L 8 RA 16/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 RA 24/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 16/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.04.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine rentensteigernde Anrechnung weiterer Zeiten wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung.

Die am 00.00.1958 geborene Klägerin ist Witwe des am 00.00.1955 geborenen und am 23.08.2000 verstorbenen Versicherten N G. Sie beantragte am 06.09.2000 bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Der Verstorbene war Vater ihrer Kinder E B (geb. 00.00.1989) und N1 M (geb. 00.00.1994).

Mit Bescheid vom 07.11.2000 bewilligte ihr die Beklagte große Witwenrente ab dem 23.08.2000, die (im Anschluss an das sog. Sterbevierteljahr) ab dem 01.12.2000 monatlich 1.202,23 DM betrug. Der Versicherungsverlauf enthält folgende Schul- bzw. Hochschulausbildungszeiten:

24.11.1971 - 23.11.1972 Schulausbildung, keine Anrechnung
24.11.1972 - 10.08.1973 insges. 9 Monate Schulausbildung
11.08.1973 - 31.08.1973 1 Monat Schulausbildung, Überbrückungszeit

01.09.1973 - 31.03.1976 insges. 31 Monate Schulausbildung
01.08.1976 - 30.09.1976 2 Monate Schulausbildung
01.10.1976 - 02.07.1978 Schulausbildung, Höchstdauer überschritten

21.08.1978 - 12.09.1979 Schulausbildung, Höchstdauer überschritten

13.09.1979 - 09.05.1985 Hochschulausbildung, Höchstdauer überschritten

Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsverlaufs wird auf diesen Bezug genommen (Anlage 2 zum Bescheid vom 07.11.2000).

Die Klägerin legte am 21.11.2000 Widerspruch ein mit der Bitte um Anpassung nach dem "Nettoanpassungsverfahren" bzw. um Änderung des aktuellen Rentenwerts; die dauerhafte Anpassung der Rente nach der Inflationsrate sei ein Systembruch, der zu einer Verarmung der Rentner führe. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möge das Verfahren ruhen.

Am 19.02.2001 wandte sich der Bevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte mit der Bitte, die Möglichkeit zu prüfen, den alten Antrag auf Witwenrente zurückzunehmen und einen neuen Antrag zu stellen. Denn es lägen nicht angerechnete Studienzeiten vor, welche den Durchschnitt wohl ziemlich verminderten. Die Beklagte möge prüfen, ob bei Anwendung neuen Rechts die Lücken nicht mehr rentenschädlich seien. Da Hinterbliebenenrente für ein Jahr rückwirkend geleistet werde, dürfte die Verrechnung ggf. kein Problem darstellen. Später erklärte die Klägerin, sie wünsche eine Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); ihr Ziel sei die Berücksichtigung einer Gesetzesänderung zum 01.01.2002 auch für davor liegende Versicherungsfälle.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 26.02.2001 mit, das anzuwendende Recht ergebe sich aus dem Todestag des Versicherten.

Mit Bescheid vom 09.04.2001 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 01.03.2001 neu auf monatlich 1.103,28 DM, nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie nehme zum 01.03.2001 eine Berufstätigkeit auf. Eine Änderung im Versicherungsverlauf ergab sich nicht.

Mit Bescheid vom 23.08.2001 lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheides vom 07.11.2000 nach § 44 SGB X ab. Das Recht sei richtig angewandt und die Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden. Änderungen im Rentenrecht ab 01.01.2002 begründeten keinen Anspruch auf Neufeststellung der Rente.

Die Klägerin legte Widerspruch ein mit der Begründung, die zweifache Kürzung der Schul- und Ausbildungszeiten (a) auf 36 Monate und (b) auf 75%, maximal 0,0625 Entgeltpunkte, entspreche inzwischen nicht mehr der Intention der Rentenversicherung. Sie beantrage daher, die Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung voll und zumindest mit dem Wert von Kindererziehungszeiten zu bewerten. Hilfsweise bitte sie um Anrechnung der vollen Anrechnungszeiten für den Lückenausgleich bei der Berechnung der Zurechnungszeit. Dies sei vor dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG 1996) so gehandhabt worden, und ab 01.01.2002 werde es wieder so gehandhabt, weil man die Dramatik der Kürzung gesehen habe. Dass nur Rentenfälle, die zufällig in das entsprechende Zeitfenster fielen, wesentlich schlechter behandelt würden, entspreche nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (GG).

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien die Vorschriften des SGB VI vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden habe. Die Beklagte sei nach Art. 20 GG an Gesetz und Recht gebunden.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.11.2001 Klage zum Sozialgericht Dortmund erhoben. Der Rechtsstreit wurde nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 16.01.2002 an das örtlich zuständige Sozialgericht Düsseldorf verwiesen. Die Klägerin hat zur Begründung vorgetragen, dadurch, dass die Beklagte nur 36 Monate an Schulzeiten berücksichtige und übrige Schul- und Hochschulzeiten als Lücke bewerte, komme es insbesondere bei jüngerem Alter zu wesentlichen Rentenminderungen. Nach altem Recht seien mehr Schulzeiten angerechnet worden, so dass es zu einer Erhöhung des Durchschnitts gekommen sei. Ab dem 01.01.2002 werde diese Bewertung zumindest für die Zurechnungszeit wieder eingeführt. Es sei aber nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber für den in das dazwischen liegende Zeitfenster fallenden Personenkreis diese Bewertung nicht auch einführe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 23.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.11.2000 zu verurteilen, die volle Schulzeit anzurechnen, hilfsweise, zumindest in der Gesamtleistungsbewertung die volle Schulzeit mit fiktiven Werten einzurechnen und hilfsweise, die Sache dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG vorzulegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Mit Urteil vom 08.04.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung weiterer Anrechnungszeiten und die Zahlung einer höheren Witwenrente seien nicht erfüllt. Fehler bei der Rechtsanwendung durch die Beklagte seien nicht ersichtlich und würden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, die günstigere Rechtslage ab 01.01.2002 zu berücksichtigen. Nach § 306 Abs. 1 SGB VI sei aus Anlass einer Rechtsänderung eine Neuberechnung der Rente nicht vorzunehmen. Allein die Besserstellung durch neues Recht sei kein Grund für eine Überprüfung oder Neufeststellung (KK-Niesel, § 306 SGB VI Rz. 3). Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bestehe kein Anlass; gegen Vorschriften des GG werde nicht verstoßen, insbesondere nicht gegen Art. 14 oder Art. 3 GG. Anrechnungszeiten beruhten überwiegend auf staatlicher Gewährung und seien deshalb Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge, da sie ohne eigene Beitragsleistungen erworben würden. Der Gesetzgeber habe hier einen besonders weiten Gestaltungsspielraum, und die Änderungen der Bewertung dieser Zeiten im SGB VI sei eine zulässige Neubestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums (BSG vom 18.04.1996 - 4 RA 36/94 - , vom 17.12.1997 - 13 RJ 97/96 - sowie vom 24.02.1999 - B 5 RJ 68/98 R - ). Auch stelle sich die Wahl des Stichtages nicht als Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dar. Die Einführung eines Stichtages und die Wahl des Zeitpunktes seien notwendig und am gegebenen Sachverhalt orientiert gewesen. Härten, welche jeder derartigen Regelung innewohnten, müssten deshalb hingenommen werden (vgl. BSG a.a.O.). Ein über das in § 252 Abs. 4 SGB VI gewährte Maß hinausgehender Vertrauensschutz komme der Klägerin nicht zugute.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin noch am Tag seiner Verkündung Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Anrechnung von Studienzeiten sei nach dem 01.01.1997 radikal gekürzt worden: Von 1957 bis 1996 seien 13 Jahre angerechnet worden, von 1997 bis 2001 nur 36 Monate. Weil man festgestellt habe, dass dies insbesondere in jungen Jahren zu erheblichen Rentenminderungen geführt habe, habe man diese Kürzung zwischenzeitlich weitgehend abgemildert, jedoch nur für die Zukunft: ab 2002 würden wieder 8 Jahre angerechnet. Ihr Versicherungsfall liege leider genau im dazwischen liegenden Zeitfenster. Zwar könnten sich bei Stichtagsregelungen immer Härten ergeben. Das Sozialgericht habe aber nicht genügend berücksichtigt, dass es sich um ein sehr kurzes Zeitfenster handele, welches eine Ungleichbehandlung nur für Wenige (Versicherungsfälle zwischen 1997 und 2001) zementiere. Dies sei eine gravierende Ungerechtigkeit, die ggf. vom Bundesverfassungsgericht beseitigt werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.04.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2001 zu verurteilen, der Klägerin unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2001 höhere Witwenrente unter Anerkennung der Schul- und Studienzeiten des Versicherten nach dem Rechtsstand von 1996, hilfsweise nach dem von 2002, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf Widerspruchsbescheid und sozialgerichtliches Urteil Bezug.

Der Senat hat die Klägerin mit einem Schreiben vom 24.05.2004 darauf hingewiesen, dass eine alleinige Betrachtung von § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI zu kurz greifen dürfte. Denn nach der Neuregelung im Anschluss an das von ihr thematisierte "Zeitfenster" seien nach § 74 Abs. 1 Satz 4 SGB VI im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Schulausbildungszeiten nur für höchstens drei Jahre bewertbar gestellt.

Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats und auf Bitten der Klägerin Probeberechnungen für einen Rentenbeginn jeweils zu unterschiedlichen fiktiven Versicherungsfällen vorgelegt. Bei einem Rentenbeginn am 30.12.1996 würde danach ab 01.09.2004 die monatliche Rente 662,82 EUR betragen. Bei einem Rentenbeginn am 01.01.2002 würde die Rente ab 01.11.2004 monatlich 552,65 EUR betragen. Bei einem Rentenbeginn am 30.12.2001 würde sie ab 01.11.2004 monatlich 540,12 EUR betragen.

Die Klägerin trägt hierzu vor, die Berechnungen seien nicht exakt, weil von unterschiedlichen Versicherungsfällen ausgegangen werde. Dabei differierten die Zurechnungszeiten erheblich und verzerrten das Bild. Sie müsse, um eine Entscheidung des Verfassungsgerichts zu erreichen, den Rechtsweg ausschöpfen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das auf Teilrücknahme eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes gem. § 44 SGB X gerichtete Begehren der Klägerin. Der Rentenbescheid vom 07.11.2000 ist hinsichtlich der Bewertung von Anrechnungszeiten bindend geworden; der gegen ihn eingelegte Widerspruch war auf die Frage der Höhe der Rentenanpassung beschränkt worden.

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf Teilrücknahme des Rentenbescheides zu. Die Beklagte hat darin vielmehr zu Recht abgelehnt, den Rentenbescheid vom 07.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2001 zu ändern und bei der Witwenrente der Klägerin Schul- und Studienzeiten des Versicherten in einem zu höheren Leistungen führenden Umfang zu berücksichtigen.

Die Entscheidung der Beklagten entspricht - was auch die Klägerin nicht in Frage stellt - dem einfach-gesetzlichen Rentenrecht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt sie auch nicht gegen Verfassungsrecht. Der Senat nimmt zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.

Darüber hinaus gilt, dass bereits die Absenkung der berücksichtigungsfähigen Ausbildungszeiten auf 36 Monate (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI a.F. ab 1997) sowie die Begrenzung ihrer Bewertung auf einen Höchstwert von 0,0625 Entgeltpunkten pro Monat (§ 74 Satz 2 SGB VI) durch das WFG 1996 keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete. Das Bundessozialgericht (BSG) hat insoweit die begrenzte Gesamtleistungsbewertung für Ausbildungsanrechnungszeiten sowie die hierzu ergangenen Übergangsregelungen ab dem 01.01.1997 durch das WFG 1996 für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten (BSG v. 30.03.2004 - B 4 RA 36/02 R). Eine nach Erfüllung der allgemeinen Wartezeit mit Vollendung des 55. Lebensjahres erwachsene Grundrechtsposition (vgl. Vorlagebeschluss BSG v. 16.12.1999 - B 4 RA 11/99 R) konnte der zur Zeit der Gesetzesänderung erst 42-jährige Versicherte von vornherein noch nicht erworben haben. Der Senat schließt sich dem an. Denn Zeiten einer Ausbildung sind volkswirtschaftlich gesehen (zunächst) und auch für die gesetzliche Rentenversicherung nicht unmittelbar von Wert, da solche Zeiten die Produktivität der Wirtschaft nicht direkt steigern. Bedeutung erlangt die Ausbildung ggf. erst später durch die infolge höherer beruflicher Qualifikation höhere Produktivität des Unternehmens, bei dem der Ausgebildete beschäftigt ist; diese höhere Qualifikation führt jedoch regelmäßig auch zu höheren Beitragszahlungen des Arbeitgebers und damit zu höheren Rentenanwartschaften als bei Tätigkeiten ohne solche Qualifikation (BSG a.a.O.). Aus diesem Grunde ist nicht nur die Begrenzung der Bewertung auf 0,0625 Entgeltpunkte pro Monat, sondern auch die auf 36 Monate begrenzte Anrechnung von Ausbildungszeiten durch das WFG 1996 nicht zu beanstanden.

Auch die ab dem Jahre 2002 geltenden Regelung von maximal acht Jahren Ausbildungsanrechnungszeit (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI n.F.), von denen jedoch bei der Gesamtleistungsbewertung nur drei Jahre berücksichtigt werden (§ 74 Satz 3 SGB VI n.F.), verletzt die Klägerin nicht in Verfassungsrechten. Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass eine entsprechende Stichtagsregelung zwar aus der Natur der Sache heraus Härten mit sich bringen kann, jedoch hinzunehmen ist und insbesondere keine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) beinhaltet. Im Falle der Klägerin führt die auf ihren Fall anwendbare, ab 1997 geltende Regelung im Vergleich zur später ab 2002 geltenden Neuregelung im wirtschaftlichen Ergebnis auch nicht einmal zu einer Schlechterstellung, welche als besondere Härte angesehen werden könnte. Dies zeigen die von der Beklagten vorgelegten Probeberechnungen. Diese mögen kleinere Ungenauigkeiten aufweisen, weil rechnungstechnisch unterschiedliche Versicherungsfälle zum Ausgang genommen werden mussten. Sie machen aber gleichwohl deutlich, dass die sich ergebende Rentenhöhenabweichung beim Vergleich der Rechtslage zwischen 1997 und 2001 mit derjenigen ab 2002 nur minimal ist (nach den Proberechnungen 552,65 EUR für das ab 2002 geltende Recht im Vergleich zu 540,12 EUR für das bis Ende 2001 geltende Recht). Eine Pflicht des Gesetzgebers, jedwede rentenrechtliche Besserstellung nach einem Stichtag auch auf Versicherungsfälle auszudehnen, die vor diesem Stichtag gelegen haben, gibt es nicht. Das gilt auch, wenn ursprünglich (vorliegend vor 1997) eine Regelung bestanden hat, die eine noch größere Besserstellung enthielt als die aktuelle Neuregelung und damit Versicherungsfälle, welche in eine "Zwischenzeit" zwischen ursprünglicher und aktueller Regelung fallen, im Vergleich aller drei Rechtszustände die geringsten Leistungen erzielen.

Eine Verletzung von Art. 14 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Hinterbliebenenrente der Klägerin nicht auf eigener Beitragsleistung beruht, sondern eine Fürsorgeleistung darstellt. Zwar werden Hinterbliebenenrenten wie alle Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung aus Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber sowie aus einem Bundeszuschuss finanziert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) beruhen Hinterbliebenenrenten jedoch nicht auf einer dem einzelnen Versicherten individuell zurechenbaren Leistung, die eine Zuordnung der zugrundeliegenden gesetzlichen Ansprüche zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie rechtfertigen könnte. Es fehlt insoweit der hinreichende personale Bezug zwischen der Beitragsleistung des Versicherten und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten Rente. Das System der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwar durch das Versicherungsprinzip geprägt und gerechtfertigt, jedoch wird dieses Prinzip durch soziale Gesichtspunkte modifiziert. Denn die gesetzliche Rentenversicherung beruht im Wesentlichen auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher ein Element der "Fürsorge". Auch die Hinterbliebenenrente ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. BVerfGE 76, 256, 300 f.). Der Gedanke des sozialen Ausgleichs wird dadurch betont, dass die Fürsorge für die eigenen Angehörigen bei der individuellen Beitragsbemessung des Versicherten unberücksichtigt bleibt. Vielmehr trägt jeder Versicherte über seinen Beitrag zugleich auch zur Versorgung aller Hinterbliebenen von (anderen) Versicherten bei; auch wer keine unterhaltsberechtigten Angehörigen hat, zahlt gleiche Beiträge (vgl. BVerfGE 48, 346, 357 f.). Unterfallen danach bereits aus der Sicht des Versicherten die aus seiner Versicherung abgeleiteten Ansprüche seiner (potentiellen) Hinterbliebenen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG, so steht auch den Hinterbliebenen kein weitergehender verfassungsrechtlicher Schutz zu (vgl. BSG vom 31.03.1998 - B 4 RA 59/96 R).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. SGG bestehen nicht. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind höchstrichterlich nicht klärungsbedürftig. Soweit sie auf ein noch beim BSG anhängiges Revisionsverfahren B 4 RA 24/04 gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Mecklenburg-Vorpommern vom 03.12.2003 - L 4 RA 43/02 verweist, geht es darin um eine von Vornherein unterschiedliche Fallgestaltung: Entschieden wird darin über eine nachträgliche Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur Zusatzversorgung (DDR), welche eine tatsächliche Änderung der Verhältnisse sei und eine Rentenneuberechnung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 307b SGB VI nach sich ziehe. Bei der Klägerin geht es jedoch nicht um eine tatsächliche Änderung der Verhältnisse, sondern um eine Änderung der Rechtslage und damit um die Frage der Anwendbarkeit älteren oder neuen Rechts. Dafür gibt es die Regelung in § 306 Abs. 1 SGB VI.
Rechtskraft
Aus
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