L 13 SB 13/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 48 SB 1882/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 13/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zuerkennung eines Grades der Behinderung ( GdB) von 100 sowie die Anerkennung der medizinischen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" - erhebliche Gehbehinderung - und "B" - Notwendigkeit der ständigen Begleitung.

Der 1952 geborene Kläger beantragte im Juli 1998 die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft unter Bezugnahme auf einen Arztbrief der Medizinischen Klinik III der -Universität E vom 6. März 1997, in dem ein Zustand nach Hepatitis B und C sowie der Verdacht eines Morbus Reiter angegeben waren, und auf einen CT-Befund der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 5. Juni 1996. Der Beklagte holte einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 20. August 1998 ein.

Der gutachtlichen Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. G vom 12. September 1998 folgend erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 27. November 1998 einen GdB von 30 wegen folgender Behinderungen an, deren Einzel-GdB sich aus den Klammerzusätzen ergeben: a. rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenschaden und dege- nerativen Veränderungen und Morbus Bechterew (20) b. Depression (20) c. Chronische Hepatitis mit Leberschädigung (20) d. chronisches Ulcusleiden des Magens und des Zwölffingerdarms (20).

Die Behinderung habe zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt.

Auf den Widerspruch des Klägers ließ der Beklagte ihn durch den Arzt F untersuchen, der es für gerechtfertigt hielt, das Leiden zu a. mit einem GdB von 30 zu bewerten. Im Hinblick auf die negativen Wechselwirkungen der Leiden zu a. und b. sei ein GdB von 50 zu vertreten. Dem folgend erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 16. März 1999 einen GdB von 50 an. Auf den Einwand des Klägers hiergegen, seine chronische Bronchitis und chronische Polyarthritis und der Morbus Reiter würden nicht anerkannt, holte der Beklagte einen Befundbericht von Dr. S (vom 17. Mai 1999) ein, der darauf hinwies, dass sich das chronische Schmerzsyndrom nunmehr als eigenständiges Krankheitsbild entwickelt und dadurch verschlimmert habe, dass es das depressive Syndrom negativ beeinflusse. Es bestehe eine Therapieresistenz der Beschwerden.

Der Versorgungsarzt B entnahm den Unterlagen keinen Nachweis einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Die geltend gemachte Polyarthritis habe nach dem vorliegenden ärztlichen Untersuchungsbefund und unter Zugrundelegung der nachgereichten Röntgenbefunde zu keinerlei Beeinträchtigung geführt, die eine gesonderte Anerkennung nach sich ziehen könnte. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom könne mangels gezielter Behandlung nicht anerkannt werden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1999 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Weder die Ausführungen des Klägers noch der erneut eingeholte Befund von Dr. Srechtfertigten eine abweichende Entscheidung.

Mit seiner hiergegen bei dem Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm allein aufgrund des fortgeschrittenen Morbus Bechterew ein GdB von 80 zuzuerkennen sei. Das Sozialgericht hat Befundberichte von der Allgemeinmedizinerin B ( vom 15. Dezember 1999) und von Dr. Sr ( vom 23. Juni 2000) eingeholt, einen Entlassungsbericht der Klinik R, Fachbereich Orthopädie, über einen stationären Aufenthalt vom 23. Mai bis zum 13. Juni 2000 zur Akte genommen und den Chefarzt der Orthopädisch-rheumatologischen Abteilung des I-Krankenhauses, Prof. Dr. S, zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 14. November 2000 ausgeführt, die Röntgenbilder hätten eine deutlich entzündliche Veränderung beider Kreuz-Darmbeinfugen gezeigt, wie sie bei rheumatologischen Untersuchungen nachweisbar seien. Auch belegten die Laboruntersuchungen ein rheumatisches Krankheitsbild. Bei der bestehenden Verschleißerscheinung des Achsorgans habe sich bei der klinischen Untersuchung kein Anhalt für eine eindeutige Nervenwurzelkompression ergeben. Die von dem Beklagten vorgenommene Bewertung der einzelnen Leiden sei angemessen. Insbesondere sei auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet ein GdB von 30 mangels eindeutiger Nervenwurzelreizerscheinungen ausreichend und berücksichtige zugleich ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom. Dagegen hat der Kläger eingewandt, das Ergebnis der Begutachtung sei unverwertbar, weil gerade kein rheumatischer Schub bestanden habe und Röntgenaufnahmen einer anderen Klägerin mit berücksichtigt worden seien, sein schlechter Gesundheitszustand werde durch ein CT der LWS vom 22. Januar 2001 belegt. Der Gutachter hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. September 2001 darauf verwiesen, dass die vom Kläger angegebenen Verfälschungen durch Fremdbefunde nicht vollständig entkräftet werden könnten, weil die Original-Unterlagen an den Kläger zurückgesandt worden seien. Wesentlich sei jedoch, dass ein rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit Nervenwurzelreizerscheinungen und einem außergewöhnlichen Schmerzzustand sowie ein rheumatisches Krankheitsbild angenommen worden seien.

Im April 2000 beantragte der Kläger beim Beklagten die Anerkennung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "B". Der Beklagte holte einen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin B vom 25. Juli 2000 ein, dem der Entlassungsbericht der Klinik R vom 19. Juli 2000 beigefügt war und lehnte auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme des Arztes F den Antrag durch Bescheid vom 5. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2000 ab. Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit und Klarheit würden die Behinderungen nunmehr wie folgt bezeichnet, wobei sich die verwaltungsinterne Bewertung der Einzel-GdB aus den Klammerzusätzen ergibt:

a. Entzündliche und degenerative Veränderungen von Wirbelsäule und Gelenken, Verdacht auf Morbus Bechterew (40) b. Depressionen mit Somatisierungsstörung (20) c. Chronische Hepatitis mit Leberschädigung (20) d. Chronisches Ulcusleiden des Magens und des Zwölffingerdarms (20)

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht zum anhängigen Verfahren verbunden. Es hat einen CT-Befund der Kniegelenke vom 22. Januar 2001, einen MRT-Befund des linken Kniegelenks vom 13. Februar 2001, Röntgenbefunde des linken Schultergelenks und beider Sprunggelenke vom 11. und 13. März 2002 und ein vom MDK eingeholtes Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 7. Juni 2001 zur Akte genommen. Anschließend hat es ein Gutachten des Orthopäden Dr. Zvom 16. April 2002 eingeholt. Dieser hat angegeben, der Kläger, der mit einem Rollstuhl und in einer Begleitung zur Untersuchung erschienen sei, habe ein ataktisch wirkendes Gangbild demonstriert, das sich unter Berücksichtigung der körperlichen Untersuchungsbefunde nicht in diesem Maße auf rein orthopädischer Basis erklären lasse. Im orthopädischen Bereich bestehe ein Fersenspornleiden beidseits, beginnende Verschleißerscheinungen der Sprunggelenke, eine Bewegungseinschränkung bei Verschleißerscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises. Diese Behinderungen im Bereich des Bewegungsapparates bedingten einen GdB von 30. Der Gesamt-GdB betrage 50. Die eindeutigen Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen seien nicht erfüllt.

Durch Urteil vom 29. Oktober 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die bei dem Kläger bestehenden Funktionsstörungen seien mit einem GdB von 50 angemessen und ausreichend bewertet. Bei der Entscheidungsfindung sei das Gutachten von Prof. Dr. S nur insoweit berücksichtigt worden, als die körperlichen Untersuchungsbefunde vom 10. November 2000 verwertet worden seien, nicht jedoch die möglicherweise verwechselten bildgebenden Befunde. Ausweislich beider Gutachten seien die Bewegungsausmaße der Hals- und Brustwirbelsäule altersgerecht, während im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige Bewegungseinschränkungen bestünden. Diese seien nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz"(Anhaltspunkten) 1996 mit einem GdB von 20, unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Schmerzzustände mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Leiden im Bereich der Knie und der Sprunggelenke bedingten unter Berücksichtigung der von beiden Sachverständigen erhobenen Untersuchungsbefunde keinen Einzel-GdB, unabhängig davon, ob jeweils ein oberer und unterer Fersensporn festgestellt werden könne, da entscheidungserheblich die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen seien. Die Bewertung der übrigen Leiden werde vom Kläger nicht angegriffen, so dass die Kammer insoweit der Begründung der angefochtenen Bescheide folge. Die Gesamt-GdB-Bildung entspreche den Vorgaben der Nr. 19 der Anhaltspunkte 1996. Die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seien ebenfalls nicht erfüllt, da weder ein GdB von 50 für sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen vorliege, noch einer der auf S. 165 f der Anhaltspunkte genannten Fälle vorliege. Da das Merkzeichen "B" auch die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" oder "H" erfordere, erübrigten sich weitere Ausführungen hierzu.

Mit seiner Berufung vom 30. Januar 2003 gegen das ihm am 9. Januar 2003 zugestellte Urteil macht der Kläger geltend, das Gutachten von Prof. Dr. S sei insgesamt unverwertbar, weil die Möglichkeit bestehe, dass er bei einer anderen Person erhobene Befunde in seine Bewertung mit habe einfließen lassen. Das Gutachten von Dr. Zsei nicht verwertbar, weil er den CT-Befund vom 22. Januar 2001, der eine Wurzelkompression ausweise, nicht berücksichtigt habe. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass sich die Schmerzen bei einem rheumatischen Schub erheblich verstärkten. Durch die Schmerzzunahme bei jedem Schritt sei seine Orientierungsfähigkeit beeinträchtigt. Ein MRT des linken Vorfußes vom 3. März 2003 belege eine Vorfußarthritis sowie Knochenmarks- und Weichteilödeme. Zusammen mit den Veränderungen im Sprunggelenk und den Fersenspornen wirkten sich diese Einschränkungen verstärkend auf die schmerzhaften Funktionsbeeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule aus, so dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" gegeben seien. Eine Bewertung des Schmerzsyndroms mit 20 berücksichtige nicht, dass es sich um eine stärker behindernde Störung handele. Angesichts der Tatsache, dass ihm Pflegegeld der Stufe 1 gewährt und ein Rollstuhl verordnet worden sei, bestünden Widersprüche, die eine erneute Begutachtung erforderlich machen würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Oktober 2002 aufzuheben, die Bescheide vom 27. November 1998 und 16. März 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1999 sowie den Bescheid vom 5. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2000 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen GdB von 100 zuzuerkennen und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen einer erheblichen Gehbehinderung - Merkzeichen "G" - und der Notwendigkeit ständiger Begleitung -Merkzeichen "B" - festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Befundberichte von Dr. S (vom 17. Oktober 2003) und der Allgemeinmedizinerin B(vom 19. Januar 2004) eingeholt sowie ein Attest der Ärztin B vom 10. April 2004, einen Arztbrief des Kardiologen Dr. Bvom 28. Juni 2004, einen Röntgenbefund vom 27. Juli 2004 und einen Knochenszintigraphiebefund vom 5. August 2004 zur Akte genommen.

Der Beklagte hat Stellungnahmen des Chirurgen Dr. O vom 3. Dezember 2003 und 27. Mai 2004 sowie der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W vom 8. Dezember 2003 eingereicht.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Schwerbehindertenakte des Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er kann aus §§ 2,69 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) weder einen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB als 50 herleiten, noch liegen bei ihm die medizinischen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "B" vor.

Nach §§ 2 Abs.1, 69 Abs.1 S.3,4 SGB IX sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Gesundheitsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkten in der Fassung von 2004, deren Vorgänger die Anhaltspunkte 1996 waren, zu bewerten, die als Sachverständigengutachten mit norm-ähnlicher Qualität gelten. Auf der Grundlage der von beiden gerichtlich gehörten Sachverständigen erhobenen Untersuchungsbefunde rechtfertigt das medizinische Gesamtbild des Klägers die Anerkennung eines GdB von mehr als 50 nicht.

Es ergibt sich kein Anhalt für eine Bewertung des unter Buchstabe a) erfassten Behinderungskomplexes mit einem GdB von 40. Zwar hat der Arzt F auf der Grundlage des Entlassungsberichts der Klinik R vom 19. Juli 2000 einen GdB von 40 für angemessen erachtet, ihm lag jedoch nicht das auf einer persönlichen Untersuchung erstattete Gutachten von Dr. F vom 20. Januar 1999 vor. Auch hat der Arzt F seine Einschätzung des Einzel-GdB nicht begründet.

Bei dieser Sachlage stützt der Senat seine Feststellungen insbesondere auf das Gutachten von Dr. Z, das auf der Grundlage einer persönlichen Untersuchung, anlässlich derer der Kläger seine Beschwerden darlegen konnte, und in Kenntnis der Ausführungen im Gutachten des MDK für die Pflegeversicherung, erstattet worden ist. Dabei war zu berücksichtigen, dass nach Angaben des Gutachters im Rahmen der Untersuchung teilweise in nicht nachvollziehbarer Art und Weise eine aktive Gegenspannung bei der Durchführung bestimmter Untersuchungsvorgänge vorgelegen hat, während im Rahmen dann folgender Untersuchungsgänge anderer Körperregionen die vorher aktiv gegengespannten Areale weitgehend funktionsgerecht benutzt wurden. Vor diesem Hintergrund hat Dr. Z Verschleißerscheinungen lediglich der Lendenwirbelsäule feststellen können, ohne dass eine neuromuskuläre Kompressionssymptomatik, eine Muskelverschmächtigung oder motorische Schwäche vorgelegen habe. Gegen diese Feststellungen hat der Kläger auch keine Einwände erhoben, sondern lediglich geltend gemacht, dass der Gutachter computertomographisch festgestellte Bandscheibenschäden nicht berücksichtigt habe. Maßgeblich für die Feststellung des GdB sind jedoch, wie im Abschnitt "Allgemeines" der Nr. 26.18, S. 111der Anhaltspunkte 2004 nochmals ausdrücklich hervorgehoben wird, nicht allein die bei bildgebenden Verfahren festgestellten Veränderungen.

Nach Nr. 26.18, S. 116 der Anhaltspunkte 2004 sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem Einzel-GdB von 20, solche mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem Einzel-GdB von 30 und erst schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 40 zu bemessen. Insoweit hat der Sachverständige Zemke in Übereinstimmung mit den anderen gutachtlichen Feststellungen die Bewegungseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule und die Erkrankung des rheumatischen Formenkreises nachvollziehbar zusammengefasst und mit einem GdB von 30 bewertet.

Auch kommt eine Erhöhung des GdB-Wertes ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen , wie sie die Anhaltspunkte 2004, Nr. 26.18, S. 116, für den Fall vorsehen, dass außergewöhnliche Schmerzsyndrome vorliegen, nicht in Betracht. Auf den Hinweis des Senats, dass Voraussetzung hierfür eine Schmerzhaftigkeit ist, die eine spezielle ärztliche Behandlung erforderlich macht, hat der Kläger ein Attest von Dr. Bvom 10. April 2004 eingereicht, dem gegenüber den Angaben im Befundbericht vom 15. Dezember 1999 keine neuen Erkenntnisse zu einer speziellen Schmerztherapie zu entnehmen sind. Die Besonderheiten bei der Schmerzverarbeitung als solche haben jedoch sowohl Prof. Dr. S als auch Dr. Z im Rahmen ihrer Begutachtung berücksichtigt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Tatsache, dass die Feststellungen durch bildgebende Befunde hinsichtlich der Füße und der Knie von dem Sachverständigen nicht verwertet worden sind, kein Anhalt dafür, dass Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen, die einen Einzel-GdB bedingen könnten, zu berücksichtigen sind. Denn der Gutachter hat die Bewegungsausmaße der unteren Gliedmaßen umfassend dargestellt, dabei die Beweglichkeit der Großzehen berücksichtigt und eine Überwärmung oder Schwellung nicht feststellen können.

Die im Berufungsverfahren eingereichten bildgebenden Befunde machten eine erneute Begutachtung des Klägers nicht erforderlich, da der behandelnde Arzt Dr. S über die schon im Befundbericht vom 23. Juni 2000 angegebene Gelenkerkrankung Fersensporn rechts und links hinaus lediglich eine Gangstörung angegeben hat, die jedoch bereits von dem Gutachter berücksichtigt worden ist. Dies gilt auch für die im August 2004 vom Kläger nachgereichten bildgebenden Befunde. Diese belegen lediglich die bereits von Dr. Z gewürdigte Erkrankung des rheumatischen Formenkreises als Grunderkrankung verschiedenster Manifestationen im Bereich des Bewegungsapparates, ohne dass ihnen weitere Funktionseinschränkungen entnommen werden könnten.

Anhaltspunkte dafür, dass das seelische Leiden des Klägers mit einem GdB von 20 unzutreffend bewertet sein könnte, bestehen ebenfalls nicht. Aus den von Dr. S mitgeteilten Diagnosen kann auf eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, wie sie in den Anhaltspunkten 2004 unter 26.3,S. 48 "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" als Voraussetzung für einen GdB von 30 aufgeführt sind, nicht geschlossen werden.

Zu den unter c. und d. festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen sind im Laufe des Verfahrens keine neuen Befunde mitgeteilt worden, die Zweifel an einer zutreffenden Bewertung im Verwaltungsverfahren aufkommen lassen könnten.

Ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule, einem GdB von 20 für das seelische Leiden und einem GdB von je 20 für die chronische Hepatitis und das chronische Ulcusleiden entspricht die Bildung eines Gesamt-GdB von 50 der Vorschrift des § 69 Abs.3 SGB IX. Danach ist dann, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen.

Die Vorschrift stellt klar, dass der Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen oder Behinderungen unabhängig davon, ob sie in einem oder mehreren medizinischen Fachbereichen vorliegen, nicht durch bloße Zusammenrechnung der für jede Funktionsbeeinträchtigung oder Behinderung nach den Tabellen in den Anhaltspunkten festzustellenden oder festgestellten Einzel-GdB zu bilden ist, sondern durch eine Gesamtbeurteilung. In der Regel ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, um dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft größer wird. Dabei führen grundsätzlich leichte Funktionsbeeinträchtigungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtauswirkung, die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Dies gilt selbst dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Funktionsbeeinträchtigungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen ( vgl. AHP 1996, Nr. 19 S. 33 bis 35 und BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 9). Der Beklagte ist bei der Bildung des Gesamt-GdB nach diesen Grundsätzen verfahren.

Der Kläger erfüllt auch nicht die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Gemäß § 146 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Diese Voraussetzungen können nach Ziffer 30 Abs. 3 S. 138 der Anhaltspunkte 2004 u.a. erfüllt sein bei Behinderungen der unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50, die sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, oder Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung. Diese Behinderungen sind bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab für die erforderliche Einschränkung der Gehfunktion heranzuziehen. Auch bei einer zusammenfassenden Bewertung der vom Kläger für die einzelnen Gelenke geltend gemachten Bewegungseinschränkungen ist diese einer Versteifung des Kniegelenks oder des Fußgelenks nicht gleich zu erachten, da in keinem Gelenk eine gegenüber den Normalwerten der Bewegungsausmaße erhebliche Einschränkung festgestellt werden konnte. Erst recht liegt demnach keine einer Versteifung in ungünstiger Stellung vergleichbare Situation vor. Dies hat insbesondere Dr. Zschlüssig und nachvollziehbar dargelegt.

Mangels Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" erfüllt der Kläger auch nicht diejenigen des Merkzeichens "B". Gemäß § 146 Abs.2 SGB IX ist die ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen notwendig, die bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Diese Voraussetzungen sind nach Nr. 32 Abs.2 der Anhaltspunkte 2004 nur bei Menschen erfüllt, bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" oder "H" vorliegen. Deren Voraussetzungen erfüllt der Kläger , wie bereits dargelegt, jedoch nicht.

Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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