L 24 KR 47/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 99/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 47/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Freistellung von Kosten für die Verabreichung von Insulin in Höhe von 893,88 EUR in der Zeit vom 13. Januar bis 31. März 2002 im Rahmen der häuslichen Krankenpflege als Behandlungspflege.

Die Klägerin ist die Tochter der im Januar 1913 geborenen und am 30. Oktober 2003 verstorbenen I. W., die bei der Beklagten versichert war (Versicherte). Die Klägerin und die Versicherte lebten während des streitigen Zeitraumes und auch zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt.

Am 28. Dezember 2001 beantragte die Versicherte häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2002. Sie legte dazu die Verordnung (Folgeverordnung) häusliche Krankenpflege der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 27. Dezember 2001 über Injektionen subkutan zweimal täglich über den genannten Zeitraum vor. Wegen eines Dauerkatheters bei Zustand nach Oberschenkelfraktur, Poliomyelitis, Gehbehinderung, Bettlägerigkeit und insulinpflichtigem Diabetes seien die Maßnahmen zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung erforderlich. Da nach Angaben der Versicherten die verordneten Maßnahmen nicht durch eine im Haushalt lebende Person erbracht werden könnten, sollten sie durch den Häuslichen Pflegedienst Schwester W. K. geleistet werden.

Die von der Beklagten veranlassten Ermittlungen ergaben, dass die Versicherte völlig immobil war. Die seit 27. November 2001 erfolgten Insulininjektionen sollten zunächst wegen sehr schwankender Blutzuckerwerte durch den Pflegedienst abgesichert werden. Danach sollte die Klägerin zur Insulingabe angelernt werden. Unter dem 07. Januar 2002 wurde der Pflegedienst von der Beklagten darüber informiert, dass häusliche Krankenpflege bis zum 07. Januar 2002 genehmigt werden wird, ab 08. Januar 2002 die Anlernung erfolgen solle und danach häusliche Krankenpflege abgelehnt werden wird.

Mit Bescheid vom 09. Januar 2002 bewilligte die Beklagte häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 01. bis 07. Januar 2002 in Form von zweimal täglichen Insulininjektionen und für die Zeit vom 08. bis 12. Januar 2002 in Form von zehn Anleitungen zur Behandlungspflege. Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab, da die Klägerin im gemeinsamen Haushalt lebe und somit die verordneten Maßnahmen übernehmen könne.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch wurde geltend gemacht, dass die Klägerin die Injektionengabe ablehne, da sie dazu psychisch nicht in der Lage sei. Die Zuckerwerte seien derart schwankend, dass sie ohne ärztliche Hilfe nicht einschätzen könne, wie viel Einheiten sie verabreichen müsse. Auch sei ihr die Verantwortung zu hoch. Bereits durch die Pflege der Versicherten werde sie enorm belastet. Durch die ärztliche Verordnung sei der Anspruch ohnehin entstanden.

Mit Rechnungen jeweils vom 12. April 2002 forderte der Häusliche Pflegedienst Schwester W. K. bei einem Einzelpreis von 5,73 EUR für 38 Einsätze im Zeitraum vom 13. bis 31. Januar 2002 217,74 EUR, für 56 Einsätze im Zeitraum vom 01. bis 28. Februar 2002 320,88 EUR und für 62 Einsätze im Zeitraum vom 01. bis 31. März 2002 355,26 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. August 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Es werde nicht angezweifelt, dass die Versicherte einer ärztlichen und pflegerischen Betreuung bedurft habe. Dies habe hinreichend Würdigung durch die Gewährung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) ab 01. April 2002 gefunden. Es sei jedoch festzustellen, das die Klägerin nach entsprechender Anlernphase durchaus in der Lage sei, die Insulininjektionen zu verabreichen.

Dagegen hat die Versicherte am 23. August 2002 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben.

Sie verweist darauf, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur ausgeschlossen sei, wenn eine im Haushalt lebende Person die Pflege tatsächlich übernehmen könne. Dies setze voraus, dass sowohl der zu Pflegende bereit sei, sich von dem Angehörigen pflegen zu lassen, als auch der pflegende Angehörige mit der Durchführung der Pflege einverstanden sei. Im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs zahlreicher pflegerischer Maßnahmen im Intimbereich lasse Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) ein Einverständnis auf beiden Seiten als unverzichtbar erscheinen. Nur mit dieser Einschränkung werde die Vorschrift des § 37 SGB V der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 3 GG im Vergleich zu alleinlebenden Pflegebedürftigen gerecht. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht wegen Geldleistungen aus der Pflegeversicherung ausgeschlossen, da es sich bei den verordneten Insulininjektionen um Behandlungssicherungspflege handele. Der von dem Pflegenden vorzunehmende Eingriff sei auch nicht unerheblich, denn er erfolge in die körperliche Unversehrtheit der zu pflegenden Person. Weder sei die Versicherte bereit gewesen, sich von der Klägerin das verordnete Insulin injizieren zu lassen, noch sei die Klägerin hierzu in der Lage gewesen. Die Klägerin pflege und betreue die Versicherte seit Jahren rund um die Uhr. Dies stelle sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht eine erhebliche Belastung dar. Die Versicherte habe sich in einem so schlechten Allgemeinzustand befunden, dass die Klägerin mit der Insulinversorgung überfordert gewesen sei. Es komme hinzu, dass wegen stark schwankender Zuckerwerte die jeweils angepasste Dosis eigenverantwortlich hätte bestimmt werden müssen. Damit sei die Klägerin überfordert gewesen. Die Versicherte hat den Pflegevertrag mit dem Häuslichen Pflegedienst Schwester W. K. vom 08. Januar 2002 vorgelegt, wonach ab 08. Januar 2002 bis auf Widerruf häusliche Krankenpflege in Form von Insulingabe zweimal täglich vereinbart ist. Es ist außerdem geregelt, dass der Pflegedienst bis zur Klärung des Sachverhaltes in Vorleistung geht.

Die Versicherte hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 09. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. August 2002 zu verurteilen, sie von den notwendigen Kosten der Behandlungspflege im verordneten und erbrachten Umfang ab dem 01. Januar 2002 dem Grunde nach freizustellen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, es seien keine objektiven Anhaltspunkte für eine psychische Überforderung der Klägerin ersichtlich. Vielmehr sei die Klägerin aufgrund der Anlernphase zur Verabreichung des Insulins fachlich befähigt. Weder werde der Intimbereich der Versicherten betroffen noch bestehe zwischen Versicherter und Klägerin ein angespanntes Verhältnis.

Mit Urteil vom 28. Mai 2003 hat das Sozialgericht unter entsprechender Änderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verpflichtet, die Versicherte von den Kosten der Behandlungspflege im Zeitraum vom 13. Januar bis 31. März 2002 dem Grunde nach freizustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe 9/10 der außergerichtlichen Kosten zu tragen: Klagegegenstand sei nur der Leistungszeitraum vom 01. Januar bis 31. März 2002, denn die angegriffenen Bescheide bezögen sich nur auf diesen Zeitraum. Hinsichtlich des Zeitraumes bis zum 12. Januar 2002 sei die Versicherte nicht beschwert, denn insoweit habe die Beklagte die beantragten Maßnahmen bewilligt. Im Übrigen folge der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Aufgrund des Pflegevertrages vom 08. Januar 2002 sei die Versicherte zur Zahlung verpflichtet, so dass Freistellung verlangt werden könne. § 37 Abs. 3 SGB V schließe den Anspruch auf Behandlungspflege in Form von zweimal täglicher Insulingabe mittels subkutaner Injektion, die medizinisch erforderlich sei, nicht aus. Ein solcher Ausschluss sei nur im Falle von Missbrauch gegeben, der jedoch nicht vorliege. Angesichts der von der Klägerin vorgebrachten psychischen und physischen Überforderung infolge jahrelanger Pflege der Versicherten sei nicht gewährleistet, dass die subkutane Injektion mit der erforderlichen Zuverlässigkeit und Ruhe durchgeführt werde. Unabhängig davon sei ein Einverständnis der Versicherten auch aus strafrechtliche Sicht unverzichtbar, denn jede Injektion stelle eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit im Sinne von § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) dar und erfülle daher den Tatbestand einer Körperverletzung. Fehle eine solche Einwilligung, müsste sich die Klägerin strafbar machen, um den sich aus § 37 Abs. 3 SGB V ergebenden Einwand zu vermeiden. Im Hinblick darauf sei eine einschränkende Auslegung des § 37 Abs. 3 SGB V geboten.

Gegen das ihr am 14. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. September 2003 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie ist der Auffassung, eine einschränkende Auslegung von § 37 Abs. 3 SGB V komme nach der Rechtsprechung des BSG nur in Betracht, wenn pflegerische Maßnahmen den Intimbereich beträfen. Dies sei vorliegend jedoch anders. Die Insulingabe könne grundsätzlich mittels Pen-Stift (und nicht mittels einer Spritze im herkömmlichen Sinn) durchgeführt werden. Dies stelle eine einfache Maßnahme ohne Berührung der Intimsphäre dar. Eine schwer kontrollierbare Zuckererkrankung sei nach der ärztlichen Verordnung nicht ersichtlich, denn ansonsten wäre zusätzlich eine Blutzuckermessung verordnet worden. Aufgrund der erfolgten Anleitung sei die Klägerin zur Verabreichung des Insulins in der Lage gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb dem Pflegedienst, nicht jedoch der Klägerin die Erlaubnis zur Insulingabe erteilt worden sei. Eine solche Einwilligung der Versicherten sei im Übrigen auch nicht erforderlich, denn die Versicherte habe der Klägerin insoweit unter dem 03. Januar 2002 Vorsorgevollmacht erteilt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Mai 2003 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte die Anforderungen überspanne. Die Anlernphase sei gescheitert. Der Klägerin stehe ein Verweigerungsrecht wegen möglicher Schadenersatzansprüche infolge des Fehlens der nötigen Qualifikation für die verordnete Maßnahme zu. Die Versicherte habe der Klägerin wegen deren Überforderung das Einverständnis nicht erteilt.

Nach dem Tod der Versicherten hat die Klägerin das Verfahren fortgesetzt.

Der Senat hat die Auskünfte des Häuslichen Pflegedienstes Schwester W. K. vom 23. Februar 2004 und 19. Mai 2004 eingeholt. Wegen ihres Todes hat der Senat von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. keinen Befundbericht einholen können; auch deren ärztliche Unterlagen sind nicht auffindbar gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Nach den Rechnungen jeweils vom 12. April 2002 beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes insgesamt 893,88 EUR und übersteigt somit die maßgebende Grenze von 500,00 EUR.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Versicherte von ihrer Verpflichtung gegenüber dem Häuslichen Pflegedienst Schwester W. K. zur Zahlung von insgesamt 893,88 EUR, die nach den Rechnungen jeweils vom 12. April 2002 für Insulininjektionen im Zeitraum vom 13. Januar bis 31. März 2002 entstanden ist, freizustellen. Der Bescheid vom 09. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. August 2002 ist rechtswidrig und verletzt die Versicherte in ihren Rechten. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der verordneten Insulininjektionen ist nicht nach § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen gewesen, denn weder die Klägerin noch eine andere im Haushalt der Versicherten lebende Person haben die Versicherte in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen können.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung.

Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R - abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).

Der am 28. Dezember 2001 gestellte Antrag auf häusliche Krankenpflege war auf die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung gerichtet. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Januar 2002 und offensichtlich in Unkenntnis der zwischenzeitlich durchgeführten Behandlung mit Widerspruchsbescheid vom 05. August 2002 ab.

Der Antrag auf Verschaffung einer Sachleistung hatte sich nach erfolgter Behandlung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X) und der dies ablehnende Widerspruchsbescheid vom 05. August 2002 ging damit ins Leere, so dass für die Fortführung eines darauf gerichteten Verwaltungsverfahrens kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestand. Das klägerische Begehren kann daher allein auf Kostenerstattung gerichtet sein. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997, 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14), so dass insoweit ein Verwaltungsverfahren entbehrlich ist.

Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Dabei kann dahinstehen, ob sie als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) oder nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Erbfolge nach § 58 Satz 1 SGB I als Anspruchsinhaberin in Betracht kommt.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten unter anderem den Kindern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben.

Letztgenannte Voraussetzung liegt vor, denn die Klägerin pflegte die Versicherte im gemeinsamen Haushalt bis zu deren Tod. Beim Anspruch auf häusliche Krankenpflege handelt es sich zwar grundsätzlich nicht um eine Geldleistung, denn sie ist abgesehen von dem Fall des § 37 Abs. 4 SGB V grundsätzlich als Sachleistung zur Verfügung zu stellen (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 39. Ergänzungslieferung, Höfler, § 37 SGB V Rdnr. 20; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB V, 58. Ergänzungslieferung, Gerlach, K § 37 Rdnr. 45). Wird die Sachleistung jedoch nicht gewährt und beschafft sich der Versicherte die Leistung selbst auf eigene Kosten, so steht dem Versicherten unter den Voraussetzungen des § 13 SGB V ein Anspruch auf Kostenerstattung zu, der eine Geldleistung darstellt, denn er ist auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet. Vorliegend handelt es sich auch um eine laufende Geldleistung. Mit diesem Begriff werden diejenigen Geldleistungen erfasst, auf die der Berechtigte einen dem Grunde nach wiederkehrenden Anspruch hat, wobei nicht entscheidend ist, ob im konkreten Fall nur eine einzige Zahlung vorgenommen wird (Kasseler Kommentar, a. a. O., Seewald, § 48 SGB I Rdnr. 4, § 56 SGB I Rdnr. 6). Im Rahmen des Kostenerstattungsanspruches nach § 13 SGB V richtet sich die maßgebliche Abgrenzung danach, ob der zugrunde liegende Anspruch ein einmaliger oder wiederkehrender Anspruch ist beziehungsweise war. Da vorliegend häusliche Krankenpflege in Form einer zweimal täglichen Insulingabe wiederkehrend für einen Zeitraum vom 13. Januar bis 31. März 2002 im Streit ist, handelt es sich um einen wiederkehrenden Anspruch. Der Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I steht auch nicht entgegen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 SGB V ausnahmsweise auf Freistellung von den Kosten einer Verbindlichkeit gerichtet ist. Ein solcher Anspruch ist gleichwohl dem Grunde nach ein Geldanspruch, so dass § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I ihn noch vom Wortlaut erfasst, anderenfalls zumindest eine entsprechende Anwendung geboten ist, weil es ansonsten vom Zufall abhängen würde, nämlich je nach dem, ob auf die eingegangene Verbindlichkeit bereits gezahlt wurde oder nicht, ob Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I oder die allgemeine Erbfolge (§ 58 Satz 1 SGB I) eintreten würde. Eine andere Person, auf die § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I zutreffen könnte, existiert im Übrigen nicht, so dass außer der Klägerin niemand Sonderrechtsnachfolge geltend machen könnte.

Die Klägerin ist zudem nach dem Alleinerbschein des Amtsgerichts Cottbus vom 23. März 2004 zugleich Alleinerbin der Versicherten. Der erhobene Anspruch ist nach dem oben Gesagten eine Geldleistung, so dass wegen des zum Todeszeitpunkt anhängigen Verwaltungsverfahrens (vgl. Kasseler Kommentar, a. a. O., Seewald § 59 SGB I Rdnr. 13) kein Erlöschen nach § 59 SGB I eingetreten ist.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Der Versicherten sind Kosten entstanden. Dem steht nicht entgegen, dass die Rechnungen des Häuslichen Pflegedienstes Schwester W. K. vom 12. April 2002 bisher nicht bezahlt wurden, weil die Forderungen zunächst gestundet wurden. In diesem Fall besteht Anspruch auf Freistellung von der eingegangenen Verbindlichkeit (BSGE 73, 271, 276; 79, 190, 191; 86, 54, 55).

Die Verpflichtung zur Zahlung ergibt sich aus dem Pflegevertrag zwischen der Versicherten als Leistungsnehmerin und dem Häuslichen Pflegedienst Schwester W. K. als Leistungserbringerin vom 08. Januar 2002. Darin verpflichtete sich die Leistungserbringerin, ab 08. Januar 2002 bis auf Widerruf (beziehungsweise Kündigung) zweimal täglich Insulin zu verabreichen. Nach Ziffer 4 dieses Pflegevertrages stellt der Leistungserbringer die Kosten der erbrachten Leistung auf der Grundlage der mit den öffentlich-rechtlichen Kostenträgern ausgehandelten Entgelt- und Gebührenvereinbarungen in Rechnung. Übernimmt kein Kostenträger die Kosten, so muss der Leistungsnehmer alle anfallenden Kosten selbst tragen (Ziffer 4 Buchstabe a Sätze 1 und 2 und Buchstabe f). Die Rechnungen des Häuslichen Pflegedienstes Schwester W. K. vom 12. April 2002 über insgesamt 893,88 EUR beruhen auf dieser Vereinbarung. Die sonstige in diesem Pflegevertrag getroffene Regelung, wonach der Pflegedienst bis zur Klärung des Sachverhaltes in Vorleistung geht, ist als Stundung zu werten.

Die in Rechnung gestellten Kosten sind der Versicherten auch ursächlich kausal durch den Bescheid vom 09. Januar 2002 entstanden.

Eine solche Kausalität dürfte zwar grundsätzlich zu verneinen sein, wenn die selbstbeschafften Leistungen auf einer Vereinbarung beruhen, die vor der die Sachleistung ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse geschlossen wurde. Dies dürfte auch gelten, wenn die Leistungen erst nach dieser ablehnenden Entscheidung erbracht wurden. Rechtsgrund für einen Kostenerstattungsanspruch kann nämlich immer nur eine vertragliche Vereinbarung sein, so dass es auf den Zeitpunkt der Durchführung dieser Vereinbarung nicht ankommen kann (vgl. auch BSG-Urteil vom 19. Juni 2001 - B 1 KR 23/00 R; abgedruckt in SozR 3-2500 § 28 Nr. 6).

Der vorliegende Sachverhalt weist jedoch Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung erfordern. Nach der Aktennotiz vom 07. Januar 2002 wurde dem Häuslichen Pflegedienst Schwester W. K. mitgeteilt, dass die Verabreichung von Insulin zweimal täglich bis zum 07. Januar 2002 und im Übrigen für die Zeit ab 08. Januar 2002 lediglich zehn Einsätze zum Anlernen genehmigt würden; im Übrigen werde eine Ablehnung erfolgen. Angesichts dessen gingen die Vertragspartner des Pflegevertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 08. Januar 2002 von einer möglichen Ablehnung des Antrages auf häusliche Krankenpflege aus. Dies erlaubt eine Auslegung dieses Pflegevertrages dahingehend, dass er einerseits Wirksamkeit erlangen sollte, soweit die Kosten der dort genannten Leistungen von der Beklagten übernommen werden, im Übrigen - das heißt bezüglich einer Zahlungsverpflichtung seitens der Leistungsnehmerin - lediglich für den Fall, dass tatsächlich eine Ablehnung für die nachfolgende Zeit nach dem Ende der Anlernphase erfolgen sollte. Eine solche Auslegung findet in der im Pflegevertrag getroffenen Regelung eine Stütze, wonach der Pflegedienst bis zur Klärung des Sachverhaltes in Vorleistung geht. Diese Bestimmung ist überhaupt nur verständlich, wenn die Vertragsparteien zum damaligen Zeitpunkt bereits eine ablehnende Entscheidung der Beklagten erwogen haben. Wurde mithin der Pflegevertrag vom 08. Januar 2002 gerade auch für den Fall einer ablehnenden Entscheidung der Beklagten geschlossen, so ist die daraus resultierende Zahlungsverpflichtung, jedenfalls für Leistungen, die nach Bekanntgabe des Bescheides vom 09. Januar 2002 erbracht wurden, ursächlich kausal auf diesen Bescheid zurückzuführen.

Mit dem Bescheid vom 09. Januar 2002 hat die Beklagte die beantragte Leistung auch zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 37 Abs. 2 SGB V in der hier maßgebenden Fassung (also vor den mit Wirkung zum 01. Januar 2004 eingetretenen Änderungen durch Gesetz vom 14. November 2003 - BGBl. I Seite 2190) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.

Zur Behandlungspflege gehören pflegerische Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, und die üblicherweise an (nichtärztliche) Pflegekräfte delegiert werden können, wozu insbesondere die Verabreichung von Injektionen zu rechnen ist (Hauck/Haines, a. a. O., Gerlach, K § 37 Rdnr. 37; Kasseler Kommentar, a. a. O., Höfler, § 37 SGB V Rdnr. 23 und 23 b). Die Subsumtion einer nicht vom Arzt zu erbringenden Maßnahme der Krankenbehandlung unter den Begriff Behandlungspflege hängt hierbei nicht davon ab, ob sie ausschließlich von fachlich geschulten Pflegekräften oder auch von Laien erbracht werden kann (BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 3 KR 23/99 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 37 Nr. 2 = BSGE 86,101).

Maßnahmen der Behandlungspflege sind Teil des ärztlichen Behandlungsplanes. Soweit Hilfeleistung anderer Personen, hier also von Pflegepersonen, erforderlich sind, dürfen sie nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt angeordnet und von ihm verantwortet werden (vgl. auch Kasseler Kommentar, a. a. O., § 37 SGB V Rdnr. 23 a).

Eine solche ärztliche Anordnung liegt vor. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. verordnete unter dem 27. Dezember 2001 zweimal täglich Injektionen subkutan für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2002 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung wegen eines Dauerkatheters bei Zustand nach Oberschenkelfraktur, Poliomyelitis, Gehbehinderung, Bettlägerigkeit und insulinpflichtigem Diabetes mellitus.

Die ärztliche Verordnung allein begründet jedoch noch keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. § 27 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bestimmt insoweit, dass bei der häuslichen Krankenpflege für die Leistungserbringung neben der vertragsärztlichen Verordnung noch die Zustimmung der Krankenkasse erforderlich ist.

Die Beklagte hat die Zustimmung nicht verweigert. Auch sie ging davon aus, dass die Versicherte nicht in der Lage war, die erforderlichen Insulininjektionen selbständig vorzunehmen. Nach den von ihr durchgeführten Ermittlungen war die Versicherte völlig immobil. In ihrem Schreiben vom 11. Februar 2002 ist mitgeteilt, dass die Möglichkeit der Selbstvornahme der verordneten Maßnahme geprüft worden sei. Im Widerspruchsbescheid vom 05. August 2002 wird insoweit ausdrücklich zugestanden, dass die Versicherte ärztlicher beziehungsweise pflegerischer Betreuung in diesem Umfang bedurfte. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist daher unzweifelhaft.

Für eine gerichtliche Prüfung hinsichtlich des Erfordernisses von Maßnahmen der Behandlungspflege besteht ohnehin nur dann Anlass, wenn Zweifel auf der Hand liegen oder die Erforderlichkeit bereits im Verwaltungsverfahren angezweifelt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 3 KR 23/99 R).

Dem Anspruch steht auch der Ausschlusstatbestand des § 37 Abs. 3 SGB V nicht entgegen. Danach besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

Unter Haushalt ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die häusliche, wohnungsmäßige, familienhafte Wirtschaftsführung zu verstehen (BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 3 KR 23/99 R; Hauck/Haines, a. a. O., SGB V K § 37 Rdnr. 27; Kasseler Kommentar, a. a. O., § 37 SGB V Rdnr. 12).

Die Klägerin und die Versicherte lebten in dem streitigen Zeitraum im selben Haushalt; dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten.

§ 37 Abs. 3 SGB V ist eine konkrete Ausgestaltung des Vorrangs der Eigenhilfe vor der Inanspruchnahme von Hilfe durch die Solidargemeinschaft der Krankenversicherung. Es wird dabei an familienrechtlichen Fürsorge- und Unterhaltspflichten sowie an sittlichen Beistandspflichten unter zusammenlebenden Hausangehörigen außerhalb des Familienverbundes im engeren Sinne angeknüpft (BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 3 KR 23/99 R). Diese Vorschrift ist damit Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips des § 1 Satz 2 SGB V und des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 Abs. 1 SGB V. Der Versicherte kann von der Solidargemeinschaft nicht solche Leistungen verlangen, die bei ihm im Haushalt lebende Personen zumutbar erbringen können und dadurch fremde Hilfeleistungen entbehrlich machen. Es gehört zu den Pflichten des Versicherten und zumindest seiner mit ihm im Haushalt lebenden Familienangehörigen, alles in ihren Kräften stehende Zumutbare zu tun, neben den vorgesehenen Leistungen der Krankenkasse zur Behebung ihres eigenen Krankheitszustandes oder des Krankheitszustandes ihrer Angehörigen beizutragen (Hauck/Haines, a. a. O., K § 37 Rdnr. 30).

Als Ausnahmeregelung ist § 37 Abs. 3 SGB V jedoch nicht über seinen Wortlaut hinaus auszulegen. Nach dem Urteil des BSG vom 30. März 2000 - B 3 KR 23/99 R - ist diese Vorschrift sogar hinter ihrem Wortlaut zurückbleibend dahingehend auszulegen, dass der Leistungsausschluss nicht schon dann eingreift, wenn die Hilfe durch Haushaltsangehörige geleistet werden könnte, sondern erst dann, wenn tatsächlich auch Hilfe geleistet wird. Ein Leistungsausschluss besteht nur, wenn sowohl der Versicherte bereit ist, sich von dem Angehörigen pflegen zu lassen, als auch der pflegende Angehörige mit der Durchführung der Pflege einverstanden ist.

Die vom BSG dafür angeführte Begründung hält der Senat für überzeugend. Die frühere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Juli 1977 - 3 RK 60/75 = BSGE 44, 139) kann für die Auslegung des § 37 Abs. 3 SGB V nicht herangezogen werden, denn sie erging zu einem Zeitpunkt, zu dem die Vorgängerregelung des § 185 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach häusliche Krankenpflege insoweit gewährt wurde, als eine im Haushalt lebende Person den Kranken nicht pflegen konnte, noch nicht galt und die Subsidiarität des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege allgemein aus familienrechtlichen Unterstützungspflichten abgeleitet wurde. Diese allgemeine familienrechtliche Solidarpflicht hat aber weder in § 185 Abs. 2 RVO noch in § 37 Abs. 3 SGB V Niederschlag gefunden. Vorschriften des SGB sind daher angeknüpft an § 2 Abs. 2 SGB I im Zweifel so auszulegen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Dies bedeutet für die Auslegung des § 37 Abs. 3 SGB V, dass die Sicherung des ärztlichen Behandlungszieles den Ausschlag gibt, wobei die Entlastung der Solidargemeinschaft durch die kostenlose oder kostengünstige Hilfe Dritter demgegenüber zurückzustehen hat. Es kommt hinzu, dass zahlreiche pflegerische Maßnahmen sehr stark in Intimbereiche eingreifen, so dass auch aus dem Schutz der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ein Einverständnis auf beiden Seiten, also so genannte aktive und passive Pflegebereitschaft, als unverzichtbar erscheint. Schließlich muss Art. 3 Abs. 1 GG beachtet werden. Anderenfalls enthielte § 37 Abs. 3 SGB V nämlich eine - sachlich nicht gerechtfertigte - Differenzierung zwischen alleinlebenden Pflegebedürftigen, denen ohne weiteres Behandlungspflege zu gewähren wäre, und Pflegebedürftigen mit nicht zur Pflege bereiten Angehörigen, die auch bei zwingender medizinischer Erforderlichkeit ohne pflegerische Versorgung bleiben müssten.

Nach dem genannten Urteil des BSG vom 30. März 2000 gilt dies allerdings nicht uneingeschränkt. Weigert sich der Versicherte ohne nachvollziehbaren Grund, Maßnahmen der Behandlungspflege von ehrenamtlichen Pflegepersonen in Anspruch zu nehmen, insbesondere von solchen, die ihn ohnehin zur Sicherstellung der Pflege versorgen, und handelt es sich um einfache Maßnahmen ohne Berührung der Intimsphäre, wird die Pflegebereitschaft fingiert. Dasselbe gilt, wenn ein kollusives Zusammenwirken von Pflegebedürftigen und Haushaltsangehörigen angenommen werden muss, wenn etwa beide ohne nachvollziehbare Gründe sich weigern, Pflegemaßnahmen vornehmen zu lassen beziehungsweise durchzuführen, die zuvor ohne weiteres erbracht worden sind. Schließlich zählt auch der Fall dazu, den das BSG nicht erwähnt hat, dass sich die im Haushalt lebende Person ohne nachvollziehbaren Grund weigert, Maßnahmen der Behandlungspflege durchzuführen.

Nach dieser Rechtsprechung des BSG bleibt allerdings offen, welche Gründe als nachvollziehbar zu respektieren sind. Es stellt sich zunächst die Frage, ob dafür ein eher subjektiver oder ein eher objektiver Maßstab heranzuziehen ist. Eine Maßnahme, die im Allgemeinen durch eine im Haushalt lebende Person erbracht wird, kann sich im Einzelfall für eine bestimmte Person als nicht zumutbar darstellen. Bei ganz einfachen Maßnahmen wird regelmäßig aber ein eher objektiver Maßstab anzulegen sein, denn wenn solche Maßnahmen üblicherweise von im Haushalt lebenden Personen erbracht werden, spricht die Vermutung dafür, dass sie auch im konkreten Einzelfall zumutbar sind, es sei denn, es werden vom Betroffenen ganz individuell vorliegende Gründe bezeichnet und nachgewiesen. Stellt die Maßnahme einen starken Eingriff in die körperliche Sphäre des Versicherten dar, wird ein eher subjektiver Maßstab anzulegen sein, denn das Selbstbestimmungsrecht der Versicherten wird dadurch wesentlich tangiert. Wie der einzelne Versicherte von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch macht, kann nicht, ohne dass dieses unterginge oder maßgeblich eingeschränkt würde, durch einen Dritten, also objektiv, bestimmt werden. Es muss daher ausreichen, wenn der Versicherte, ausnahmsweise möglicherweise auch die im Haushalt lebende Person, glaubhaft Gründe aufzeigt, die nicht abwegig erscheinen. Im Übrigen muss eine Interessenabwägung im jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden.

Unter Heranziehung der vom BSG entwickelten Grundsätze war der Versicherten die Insulingabe mittels subkutaner Injektion durch die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht zumutbar.

Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Insulininjektion nicht um eine einfache Maßnahme. Ob eine einfache Maßnahme vorliegt, beurteilt sich nicht danach, wie sie vorzunehmen ist, sondern grundsätzlich danach, in welchem Umfang sie die körperliche Integrität des Versicherten berührt. Das BSG hat im oben genannten Urteil vom 30. März 2000 die Intensität des Eingriffes als das Kriterium bezeichnet, welches bei der Auslegung des § 37 Abs. 3 SGB V bestimmend ist. Ein solch intensiver Eingriff liegt nach dem BSG insbesondere bei pflegerischen Maßnahmen im Intimbereich vor. Die pflegerische Maßnahme im Intimbereich ist abgestellt auf ihre Vornahme einfach; der Eingriff in die Persönlichkeitssphäre macht die Erheblichkeit aus. Dies stellt nach der Rechtsprechung des BSG jedoch ersichtlich nicht den einzigen Fall eines intensiven Eingriffes dar. Ein mindestens vergleichbarer, wenn nicht sogar stärkerer Eingriff ist anzunehmen, wenn die vorgesehene Maßnahme ohne Einwilligung des Versicherten einen Straftatbestand verwirklichen würde. Durch die Strafbarkeit eines solchen Eingriffes hat das Gesetz in eindeutiger Weise zum Ausdruck gebracht, dass das zu schützende Rechtsgut eine überragende Bedeutung besitzt. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt jede Injektion, auch wenn sie noch so geringfügig ist, eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar und erfüllt damit den Tatbestand einer Körperverletzung. Es ist daher für die Beurteilung der Intensität des Eingriffes rechtlich unerheblich, ob die Injektion durch eine Spritze oder ohne großen Aufwand durch einen so genannten Pen-Stift erfolgt.

Eine Einwilligung der Versicherten in die Körperverletzung lag nicht vor.

Die Beklagte verweist zwar auf die Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung vom 03. Januar 2002, mit der die Versicherte die Klägerin unter anderem bevollmächtigte, diese in Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge zu vertreten. Danach ist die Klägerin insbesondere berechtigt gewesen, in sämtliche Maßnahmen zu Heilbehandlungen einzuwilligen, selbst wenn eine solche Behandlung zum Tode oder zu einer schweren oder länger andauernden gesundheitlichen Schädigung führen könnte. Zu den dort angesprochenen Heilbehandlungen dürfte ohne weiteres eine Insulingabe gehören. Mit dieser Vorsorgevollmacht hat die Versicherte allerdings nicht das Recht verloren, selbst über Heilbehandlungen zu befinden. Sie kann insbesondere in jedem Einzelfall die Vorsorgevollmacht beschränken. Hat die Versicherte hinsichtlich einer bestimmten Heilbehandlung ihre Einwilligung ausdrücklich versagt, geht diese Entscheidung im Zweifel einer entgegenstehenden Einwilligung der bevollmächtigten Klägerin vor. Dies gilt insbesondere, wenn die Heilbehandlung durch die bevollmächtigte Klägerin selbst vorgenommen werden soll.

Nach der Auskunft des Häuslichen Pflegedienstes Schwester W. K. vom 19. Mai 2004 scheiterte der Versuch des Anleitens zur Verabreichung von Insulin deswegen, weil die Versicherte jegliche Injektion durch die Klägerin ablehnte. Die Versicherte hat damit eindeutig ihre Einwilligung in eine Körperverletzung durch die Klägerin verweigert. Dies war von der Klägerin trotz der Vorsorgevollmacht vom 03. Januar 2002 zu beachten, denn insoweit schränkte die Versicherte diese Vollmacht im konkreten Einzelfall, bezogen auf die Klägerin, ein.

Der Senat geht davon aus, dass die Versicherte ihre Einwilligung wegen einer Überforderung der Klägerin nicht erteilt hat, so wie dies erstmalig im Schriftsatz vom 16. Dezember 2003 vorgetragen worden ist. Die Versicherte selbst kann dazu nicht mehr gehört werden. Bis zu ihrem Tod hat sie sich zu dem Grund ihrer Weigerung nicht ausdrücklich geäußert.

Im Widerspruchsschreiben vom 15. Januar 2002 wurde geltend gemacht, die Injektionen würden von der Klägerin abgelehnt, weil diese sich psychisch dazu nicht in der Lage sehe. Mit der Klageschrift vom 20. August 2002 ist dann vorgetragen worden, weder sei die Versicherte bereit, sich von der Klägerin das verordnete Insulin injizieren zu lassen, noch sei die Klägerin dazu in der Lage. Die Klägerin pflege und betreue die Versicherte seit Jahren rund um die Uhr, was sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht eine erhebliche Belastung darstelle. Erst während des Berufungsverfahrens ist dann mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2003 vorgetragen worden, die Versicherte habe ihre Einwilligung wegen der angenommenen Überforderung der Klägerin nicht erteilt.

Ist die Versicherte der Überzeugung gewesen, dass die Klägerin, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage ist, sachgerecht die Insulininjektionen zu verabreichen, stellt dies einen nachvollziehbaren Grund dar, solche Maßnahmen durch die Klägerin zu verweigern. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich objektive Gründe für die entsprechende Überzeugung der Versicherten bestanden. Es ist ausreichend, dass sich die Versicherte eine solche Überzeugung gebildet hatte. Jegliche dies missachtende Maßnahme würde das Selbstbestimmungsrecht der Versicherten wesentlich tangieren.

Unabhängig davon ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin wegen der von der Versicherten gezeigten Verhaltensweise tatsächlich nicht in der Lage war, die Insulininjektionen vorzunehmen. Dies ergibt sich aus der Auskunft des Häuslichen Pflegedienstes Schwester W. K. vom 19. Mai 2004. Darin wird ausgeführt, dass der Versuch des Anleitens zur Verabreichung von Insulin scheiterte, weil die Versicherte jegliche Injektion durch die Klägerin ablehnte, wodurch diese unter psychischen Druck geriet. Dieser zeigte sich darin, dass die Klägerin angefangen habe zu zittern, sobald sie die Spritze in die Hand genommen habe. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Damit ist jedoch bewiesen, dass die Klägerin die Versicherte in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen konnte.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin zudem nicht in der Lage war, die Insulindosen fachgerecht zu bestimmen. Nach der Auskunft des Häuslichen Pflegedienstes Schwester W. K. vom 19. Mai 2004 war es in dem streitigen Zeitraum erforderlich, bei der Versicherten jeweils vorher den Blutzucker zu messen, um die Anzahl der Insulineinheiten festlegen zu können. Diese Einschätzung habe man der Klägerin nicht zumuten können. Mit diesem Vortrag wurde bereits der Widerspruch begründet, so dass vieles dafür spricht, dass tatsächlich jeweils eine Blutzuckermessung erforderlich war, auch wenn diese nicht in der Verordnung häuslicher Krankenpflege der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 27. Dezember 2001 angeordnet wurde. Eine entsprechende diesbezüglich Sachverhaltsaufklärung ist dem Senat nicht weiter möglich gewesen, da diese Ärztin verstorben und ihre ärztlichen Unterlagen nicht auffindbar gewesen sind.

Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Berufungsverfahrens. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts hinsichtlich der erstinstanzlich entstandenen Kosten bleibt unberührt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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