L 8/5 VS 27/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 1 VS 306/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/5 VS 27/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach derzeitiger Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft besteht keine kausale Verbindung zwischen durch Impfungen ausgelösten Autoimmunprozessen und der Entstehung eines Diabetes-mellitus-Typ I-Leidens.
Damit scheiden Impfungen auch als Anknüpfungspunkt für eine Kann-Versorgung nach dem SVG aus, wenngleich über die Ätiologie und Pathogenese der Diabetes-mellitus-Typ I-Erkrankung noch kein umfassendes Wissen besteht.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 5. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines bei dem Kläger aufgetretenen Diabetes mellitus Typ I-Leidens als Wehrdienstbeschädigung im Sinne des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1963 geborene Kläger ist seit 2. April 1984 Soldat bei der Bundeswehr. Er war in der Zeit vom 23. Dezember 1992 bis zum 9. März 1993 als Angehöriger des Feldjägerbataillons 740 im Rahmen der Vorsorge für einen in Somalia geplanten Auslandseinsatz auf der Grundlage dienstlicher Anordnung gegen tropische Krankheiten geimpft worden, und zwar gegen Gelbfieber (23. Dezember 1992), Typhus (oral verabreichte Impfungen am 23. Dezember, 25. Dezember, 27. Dezember 1992), Hepatitis A (30. Dezember 1992, 13. Januar 1993), Poliomyelitis (5. Januar 1993) und Hepatitis B (21. Januar 1993, 9. März 1993). Vom 10. März bis 2. April 1993 war der Kläger stationär im Bundeswehrkrankenhaus Gießen behandelt worden, wo die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ I gestellt wurde. In dem Entlassungsbericht dieser Klinik vom 10. Mai 1993 heißt es, seit Januar 1993 habe der Patient über zunehmende Gewichtsabnahme geklagt. Anfang Januar habe das Körpergewicht noch bei 80 Kilogramm gelegen, bis zur stationären Aufnahme sei eine Gewichtsreduktion von insgesamt 12 Kilogramm eingetreten. Weiter habe der Patient angegeben, Mitte Februar einen fieberhaften Infekt gehabt zu haben mit Temperaturen bis 38° C. Seit einer Woche habe eine massiv erhöhte Flüssigkeitsaufnahme von bis zu vier Litern Flüssigkeit pro Tag und eine entsprechend erhöhte Flüssigkeitsausscheidung sowie allgemeine Krankheitssymptome in Form von Kopfschmerzen, Leistungsminderung bestanden. Laut Entlassungsbericht wurde laborchemisch die anfängliche Verdachtsdiagnose eines Diabetes mellitus Typ I bestätigt. Eine durchgeführte Bestimmung der HLA-Antigene DR 3 und DR 4, die positiv ausfiel, wurde in dem Entlassungsbericht dahingehend gedeutet, beim Kläger sei eine familiäre Disposition für eine Erkrankung an Diabetes mellitus Typ I gegeben. Aufgrund einer ersten ärztlichen Mitteilung des Stabsarztes über eine mögliche Wehrdienstschädigung vom 10. April 1993 stellte das Bundeswehrgebührnisamt V, Stuttgart, Ermittlungen an und holte eine Auskunft des Disziplinarvorgesetzten dazu ein, ob der Kläger besonderen Belastungen ausgesetzt war, was dieser verneinte. Ferner wurden Krankenunterlagen, insbesondere die Einlegekarten zur G-Karte des Klägers, der Entlassungsbericht der Diabetes-Klinik A-Stadt vom 19. Juli 1993 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 18. Mai bis 28. Mai 1993, ein weiterer Entlassungsbericht des Bundeswehrkrankenhauses B-Stadt, Innere Medizin vom 6. Juli 1993 über eine weitere stationäre Behandlung vom 1. Juni bis 9. Juni 1993 beigezogen. Nach dem Entlassungsbericht vom 6. Juli 1993 war die Zuckerkrankheit in eine Remissionsphase eingetreten und eine rein diätetische Behandlung ohne Insulinverabreichung erschien ausreichend. Als weitere Diagnose war eine Hyperlipidämie gestellt worden. Nach Beiziehung einer Auflistung der verabreichten Impfungen, der benutzten Impfstoffe und deren Hersteller gab die Medizinaldirektorin und Ärztin für Sozialmedizin W. S., Sanitätsamt der Bundeswehr, C-Stadt, unter dem 14. April 1994 dahingehend Stellung, angesichts der eingetretenen Remissionsphase der Stoffwechselstörung sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 25 v. H. zu bewerten, womit sich eine Kausalbeurteilung erübrige.

Mit Bescheid vom 28. April 1994 lehnte das Wehrbereichsgebührnisamt V der Beklagten die Gewährung eines Ausgleiches nach § 85 SVG mit der Begründung ab, die Gesundheitsstörung "Diabetes mellitus Typ I (Remission)" bedinge keine MdE von mindestens 25 v. H., was jedoch Voraussetzung für die Gewährung eines Ausgleiches sei. In diesem Verfahren wegen Ansprüchen für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses sei nicht darüber zu entscheiden, ob es sich bei der Gesundheitsstörung um die Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG handele.

Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 1994 Beschwerde. Hierauf zog die Beklagte noch einen Bericht des Oberfeldarztes und Internisten S., Bundeswehrkrankenhaus B-Stadt vom 19. Oktober 1993 zur Schichtdiensttauglichkeit des Klägers, die verneint worden war, bei. Der Kompaniechef der Einheit des Klägers teilte auf Nachfrage unter dem 31. Januar 1995 mit, die bei dem Kläger vorgenommenen Impfungen seien auf Befehl des Kommandeurs des Feldjägerbataillons 740 aus ausschließlich dienstlichen Zwecken erfolgt. Weiter wurden Kopien der Impfbucheintragungen zum Kläger zur Akte genommen. Die Beklagte holte sodann von Prof. Dr. G., Inhaber des Lehrstuhls für Innere Medizin (Diabetologie) und Direktor der klinischen Abteilung des Diabetes-Forschungsinstituts an der I.-Universität D-Stadt, ein Gutachten nach Aktenlage zur Frage ein, welche Gesundheitsstörungen des Klägers auf die wehrdienstbedingten Schutzimpfungen bzw. auf wehrdienstliche Belastungen zurückzuführen seien. In dessen schriftlichem Gutachten vom 12. August 1996 wird ausgeführt, es sei mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die dem Kläger Ende 1992 Anfang 1993 verabreichten Impfungen ursächlich für den Eintritt der Erkrankung an Diabetes mellitus Typ I seien. Die Auswertung der medizinischen Literatur habe keine verlässlichen Hinweise auf eine Diabetes auslösende Ursache der durchgeführten Impfungen erbracht. Nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand sei es daher unwahrscheinlich, dass die Insulitis durch die Impfungen ausgelöst wurde. Es werde jedoch als möglich angesehen, dass die Impfungen die Manifestation der Zuckererkrankung beschleunigt haben könnten. Eine Modifikation des pathogenetischen Prozesses durch allgemeine dienstliche Belastung sei nicht anzunehmen. Die MdE für das Diabetes mellitus-Leiden betrage zum Zeitpunkt der Begutachtung 0 v. H. Die Medizinaldirektorin W. S. stimmte dieser Beurteilung in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 15. November 1996 zu.

Hierauf wies die Wehrbereichsverwaltung V mit Beschwerdebescheid vom 14. April 1997 die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurück. Nach § 85 Abs. 1 SVG i. V. m. § 30 Abs. 1 und § 31 BVG sei für die Gewährung eines Ausgleiches erforderlich, dass die Gesundheitsstörung Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG sei und eine MdE um mindestens 25 v. H. für wenigstens sechs Monate bedinge. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt seien, bestehe ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG. Die weitere im Beschwerdeverfahren durchgeführte Überprüfung habe ergeben, dass die Gesundheitsstörung "Diabetes mellitus" nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung sei. Über die Höhe der MdE sei deshalb nicht mehr zu entscheiden gewesen.

Am 20. Mai 1997 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die typischen Symptome des manifesten Diabetes mellitus Typ I habe er ab Ende Januar 1993 bei sich beobachtet. Die definitive Diagnose sei am 10. März 1993 gestellt worden. Somit hätten zwischen der ersten Impfung und dem ersten Auftreten typischer Symptome vier bis sechs Wochen gelegen. Nach allgemeiner Lehrmeinung gehe dem Diabetes mellitus eine mehrere Jahre, mindestens jedoch viele Monate dauernde Phase progredienter Zerstörung von insulinproduzierenden Betazellen (Insulitis) voraus. Ein solcher Krankheitsverlauf sei bei ihm nicht aufgetreten. Daher müsse sein Diabetes mellitus durch die dienstlich angeordneten Impfungen und die dichte Impfserie verursacht oder zumindest der Erkrankungseintritt beschleunigt worden sein.

Das Soziagericht hat zunächst auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein fachinternistisches Gutachten von dem Arzt für Innere Medizin und Endokrinologie sowie Diabetologen Prof. Dr. B., Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums E-Stadt vom 2. Juni 1999 eingeholt. Prof. Dr. B. hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten ausgeführt, die durchgeführten streitgegenständlichen Impfungen bzw. die Begleitumstände der Vorbereitungen für den Auslandseinsatz seien weder unmittelbar noch mittelbar als ursächlich für die Entstehung des Diabetes mellitus Typ I anzusehen. Es sei davon auszugehen, dass die Erkrankung, die üblicherweise eine jahrelange Vorlaufsphase aufweise, bereits vor Durchführung der Impfungen begonnen habe. Die Frage, ob es zu einer Verschlimmerung des festgestellten Diabetes-Leidens im Zusammenhang mit den durchgeführten Schutzimpfungen gekommen sei, beurteile er allerdings differenzierter als der Vorgutachter Prof. G ... Den zahlreichen Impfungen, die zusätzlich noch in dichter zeitlicher Reihenfolge beim Kläger durchgeführt wurden, könne nicht nur, wie von Prof. Dr. G. angenommen, eine temporäre Minderung der Insulinwirksamkeit zugeordnet werden, sondern auch ein unmittelbarer Effekt im Sinne einer Stimulation präformierter autoreaktiver Zellen in einer sicherlich beim Kläger bestanden habenden prädiabetischen Phase. Diese Auffassung werde unterstützt durch die in vielen Publikationen nachgewiesene Beziehung zwischen "natürlichen Infektionen" und Auftreten des Diabetes mellitus Typ I. Dies bedeute, dass die jahreszeitliche Häufung des Auftretens eines Diabetes mellitus im Frühjahr bzw. im Herbst nicht durch Virusinfektionen an sich zustande komme, gleichwohl aber eine Beschleunigung des Auftretens der Erkrankung. Hierin bestehe eine unmittelbare Analogie zur Situation des Klägers, bei dem es durch die Impfungen zu einer massiven allgemeinen Immunstimulation gekommen sei. Es sei anzunehmen, dass die Manifestation des Diabetes-Leidens bei dem Kläger infolge der erhaltenen Impfungen zumindest um mehrere Monate vorgezogen worden sei. Für den Diabetes mellitus Typ I und die vorhandene Lipidstoffwechselstörung ergäbe sich eine Gesamt-MdE von 30 v. H., im Falle der Bestätigung einer bislang lediglich als Verdachtsdiagnose diskutierten diabetischen Nephropathie ein Wert von 40 v. H.

Das Sozialgericht hat sodann von Amts wegen Prof. Dr. D., Direktor des Institutes für Medizinische Virologie sowie Arzt für medizinische Mikrobiologie und für Labormedizin vom Zentrum der Hygiene-Impfambulanz des Klinikums der L.-Universität F-Stadt mit der Erstellung eines Gutachtens betraut, das dieser nach Aktenlage in schriftlicher Form unter dem Datum vom 20. April 2000 vorgelegt hat. Prof. Dr. D. legt dar, die dem Kläger verabreichten Impfungen seien indiziert und auch hinsichtlich Anzahl und zeitlicher Abstände vertretbar und korrekt gewesen. Selbst ein grippaler Infekt hätte keine Kontraindikation für die Durchführung der Impfungen dargestellt. Ein Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Entstehen eines Diabetes mellitus Typ I sei nach Auswertung der medizinischen Literaturlage als nicht bekannt einzustufen. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass es bei Impfungen, insbesondere unter Verwendung von Lebendvakzinen, die zu einer im Sinne des Impfschutzes erwünschten starken Immunstimulation führen, auch zu einer überschießenden Immunantwort gegen eigenes Gewebe kommen könne. Rein spekulativ und nach aktuellem Stand wissenschaftlich nicht begründbar sei jedoch die Annahme, die dem Kläger verabreichten Impfstoffe hätten bei diesem zu einer Beschleunigung der Entwicklung seines prädisponierten Diabetes mellitus geführt. Für die verabreichten (Impf-)Viren sei nicht bekannt, dass sie die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse infizierten. Eher wäre eine Virusinfektion (z. B. der fragliche Infekt im Februar 1993) als auslösendes Agens für die Manifestation des Diabetes mellitus Typ I denkbar. Die Impfung könne nicht als wahrscheinliche Ursache des hier erörterten Krankheitsfalles gelten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. März 2001 hat das Sozialgericht beschlossen, ein weiteres Gutachten von Amts wegen von Prof. Dr. St., Chefarzt der Dritten Medizinischen Abteilung des Städtischen Akademischen Lehrkrankenhauses G-Stadt (Schwerpunkte: Endokrinologie, Stoffwechsel, Diabetologie, Angiologie) einzuholen. Prof. Dr. St. hat sein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers und Auswertung der Akten unter dem Datum vom 8. Oktober 2001 vorgelegt. In dem Gutachten wird ausführlich zur Immunpathogenese des Diabetes mellitus Typ I Stellung genommen und auf das Vorkommen zweier antagonistischer immunologischer Reaktionstypen hingewiesen. Das initiale Ereignis, das den Reaktionsprozess gegen das Inselzellgewebe der Bauchspeicheldrüse auslöse, sei nicht bekannt. Es handele sich offenbar um ein multifaktorielles Geschehen, an dem ein Netz unterschiedlicher immunologischer Faktoren beteiligt sei. Jedenfalls seien akute Virusinfektionen nicht kausal für die Auslösung eines Diabetes mellitus Typ I verantwortlich, da der Immunprozess lange vor der klinischen Manifestation beginne (Jahre bis Jahrzehnte). Allerdings sei denkbar, dass Stress und Belastungen sowie schwere akute Infektionen (nicht banale Infekte!) den Verlauf bis zur Manifestation vorverlegen könnten. In den bisher vorliegenden Untersuchungen seien weder Art noch Menge von Impfungen bei Menschen – anders in Tiermodellen – mit der Entwicklung von Antikörpern gegen Inselzellbestandteile assoziiert worden. In der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur gäbe es keinen eindeutigen Hinweis für die Annahme, Impfungen könnten mittelbar oder unmittelbar einen Typ I–Diabetes auslösen. Zusammenfassend sei also der bei dem Kläger bestehende Typ I–Diabetes weder unmittelbar noch mittelbar im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung auf die verabreichten Impfungen zurückzuführen.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2001 hat das Sozialgericht ohne erneute mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, der beim Kläger bestehende Diabetes mellitus Typ I stelle keine Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG dar, womit auch ein Anspruch auf die Gewährung eines Ausgleiches nach § 85 SVG entfalle. Die insgesamt sieben Impfungen des Klägers Ende 1992 und Anfang 1993 seien zwar unstreitig aufgrund eines Befehls des Kommandeurs des Feldjägerbataillons 740 im Vorgriff auf einen geplanten Auslandseinsatz in Somalia erfolgt. Zur Überzeugung des Gerichtes ergebe sich jedoch aus den im Gerichtsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. St., dass die Impfungen nicht als wahrscheinliche Ursache des Diabetes mellitus Typ I-Leidens bei dem Kläger in Frage kämen. Beide Gutachter hätten den Kläger zum Zwecke der gutachterlichen Beurteilung eigenständig körperlich untersucht sowie umfänglich das medizinisch-wissenschaftliche Material geprüft und dokumentiert. Beide Gutachter hätten sich mit den verschiedenen medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinungen und Erkenntnissen kritisch auseinandergesetzt. Sie seien zu dem ausführlich begründeten und logisch nachvollziehbaren Ergebnis gekommen, die Impfungen seien nicht als wahrscheinliche Ursache des Diabetes mellitus Typ I anzusehen. Demgegenüber komme Prof. Dr. B. in seinem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten zu der Beurteilung, zumindest mittelbar sei das Auftreten des Diabetes mellitus Typ I bei dem Kläger durch die erfahrenen Impfungen gefördert worden. Diese Beurteilung werde jedoch für das Gericht unzweifelhaft widerlegt durch die Ergebnisse der Gutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. St ... Im Ergebnis kämen drei Gutachter zu der Einschätzung, der bei dem Kläger aufgetretene Diabetes mellitus Typ I sei nicht ursächlich auf die dienstlich angeordneten Impfungen zurückzuführen, während lediglich das Gutachten von Prof. Dr. B. zu teilweise anderen – für den Kläger günstigeren – Ergebnissen gelange. Das Gericht müsse den medizinisch-wissenschaftlich begründeten Gutachten, die mit Prof. Dr. B. nicht übereinstimmten, folgen und daher die Klage abweisen.

Gegen das ihm am 12. Dezember 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Januar 2002 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger hält das Gutachten von Prof. Dr. B. für überzeugend. Die vom Sozialgericht bejahte Eindeutigkeit der Beurteilungen der Gutachter Prof. Dr. D. und Prof. Dr. St. könne nicht nachvollzogen werden. Immerhin gestehe auch Prof. Dr. D. zu, dass die Pathogenese des insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ I wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt sei. Dieser habe sein Fazit auch vorsichtiger formuliert und die Impfung als "wahrscheinliche" Ursache ausgeschlossen. Auch habe Prof. Dr. B. dargetan, nach herrschender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung könne davon ausgegangen werden, dass die Impfungen mittelbar das Auftreten des Diabetes mellitus Typ I gefördert hätten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 5. Dezember 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. April 1994 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 14. April 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Diabetes mellitus-Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung gemäß § 81 SVG anzuerkennen und ihm eine Ausgleichsrente nach § 85 SVG zu bewilligen.

Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertretene Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. M. in seinen medizinischen Wertungen bestätigt.

Der Senat hat einen Befundbericht von dem Leiter des Facharztzentrums H-Stadt, Oberfeldarzt Dr. von F. vom 13. Februar 2003 über Behandlungen des Klägers im Juni 2002 eingeholt. Er hat sodann ein Fachgutachten bei Prof. Dr. med. C.M., Arzt für Innere Medizin, Dipl. Tropenmedizin/Medizinische Parasitologie, tätig am K.-Institut für Tropenmedizin, K-Stadt vom 22. Dezember 2004 eingeholt. In dem schriftlichen nach Aktenlage erstellten Gutachten beantwortet Prof. Dr. med. M. die gerichtlichen Beweisfragen, ob der beim Kläger bestehende Diabetes mellitus Typ I mit Wahrscheinlichkeit unmittelbar oder mittelbar ursächlich 1. im Sinne der Entstehung oder 2. im Sinne der Verschlimmerung auf schädigende Einwirkungen entsprechend dem Soldatenversorgungsgesetz zurückzuführen ist (z. B. auf die Schutzimpfungen gegen tropische Krankheiten), jeweils mit nein. In seiner zusammenfassenden Begründung führt er aus, eine Kausalität von Impfungen für das Auftreten eines Diabetes mellitus Typ I sei in mehreren großen medizinischen Studien nicht belegt und nach heutigem Kenntnisstand abzulehnen. Dies entspreche der Sicht der bisherigen Vorgutachten. Eine Kausalität von Impfungen für eine beschleunigte klinische Manifestation eines Diabetes mellitus Typ I sei, basierend auf den in Gang gesetzten Immunmechanismus einer polyklonalen Stimulation, theoretisch vorstellbar, jedoch nach derzeitigem Erkenntnisstand hypothetisch und nicht belegt. Das Vorgutachten von Prof. Dr. B. diskutiere diese Möglichkeit, ohne sie im Sinne der Beweisfrage zu belegen. Der Einschätzung dieses Gutachters liege eine theoretisch denkbare Vermutung zugrunde. Das Vorgutachten von Prof. Dr. D. diskutiere die Möglichkeit einer unspezifischen polyklonalen Aktivierung, hervorgerufen durch die Lebendimpfungen, die sich dann gegen das Inselzellgewebe der Bauchspeicheldrüse richten könne. Ausreichende Befunde, die eine kausale Wahrscheinlichkeit untermauerten, lägen nicht vor. Prof. Dr. D. selbst bezeichne diese Möglichkeit als spekulativ. Dass genetischen Faktoren ein entscheidender Beitrag zur Entstehung eines Diabetes mellitus Typ I zukomme, sei dagegen hinreichend belegt und werde allgemein akzeptiert. Beim Kläger lägen angesichts seiner HLA-Merkmale entsprechende genetische Prägungen vor. Dementsprechend erscheine die Bestimmung weiterer genetischer Faktoren nicht notwendig. Der Beitrag von Umweltfaktoren, einschließlich der von Infektionen und extremen psychischen Belastungen, wie sie im Gutachten Prof. Dr. G. angeführt werden, sei nicht hinreichend gesichert und hier nicht weiter zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Band 1 und 2, die WDB-Akte und die Beschwerde-Akte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz des Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten zur mündlichen Verhandlung diese durchführen und durch Urteil entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß gegen Empfangsbekenntnis zum Gerichtstermin geladen und auf diese im Falle ihres Ausbleibens mögliche Verfahrensweise hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).

Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 5. Dezember 2001 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 28. April 1994 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 14. April 1997 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Diabetes mellitus Typ I-Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung, womit zugleich der geltend gemachte Anspruch auf die Gewährung eines Ausgleiches entfällt.

Nach § 85 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat während seines Wehrdienstes wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 BVG. § 81 Abs. 1 SVG bezeichnet als Wehrdienstbeschädigung die gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG). Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht. Es muss ein solcher Grad an Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die Überzeugung des Kausalzusammenhanges begründen kann.

Die insgesamt sieben Impfungen gegen tropische Krankheiten, denen sich der Kläger in der Zeit vom 23. Dezember 1992 bis zum 9. März 1993 unterzogen hat, kommen grundsätzlich als ein Schädigungstatbestand oder ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG in Betracht. Sie sind nämlich nicht zum privaten Gesundheitsschutz des Klägers, sondern auf der Grundlage dienstlicher Anordnung im Rahmen der Vorsorge für einen in Somalia geplanten Auslandseinsatz erfolgt und lagen im dienstlichen Interesse. Der Impfvorgang ist somit rechtlich als "Dienstverrichtung" i.S.d. § 81 Abs. 1 SVG zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der in § 81 Abs. 2 Nr. 3 SVG geregelte Sondertatbestand einer Wehrdienstbeschädigung dafür spreche, die Impfungen des Klägers dem Versorgungsschutz zu unterstellen. Nach der genannten Norm gilt als Wehrdienstbeschädigung auch eine gesundheitliche Schädigung, die herbeigeführt worden ist durch "3. gesundheitsschädigende Verhältnisse, denen der Soldat am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war". Um solche Schädigungen zu vermeiden, waren die Impfungen gegen tropische Krankheiten angeordnet worden.

Indessen lässt sich, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, weder nachweisen noch wahrscheinlich machen, dass der beim Kläger im März 1993 diagnostizierte Typ I-Diabetes durch den Impfvorgang hervorgerufen oder verschlimmert worden ist. Diese Beurteilung hat ihre Bestätigung in dem im Berufungsverfahren eingeholten weiteren medizinischen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. M., vom K.-Institut für Tropenmedizin erfahren. Prof. Dr. M. gelangt zu einer vollständigen Übereinstimmung mit den Beurteilungen in den vom Sozialgericht von Amts wegen von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. St. eingeholten Sachverständigengutachten. Er bestätigt als Spezialist für Maßnahmen zur Vorsorge gegen Tropenkrankheiten insbesondere auch die schon von dem weiteren Impfspezialisten, Prof. Dr. D., Impfambulanz der L.-Universtität F-Stadt, getroffene Feststellung, die dem Kläger im Hinblick auf den geplanten Auslandseinsatz verabreichten Impfungen seien arte legis erfolgt. Dies gelte sowohl hinsichtlich der sieben Impfdosen als auch in Bezug auf die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Impfungen. Auch der vom Kläger angeführte Infekt, der nach seinen Angaben im Februar 1993 ohne Inanspruchnahme truppenärztlicher Behandlung abgelaufen sei, hätte keinen Hinderungsgrund zur Fortführung der Impfungen dargestellt.

Prof. Dr. M. hat sich dann, entsprechend der Verfahrensweise der Vorgutachter, ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob und ggf. welche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diskutierten Assoziationen zwischen zugelassenen Impfungen und dem Entstehen bzw. der Beschleunigung der klinischen Erstmanifestation eines Typ I-Diabetes mellitus bestehen. Er hat dabei auf weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen, die seit dem letzten gerichtlichen Sachverständigengutachten, nämlich dem des Prof. Dr. St. vom 8. Oktober 2001 erschienen sind, zurückgreifen können. In seinem Literaturverzeichnis (gekennzeichnet als Referenzen) sind allein acht Arbeiten aus den Jahren 2002 bis 2004 aufgeführt, die sich der Bedeutung genetischer Dispositionen bzw. der durch Impfung vermittelter Autoimmunprozesse für Eintritt und Ablauf einer Erkrankung an Diabetes mellitus beschäftigen. Sein Fazit in seiner gutachterlichen Beurteilung lautet, die teilweise vermutete Assoziation zwischen dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen, z. B. dem Typ I-Diabetes und Impfungen sei im Rahmen großer epidemiologischer Studien nicht nur nicht bestätigt, sondern widerlegt worden. Es sei inzwischen erneut in umfangreichen Studien festgestellt worden, dass herkömmliche Impfungen, zu denen auch die dem Kläger verabreichten zählten, nicht mit dem Entstehen von Autoimmunkrankheiten assoziiert seien. Zum Beleg werden vier im Referenzverzeichnis zitierte Veröffentlichungen aus den Jahren 2001, 2002, 2003 und 2004 benannt. Weiter führt Prof. Dr. M. aus, eine Studie über eine dänischen Kohorte von Kindern zwischen 1990 und 2000 habe gezeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Impfungen in der Kindheit und dem Entstehen eines Diabetes mellitus Typ I gebe (Hinweis auf Hviid et al, 2004). In diesem Zusammenhang ist auch die bereits von Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 8. Oktober 2001 angeführte und unter Nr. 29 seines Literaturverzeichnisses belegte Information bedeutsam. Danach fand 1998, veranstaltet von mehreren Institutionen (National Institute of Allergy and Infectious Diseases, Centres for Disease Control, the World Health Organisation and the UK’s Department of Health) ein Workshop statt, im Rahmen dessen Immunologen, Diabetologen, Epidemiologen und Richtlinien-Beauftragte Hinweise von US-Forschern, dass Impfungen 28 Tage nach der Geburt bei prädisponierten Individuen Typ I-Diabetes auslösen könnten, die bis dato vorhandenen Materialien diskutierten. Sie seien zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, es gäbe keinen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und dem Auslösen eines Typ I-Diabetes.

Der Senat hat keinerlei Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit der Darstellung des derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes in der Medizin zur Frage eines etwaigen Zusammenhanges zwischen der Erstmanifestation eines Diabetes mellitus Typ I und impfungsbedingter Autoimmunreaktionen zu zweifeln. Soweit Prof. Dr. B. in seinem Gutachten nach § 109 SGG ausführt, es sei anzunehmen, dass die Manifestation des Diabetes mellitus Typ I beim Kläger infolge der erhaltenen Impfungen zumindest um mehrere Monate vorgezogen wurde, gibt er selbst zu erkennen, dass diese Position nicht medizinisch-wissenschaftlich abgesichert ist, sondern einen eher spekulativen Gehalt hat. Er bezeichnet diese Beurteilung als Ergebnis einer Analogiebildung zu dem von ihm beschriebenen Phänomen, die Erkrankung an Diabetes mellitus – wobei nicht differenziert wird zwischen Typ I und Typ II - zeige als Folge verstärkt auftretender Virusinfektionen im Frühjahr und Herbst eine Häufung in diesen Jahreszeiten. Hier wird, wie Prof. Dr. M. zutreffend vermerkt, eine theoretisch denkbare Möglichkeit diskutiert, für deren Richtigkeit es aber keine Belege gibt. Entsprechendes gilt für die Ausführungen von Prof. Dr. G. in dessen im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten vom 12. August 1996, als dort ausgeführt wird, es werde als möglich angesehen, dass die Impfungen die Manifestation des Diabetes mellitus Typ I beim Kläger beschleunigt hätten. Sowohl Prof. Dr. D. als auch Prof. Dr. M. haben in ihren Gutachten nachvollziehbar diese Einschätzung als rein spekulativ und nach aktuellem Stand als wissenschaftlich nicht begründbar bezeichnet.

Gesichertes Wissen ist hingegen, was in allen im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens erstellten fünf Gutachten dargelegt wird, dass genetische Faktoren entscheidend zur Entstehung eines Diabetes mellitus Typ I beitragen, wobei vor allem den HLA-Antigenen eine wichtige Rolle zukommt. Personen, die sie aufweisen, haben ein um mindestens 40 % erhöhtes Risiko am Typ I-Diabetes zu erkranken. Der Kläger weist eine solche prädisponierende HLA-Konstellation auf.

Bei dieser Sachlage kann der Umstand, dass die Erkrankung des Klägers an Diabetes mellitus Typ I kurze Zeit nach der letzten erhaltenen Impfung diagnostiziert wurde, einen ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Wahrscheinlichkeit zwischen dem Impfvorgang und dem Krankheitseintritt nicht begründen. Auch der Einwand des Klägers, es habe bei ihm bis März 1993 trotz einer umfangreichen Untersuchung auf Tropentauglichkeit keinerlei Hinweise auf eine Diabetes-Symptomatik gegeben, führt nicht weiter. Hinsichtlich der Entwicklung des Diabetes mellitus Typ I ist bekannt, dass eine chronische autoimmune Entzündung der Langerhans-Inseln im Pankreas abläuft, in deren Folge die insulinproduzierenden Betazellen zerstört werden. Dieser Vorgang zieht sich in der Regel über einen langen Zeitraum hin und wird von dem Betroffenen nicht bemerkt. Auf diesen Mechanismus hat insbesondere Prof. Dr. St. in seinem Gutachten hingewiesen. Wenn auch das initiale, wahrscheinlich multifaktorielle Ereignis, das den zerstörerischen Reaktionsprozess gegen das Inselgewebe in der Bauchspeicheldrüse auslöst (noch) nicht bekannt ist, so gibt es doch wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, welche theoretisch denkbaren Faktoren ohne wesentlichen Belang für den Krankheitsprozess sind. Hierzu gehören, wie in den Gutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. M. dargelegt, gerade die vom Kläger als maßgeblich angesehenen durch Impfungen ausgelöste körpereigenen Autoimmunprozesse.

Der Anspruch des Klägers auf Versorgung ist allerdings, was die Vorinstanz unterlassen hat, sowohl im Hinblick auf § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG – "Pflichtleistung" – wie auch auf § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG – "Kannleistung" – zu prüfen. Der Anspruch auf Versorgung ist ein einheitlicher. Über ihn ist auch einheitlich zu entscheiden. § 81 Abs. 6 Satz 1 und 2 SVG stellen für dieselbe Leistung nur unterschiedliche Voraussetzungen auf (BSGE 74, 109 = SozR 3100 § 1 Nr. 14; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13). Nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG kann zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung ein geringerer Grad als die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs ausreichen, wenn über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Zur Anerkennung ist die Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erforderlich (§ 85 Abs. 3 SVG). Sie kann auch allgemein erteilt werden. Ist sie erteilt, so ist die Wehrverwaltung ebenso wie die Versorgungsverwaltung daran gebunden und die Anerkennung ist auszusprechen. Für die Fälle, in denen das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung einer Kannversorgung nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG allgemein zugestimmt hat, hat auch das Bundesministerium der Verteidigung seine Zustimmung allgemein erteilt (vgl. BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13).

Hinsichtlich der beim Kläger bestehenden Diabetes mellitus Typ I-Erkrankung liegt keine allgemeine Zustimmung zur Anerkennung als Wehrdienstleiden vor. Das nunmehr zuständig gewordene Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat lediglich in Nr. 39 Abs. 7 der von ihm herausgegeben "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Anhaltspunkte, Stand: April 2004), wie schon in den vorausgegangenen Anhaltspunkten 1996, Diabetes mellitus-Erkrankungen vom Typ I als für eine Kannversorgung allgemein in Betracht kommend aufgeführt, sich die Zustimmung jedoch im Einzelfall vorbehalten. Keiner der beiden für eine Kannversorgung für die Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst zuständigen Bundesministerien hat die Zustimmung im hiesigen Einzelfall erteilt. Allerdings besteht auch keine Verpflichtung, eine solche zu erteilen.

Die Grundvoraussetzungen für die Gewährung einer Kannversorgung liegen im Falle des Klägers nicht vor. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit eine Kannversorgung eröffnet ist, führen die Anhaltspunkte, die als antizipierte Sachverständigengutachten auch von den Gerichten zu beachten sind, folgendes aus (Anhaltspunkte 2004, Nr. 39 Abs. 2, Seite 151):

a) Über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens darf keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrschen. – Eine von der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichende persönliche Ansicht eines Sachverständigen erfüllt nicht den Tatbestand einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft.

b) Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. – Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss der Gutachter beurteilen, ob der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist (siehe Nr. 38).

c) Zwischen der Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände und der Manifestation des Leidens oder der Verschlimmerung des Krankheitsbildes muss eine zeitliche Verbindung gewahrt sein, die mit den allgemeinen Erfahrungen über biologische Verläufe und den in den wissenschaftlichen Theorien vertretenen Auffassungen über Art und Wesen des Leidens in Einklang steht. In Nr. 39 Abs. 4 der Anhaltspunkte 2004 wird nochmals hervorgehoben, auch bei einem Leiden, das für eine Kannversorgung generell in Betracht zu ziehen ist, müsse trotzdem anhand des Sachverhaltes des Einzelfalles stets zuerst geprüft werden, ob der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu beurteilen ist.

Dies bedeutet hier, dass zunächst zu klären ist, ob hinsichtlich des vom Kläger als Ursache seiner Zuckererkrankung angesehenen Impfvorganges hinreichend medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die es ermöglichen, die Hypothese, es bestehe ein Kausalzusammenhang, zu verifizieren oder zu falsifizieren. Ist dies der Fall, so besteht die für eine Kannversorgung notwendige Ungewissheit nicht. So liegt es hier. Wie oben dargelegt, gibt es derzeit hinreichende Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, die die gesicherte Beurteilung zulassen, es existiere keinerlei kausale Verbindung – sei es im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung - zwischen durch Impfungen ausgelösten Autoimmunprozessen und dem Auftreten eines Typ I-Diabetes mellitus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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