigt werden, dass Dr. W-R auf deutliche Diskrepanzen zwischen den aktiven und passiven Bewegungsumfängen bei der Untersuchung der Schultergelenke des Klägers hingewiesen hat. Die neu festgestellte Osteoporose und die mehrfachen Spontanfrakturen im Bereich beider Mittelfußknochen hat der Gutachter ausführlich gewürdigt. Hierdurch ist es nur vorübergehend zu einer verstärkten Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers gekommen.

Das weitere Attest vom 4. Juli 2004 des Nervenarztes Dr. I, der den Kläger seit Jahren mit dramatisch formulierten Bescheinigungen in seinem Rentenbegehren unterstützt, stimmt fast wörtlich mit dessen Attest vom 7. September 2002 überein, das durch die substantiiert wiedergegebenen Feststellungen des Sachverständigen B wiederlegt worden ist. Neu ist lediglich der Hinweis auf eine durch "zunehmende Verschlechterung des Zustandes" erforderlich gewordene Medikation mit "Amioxid, einem wirksamen Antidepressivum in hoher Dosis". Auch insoweit wird von Dr. I aber offensichtlich dramatisiert, denn nach der vom Kläger zur Begutachtung bei Dr. WR am 25. Mai 2004 vorgelegten Medikamentenliste nimmt er lediglich täglich eine halbe Tablette "Aminoxid neuraxpharm 60" ein, d.h. 30 mg und damit die schwächste Dosis des bei von Unruhe geprägten Depressionen verabreichten Wirkstoffes Amitriptylinoxid, den es unter dem Handelsnamen "Aminoxid neuraxpharm" in der Darreichungsform mit 30, 60, 90 und 120 mg gibt (vgl. Stiftung Warentest, Handbuch Medikamente, Ausgabe 2002, S. 636, 644). Auch angesichts der zuletzt mit Schreiben vom 8. Juli 2004 nebst Anlagen angegebenen Einnahme von täglich einer ganzen Tablette Aminoxid neuraxpharm 60 kann von einer "hohen Dosis" nicht die Rede sein.

Das Rentenbegehren des Klägers kann damit keinen Erfolg haben. Das gilt auch mit Blick auf die seit 1. Januar 2001 modifizierten rentenrechtlichen Vorschriften des SGB VI, weil auch danach bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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