L 6 R 217/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 1486/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 217/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Für die Klägerin, die 1950 geboren und Staatsangehörige der Republik Kroatien ist, sind kroatische Versicherungszeiten u.a. vom 01.07.1983 bis 07.08.1997 bestätigt. Kroatische Rente wegen Invalidität bezieht sie seit dem 08.08.1997. In Deutschland weist sie Versicherungszeiten vom 11.12.1968 bis 26.04.1977 auf. Die Klägerin gibt an, in der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien den Beruf eines Kaufmanns erlernt, in Kroatien 14 Jahre lang als Verkäuferin gearbeitet zu haben und in Deutschland in einer Metall- und einer Teefabrik als Kontrolleurin, Maschinen- und Hilfsarbeiterin beschäftigt gewesen zu sein. Nach ihren Angaben war die Klägerin bei der Firma P. Luftfahrtgeräte Union GmbH (Fa. P.) vom 02.09.1974 bis 01.07.1976 beschäftigt. Die auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Anträge der Klägerin vom 25.06.1997 und 16.12.1998 hat die Beklagte mit den Bescheiden vom 23.10.1998 und 22.11.1999 abgelehnt.

Am 22.05.2000 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut einen Rentenantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 08.03.2002 und Widerspruchsbescheid vom 15.10.2002 mit der Begründung ablehnte, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Die vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen würden nicht dazu führen, dass arbeitsmarktübliche Tätigkeiten nicht mehr in Betracht kommen würden. Berufsunfähigkeit liege schon deshalb nicht vor, weil der bisherige Beruf noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden könne. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte den medizinischen Unterlagen aus der Heimat der Klägerin, vor allem aber dem Gutachten von Dr. A. vom 18.02.2002 aufgrund einer dreitägigen stationären Untersuchung der Klägerin in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg.

Mit der am 26.11.2002 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihren Rentenanspruch weiter. Sie könne aufgrund ihrer Krankheiten nicht arbeiten. Der Rentenbezug in Kroatien beweise, dass sie nicht arbeitsfähig sei. Das SG holte ein medizinisches Sachverständigengutachten von der Ärztin, Sozialmedizin Dr. T. vom 23.10.2003 ein, die eine neuropsychiatrische Zusatzuntersuchung durch Dr. Dr. W. (Gutachten vom 22.10.2003), Zusatzuntersuchungen auf internistischem und neurologischem Gebiet sowie eine röntgenologische Untersuchung veranlasste. Als Gesundheitsstörungen wurden insbesondere festgestellt eine Anpassungsstörung (Angst und Depression gemischt) mit Spannungskopfschmerz, eine Neigung zu niedrigem Blutdruck mit Schwindel und rezidivierender Störung der Bewusstseinskontinuität, Stressinkontinenz und Hitzewallungen, Wirbelsäulenabhängige Beschwerden (ohne neurologische Ausfälle), Varikosis mit Ödembildung, Senkspreizfußbildung mit Hallux valgus sowie Kniegelenksarthrose beidseits. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten ohne Haltungskonstanz zu ebener Erde, in wohltemperierten Räumen, ohne besondere Beanspruchung an die nervliche Belastbarkeit und ohne Zeitdruck sowie ohne Nacht- und Wechselschicht täglich vollschichtig zu verrichten. Die Störungen auf orthopädischem, psychiatrischen und internistischem Gebiet seien, so die Gutachterin, weder für sich alleine noch in ihrer Gesamtheit geeignet, eine zeitliche Leistungseinschränkung zu begründen. Die Klägerin könne unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden, wobei aufgrund der Einschränkungen von Seiten des Bewegungsapparates schwere körperliche Arbeiten sowie Arbeiten in Haltungskonstanz nicht mehr zumutbar seien. Die depressive Symptomatik sei nicht so ausgeprägt, dass sich hieraus eine zeitliche Leistungsbeschränkung ableiten ließe. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne sich im Übrigen auf eine neue Berufstätigkeit umstellen.

Mit Urteil vom 24.10.2003 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente. Sie sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Am 20.04.2004 ging die Berufung der Klägerin gegen das am 04.02.2004 in ihrer Heimat zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug sie vor, ihr Gesundheitszustand sei dermaßen gestört, dass sie zur Verrichtung jeglicher Arbeit völlig gehindert sei. Sie stehe seit 1997 in ständiger psychiatrischer Kontrolle. Die psychiatrischen und kardiologischen Beschwerden seien zusammen zu betrachten. Die Auswertung der Diagnosen nach der Einlieferung in die psychiatrische Klinik der Fakultät der medizinischen Wissenschaften in Zagreb fehle. Die Klägerin legte dazu den Entlassungsbrief vom 15.09.1997 nach stationärem Aufenthalt vom 18.08.1997 bis 15.09.1997 vor.

Eine Anfrage des Senats bei der Nachfolgerin der letzten Arbeitgeberin (Fa. P.) zum Berufsbild der Klägerin blieb erfolglos. Ein Schreiben des Senats an die Klägerin mit der Bitte um Übersendung von Unterlagen oder Mitteilung von Zeugen zur Beurteilung des Berufsbildes der Klägerin blieb unbeantwortet.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Landshut vom 24.10.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 16.12.1998 Versichertenrente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten des SG, der Beklagten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 24.10.2003 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen.

Der Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente ist zunächst an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, weil der Antrag vor dem 31.03.2001 gestellt wurde, nämlich am 22.05.2000, und damit geltend gemacht wird, dass der Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Es sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem 31.12.2000 in Frage steht (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F., denn sie ist nicht erwerbsunfähig im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie die Klägerin - (irgend) eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Auch nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Entsprechend dem bis 31.12.2000 geltenden Recht ist ein solcher Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn eine Versicherte einen zumutbaren Beruf vollschichtig ausüben kann. Die Klägerin ist in der Lage, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Hilfsarbeiterin aufzunehmen.

Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. T ... Der Senat hat deshalb von der Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens abgesehen. Die Gutachterin hat unter Berücksichtigung der Zusatzuntersuchungen umfassend und schlüssig dargestellt, dass die medizinischen Voraussetzungen einer zumindest teilweisen Erwerbsminderung nicht zu begründen sind. Bei der Klägerin können zwar Gesundheitsstörungen auf verschiedenen Gebieten festgestellt werden. Diese führen jedoch nicht zu Einschränkungen von Körperfunktionen, die eine wenigstens teilweise Erwerbsminderung zur Folge hätten. Die Klägerin leidet insbesondere an einer Anpassungsstörung, die sich in Angst und Depression ausdrückt, bei ausgeprägten psychosozialen Belastungsfaktoren. Allerdings fehlen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung oder hirnorganischer Veränderungen. Auch ist keine Depression in einem Maße festzustellen, die zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung führen würde. Cerebrale Durchblutungsstörungen, die die von der Klägerin geschilderte Schwindelsymptomatik erklären könnten, konnten bei der Untersuchung von Dr. Dr. W. nicht festgestellt werden. Die Untersuchung der Wirbelsäule ergab keine Hinweise auf eine Nervenwurzelirritations- oder -kompressionssymptomatik. Auch eine Schmerzstörung und ein Fibromyalgiesyndrom konnten nicht festgestellt werden. Die Funktionsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten bewirken allerdings, dass der Klägerin keine schweren körperlichen Arbeiten sowie Arbeiten in Haltungskonstanz mehr zumutbar sind. Außerdem sind aufgrund der psychischen Beeinträchtigung, der Hitzewallungen und der Stressinkontinenz Arbeiten nur in wohltemperierten Räumen und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit zumutbar. Die festgestellten Gesundheitsstörungen haben damit nur diese qualitativen Leistungseinschränkungen zur Folge. Sie führen aber nicht zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung. Auch liegen keine Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte vor. Die Klägerin kann die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Sie kann sich auch noch auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umstellen.

Der Anspruch der Klägerin auf Invalidenrente nach dem Recht ihres Herkunftslandes, führt nicht ohne weiteres dazu, dass sie auch in Deutschland Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Rente wegen Erwerbsminderung erhalten könnte. Der Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung ist unabhängig davon allein nach deutschen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen.

Im Übrigen sah sich der Senat bei der Prüfung der Voraussetzungen von Berufsunfähigkeit nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht, die dann vorgelegen hat, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F.) über die erfolglose Anfrage bei der Nachfolgerin der ehemaligen Arbeitgeberin hinaus nicht veranlasst, weitere Ermittlungen anzustellen. Auf gerichtliche Anfrage antwortete die Klägerin nicht. Die Klägerin hat damit ihr mangelndes Interesse an einer weiteren Sachaufklärung deutlich gemacht. Der Senat war insofern gehindert, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Gemäß § 103 Satz 1 SGG sind die Beteiligten bei der Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen. Die Folgen fehlender Mitwirkung haben nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Beteiligten, hier die Klägerin, zu tragen. Denn diese trifft grundsätzlich denjenigen, der aus einer nicht feststellbaren Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 6, 70; KassKomm-Krasney § 20 SGB X RdNr. 10 m.w.N.).

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 24.10.2003 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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