L 8 RJ 94/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 RJ 72/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 94/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Köln vom 26.07.2004 und vom 02.09.2004 werden zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger führt gegen das beklagte Landesversicherungsamt eine Klage "wegen Untätigkeit".

Seit 1997 bemüht er die Beklagte im Zusammenhang mit verschiedenen Rechtsstreitigkeiten, die er mit der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (LVA) im Blick auf eine Anrechnung von Unfallrente mit dem Ziel der Bewilligung höherer Rente führt. In diesem Zusammenhang hat er sich zudem an verschiedene andere Stellen gewandt, so Petitionsausschüsse, einen Bundestagsabgeordneten, Ministerien, das Bundesversicherungsamt, den Präsidenten des Landtages und den WDR; auch hat er bereits verschiedentlich in diesem Zusammenhang Strafanträge gestellt. Vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht ist er bisher erfolglos geblieben. In einem Berufungsverfahren L 3 RJ 264/98 hat er am 25.06.1999 in der mündlichen Verhandlung erklärt, er könne zwar die Berechnung der Beklagten (hinsichtlich der Anrechnung seiner Unfallrente) nicht nachvollziehen, sehe aber ein, dass ihm das Gericht erklärt habe, dass die Berechnung zutreffend sei; er wolle deshalb das Verfahren nicht mehr fortführen. Gleichwohl stellte er die gleichen Berechnungsfragen nach einem Rentenartwechsel erneut und beschritt insoweit den sozialgerichtlichen Rechtsweg.

Das beklagte Landesversicherungsamt hat ihm bereits bei einer Vorsprache am 30.06.1997 erläutert, die LVA gehe bei seiner Rentenberechnung aus Besitzschutzgründen von einem höheren Grenzbetrag aus. In der Folgezeit wandte sich der Kläger gleichwohl in der selben Sache vielfach wieder an die Beklagte; er stellte in diesem Zusammenhang auch Strafanzeigen.

Am 04.08.2003 hat der Kläger im Verfahren SG Köln S 3 RJ 191/03 unter Beifügung zahlreicher Unterlagen "Klage wegen Untätigkeit" erhoben. Die Beklagte sei ihren Pflichten nicht nachgekommen. Sie habe ihm nie erklären können, weshalb der Grenzbetrag 1995 höher gewesen sei als 2002 (80 % gegenüber 70 %). Später hat er weiter vorgetragen, die Beklagte sei ihm wegen Nichtvornahme einer rechtlich gebotenen Handlung zum Schadensersatz verpflichtet. Sie habe von Amts wegen zu prüfen, ob die gesetzliche Rente gezahlt werde. Bei seiner Vorsprache im Juni 1997 sei der Mitarbeiter der Beklagten gleich in Abwehrstellung gegangen. Die Beklagte verteidige die Falschrechnungen der LVA.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.09.2003 hat das Sozialgericht die Klage im Verfahren S 3 RJ 191/03 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Soweit dem Vorbringen des Klägers zu entnehmen sei, dass er i.S.v. § 88 Abs. 1 SGG einen Bescheid der Beklagten erwarte, scheitere die Klage schon daran, dass die Beklagte als Aufsichtsbehörde über die LVA gegenüber Versicherten keine Bescheide erlasse. Ihr komme lediglich eine Überprüfungsfunktion dahingehend zu, ob das für die Versicherungsträger geltende Recht beachtet und richtig angewandt werde. Soweit der Kläger ein tatsächliches Eingreifen der Beklagten gegen die LVA beanspruche, sei die Klage schon deshalb unzulässig, weil es sich um ein rechtsmissbräuchliches Begehren handele. Der Kläger sei seit Jahren vielfach über die Rechtslage belehrt worden, so auch am 30.06.1997 bei seiner Vorsprache bei der Beklagten und am 25.06.1999 im Rahmen einer Berufungsverhandlung vor dem Landessozialgericht. Gleichwohl nehme er weiterhin in großem Umfang Behörden und öffentliche Stellen in der selben Sache in Anspruch und erstatte sogar abwegige Strafanzeigen. Es liege auf der Hand, dass bei objektiv vernünftiger Sicht weder der Kläger ein weiteres Tätigwerden der Beklagten in der selben Sache erwarten oder beanspruchen könne, noch dass die Beklagte zu irgendeinem Eingreifen in der selben Sache verpflichtet sei. Das weitere Insistieren des Klägers in der selben Sache stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar und die Klage als unzulässig. Die Andeutung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten habe das Gericht nicht als Anspruch und Prozessziel ausgelegt; ansonsten wäre eine Verweisung an die Zivilgerichtsbarkeit (wegen geltend gemachter Amtspflichtverletzung) mit unmittelbarer Kostenfolge für den Kläger die Folge gewesen.

Im gegen diesen Gerichtsbescheid vor dem erkennenden Senat geführte Berufungsverfahren L 8 RJ 121/03 hat der Kläger nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin vom 21.04.2004 die Berufung zurückgenommen.

Bereits am 09.02.2004 hatte der Kläger vor dem Sozialgericht erneut Klage "wegen Untätigkeit" erhoben (SG Köln S 11 RJ 19/04) und vorgetragen, das beklagte Landesversicherungsamt habe seit mehr als zehn Monaten keine Stellungnahme zu einem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 18.03.2003 Stellung genommen. Der Kläger hatte insoweit das Ministerium mit Schreiben vom 06.02.2004 gebeten, dem Sozialgericht Köln zu empfehlen, einen baldigen Richterbrief an das Landesversicherungsamt zu senden. Das Ministerium hatte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 18.03.2003 ausgeführt, wie er wisse obliege die Auslegung der Rentengesetze und ihre Anwendung im Einzelfall den zuständigen Rentenversicherungsträgern und im Streitfalle den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, die der Kläger - wie aus den beim Ministerium vorhandenen Vorgängen zu entnehmen sei - auch bereits angerufen habe. Man müsse ihn bitten, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Soweit er jetzt Unterlagen übersende, aus denen in einem Bescheid vom 21.06.1995 der Grenzbetrag von "2.180,85 DM" erwähnt werde, im Bescheid vom 25.06.2002 als maßgebender Grenzbetrag "1.065,10 EUR" aufgeführt würden, habe das Ministerium dies zum Anlass genommen, sein Schreiben samt Anlagen an die für die LVA zuständige Aufsichtsbehörde, das (jetzt beklagte) Landesversicherungsamt mit der Bitte zu übersenden, die Angelegenheit zu prüfen. Man gehe davon aus, dass der Kläger von dort weitere Nachricht erhalte. Der Kläger hat weiter vorgetragen, er behaupte, die Beklagte sei mit der Rentenberechnung überfordert. Er hat einen Zeitungartikel mit einer in großen Lettern gedruckten Überschrift "Renten-Beamter verzockte 10 Mio." vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wie sie der Kläger ausdrücklich erhoben habe, ziele darauf ab, eine Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu bewegen. Die Beklagte als Aufsichtsbehörde der LVA Rheinprovinz erlasse jedoch gerade keine Bescheide gegenüber Versicherten, sondern habe lediglich eine Überprüfungsfunktion dahingehend, dass für die Versicherungsträger geltendes Recht beachtet und richtig angewandt werde. Soweit der Kläger ein tatsächliches Eingreifen gegenüber der LVA beanspruche, sei die Klage rechtsmissbräuchlich und damit ebenfalls unzulässig. Er sei bereits vor vielen Jahren über die Rechtslage belehrt worden und habe auch schon eine Unzahl von Prozessen gegen die LVA geführt. In den daraufhin ergangenen Urteilen erster und zweiter Instanz sei die Rechtslage ebenfalls ausführlich dargelegt worden. Gleichwohl beschäftige der Kläger in dieser Sache nach wie vor in großem Umfang Behörden und Gerichte. Des weiteren erstatte er abwegige Strafanzeigen gegen Bedienstete der Beklagten, der LVA sowie der Gerichte. Bei objektiver und vernünftiger Sicht könne ein weiteres Tätigwerden der Beklagten in stets der selben Angelegenheit nicht erwartet werden. Die ununterbrochene Beschäftigung der Beklagten stelle sich nach Ansicht des Gerichts als rechtsmissbräuchlich und die Klage damit auch insoweit als unzulässig dar.

Gegen den am 06.09.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.09.2004 Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen L 8 RJ 98/04 geführt. Der Kläger trägt vor, es sei ihm nicht erklärbar, wie die Beklagte dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung nicht erklären könne, warum der Grenzbetrag 1995 höher gewesen sei als im Jahre 2002. Im Urteil vom 26.10.2001 des SG Köln i.S. S 11 RJ 146/01 habe der Richter eine andere Rentenberechnung erstellt. Wolle er dieselbe mit der Abweisung widerrufen?

Bereits am 04.06.2004 hatte der Kläger zuvor erneut Klage "wegen Untätigkeit" erhoben (SG Köln S 11 RJ 72/04) mit der Begründung, der Direktor L des beklagten Landesversicherungsamtes habe gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung noch keine Stellungnahme abgegeben. Auch jetzt legt er das Schreiben des Ministeriums vom 18.03.2003 vor. In einem weiter vorgelegten Schreiben des Ministeriums an den Kläger vom 17.05.2004 ist ausgeführt, man danke dem Kläger für die übersandten Unterlagen. Da es sich um Vorgänge des Landessozialgerichts in Essen handele, seien sie an das Gericht weitergeleitet worden. Warum die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesversicherungsamt in Essen, dem Kläger bisher nicht geantwortet habe, vermöge man seitens des Ministeriums nicht zu beurteilen. Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Beklagte versuche, mit kriminellen Mitteln das Sozialgericht zu täuschen.

Die Beklagte hat vorgetragen, als Untätigkeitsklage nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wäre die Klage nur zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne hinreichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich beschieden worden wäre. Als zuständige Aufsichtsbehörde der LVA Rheinprovinz komme der Beklagten gem. § 87 SGB IV i.V.m. der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch (ZuVo SGB) i.d.F. vom 01.01.1998 eine Überprüfungsfunktion zu, die sich darauf erstrecke, dass das für die Versicherungsträger geltende Recht beachtet respektive richtig angewandt werde. Die Beklagte erlasse keine Verwaltungsakte. Hieraus ergebe sich die Unzulässigkeit der Klage. Über die zwischen dem Kläger und der LVA streitbefangene Rechtslage sei der Kläger sowohl von der LVA als auch von der Beklagten mehrfach belehrt worden.

Bereits mit Gerichtsbescheid vom 26.07.2004 hat das Sozialgericht auch diese Klage aus gleichen Gründen wie im späteren Gerichtsbescheid vom 02.09.2004 abgewiesen.

Auch gegen diesen ihm am 29.07.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.08.2004 Berufung eingelegt (LSG NRW L 8 RJ 94/04). Er trägt vor, eine Aufsichtsbehörde, die wie die Beklagte keine Stellungnahme zur Rentenberechnung abgebe, sei befangen. Das dürfe das LSG nicht zulassen.

Im Verhandlungstermin vom 09.02.2005 hat der Senat die Streitsachen L 8 RJ 94/04 und 98/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 8 RJ 94/04 verbunden.

Der im Termin nicht anwesende Kläger hat keinen konkreten Antrag gestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Köln vom 26.07.2004 und 02.09.2004 zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag; der Kläger sei seit Jahren vielfach über die Rechtslage belehrt und auch durch die Sozialgerichte erster und zweiter Instanz darauf hingewiesen worden, dass seine Rechtsauffassung unzutreffend sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Gerichtsakte SG Köln S 26 KR 157/03 (weitere Untätigkeitsklage gegen das Landesversicherungsamt) Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Hinsichtlich der am 09.02.2004 erhobenen Klage (SG Köln S 11 RJ 19/04) nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 02.09.2004. Das Sozialgericht hat zutreffend die Untätigkeitsklage als unzulässig angesehen, ferner ebenso die (Leistungs-)Klage auf Tätigwerden des beklagten Versicherungsamtes gegenüber der LVA. Allein der Hinweis eines Ministeriums an den Kläger, man habe seine Eingabe an die Beklagte abgegeben und diese werde sich sicherlich äußern, kann keine Pflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger auslösen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger die Beklagte seit Jahren mit Eifer und stets den im maßgebenden Inhalt gleichen, nicht mehr nachvollziehbaren Eingaben behelligt. Im Übrigen hatte der Kläger ein einem Verfahren mit gleichem Begehren eine entsprechende Berufung (LSG NRW L 8 RJ 121/03) zurückgenommen und damit seinerzeit selbst Einsicht in die offensichtliche Erfolglosigkeit seines Begehrens gezeigt.

Die am 04.06.2004 erhobene Klage (S 11 RJ 72/04) hat das Sozialgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht als unzulässig angesehen. Die Unzulässigkeit ergab sich wegen des bereits aus einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis aufgrund anderweitiger Rechtshängigkeit (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2002, § 94 Rz. 7). Denn der Kläger führte bereits das Klageverfahren S 11 RJ 19/04 mit gleichem Streitgegenstand.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die den Kläger eigentliche interessierende Frage des richtigen "Grenzbetrages" bei der Anrechnung seiner Unfallrente im gegen die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz geführten Berufungsverfahren LSG NRW L 8 RJ 106/03 mit Urteil vom heutigen Tage (09.02.2005) bei Zulassung der Revision für den Kläger negativ entschieden wurde.
Rechtskraft
Aus
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