L 16 RJ 97/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 31 RJ 169/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RJ 97/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klä-gers im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU).

Der am 1949 geborene Kläger war vom 1. April 1963 bis 31. März 1966 Schlosserlehrling und anschließend als Schlosser versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei der H-Montagen DHGmbH in B bis zum Eintritt dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (AU) am 19. Februar 1992. Anschließend bezog der Kläger Krankengeld. Seit dem 1. November 1992 gewährt ihm die Beklagte Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) - Bescheid vom 17. August 1993.

Der Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf Grund folgender Leiden: Hörbehinderung beidseits, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule bei alter Scheuermann’scher Erkrankung mit erheblichen Funktionsbehinderungen, Gonarthrose beidseits, Bandscheibenschaden im Lendenwirbelsäulenbereich mit Nervenwurzelkompressionszeichen, Nachweis eines engen Spinalkanals und eines Bandscheibenprolapses L4/L5 (Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 1. Februar 1996).

Im November 1994 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen EU. Die Beklagte zog das auf den Rehabilitationsantrag des Klägers vom Januar 1994 veranlasste Gutachten des Internisten Dr. Y vom 17. Mai 1994 und den Entlassungsbericht der Rheumaklinik BB vom 26. Januar 1995 bei, in der der Kläger sich vom 4. Januar 1995 bis zu einem Hörsturzrezidiv am 6. Januar 1995 aufgehalten hatte und von der er bei weiter bestehender AU in die stationäre Behandlung des allgemeinen Krankenhauses H vom 6. Januar bis 21. Januar 1995 entlassen worden war. Die Beklagte ließ den Kläger durch die Ärztin K untersuchen und begutachten. Diese Ärztin bescheinigte ihm in ihrem Gutachten vom 25. Oktober 1995 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung ohne häufiges Heben, Überkopfarbeiten sowie Leiter? und Gerüstarbeiten (chronisch-rezidivierende Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall L4/L5, Hörsturzrezidiv links mit Schwindel und Ohrgeräuschen bei Taubheit rechts). Mit Bescheid vom 22. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1996 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. EU liege nicht vor.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin ein Arbeitsamtsgutachten vom 9. Januar 1996 (Dr. Z) beigezogen und Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers erstatten lassen, und zwar von dem Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. St vom 23. Oktober 1996 und von dem praktischen Arzt Dr. G vom 28. Oktober 1996. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 10. Juni 1997 (Untersuchung am 15. April 1997) auf seinem Fachgebiet eine "leicht depressive" Stimmung des Klägers ohne Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt diagnostiziert. Der mit der Erstattung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr. E hat in seinem Gutachten vom 7. September 1997 (Untersuchung am 28. August 1997) folgende Gesundheitsstörungen des Klägers mitgeteilt: rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom im Sinne von rezidivierenden Nacken? und Schulterverspannungen mit Schmerzen, Brustwirbelsäulensyndrom im Sinne von rezidivierenden Dorsalgien und Intercostalneuralgien auf dem Boden degenerativer Wirbelveränderungen mit Fehlstatik nach Morbus Scheuermann, Lendenwirbelsäulensyndrom im Sinne von Lumbalgien und rezidivierenden Lumboischialgien links auf dem Boden deutlicher degenerativer Veränderungen der Lendenwirbelsäule, geringgradiger Verschleißzustand an beiden Kniegelenken, unkomplizierte Fußfehlform beidseits. Der Kläger könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte "Männerarbeiten" in geschlossenen Räumen im Wechsel der Haltungsarten ? unter Beachtung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen ? verrichten. Das SG hat ferner noch ein hals-nasen-ohrenärztliches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. G eingeholt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 14. Dezember 1997 (Untersuchung am 10. Dezember 1997) folgende Leiden mitgeteilt: mediolateraler, linksbetonter Bandscheibenprolaps mit haltungsabhängiger Wurzelkompression, Ertaubung des rechten Ohres mit gleichzeitigem Ausfall des rechten peripheren Gleichgewichtsorgans, mittelgradige Schwerhörigkeit links, Tinnitus, psychogene Überlagerung. Die Verständigung mit dem Kläger, der links ein Hörgerät trage, sei aus einer Entfernung von ein bis zwei Metern "problemlos" möglich gewesen. Der Kläger könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch leichte "Männerarbeit" in geschlossenen Räumen im Wechsel der Haltungsarten, überwiegend aber im Sitzen, unter Beachtung der bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen ausführen. Wegen der Funktionsdefizite am Hörorgan seien höhere Kommunikationsanforderungen, beispielsweise Publikumsverkehr, zu vermeiden. Mit dem Hörgerät sei der Kläger aber in der Lage, den Kommunikationsanforderungen in einem kleineren Kollektiv unter normalen Umweltlärmverhältnissen ohne stark überhöhten Störlärm noch gerecht zu werden. Das SG hat schließlich den Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. M auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 26. Februar 1999 (Untersuchung am 12. August 1998) auf seinem Fachgebiet eine Taubheit rechts und eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit links mit Recruitment und eingehender Verschlechterungstendenz sowie einen Tinnitus diagnostiziert. Der Kläger könne auch körperlich leichte Arbeiten nicht mehr verrichten. Eine erfolgreiche Umschulung auf eine andere Tätigkeit sei in Anbetracht des Leidensbildes auch auf den anderen Fachgebieten, der mäßigen Schul? und Berufsbildung sowie der Einschränkung in der Kommunikationsfähigkeit bei der Persönlichkeitsstruktur des Klägers nicht zu erwarten. Die Einschränkungen bestünden etwa seit 1995 bei "eindeutiger" Verschlechterung. Dr. M hat sich zu seinem Gutachten ergänzend geäußert; hierauf wird Bezug genommen (Stellungnahme vom 26. April 1999).

Das SG hat mit Urteil vom 26. Juli 1999 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, "ausgehend von einem Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit" am 6. Januar 1995 dem Kläger Rente wegen EU ab dem 1. Februar 1995 zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet. Der Kläger sei seit dem Hörsturz vom 6. Januar 1995 erwerbsunfähig. Denn angesichts seiner erheblichen Beeinträchtigung des Hörvermögens sei von einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung und somit einer Verschlossenheit auch des allgemeinen Arbeitsmarktes auszugehen. Letzteres folge auch daraus, dass wegen der weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege. Die Beklagte habe eine konkrete und gesundheitlich zumutbare Verweisungstätigkeit nicht benannt. Auch für das Gericht sei eine derartige Tätigkeit nicht ersichtlich.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Sämtliche eingeholten Sachverständigengutachten mit Ausnahme des Gutachtens von Dr. M hätten noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers ergeben. Auch Dr. M habe ausgeführt, dass mit dem Kläger, der links ein Hörgerät trage, das Begutachtungsgespräch problemlos möglich gewesen sei. Bei den bei dem Kläger vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen sei weder von einer spezifischen schweren Leistungsbehinderung noch von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) begründe auch der Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Hörvermögen stellten, keine Benennungspflicht wegen des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung. Der Kläger könne durchaus noch leichte Verpackungs-, Sortier? bzw. Montierarbeiten vollschichtig verrichten, ferner die Tätigkeiten eines Versandfertigmachers, Packerhelfers, Warenauszeichners, Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel und / oder für ein Dentallabor, eines Mitarbeiters in einer Poststelle sowie Bürohilfstätigkeiten. Auf die Schriftsätze der Beklagten vom 18. Juli 2001, 28. November 2001, 26. Februar 2002, 26. Februar 2003, 30. Januar 2004, 4. Mai 2004 und 12. August 2004 wird Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 1999 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise Dr. J um eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten von Dr. B vom 20. Januar 2003 und ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Mai 2003 zu bitten.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise dem Sachverständigen Dr. K. F. M Gelegenheit zur erneuten Stellungnahme zur Erwerbsunfähigkeit des Klägers zu geben, und zwar unter Würdigung des diesem in den Schlussfolgerungen teilweise widersprechenden Gutachten des Dr. G vom 17. April 2001 und des Dr. J vom 5. Februar 2002.

Er hält das Urteil des SG auch im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme weiterhin für zutreffend.

Der Senat hat im Berufungsverfahren Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers erstatten lassen, und zwar von Dr. G vom 12. Juni 2000, von Dr. St vom 16. Juni 2000 und von dem Orthopäden B vom 14. August 2001.

Der Senat hat Auskünfte des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 2. November 2001 und 4. Oktober 2002 eingeholt; auf den Inhalt dieser Auskünfte wird Bezug genommen.

Der Senat hat den Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 17. April 2001 (Untersuchung am 18. Januar 2001) auf seinem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen des Klägers diagnostiziert: Taubheit rechts, hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links, Tinnitus links, Zustand nach peripher-vestibulärer Läsion beidseits mit zentraler Kompensation. Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit seien trotz der Hörgeräteversorgung des Klägers zu vermeiden. Der Kläger könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in sitzender Arbeitshaltung ? unter Beachtung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen ? verrichten. Die Anpassungs? und Umstellungsfähigkeit des Klägers werde durch die Hörminderung nicht beschränkt. Entgegen der Einschätzung von Dr. M begründe die Verschlechterung des Hörvermögens links keine Einschränkung der täglichen Arbeitszeit. Dr. J, der Dr. G als Chefarzt abgelöst hatte, hat sich zu dem Gutachten von Dr. G ergänzend geäußert; hierauf wird Bezug genommen (Stellungnahme vom 5. Februar 2002).

Der Senat hat eine Auskunft des Verbandes der Metall? und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. (VME) vom 10. Januar 2002 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Der Senat hat ferner den Facharzt für Orthopädie Dr. W-R mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 10. Juni 2002 (Untersuchung am 6. Juni 2002) folgende Gesundheitsstörungen mitgeteilt: chronisches Lumbalsyndrom mit rezidivierender Nervenwurzelirritation links mehr als rechts bei Zustand nach Nucleusprolaps L4/L5 und beginnender Degeneration der unteren Lendenwirbelsäule, chronisches Brustwirbelsäulensyndrom bei anlagebedingtem Morbus Scheuermann, rezidivierende, vor allem belastungsabhängige Gonalgien beidseits bei beginnender Femoropatellargelenksarthrose und initialer medialer Gelenkcompartimentsarthrose, Vorfußarthralgien bei mittelgradig ausgeprägtem Senk-Spreiz-Fuß. Der Kläger könne täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Haltungswechsels ? unter Beachtung der bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen ? ausführen. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Abs. 1 SGG hat der Senat die Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. B als Sachverständige eingesetzt. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 20. Januar 2003 (Untersuchung am 1. November 2002) folgende Diagnosen auf nervenärztlichem Fachgebiet erhoben: depressives Syndrom mit Selbstwertproblematik bei Taubheit rechtsseitig, hochgradiger Hörminderung links und Tinnitus beidseits, Zustand nach traumatischer Innenohrschädigung rechts und zweifachem Hörsturz, Schwindel multifaktorieller Genese, sensibles Wurzelläsionssyndrom L5/S1 und chronisches Schmerzsyndrom bei Verdacht auf sequestrierten Nucleus-pulposus-Prolaps bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, chronisches, rezidivierendes Cervikalsyndrom und Brustwirbelsäulensyndrom bei Zustand nach abgelaufenem Morbus Scheuermann. Die hauptsächliche Störung liege im Bereich der Kommunikation und der seelischen Auswirkungen derselben. Die Persönlichkeitstestung habe ergeben, dass eine deutliche, behandlungsbedürftige psychische Fehlentwicklung mit gravierenden Auswirkungen auf das Sozialverhalten vorliege. Durch das hochgradig eingeschränkte Hörvermögen seien das Reaktionsvermögen, die Auffassungsgabe, die Konzentrations?, Kontakt?, Anpassungs? und Umstellungsfähigkeit eingeschränkt. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, körperlich auch nur leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auch in der Ausübung selbst einfacher geistiger Tätigkeiten sei er zudem erheblich eingeschränkt. Die Einschränkungen bestünden seit dem Hörsturzrezidiv im Januar 1995. Zu den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen nach Aktenlage der Beratungsärztin Dr. Sch-B vom 11. Februar 2003 und 14. Juli 2003 sowie der Internistin Diplom-Medizinerin E vom 11. Juli 2003 hat sich Dr. B ergänzend geäußert; hierauf wird Bezug genommen (Stellungnahmen vom 21. Mai 2003 und 24. Juni 2003).

Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. L vom 8. April 2004 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. L, Dr. E, Prof. Dr. G, Dr. M, Dr. G, Dr. W-R, Dr. B sowie die Stellungnahme von Dr. J Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Agentur für Arbeit St, die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Berlin, die Verwaltungsakten der Beklagten (Renten? und Rehabilitationsakten) und die Gerichtsakten (3 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Das Gericht hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung der Beklagten durch Beschluss zurückweisen können, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine (nochmalige) mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU für die Zeit ab 1. Februar 1995. Soweit der Kläger erstinstanzlich auch (noch) die Gewährung von EU-Rente für die Zeit vor dem 1. Februar 1995 geltend gemacht hat, ist die insoweit klageabweisende Entscheidung des SG nicht angefochten worden.

Der von dem Kläger erhobene Anspruch bestimmt sich noch nach § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), weil der Kläger seinen Rentenantrag im November 1994 gestellt hat und Rente wegen EU (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Die Vorschrift des § 44 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der rentenrechtlich erheblichen Erwerbsminderung voraus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss EU vorliegen (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Erkrankung oder wegen Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).

Der Kläger ist seit dem 6. Januar 1995 (Hörsturzrezidiv) auf Dauer erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn er verfügt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr über ein Leistungsvermögen, mit dem er in der Lage wäre, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Zwar ist - was noch darzulegen sein wird - bis zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. B von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers auszugehen. Mit diesem vollschichtigen Leistungsvermögen konnte der Kläger aber in dem zur Prüfung stehenden Zeitraum jedenfalls bis zum 1. November 2002 (Untersuchung bei Dr. B) nur Vollzeitarbeitsplätze ausfüllen, die in dieser Weise in der Arbeitswelt als Erwerbsmöglichkeiten nicht oder nicht mehr vorhanden sind. Seit dem 1. November 2002 ist der Kläger darüber hinausgehend nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert im Erwerbsleben überhaupt in einem nennenswerten Umfang nachzugehen.

Bezüglich der Beurteilung des Restleistungsvermögens des Klägers für die Zeit ab 1. November 2002 folgt der Senat dem Sachverständigengutachten von Dr. B. Das Gutachten dieser Ärztin dokumentiert - mit Ausnahme des Zeitpunkts, seit dem die von ihr festgestellten Leistungseinschränkungen bei dem Kläger bestanden haben sollen -, eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung sowie eingehender Würdigung der in den Verwaltungs- und Gerichtsakten dokumentierten Vorbefunde und Vorgutachten, und die Begründung der Ergebnisse in diesem Sachverständigengutachten ist mit der dargelegten Ausnahme jeweils schlüssig und nachvollziehbar aus den getroffenen medizinischen Feststellungen hergeleitet worden. Gleiches gilt im Übrigen für die Sachverständigengutachten von Dr. L, Dr. E, Prof. Dr. G, Dr. G, Dr. W-R sowie für die gutachterliche Stellungnahme von Dr. J. In diesen Gutachten war zuletzt im Juni 2002 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers zumindest für leichte körperliche Arbeiten mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen festgestellt worden. Ein Widerspruch zu dem Gutachten der Ärztin Dr. B ergibt sich hieraus jedoch nicht. Denn zum einen beruht das zuletzt vor Dr. B eingeholte einschlägige fachneurologische Sachverständigengutachten von Dr. L auf einer Untersuchung des Klägers vom 15. April 1997; damit sind also über fünf Jahre bis zu der gutachterlichen Untersuchung bei Dr. B vergangen. Zum anderen haben alle Sachverständigen - wenngleich teilweise fachfremd - bei dem Kläger sowohl auf neurologisch-psychiatrischem als auch auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet ein chronifiziertes Krankheitsbild beschrieben, dessen erhebliche Verschlechterung sich eindrucksvoll auch aus den im Verlauf des Berufungsverfahrens eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte Dr. St vom 16. Juni 2000 und B vom 14. August 2001 ergibt. Danach hat die zunehmende Verschlechterung des Hörvermögens links und die damit einhergehende zunehmend gestörte Kommunikationsfähigkeit des Klägers auch zu einer wesentlichen Verschlimmerung seines depressiven Syndroms geführt. Die daraus resultierende erhebliche Verschlechterung des Leidenszustandes und der damit verbundenen - nunmehr auch quantitativen - Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers hat Dr. B nach eingehender Untersuchung des Klägers am 1. November 2002 zur vollen Überzeugung des Senats festgestellt. Dass bereits der vom SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Abs. 1 SGG eingesetzte Sachverständige Dr. M in seinem Gutachten vom 26. Februar 1999 ein im Wesentlichen aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers beschrieben hatte, rechtfertigt nicht die Beurteilung, dass ein untervollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers bereits vor dem Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. B im erforderlichen Vollbeweis feststellbar gewesen wäre. Denn die diesbezüglich von Dr. M auf Grund der von ihm erhobenen hals-nasen-ohrenärztlichen Befunde abgegebene Leistungseinschätzung ist - worauf der Sachverständige Dr. G überzeugend hingewiesen hat - nicht nachvollziehbar. Allein aus dem Vorliegen einer - wenngleich ganz erheblichen - Hörminderung lässt sich keine quantitative Leistungsminderung für das Verrichten körperlicher Arbeiten herleiten.

Wenn auch im Hinblick auf die genannten Vorgutachten insbesondere auf nervenärztlichem und hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass eine Leistungsminderung in dem Umfang, wie sie von Dr. B beschrieben wird, bei dem Kläger bereits vor dem 1. November 2002 vorgelegen hatte, sind im Übrigen durchgreifende Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. B, die geeignet wären, dessen Überzeugungskraft zu erschüttern, von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Im Einzelnen ergeben sich derartige stichhaltige Einwendungen weder aus den sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. Sch-B vom 11. Februar 2003 und 14. Juli 2003 noch aus der Stellungnahme der Ärztin E vom 11. Juli 2003 sowie schließlich auch nicht aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. L vom 8. April 2004. Insbesondere trifft es nicht zu, dass Dr. B - wie die Ärztin E meint - eine fachfremde Beurteilung vorgenommen hätte. Vielmehr hat Dr. B die Auswirkungen der erheblichen Hörbehinderung des Klägers auf dessen Kommunikations- und Sozialisationsfähigkeit und die daraus resultierenden Wechselwirkungen mit seiner depressiven Erkrankung umfassend dargelegt und im Rahmen einer durchaus in ihr Fachgebiet fallenden Gesamtschau eine plausible Leistungsbeurteilung abgegeben. Dass, wie Dr. Sch-B ausgeführt hat, die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit des Klägers aus nervenärztlicher Sicht nicht eingeschränkt sei, steht in diametralem Gegensatz zu den von Dr. B erhobenen Befunden. Diese Ärztin hat nämlich ein deutlich gestörtes Kontaktverhalten, sichtbar beeinträchtigte Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen bei Langzeitbeanspruchung sowie ängstlich-zwanghafte und deutlich depressive Persönlichkeitszüge bei dem Kläger beschrieben und auch durch entsprechende psychologische Testverfahren untermauert. Dass die depressive Störung des Klägers für sich genommen und isoliert betrachtet nicht "rentenrelevant" ist, kann dahinstehen. Denn Dr. B hat ausdrücklich auf sämtliche erhobenen Befunde aller einschlägigen Fachgebiete abgehoben und ihre Leistungseinschätzung aus dem Zusammenwirken dieser Befunde einsichtig hergeleitet. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass Stellungnahmen nach Aktenlage gegenüber einer Begutachtung auf Grund persönlicher Untersuchung grundsätzlich auf eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten beruhen. Schließlich beruht das Gutachten von Dr. B in allen Phasen auf den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Begutachtung (Aktenauswertung, Anamnese, Befunderhebung, Beurteilung der Befunde - mit Ausschluss oder Annahme von Aggravation, Simulation oder Dissimulation -, Diagnostik, Ermittlung des Schweregrades, Beurteilung des Restleistungsvermögens mit Blick auf die rentenrechtliche Fragestellung). Soweit Dr. L das Ausmaß der von Dr. B festgestellten psychischen Beeinträchtigung anzweifelt, folgt hieraus ebenfalls kein geringerer Beweiswert des Gutachtens dieser Ärztin. Abgesehen davon, dass Dr. L lediglich retrospektiv auf der Grundlage seiner gutachterlichen Untersuchung des Klägers vom 15. April 1997 (!) den Verlauf des Krankheitsgeschehens nach Aktenlage einschätzen kann, berücksichtigt er auch nicht die Wechselwirkung zwischen den Leiden des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem und hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet, die das Gutachten von Dr. B auszeichnet und die schon im Befundbericht von Dr. G vom 28. Oktober 1996 beschrieben worden war.

Für die Zeit vor dem 1. November 2002 ist demgegenüber noch von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers auszugehen. Ein derartiges Leistungsvermögen haben dem Kläger - allerdings mit zahlreichen qualitativen Leistungseinschränkungen - übereinstimmend die Sachverständigen Dr. L, Dr. E, Prof. Dr. G, Dr. G und Dr. W-R bescheinigt. Der Kläger konnte nach den Feststellungen dieser Sachverständigen nach dem Hörsturzrezidiv vom 6. Januar 1995 jedenfalls noch bis 31. Oktober 2002 körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bzw. im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen ohne einseitige körperliche Belastungen, Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, nicht in Wechsel- und Nachtschicht und ohne Anforderungen an das Hörvermögen ausführen, die bei Tragen eines Hörgerätes über ein Einzelgespräch ohne Umgebungsgeräusche bzw. Umgebungslärm bei einer Zuwendung des Sprechenden zu ihm hin hinausgehen. Mit diesem Leistungsvermögen konnte der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nur noch Vollzeitarbeitsplätze ausfüllen, die in dieser Weise in der Arbeitswelt als Erwerbsmöglichkeit nicht oder nicht mehr vorhanden gewesen sind.

Vor der Frage, ob bei dem Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 29/95 = SozSich 1998, 111; Urteil vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 = SozR 3-2600 § 43 Nr. 17 S. 60 f.) und somit die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit besteht, ist nach der gesetzlichen Vorgabe in § 44 Abs. 2 SGB VI zunächst zu prüfen, ob es in der Arbeitswelt typischerweise noch eine Tätigkeit gibt, die dem Leistungsvermögen des Klägers entspricht und welche Einkünfte gegebenenfalls aus dieser Tätigkeit erzielt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 1998 -B 5 RJ 46/97 R- nicht veröffentlicht). Wie im Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 (GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 S. 27) klargestellt worden ist, hängt die konkrete Bezeichnungspflicht einerseits davon ab, ob in Anbetracht der Einschränkungen ernsthafte Zweifel daran aufkommen, dass der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist. Andererseits ist in diesem Zusammenhang auch bereits die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes von Bedeutung. Eine dergestalt umschriebene Prüfungspflicht besteht immer dann, wenn - wie vorliegend - auf Grund des gesundheitlichen Leistungsbildes ein deutlicher Hinweis auf das Fehlen von arbeitsmarktgängigen "Tätigkeitstypen" vorliegt und somit ein Anlass zur Ermittlung gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 1998 -B 5 RJ 46/97 R-).

Auf Grund der vom Senat durchgeführten Ermittlungen zu dieser Frage steht fest, dass sich keine Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gab, die der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen noch ausfüllen konnte. Der Senat stützt sich insoweit auf die Auskünfte des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 2. November 2001 und 4. Oktober 2002, die Auskunft des VME vom 10. Januar 2002 und - im Hinblick auf die von der Beklagten benannte, zwischenzeitlich aber nicht mehr geltend gemachte (vgl. Schriftsatz vom 30. Januar 2004) Tätigkeit eines Postlesers - auf die Auskunft der BfA vom 11. November 2003. Das Landesarbeitsamt hat in seinen ausführlich und eingehend begründeten Stellungnahmen plausibel dargetan, dass die erforderliche Kongruenz zwischen dem Restleistungsvermögen des Klägers und dem Anforderungsprofil einer denkbaren arbeitsmarktgängigen Tätigkeit "sehr schwer" zu realisieren sein werde, aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne. Gleichzeitig hat das Landesarbeitsamt klargestellt, dass es immer auf den konkret zu besetzenden Arbeitsplatz ankomme. Bereits aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass es typischerweise in der Arbeitswelt keine Tätigkeit gab, die dem Leistungsvermögen des Klägers von vornherein entsprochen hätte. Die vom Arbeitsamt und auch von der Beklagten angeführten Fahrertätigkeiten (Kraftfahrer im Gütertransport, Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel und / oder für ein Dentallabor) scheiden schon deshalb aus, weil der Kläger unter Umgebungslärm und Störgeräuschen, wie sie im Straßenverkehr alltäglich sind, nicht tätig sein darf und zudem aus Gründen der allgemeinen Verkehrssicherheit auch im Straßenverkehr ein gutes Hörvermögen zwingend notwendig ist, über das der Kläger nicht verfügt. Montier-, Sortier-, Etikettier-, Muster-, Prüf- und Packtätigkeiten, wie sie auch der berufskundliche Sachverständige Sch in der von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereichten Stellungnahme vom 20. September 1999 beschrieben hat, sind dem Kläger gesundheitlich deshalb nicht zumutbar, weil auch für diese Tätigkeiten eine im Wesentlichen uneingeschränkte Kommunikationsfähigkeit gerade beim Arbeiten an laufenden Maschinen und in größeren Fabrikhallen unabdingbar ist (vgl. Stellungnahme des VME vom 10. Januar 2002). Auch das Landesarbeitsamt hatte in seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2002 einschränkend darauf verwiesen, dass Angaben zu den Arbeitsbedingungen im Einzelnen auch für die von der Beklagten genannten Tätigkeiten nicht in Gestalt der hier zu fordernden Typisierung gemacht werden können. Denn es liegt auf der Hand, dass die von der Beklagten insoweit benannten Tätigkeiten allein im Hinblick auf die Schwere der Arbeit für den Kläger durchaus noch in Betracht kommen können, typischerweise in der Arbeitswelt aber eben nicht nur unter den Bedingungen auszuführen sind, die dem Kläger noch zumutbar wären. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Tätigkeiten am Fließband, mit Maschinenlärm und bei Umgebungsgeräuschen, die bei den von der Beklagten genannten Montier- und Sortiertätigkeiten, Tätigkeiten eines Versandfertigmachers, Packerhelfers bzw. Warenauszeichners "typischerweise" nicht auszuschließen sind. Generelle Aussagen über übliche oder praktizierte Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten - letzteres ist im Hinblick auf dem Kläger nicht zumutbare Tätigkeiten in Nacht- bzw. Wechselschicht bedeutsam - lassen sich nach der berufskundlichen Auskunft des Landesarbeitsamtes nicht mit der erforderlichen Sicherheit treffen. Die von der Beklagten nicht mehr geltend gemachte Tätigkeit eines Postlesers kommt für den Kläger bereits deshalb nicht in Betracht, weil für deren vollwertige Ausbildung nach der in das Verfahren eingeführten Auskunft der BfA vom 11. November 2003 eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung erforderlich ist, die der Kläger nicht besitzt. Auch auf das von der Beklagten genannte pauschale Arbeitsfeld der Bürohilfstätigkeiten kann der Kläger bereits deshalb nicht verwiesen werden, weil er für Büroarbeiten auf Grund seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit nicht geeignet war und ist (vgl. auch den Ergebnisbericht des Berufsförderungswerks B vom 3. September 1992). Im Übrigen gilt für diese Tätigkeiten wie auch die weiteren vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg in dessen Auskünften vom 2. November 2001 und 4. Oktober 2002 zuletzt noch genannten einfachen Kontroll- und Prüftätigkeiten, Helfertätigkeiten in den verschiedensten Kommissionierungsbereichen und der Tätigkeit eines Datenerfassers bei größeren Arbeitgebern, dass entsprechende Arbeitsplätze - worauf das Landesarbeitsamt ausdrücklich hingewiesen hat - auf dem "freien" Arbeitsmarkt so gut wie nicht mehr anzutreffen sind und fast ausschließlich nur noch verdienten und gesundheitlich leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Unternehmens als so genannte Schonarbeitsplätze angeboten werden. Danach steht fest, dass es sich insoweit nicht mehr um arbeitsmarktgängige Tätigkeitsfelder bzw. Verweisungstätigkeiten handelt. Die zunächst vom Landesarbeitsamt noch benannte Tätigkeit eines Büglers ist dem Kläger als überwiegend stehende Tätigkeit nicht zuzumuten, worauf das Landesarbeitsamt in seiner ergänzenden Auskunft vom 4. Oktober 2002 auch hingewiesen hat. Zur Überzeugung des Senat steht somit auf Grund der berufskundlichen Auskünfte des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg, des VME und der BfA fest, dass der Kläger in dem Zeitraum, in dem er noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfügte, also bis zum 31. Oktober 2002, nur noch Vollzeitarbeitsplätze ausfüllen konnte, die in dieser Weise in der Arbeitswelt typischerweise als Erwerbsmöglichkeiten nicht oder nicht mehr vorhanden waren. Damit liegt EU des Klägers bereits (spätestens) seit dem 6. Januar 1995 (Hörsturzrezidiv) vor.

In der Person des Klägers sind ausgehend vom Eintritt der EU am 6. Januar 1995 auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen EU erfüllt. Denn er hat vor Eintritt der EU mehr als fünf Jahre (60 Kalendermonate) Pflichtbeitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt und erfüllt auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ausweislich des von der Beklagten dem Bescheid vom 18. Februar 2000 beigefügten Versicherungsverlaufs. Dabei gelten die für die bis zum Rentenbeginn gewährten Sozialleistungen gezahlten Pflichtbeiträge als Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 38 Satz 2 SGB VI in der bis 31. Dezember 1999 geltenden Fassung).

Der Rentenbeginn folgt aus § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Die Rente wegen EU ist unbefristet ab 1. Februar 1995 zu leisten, weil der Anspruch des Klägers hierauf unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage ist und keine begründete Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Senat stützt sich bei dieser Prognoseentscheidung auf das Gutachten von Dr. B, nach dem von einem im Wesentlichen therapieresistenten chronifizierten Leidenszustand des Klägers auszugehen ist, der nicht besserungsfähig ist, und zwar nicht einmal teilweise. Der Anspruch auf EU-Rente ist bis 31. Oktober 2002 auch nicht von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig gewesen. Denn trotz eines dem Grunde nach noch vorliegenden vollschichtigen Leistungsvermögens bis zu diesem Zeitpunkt steht - wie dargelegt - fest, dass der Kläger (nur) aus gesundheitlichen Gründen außer Stande war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße oder monatlich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Er konnte keine einzige arbeitsmarktgängige Beschäftigung mehr verrichten, damit gab es für ihn in der Arbeitswelt überhaupt keine zumutbare Erwerbsmöglichkeit mehr. Damit war die EU auch vor dem 1. November 2002 nicht von der jeweiligen Arbeitsmarktlage (mit) abhängig, sondern ausschließlich vom Gesundheitszustand des Klägers.

Dem mit Schriftsatz vom 12. August 2004 als Hilfsantrag aufrechterhaltenen Beweisantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen. Denn es ist nicht ersichtlich, welchen Erkenntnisgewinn eine ergänzende Stellungnahme von Dr. J zu dem Gutachten von Dr. B hätte bringen können. Ungeachtet dessen, dass der Senat die Leistungsbeurteilung von Dr. J auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet in dessen Stellungnahme vom 5. Februar 2002 teilt, kann sich Dr. J als Hals-Nasen-Ohrenarzt fachkompetent zu dem Gutachten von Dr. B ohnehin nicht äußern; dies gilt ebenso für das bei dem Kläger vorliegende gesamte Leidensbild, das gerade durch eine Wechselwirkung zwischen der psychischen und somatischen Leiden gekennzeichnet ist. Zudem hat die Beklagte in ihrem Beweisantrag nicht aufgezeigt, welchen Erkenntnisgewinn für die gerichtliche Tatsachenfeststellung sie sich von einer ergänzenden Äußerung von Dr. J verspricht. Ein derartiger Erkenntnisgewinn erscheint vor allem schon deshalb ausgeschlossen, weil Dr. J als Nachfolger von Dr. G zu keiner Zeit den Kläger untersucht oder auch nur gesehen hatte. Eine erneute Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch Dr. J war aber schon deshalb nicht angezeigt, weil das Restleistungsvermögen des Klägers durch die bereits vorliegenden Gutachten abschließend geklärt ist und ein Widerspruch zwischen der Leistungsbeurteilung von Dr. B und Dr. G bzw. Dr. J, ausgehend von einer quantitativen Einschränkung des Restleistungsvermögens des Klägers seit dem 1. November 2002, nicht besteht und auch von der Beklagten nicht aufgezeigt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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