S 18 RJ 735/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 RJ 735/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Anwendung des § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO im sozialgerichtlichen Verfahren.
Der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20.01.2004 wird wie folgt geändert:

Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf

539,11 EUR (in Worten: fünfhundertneununddreißig 11/100 Euro)

festgesetzt.

Gründe:
I. Die Beteiligten des Hauptsacheverfahrens stritten über die Gewährung einer Rente wegen verminder-ter Erwerbsfähigkeit. Nachdem die Beklagte den Rentenantrag des in Hoyerswerda ansässigen Klä-gers durch Bescheid vom 21.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2001 abge-lehnt hatte, erhob der Kläger am 22.11.2001 Klage zum Sozialgericht Dresden. Mit Beschluss vom 24.10.2002 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger auf dessen Antrag vom 16.05.2002 hin Prozess-kostenhilfe und ordnete ihm den Antragsteller bei. Durch Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 25.09.2003, an welcher der Antragsteller teilnahm, wies das Sozialgericht die Klage ab und stellte fest, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Nachdem das Sozialgericht dem Antragsteller auf Grund eines Beschlusses des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 03.07.2003 einen Vorschuss in Höhe von 255,20 EUR gewährt hatte, beantragte jener am 09.10.2003 mit Schreiben vom 01.10.2003 und einer korrigierten Kostennote vom 08.12.2003 die Festsetzung der im Verfahren angefallenen Gebühren und Auslagen gegen Staatskasse in folgender Höhe: Prozessgebühr gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 BRAGO 350,00 EUR Post-, Telekommunikationsentgelte gemäß § 26 BRAGO 20,00 EUR Schreibauslagen für 235 Kopien 52,75 EUR Abwesenheitsgeld gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BRAGO 15,00 EUR Fahrtkosten für 100 km gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO 27,00 EUR Zwischensumme 464,75 EUR zuzüglich Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO 74,36 EUR Summe 539,11 EUR abzüglich des Vorschusses 255,20 EUR zu zahlender Betrag 283,91 EUR Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte durch Beschluss vom 20.01.2004 die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung in einer Höhe von 490,39 EUR fest, die sich wie folgt errechnet: Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 BRAGO 350,00 EUR Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO 20,00 EUR Fotokopierkosten gemäß § 27 BRAGO 50 Kopien à 0,50 EUR 25,00 EUR 185 Kopien à 0,15 EUR 27,75 EUR insgesamt 422,75 EUR zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO 67,64 EUR Gesamtsumme 490,39 EUR abzüglich des Vorschusses 255,20 EUR zu zahlender Betrag 235,19 EUR Die in Rechnung gestellten Kosten nach § 28 BRAGO seien wegen § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 nicht aus der Staatskasse erstattungsfähig. Die Ausnahme des § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO sei nicht einschlägig, weil der Antragsteller seine Kanzlei im Bezirk des Oberlandesgerichts und des Sozialgerichts Dresden habe. Gegen den am 23.01.2004 dem Antragsteller zugestellten Beschluss richtet sich dessen am 28.01.2004 bei Gericht eingegangene Erinnerung vom 27.01.2004. Er rügt darin die Absetzung von Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld. Vor dem Sozialgericht bestehe kein Zulassungszwang und er habe seine Niederlassung im Bezirk des Amtsgerichts Hoyerswerda bzw. des Landgerichts Bautzen, [ ...] die Ausnahmeregelung des § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO greife deshalb nicht ein. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab und legte die Sache dem Vorsit-zenden zur Entscheidung vor.

II. Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Die Vergütung ist antragsgemäß mit 539,11 EUR festzu-setzen, der abzüglich des Vorschusses noch auszuzahlende Betrag beläuft sich auf 283,91 EUR. Maßgeblich für die Berechnung der Vergütung ist gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO die Rechtsan-waltsgebührenordnung in der zum Zeitpunkt der Beiordnung geltenden Fassung des Gesetzes vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3344). Entgegen der dem angefochtenen Festsetzungsbeschluss zu Grunde liegenden Auffassung sind die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf Grund-lage von § 28 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 BRAGO erstattungsfähig. Daraus ergibt sich eine Wegstre-ckenentschädigung von 27,00 EUR und ein Abwesenheitsgeld von 15,00 EUR. Die Festsetzung der Terminsreisekosten und des Abwesenheitsgeldes lässt sich nicht mit dem Argu-ment ablehnen, es handele sich dabei hinsichtlich der Fahrt nach Dresden um nicht erstattungsfähige Mehrkosten gegenüber der Beauftragung eines in Dresden ansässigen Rechtsanwalts im Sinne des § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO. Diese Regelung darf nicht dahingehend missverstanden wer-den, dass im vorliegenden Verfahren der Kläger zur Vermeidung von Kosten nur einen in Dresden ansässigen Anwalts hätte beauftragen und die Staatskasse Prozesskostenhilfe allenfalls hätte gewäh-ren dürfen, um dem Kläger eine Fahrt nach Dresden zum ersten Mandantengespräch zu ermöglichen. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO neben § 122 BRAGO in Verbindung mit dem Beiordnungsbeschluss überhaupt eine Grundlage für eine ei-genständige Beschränkung enthält, ob also, wenn das Sozialgericht einen auswärtigen Anwalt beige-ordnet hat, ohne eine wirksame Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts anzuordnen, es im Rahmen des späteren Festsetzungsverfahrens an die uneingeschränkte Beiordnung gebunden ist und die Höhe der geltend gemachten Reisekosten allein aus dem Grund nur noch nach Maßgabe des § 126 Abs. 1 Satz 1 BRAGO beschränken darf (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12.02.2003, Az. L 6 B 19/02 SF, einerseits und Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.01.2000, Az. 9 WF 189/99 und 9 WF 36/00, andererseits). Denn § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist in sozialgerichtlichen Verfahren schon deshalb nicht anwendbar, weil er sich, wie aus § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO folgt, nur auf am Gerichtsort zugelassene Rechtsanwälte bezieht, ein Zulassungszwang vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aber nicht besteht. In die-sen Fällen ist auch nicht etwa § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO isoliert anzuwenden. Vielmehr richtet sich die Vergütungsfähigkeit von Reisekosten ausschließlich nach § 126 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist eng auszulegen, da nach dem Wegfall der Postulations-beschränkungen selbst in den Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit kein rechter Grund mehr besteht, um zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen, in beiden Fällen aber außerhalb des Ge-richtsortes ansässigen Anwälten zu differenzieren. Angesichts der weiträumigen Sozialgerichtsbezirke und der relativ geringen Zahl auf das Sozialrecht spezialisierter Rechtsanwälte würde eine Anwen-dung von § 126 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO den Besonderheiten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gerecht. Zudem stehen auch Anwälte im Wettbewerb miteinander; eine materielle Legitimation, de-retwegen das Kostenrecht dessen Rahmenbedingungen einseitig zu Gunsten der ortsansässigen Rechtsanwälte soll beeinflussen können, ist nicht ersichtlich. Allein das fiskalische Interesse der Staatskasse an der Vermeidung von Erstattungsforderungen für Reisekosten würde es nicht rechtferti-gen, entweder den außerhalb des Gerichtsortes ansässigen Beteiligten stets das Aufsuchen eines Rechtsanwalts am Gerichtsort anzusinnen oder den auswärtigen Rechtsanwälten die mit der Wahr-nehmung des Mandats notwendig verbundenen Terminsreisekosten zu versagen. Richtet sich die Vergütung somit gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 BRAGO nur nach der Erforderlichkeit der Reise, steht dem Antrag nichts entgegen. Denn zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen des Klägers sind sowohl die Hinzuziehung des zwar nicht am Gerichtsort, dafür aber wohnortnah ansässi-gen Rechtsanwalts (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2002, Az. VIII ZB 30/02, in Bezug [auf] § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) als auch die Teilnahme des Rechtsanwalts am Gerichtstermin erforderlich gewesen. Dass der Antragsteller die Notwendigkeit der Reise nicht zuvor nach § 126 Abs. 2 BRAGO hat feststellen lassen, schadet nicht. Bindend ist für das Festsetzungsverfahren nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BRAGO ausschließlich die vorherige positive Feststellung der Notwendigkeit. Fehlt diese, steht damit nicht zugleich automatisch fest, dass die Reise nicht notwendig gewesen wäre; es fehlt nur die Grundlage für den von § 126 Abs. 2 Satz 2 BRAGO angestrebten Vertrauensschutz. Der Höhe nach sind die erstattungsfähigen Fahrtkosten auf das Kilometergeld für die in der nachge-reichten Kostennote vom 08.12.2003 ausgewiesene Wegstrecke von 100 km begrenzt, der Antragstel-ler hat damit seinen ursprünglich auf die gesamte Entfernung von 130 km bezogenen Antrag in der Fassung der Kostennote vom 29.09.2003 beschränkt. Das Gericht ist hieran gebunden. Die Summe der Vergütung berechnet sich damit wie in der Kostennote vom 08.12.2003 ausgewiesen. Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 128 Abs. 5 BRAGO).
Rechtskraft
Aus
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