S 11 AL 101/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 101/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 16.01. bis 28.08.2004 aufgrund einer Entlassungsentschädigung geruht hat.

Der am 00.00.1942 geborene Kläger war zuletzt seit dem 01.04.2000 bei der Firma B E T Deutschland GmbH als Verkaufsberater beschäftigt. Am 19.03.2003 schlossen er und die Firma B einen Vertrag über Altersteilzeitarbeit (i.F.: Altersteilzeitvertrag), in dessen § 10 Abs. 3 es heißt: "Wird das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber vor dem 30.11.2007 gekündigt, erhält der Arbeitnehmer eine Abfindungszahlung. Diese Abfindungszahlung errechnet sich aus der Differenz zwischen dem an den Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeld und des (sic!) aktuellen Nettoentgeltes inklusive der Aufstockungsleistung für die restliche Zeit bis zum 30.11.2007." Am 28.08.2003 kündigte die Firma B das Arbeitsverhältnis zum 15.01.2004. Mit Abwicklungsvereinbarung vom September 2003 einigten sich der Kläger und die Firma B auf eine Abfindung i.H.v. 208.000.- Euro "als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes".

Am 14.11.2003 meldete sich die Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Nach Einholung einer Arbeitsbescheinigung der Firma B stellte die Beklagte mit Bescheid vom17.03.2004 ein Ruhen des Alg-Anspruchs für die Zeit vom 16.01.2004 bis zum 28.08.2004 fest, da der Kläger anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten habe. Da eine ordentliche Kündigung nur bei Zahlung einer Abfindung möglich gewesen sei, gelte als der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Frist (während der der Alg-Anspruch ruhe) die Frist von einem Jahr.

Seinen am 07.04.2004 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, es sei – im Altersteilzeitvertrag wie auch in der Abwicklungsvereinbarung – fälschlich von einer Abfindung die Rede, während es sich tatsächlich um einen Aufstockungsbetrag zu dem – von den Vertragsparteien in § 10 Abs. 3 des Altersteilzeitvertrages vorausgesetzten – Alg handele. Im Übrigen habe sich der Arbeitgeber im Altersteilzeitvertrag nur zur Zahlung eines bestimmten Betrages im Falle einer ordentlichen Kündigung verpflichtet, diese Kündigung selbst aber nicht von der Zahlung abhängig gemacht.

Die Beklagte holte eine weitere Auskunft der Firma B ein und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 08.11.2004 (abgesandt am 11.10.2004) zurück. Sie wiederholte und vertiefte ihre bisherigen Darlegungen und legte eine ausführliche Berechnung vor.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.03.2004 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 08.10.2004 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 16.01.2004 bis zum 28.08.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligte wiederholen und vertiefen ihre bisherigen Darlegungen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sein Anspruch auf Alg während des streitgegenständlichen Zeitraums geruht hat.

Die Beklagte erbringt nach Maßgabe der §§ 117 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) Alg. Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg gemäß § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.

Die Voraussetzungen aus § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III sind im vorliegenden Fall für den Zeitraum vom 16.01. bis 28.08.2004 erfüllt.

Der Kläger hat wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Firma B eine Entlassungsentschädigung erhalten. Es ist unstreitig, dass sich die Firma B anlässlich der Kündigung zur Zahlung von 208.000.- Euro an den Kläger verpflichtet hat. Dass die Vertragsparteien (ausweislich § 10 Abs. 3 des Altersteilzeitvertrages) offenbar davon ausgegangen sind, dieser Betrag stehe dem Kläger zusätzlich zum Alg zu, ändert nichts am Charakter der Leistung als Entlassungsentschädigung i.S.d. § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III, denn auch Aufstockungsbeträge, Übergangszuschüsse und ähnliche Leistungen sind eine Form der Entlassungsentschädigung (Düe, in: Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 143 a, Rn. 10). Ob die Vertragsparteien davon ausgegangen sind, es würde zusätzlich Alg erbracht, ist unerheblich, denn die Vertragsparteien haben es nicht in der Hand, dergestalt über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche zu disponieren. Die Folgen einer für ihn unvorteilhaften Vertragsgestaltung kann der Kläger nicht auf die Versichertengemeinschaft abwälzen.

Das Arbeitsverhältnis ist auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Die der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechende Frist betrug ein Jahr ab Kündigung (28.08.2003), während das Arbeitsverhältnis bereits zuvor (zum 15.01.2004) beendet worden ist.

Als Kündigungsfrist des Arbeitgebers gilt im vorliegenden Fall die fiktive Jahresfrist aus § 143 a Abs. 1 Satz 4 SGB III, denn der Arbeitgeber konnte das Arbeitsverhältnis nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich kündigen. Die Vorschrift findet Anwendung, wenn die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber grundsätzlich ausgeschlossen und nur bei Zahlung der Entschädigung wieder eröffnet ist (BSG, Urteil vom 29.01.2001, B 7 AL 62/99 R = SozR 3-4100 § 117 Nr. 22; Düe, a.a.O., Rn. 24). Dies ist dann der Fall, wenn die ordentliche Kündigung nur noch unter Umständen möglich ist, die zwingend eine Abfindung vorsehen. Nicht erfasst sind lediglich Fälle, in denen sich der Arbeitgeber ein nach den einschlägigen kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen nicht bestehendes Recht zur Kündigung mit der Abfindung gleichsam erkauft (BSG, a.a.O.).

Zwar hat § 10 Abs. 3 des Altersteilzeitvertrages nicht den Wortlaut, die ordentliche Kündigung sei nur unter Voraussetzung einer Abfindung möglich, sondern begründet "lediglich" einen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers im Fall der ordentlichen Kündigung. Hieran kann die Anwendung von § 143 a SGB III jedoch nicht scheitern. Ausgehend vom Zweck der Vorschrift – der Vermeidung eines Doppelbezugs von Alg und Arbeitsentgelt (BSG a.a.O., m.w.N.) – kann es nicht maßgeblich auf den Wortlaut solcher Vereinbarungen ankommen. Es muss vielmehr genügen, dass – wie hier – eine vertragliche Junktimklausel vorliegt, die die ordentliche Kündigung zwingend an den Abfindungsanspruch koppelt. Ob diese Klausel die Abfindung auf Tatbestands- oder auf Rechtsfolgenseite verortet, ist nicht ausschlaggebend. Noch weniger kann es für die Anwendbarkeit von § 143 a SGB III darauf ankommen, ob die Abfindung vor, zeitgleich mit oder nach der Kündigung angeboten wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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