L 6 RJ 79/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 21 RJ 29/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 79/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1998 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch vom 1. Mai 1998 bis zum 7. Juni 1999 Übergangsgeld und ab dem 30. Juni 1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu zwei Dritteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der 1969 geborene Kläger schloss im Juli 1986 die zehnklassige allgemeinbildende Polytechnische Oberschule (POS) ab. Vom 1. September 1986 bis zum 31. Juli 1988 absolvierte er eine Ausbildung zum Feinblechner (Facharbeiterurkunde vom 15. Juli 1988). Anschließend war er versicherungspflichtig als Feinblechner und Lüftungsmonteur beschäftigt, zuletzt vom 1. Mai 1993 bis zum 30. April 1996 bei der nicht tarifgebundenen Fa. L + K L und K GmbH in H/B. Der Kläger arbeitete selbständig in der betriebseigenen Werkstatt (Herstellen von Kanälen, Sonderanfertigungen etc.) und auf diversen Baustellen (als Lüftungsmonteur) gegen einen Stundenlohn von 17,50 DM (Auskünfte der Fa. L und K vom 14. Juni 2000 und 10. September 2003). Bereits 1994 war beim Kläger nach einer Kreissägenverletzung der linken Hand eine Teilamputation des Daumenendgliedes sowie des Mittel- und Endgliedes des Zeigefingers erfolgt. Vom 17. Mai 1995 bis zum 31. Januar 1996 und vom 11. März 1996 bis zum 22. Oktober 1996 bestand beim Kläger wegen andauernden Kniebeschwerden (mehrfache arthroskopische Eingriffe einschließlich einer Kreuzbandplastik) Arbeitsunfähigkeit. Vom 1. Mai 1996 bis zum 22. Oktober 1996 bezog er Krankengeld, ab dem 23. Oktober 1996 - mit Unterbrechungen - Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitslosengeld, seit dem 20. Mai 2000 Arbeitslosenhilfe).

Den im Oktober 1996 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. BU lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 26. März 1997 ebenso ab wie einen Anspruch auf Invalidenrente nach Artikel 2 § 7 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG). Der Entscheidung lagen diverse Krankenhausentlassungsberichte sowie ein für das Arbeitsamt am 18. Dezember 1996 erstelltes Gutachten der Dr. R (dauerhafte Untauglichkeit des Klägers für den Beruf des Lüftungsmonteurs; jedoch vollschichtige Einsatzfähigkeit für leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen oder Gehen, mit gewissen weiteren qualitativen Einschränkungen) sowie ein Gutachten der Ärztin für Innere Medizin, Rheumatologie R vom 5. März 1997 (keine Einsetzbarkeit des Klägers im bisherigen Beruf sowie für Tätigkeiten auf Leitern und im Knien und Hocken; weitere qualitative Einschränkungen) zu Grunde.

Auch den am 8. Juni 1998 gestellten weiteren Rentenantrag des Klägers, der seit dem 25. März 1998 wegen Wirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden arbeitsunfähig erkrankt war, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. September 1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1998, unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Begutachtung durch den Arzt für Chirurgie G ab: Zwar könne der Kläger nicht mehr in seinem bisherigen Beruf tätig sein, jedoch müsse er sich noch auf die Tätigkeit eines Kundendienstbetreuers im Fachgroßhandel für Bleche, Halbzeuge, Eisen- und Metallwaren oder eines Schulhausmeisters zumutbar verweisen lassen. Der Chirurg G hatte den Kläger noch als vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen beurteilt (Gutachten vom 13. August 1998).

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, ab dem 1. Mai 1998 weiter verfolgt. In der Zeit vom 1. Mai 1998 bis zum 7. Juni 1999 hat er Krankengeld bezogen. Nach einer im Mai 1999 erfolgten Lendenwirbelsäulenoperation (Einsatz eines Fixateurs interne bei L5/S1) hat ihm die Beklagte eine Anschlussheilbehandlungsmaßnahme (AHB) in B F gewährt und für den Zeitraum vom 8. Juni bis zum 29. Juni 1999 Übergangsgeld gezahlt. Aus der AHB ist der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden. Sein Leistungsvermögen ist - ein weiterer komplikationsloser Verlauf sowie muskuläre Stabilisierung in etwa sechs Monaten vorausgesetzt - als vollschichtig für leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, unter weitestgehender Vermeidung von belastendem Bücken, Knien, Hocken, Ersteigen von Treppen, Leitern mit Lasten, von Zwangshaltungen sowie des ständigen Einflusses von Kälte, Nässe und Zugluft und Ganzkörpervibrationen eingeschätzt worden (Entlassungsbericht vom 19. Juli 1999).

Das SG hat eine Auskunft des letzten Arbeitgebers (Fa. L und K GmbH) vom 14. Juni 2000 nebst Arbeitsvertrag und Arbeitszeugnis eingeholt sowie den AHB-Entlassungsbericht vom 19. Juli 1999 beigezogen. Auf Anforderung haben die behandelnden Ärzte Befundberichte erstattet (der Orthopäde Dr. K vom 23. September 1999, der Neurochirurg Dr. S vom 21. September 1999, die Neurochirurgische Klinik und Poliklinik der Freien Universität B vom 22. September 1999, die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M vom 3. September 1999 und die Allgemeinmedizinerin Dr. St vom 19. Oktober 1999). Im Anschluss daran hat die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. F am 7. Februar 2000 ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Untersuchung des Klägers (1. Februar 2000) erstellt mit den Diagnosen:

a) Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule mit Nachweis einer Bandscheibenvorwölbung zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper und eines Bandscheibenvorfalles zwischen dem 5. Lendenwirbelkörper und dem 1. Kreuzbeinwirbel; operativ behandeltes Wirbelgleiten in Höhe des 5. Lendenwirbelkörpers und 1. Kreuzbeinwirbels. b) mittelgradiger Knorpelaufbrauchschaden des linken Kniegelenkes. c) psychosomatische Störung mit gestörter Schmerzverarbeitung. d) Teilamputation der Finger I und II der linken Hand.

Die Leistungsfähigkeit des Klägers hat die Sachverständige als vollschichtig für körperlich leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten mit gewissen weiteren qualitativen Einschränkungen eingeschätzt. Unzumutbar seien Arbeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr wie Leiter- und Gerüstarbeit. Die Fingergeschicklichkeit der linken Hand sei für Feinarbeiten eingeschränkt. Die psychosomatische Störung habe bislang zu keiner wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit geführt, so dass hieraus Leistungseinschränkungen nicht zu begründen seien. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien im BOrtsverkehr nicht zu berücksichtigen.

Des Weiteren hat der Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik im Klinikum B, Prof. Dr. K, am 5. Juni 2000 ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Untersuchung des Klägers (12. Mai 2000) erstellt. Hierin hat er ausgeführt, im Hinblick auf das gute Ergebnis der lumbosakralen Fixationsoperation würden sich für die Wirbelsäulenbelastbarkeit des Klägers keine wesentlichen Einschränkungen ergeben. Hinweise auf eine wesentliche psychosomatische Erkrankung oder gar eine reaktive Depression habe er nicht feststellen können. Lediglich die Belastbarkeit des linken Knies sei eingeschränkt, so dass Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ausgeschlossen seien. Auch könnten mit der linken Hand durch das Fehlen des Endgliedes des Daumens und der letzten beiden Glieder des Zeigefingers keine Arbeiten mehr durchgeführt werden, die eine besondere Beanspruchung an die Feinbeweglichkeit der Finger stellen würden. Ansonsten könne der Kläger noch regelmäßig vollschichtig körperlich mittelschwere und leichte Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen, unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft sowie im Gehen, Stehen oder Sitzen ausführen, wobei ein kontinuierliches Sitzen von mehr als zwei Stunden vermieden werden müsse. Lasten bis zu 20 kg könnten gehoben und getragen werden.

Daraufhin hat die Beklagte zunächst ausgeführt, Rehabilitationsmaßnahmen in Form von Berufsförderungsleistungen seien indiziert (Schriftsatz vom 22. August 2000), jedoch sei hierfür das Arbeitsamt vorrangig zuständig. In der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2000 hat die Beklagte als weitere Verweisungsberufe genannt: Qualitätskontrolleur bzw. Güteprüfer in Metallbetrieben, Lagerverwalter bzw. Werkzeugausgeber. Das SG hat mit Urteil vom selben Tage die Klage abgewiesen: Der Kläger, der von allen Gutachtern als noch vollschichtig einsetzbar für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten angesehen werde, sei nicht erwerbsunfähig. BU liege ebenfalls nicht vor, denn der Kläger könne noch die Tätigkeit des "Kundendienstbetreuers im Fachgroßhandel für Bleche, Halbzeuge, Eisen- und Metallwaren" ausüben.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Vorlage eines Attestes der Allgemeinmedizinerin Dr. St vom 10. November 2000 nur noch sein Begehren auf Gewährung von Rente wegen BU weiter: Er verfüge über einen Facharbeiterabschluss und könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Feinblechner und Lüftungsmonteur unzweifelhaft nicht mehr ausüben. Das für eine Tätigkeit als Kundendienstbetreuer im Fachgroßhandel erforderliche Führen eines Kraftfahrzeuges sei ihm auf Grund der regelmäßigen Schmerzmittelnahme und der damit verbundenen Nebenwirkungen (Müdigkeit und Schwindel) nicht möglich. Aus gesundheitlichen Gründen würden auch die von der Beklagten weiterhin benannten Tätigkeiten eines Schulhausmeisters und eines Fertigungs- und Gütekontrolleurs ausscheiden. Letztere erfordere eine hohe Konzentrationsfähigkeit, welche jedoch durch die Einnahme von Schmerzmedikamenten negativ beeinflusst werde. Auch setze die Tätigkeit des Schulhausmeisters nach den von der Beklagten eingereichten Unterlagen eine Funktionstüchtigkeit der Wirbelsäule, der Arme und Beine sowie Hand- und Fingergeschicklichkeit für beidhändiges Arbeiten voraus.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 2000 sowie den Bescheid vom 7. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1998 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Mai 1998 bis zum 7. Juni 1999 Übergangsgeld und ab dem 30. Juni 1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Kläger nicht für berufsunfähig. Dieser könne nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen noch als Kassierer an Selbstbedienungstankstellen bzw. als Hauswart / Hausmeister oder als Montierer in der Fertigung von mechanischen Kleinteilen bzw. Kleingeräten, als Löter sowie als Schloss- und Schlüsselmacher vollschichtig erwerbstätig sein. Hinweise auf eine medizinisch notwendige Schmerzmitteleinnahme sowie eine tatsächliche Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit durch den Schmerzmittelgebrauch lägen nicht vor. Hinsichtlich der benannten Tätigkeiten werde auf die überreichten berufskundlichen Unterlagen (Gutachten des Sachverständigen F Sch vom 28. März 2000, Auskunft des Zentralverbandes des Tankstellen- und Garagengewerbes e.V. vom 2. März 2001, Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2001 -L 2 RJ 140/00- und vom 20. März 2002 -L 6 RJ 231/01-, die Berufsinformationskarten - BIK - der Bundesagentur für Arbeit BO 521 und BO 793, die von der 26. Kammer des SG Berlin zum Az. S 26 J 1239/97 eingeholte berufskundliche Auskunft der Fa. G Deutschland GmbH und Co. vom 5. November 1998) Bezug genommen.

Der Senat hat zunächst eine Auskunft der Bundesagentur für Arbeit vom 9. November 2001 zum bisherigen Förderungsverlauf (krankheitsbedingter Abbruch der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme im Berufsförderungswerk B im Januar 2000) eingeholt, der das Gutachten nach Aktenlage von Dr. Q vom 26. November 1999, der Ergebnisbericht des Berufsförderungswerkes Brandenburg vom 11. Februar 2000 und die sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B vom 26. Januar 2000 (Eignung des Klägers für vollschichtige leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten, möglichst in geschlossenen Räumen oder wohltemperierten Hallen, in Tages-, Wechsel- oder Nachtschicht) beigefügt waren. Des Weiteren haben auf Anforderung des Senats die behandelnden Ärzte des Klägers Befundberichte erstattet, d.h. die Nervenärztin Dr. M am 23. Februar 2002, der Orthopäde Dr. K am 28. Februar 2002, die Allgemeinmedizinerin Dr. St am 8. März 2002 und der Orthopäde Dr. B am 7. April 2002.

Im Auftrag des Senats hat der Facharzt für Orthopädie Dr. W-R am 8. Juli 2002 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstellt. Darin hat er nach Untersuchung des Klägers (3. Juli 2002) folgende Erkrankungen festgestellt: a) Zustand nach dorsolateraler Spondylodese L5/S1 bei vorbestehendem Wirbelgleiten mit mittelgradigen Funktionseinschränkungen b) mittelgradige Pangonarthrose bei Zustand nach mehrfacher Meniskus-operationen und Kreuzbandoperation (Ligamentum Patellarplastik) linkes Kniegelenk, muskulär kompensiert c) Zustand nach Endgliedamputation Digitus I und II der linken Hand mit geringen Funktionseinschränkungen d) Adipositas per magna e) Neigung zu psychosomatischen Störungen mit gestörter Schmerzverar-beitung.

Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, gegenüber den früheren ärztlichen Gutachten keine grundsätzlich anderen Erkrankungen feststellen zu können. Der Kläger könne noch täglich vollschichtig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten, bevorzugt in geschlossenen Räumen verrichten. Die Tätigkeiten sollten überwiegend sitzende Positionen beinhalten, wobei ein regelmäßiger Wechsel der Körperhaltungsarten wünschenswert, ein jederzeitiger Haltungswechsel jedoch nicht erforderlich sei. Die im neurochirurgischen Vorgutachten erwähnte Zwei-Stunden-Periodik sei nicht nachvollziehbar. Durchgehend stehende, gehende Arbeiten seien nicht mehr möglich. Einseitige körperliche Belastungen seien zu vermeiden, wie auch das Heben und Tragen von Lasten größer als 10 kg. Aus Sicherheitsgründen sollte der Kläger nicht mehr auf Leitern und Gerüsten arbeiten. Die Fingergeschicklichkeit sei für die linke Hand marginal eingeschränkt, d.h. für feinmanuelle Tätigkeiten, welche auch den uneingeschränkten Einsatz der linken Hand erforderten, bestehe ein qualitatives Leistungsdefizit. Zwar bestehe für das normale alltägliche Hantieren, wie z.B. mit Stiften und Löffeln, keine Einschränkung. Mit der linken Hand könnten jedoch Gegenstände wie Nadeln oder kleinste Schrauben nicht sicher gegriffen bzw. nicht sicher mit ihnen hantiert werden. Die Belastbarkeit der Beine sei bezogen auf das Zurücklegen normaler Wegstrecken im Alltag unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht weitgehend reduziert. Die zuvor genannten Einschränkungen würden sicherlich schon seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung bestehen. Vom neurochirurgischen Vorgutachter weiche er auch bezüglich des Heben und Tragens von Lasten bis zu einem Gewicht von 20 kg ab, denn Lasten über 10 kg sollten dem Kläger bei einer durchgeführten Spondylodese auf der Hauptbelastungszone L5/S1 trotz des guten Operationsergebnisses aus präventiven Gründen nicht zugemutet werden.

In berufskundlicher Hinsicht hat der Senat eine Auskunft des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Berlin und Brandenburg e.V. (VME) vom 18. Februar 2003, der Innung Sanitär, Heizung, Klempner, Klima Berlin (SHK) vom 13. März 2003 nebst Ergänzung vom 5. August 2003 sowie der Fa. L und K GmbH vom 10. September 2003 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Des Weiteren sind die Unterlagen zu den im Verfahren L 16 RJ 84/98 durchgeführten berufskundlichen Ermittlungen zur Tätigkeit des Gütekontrolleurs/Qualitätsprüfers (einschließlich der Tätigkeit des Lagerverwalters/Materialausgebers) in der Metallindustrie in das Verfahren eingeführt worden, von denen die Beteiligten jeweils eine Kopie erhalten haben.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände) sowie der Renten- und Reha-Akten der Beklagten (3 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 143 SGG) und begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur das bereits vor dem SG im Wege der objektiven Klagehäufung in Form eines Hilfsantrages erhobene Begehren (§ 123 SGG) des Klägers auf Änderung des Bescheides vom 7. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1998 und Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Übergangsgeld - an Stelle von Rente wegen BU - für die Zeit vom 1. Juni 1998 bis zum 7. Juni 1999 sowie von Rente wegen BU ab dem 30. Juni 1999 (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG). Der geltend gemachte Anspruch auf Versichertenrente wegen BU richtet sich allein nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), da er sich auf Zeiten vor dem 1. Januar 2001 bezieht. Im Hinblick auf den bereits am 8. Juni 1998 gestellten Antrag (§§ 300 Abs. 1 und 2, 99 Abs. 1 SGB VI) muss der Versicherungsfall der BU spätestens am 30. November 2000 eingetreten sein, um einen über den 31. Dezember 2000 hinausgehenden Anspruch auf Rente wegen BU zu begründen (§ 302b Abs. 1 Satz 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2000). Diese Vorschriften sind auch für den geltend gemachten Anspruch auf Übergangsgeld maßgebend, der für die Zeit bis zum Ende der gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme an die Stelle des Rentenanspruchs tritt (§§ 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 , 116 Abs. 1 Satz 2 SGB VI a.F., § 301 Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt bei der Prüfung der BU ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 158, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55 und 61 m.w.N.). Vorliegend hat der Kläger in der DDR den Beruf des Feinblechners erlernt und in diesem Beruf (Lüftungsfeinblechner) sowie als Lüftungsmonteur bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit im März 1996 versicherungspflichtig gearbeitet. Der Beruf des Feinblechners bzw. des Lüftungsmonteurs kann vom Kläger auf Grund der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mehr ausgeübt werden. Denn hierbei handelt es sich zweifellos um eine mittelschwere bis schwere körperliche Arbeit, die fast ausschließlich im Stehen und Gehen auszuführen und mit diversen Zwangshaltungen (Knien, Bücken, Hocken etc) sowie mit dem Ersteigen von Leitern und Gerüsten (insbesondere in der Montage) verbunden ist (vgl. gabi BO 261a -Feinblechner- Seite 4; gabi BO 262c -Zentralheizungs- und Lüftungsbauer und zugehörige Berufe - Seite 5). Zur Überzeugung des Senats kann der Kläger auf Grund der bei ihm bestehenden Wirbelsäulen- und Kniegelenkserkrankungen vollschichtig nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten bevorzugt in geschlossenen Räumen und in überwiegend sitzender Haltung mit der Möglichkeit zum regelmäßigen Wechsel in die Haltungsarten Gehen und Stehen verrichten. Ausgeschlossen sind ferner Zwangshaltungen wie Arbeiten im Knien, Hocken und Bücken, das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg. Darüber hinaus sind dem Kläger auf Grund der Teilamputationen des Daumens und des Zeigefingers der linken Hand feinmanuelle Tätigkeiten, die auch den uneingeschränkten Einsatz der linken Hand erfordern, nicht mehr möglich. Dieser Zustand bestand bereits vor Rentenantragstellung, d.h. seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Frühjahr 1998, die letztlich zu der LWS-Operation im Mai 1999 führte. Der Senat gründet seine Überzeugung auf das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG), insbesondere auf das Gutachten vom 8. Juli 2002 des Sachverständigen Dr. WR, der sich ausführlich mit den Vorbefunden auseinandergesetzt und seine zum Vorgutachter Prof. Dr. Kabweichende Einschätzung bezüglich der Schwere der dem Kläger noch zumutbaren Lasten und der zu bevorzugenden Haltungsart nachvollziehbar und überzeugend begründet hat. Im Übrigen stimmt seine Beurteilung der Restleistungsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen mit den anderen Vorgutachtern, d.h. der Sachverständigen Dr. F im Gutachten vom 7. Februar 2000, dem AHB-Entlassungsbericht vom 19. Juli 1999, dem Verwaltungsgutachter G im Gutachten vom 13. August 1998 und den Arbeitsamtsgutachterinnen Dr. R im Gutachten vom 18. Dezember 1996 und Dr. Q im Gutachten vom 26. November 1999 überein.

Ein Anspruch auf Rente wegen BU steht dem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Hinzu kommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine zumutbare Verweisungstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit der Verweisungstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI entwickelte Mehrstufenschema untergliedert die Arbeiterberufe dabei in verschiedene "Leitberufe", nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des "angelernten" Arbeiters (sonstige Ausbildungsberufe mit einer echten betrieblichen Ausbildung von mindestens drei Monaten bis zu Ausbildungsberufen mit einer Regelausbildungszeit von zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn. 132, 138, 140; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 62). Obwohl nach dem Recht der DDR für die Ausbildung zum Feinblechner nur eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren vorgesehen war, ist die vom Kläger erlernte und ausgeübte Tätigkeit in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzustufen. Denn der Beruf des Feinblechners (DDR) entspricht dem bis 1989 in der Bundesrepublik Deutschland existierenden Ausbildungsberuf des Feinblechners, der eine dreijährige Ausbildungsdauer umfasste und auch ohne Hauptschulabschluss bei Nachweis von bestimmten Kenntnissen und Fertigkeiten erlernt werden konnte (vgl. gabi BO 261a -Feinblechner- Seite 2). Bis 1976 war in der DDR für den Beruf des Feinblechners neben der 2-jährigen Ausbildung, die den Abschluss der zehnklassigen POS voraussetzte, auch eine dreijährige Berufsausbildung vorgesehen, die schon nach der achten Klasse der POS begonnen werden konnte (vgl. Bildung und Beruf, DDR-Ausbildungsberufe 2, 1990, Herausgeber Bundesanstalt für Arbeit, Seite 58). Bei der vom Kläger jahrelang im Lüftungsbau ausgeübten Tätigkeit handelt es sich zudem um eine typische Spezialisierung im Ausbildungsberuf - der Lüftungsfeinblechnerei -, diese umfasste auch den Bereich des Lüftungsbaus aus dem Ausbildungsberuf des Zentralheizungs- und Lüftungsbauers (vgl. gabi BO 261a -Feinblechner- Seite 23). Dem Rechnung tragend ist eine Gleichstellung des DDR-Ausbildungsberufes mit der Facharbeiterausbildung im Sinne des § 25 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowohl durch die Innung SHK Berlin in ihren Auskünften vom 13. März 2003 und 5. August 2003 als auch vom letzten Arbeitgeber, die Fa. L und K GmbH, in ihren Auskünften vom 14. Juni 2000 und 10. September 2003 bestätigt worden. Die vorgenommene Entlohnung innerhalb der letzten Beschäftigung entsprach ebenfalls einer Facharbeitertätigkeit. Sie erfolgte in Anlehnung an den für den Beschäftigungsort geltenden Tarifvertrag (vgl. Entgelttabelle für die gewerblichen Arbeitnehmer der Innungsbetriebe im Wirtschaftsbereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik im Land Brandenburg, gültig ab 1. Juni 1995, 1. September 1996 und 1. Juni 1997) und bewegte sich mit einem Stundenlohn von 17,50 DM zwischen der Lohngruppe V (Monteur, Facharbeiter / Geselle nach zwei Jahren Berufsausübung) und der Lohngruppe VI (Obermonteur) bzw. lag am Anfang der Beschäftigung noch über der Lohngruppe VI.

Ausgehend von der Bewertung des bisherigen Berufs des Klägers als dem eines Facharbeiters kann dieser nicht nur auf eine andere Facharbeitertätigkeit sondern auch auf die darunter liegende Berufsgruppe des Angelernten verwiesen werden, sofern die Verweisungstätigkeit dem Kläger nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen sowie seiner fachlichen Eignung zumutbar ist. Insbesondere muss der Kläger in der Lage sein, die Verweisungstätigkeit nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von längstens drei Monaten vollwertig auszuüben (vgl. BSG in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13, SozR 2200 § 1246 Nr. 23 ). Eine solche, konkret zu bezeichnende und dem Kläger zumutbare Tätigkeit ist für den Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens jedoch nicht ersichtlich.

Insbesondere sind die von der Beklagten angeführten Verweisungstätigkeiten dem Kläger auf Grund der bestehenden Einschränkungen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit nicht zumutbar. So ist der Kläger wegen des Funktionsverlustes der linken Hand für feinmechanische Verrichtungen nach Amputation der Endglieder von Daumen und Zeigefinger weder für Tätigkeiten in der Montage und Fertigung von mechanischen Kleinteilen bzw. Kleingeräten, noch als Löter oder als Schloss- und Schlüsselmacher einsetzbar. Wie bereits der Sachverständige Dr. W-R in seinem Gutachten dargelegt hat, bestehen beim Kläger - nach Gewöhnung an den Amputationszustand - nur für das alltägliche Hantieren mit kleineren Gegenständen wie Löffel oder Stifte keine Behinderungen. Dagegen wird für die obengenannten Tätigkeiten ein beidhändiges sicheres Zugreifen gefordert, da die bei diesen Tätigkeiten zu handhabenden Werkstoffe und Werkzeuge teilweise sehr klein sind und aus diesem Grunde sicher beidhändig gehandhabt werden müssen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Auskunft des VME vom 18. Februar 2003, der nach Offenlegung der nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W-R beim Kläger bestehenden Funktionsdefizite eine Einsatzfähigkeit des Klägers für diese Tätigkeiten nachdrücklich verneint hat.

Die Tätigkeit als Hausmeister, Schulhausmeister oder Hauswart ist dem Kläger ebenfalls verwehrt, da sie nach den von der Beklagten vorgelegten Materialien - BIK BO 793 - sowie den in gabi BO 793a -Hausmeister, Haustechniker, Hausverwalter, zugehörige Berufe- auf Seite 12 unter dem Punkt "Physische Merkmale" angeführten Kriterien überwiegend im Gehen und Stehen, zum Teil im Freien und zeitweise auch auf Leitern und in Zwangshaltungen (wie Bücken, Knien, Hocken und Überkopfarbeit) auszuführen ist. Diese physischen Anforderungen entsprechen den typischen Hausmeisterarbeiten, die - worauf auch die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22. Mai 2003 hinweist - das Erledigen von Reparaturen und Kontrollieren der diversen technischen Einrichtungen und Anlagen der Gebäude auf ihre Ordnungs- und Funktionsmäßigkeit umfassen. Abgesehen davon, dass der Kläger keine Arbeiten auf Leitern (Erneuerung der Beleuchtung etc.) oder Gerüsten mehr ausüben soll, handelt es sich bei der Hauswart- oder Hausmeistertätigkeit - auch im Schulbereich - keinesfalls um eine, dem Kläger nur noch mögliche, überwiegend sitzende Tätigkeit. Nichts anderes kann der von der Beklagten vorgelegten berufskundlichen Auskunft des Dipl. Verw. Wirt F. Sch vom Arbeitsamt B vom 28. März 2000, eingeholt vom SG Braunschweig zu einem dort geführten Rechtsstreit, entnommen werden. Abgesehen davon, dass diese berufskundliche Auskunft auf einen fremden Kläger mit einem anderen Restleistungsvermögen und einer unterschiedlichen Ausbildungs- und Berufsbiographie zugeschnitten ist, werden darin auch nur die in gabi BO 793a angeführten typischen Arbeiten und allgemeinen physischen Anforderungen der Hauswarts- bzw. Hausmeistertätigkeit wiedergegeben (siehe Seite 5 und 6 der Auskunft). Insbesondere beschäftigt sich diese Auskunft nicht mit dem Umstand, dass einem Versicherten nur noch eine überwiegend sitzende Tätigkeit möglich ist. Zudem sind die dort in Bezug genommenen "leichteren" Hauswartstätigkeiten (Wohnungsabnahme, Durchführung kleinerer Reparaturen, Schließdienst, Kontrollaufgaben, Botendienst) ausschließlich gehende und stehende Tätigkeiten.

Bei der Tätigkeit des Kassierers an Selbstbedienungstankstellen handelt es sich ebenfalls um eine überwiegend stehende (an der Kasse) und gehende Tätigkeit, die dem Kläger auf Grund des oben beschriebenen Restleistungsvermögens gerade nicht mehr möglich ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits aus der von der Beklagten eingereichten Auskunft des Zentralverbandes des Tankstellen- und Garagengewerbes e.V. (ZTG) vom 2. März 2001, die vom LSG Rheinland-Pfalz in dem Verfahren L 6 RI 211/00 eingeholt worden ist und Gegenstand der von der Beklagten ebenfalls vorgelegten Urteile des LSG Rheinland-Pfalz zu den Aktenzeichen L 2 RI 140/00 und L 2 RI 231/01 war. Bereits die Formulierung in der Auskunft des ZTG, "dass Kassierer derjenige ist, der an einer Selbstbedienungstankstelle hinter der Kasse steht", verdeutlicht die das Berufsbild prägende Haltungsart. Weiter heißt es, bei Kundenfrequenz dominiere die stehende Tätigkeit (Anmerkung des Senats: an der Kasse), ansonsten seien Sitzgelegenheiten vorhanden. Die sonstigen Tätigkeiten, wie Reinigen und Auffüllen der Regale, würden in der Tagesschicht nur in geringem Umfang bzw. während der Stoßzeiten überhaupt nicht anfallen. Dafür könnten sie während der Nachtschicht auch mehr als 50% der Arbeitszeit ausmachen. Zwar ist den o.a. Urteilen des LSG Rheinland-Pfalz zu entnehmen, dass nach dem Inhalt weiterer eingeholter berufskundlicher Auskünfte es an einigen Tankstellen auch Kassenarbeitsplätze mit der Möglichkeit zum Sitzen geben soll. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, bei der Tätigkeit des Kassierers an Selbstbedienungstankstellen handele es sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit. Zu diesem Ergebnis ist auch das LSG Rheinland-Pfalz in o.a. Urteilen nicht gekommen. Schließlich ist bei der Frage nach der die Tätigkeit dominierenden Haltungsart zu berücksichtigen, dass die bei der Waren- und Regalpflege anfallenden Arbeiten ebenfalls im Stehen und Gehen zu verrichten sind. Im hier zu beurteilenden Sachverhalt kann auch der Umstand, dass diese Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten in der Hocke sowie dem Heben und Tragen von Lasten verbunden sind, nicht außer Acht gelassen werden.

Ebenso wenig ist dem Kläger die von der Beklagten pauschal benannte Tätigkeit des Güteprüfers bzw. Qualitätskontrolleurs in Metallbetrieben noch zumutbar. So kann zur Überzeugung des Senats schon nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei in der Regel um eine überwiegend sitzende Tätigkeit handelt. Dies ergibt sich aus den beigezogenen und ins Verfahren eingeführten Ermittlungsergebnissen des 16. Senats im Verfahren L 16 RJ 84/98, der fünf vom VME benannte Betriebe (H B GmbH & Co, B M, SCH+H GmbH & Co., SElektronische Bauelemente GmbH, K AG) zu den körperlichen und geistigen Anforderungen einer derartigen Tätigkeit sowie der geforderten Vorbildung und Einarbeitungszeit schriftlich befragt hatte. Hierbei hat sich herausgestellt, dass die Fa. SCH+H GmbH & Co. keine Vollarbeitsplätze für Güteprüfer bzw. Qualitätskontrolleure vorhält, sondern die Kontrolle nur als Teil anderer Berufstätigkeiten durchführen lässt (Auskunft vom 17. November 2000). Die Auskünfte der Firmen H B GmbH & Co vom 4. November 1999 (Gehen 20%, Stehen 40%, Sitzen 40%), B M vom 11. September 2000 (Gehen 40%, Stehen 40%, Sitzen 20%,) und K AG vom 22. November 1999 (Stehen 60%, Sitzen 40%) belegen, dass die sitzende Haltung bei der Tätigkeit des Güteprüfers/Qualitätskontrolleurs nicht dominiert. Lediglich bei der Firma SElektronische Bauelemente GmbH - Auskunft vom 16. Februar 2000 - ist der Anteil der sitzenden Tätigkeit höher (Gehen 5%, Stehen 30%, Sitzen 65%), wobei hier die elektrotechnische Ausrichtung zu beachten ist. Zum anderen ist im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen, dass zwischen einfachen Kontrolltätigkeiten, die von jedem Arbeitnehmer nach kurzer Einarbeitung erbracht werden können (vgl. Auskunft der Firma SElektronische Bauelemente GmbH; vierwöchige Einarbeitungszeit), und anspruchsvollen Kontrolltätigkeiten - wie in Qualitätssicherungsverfahren -, die eine entsprechende berufliche Vorbildung sowie eine längere Einarbeitungszeit erfordern (Auskünfte der Firmen H B GmbH & Co, B M, K AG), unterschieden wird. Bei den einfachen Kontrolltätigkeiten handelt es sich, da sie keine echte Anlernzeit von mindestens drei Monaten erfordern, um ungelernte Tätigkeiten auf die der Kläger als Facharbeiter nicht verwiesen werden darf. Die anspruchsvolleren Kontrolltätigkeiten setzen neben einer abgeschlossenen technischen Berufsausbildung in der Regel weitere berufliche Qualifizierungen - wie den DGQ-A-Schein (Fortbildung der Deutschen Gesellschaft für Qualitätssicherung) - und langjährige berufliche Erfahrungen in dem Industriebereich voraus; zudem erfordern sie zusätzlich eine Einarbeitungszeit von mindestens drei Monaten bis zu sechs Monaten (Auskünfte der Firmen H B GmbH & Co, B M, K AG). Im Hinblick auf die zum Teil geforderten Zusatzausbildungen im Qualitätssicherungswesen, über die der Kläger offensichtlich nicht verfügt, und auf die Länge der Einarbeitungszeit sind dem Kläger anspruchsvollere Kontrolltätigkeiten in Metallbetrieben ebenfalls nicht zumutbar.

Aus den zuvor genannten Gründen ist dem Kläger eine Tätigkeit als Lagerverwalter, Material- bzw. Werkzeugausgeber in Metallbetrieben (bzw. im Lüftungsbau) nicht mehr möglich, denn hierbei handelt es sich ebenfalls um Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen und Gehen auszuführen sind, die zum Teil mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken und Knien sowie Überkopfarbeit verbunden sind und auch Arbeiten auf Leitern sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten beinhalten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schon aus den in BIK BO 741 -Lagerverwalter, Magaziner- Ziffer 10 niedergelegten und daher allgemein zugänglichen berufskundlichen Erkenntnissen der Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit. Im Übrigen spiegeln sich die dort genannten körperlichen Anforderungen an die Tätigkeit des Lagerverwalters, Material- bzw. Werkzeugausgebers in den den Beteiligten überreichten Unterlagen betreffend die berufskundlichen Ermittlungen des 16. Senats zum Aktenzeichen L 16 RJ 84/98 wieder, die zwar insoweit nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, jedoch die schon aus dem Inhalt der BIK BO 741 gewonnene Überzeugung des Senats nochmals bestätigen. Gegenstand der Anfragen des 16. Senats an die vom VME benannten Firmen war nicht nur die Tätigkeit des Qualitätsprüfers bzw. Gütekontrolleurs sondern auch die Tätigkeit des Lagerverwalters, Material- bzw. Werkzeugausgebers. Die Auskünfte der schriftlich befragten Firmen H B GmbH & Co vom 4. November 1999 (Gehen 40%, Stehen 40%, Sitzen 20%, Bewegen von Lasten bis zu 20 kg), B M vom 11. September 2000 (Gehen 33,33%, Stehen 33,33%, Sitzen 33,33%, Bewegen von Lasten bis zu 10 kg regelmäßig, Schonarbeitsplatz), SCH+H GmbH & Co. vom 17. November 2000 (Gehen 30%, Stehen 40%, Sitzen 30%, teilweise Bewegen von Lasten bis zu 20 kg und mehr) und K AG vom 22. November 1999 (Gehen 15%, Stehen 50%, Sitzen 35%, Bewegen von Lasten bis zu 35 kg) belegen deutlich, dass es sich bei der Tätigkeit des Lagerverwalters, Material- bzw. Werkzeugausgebers um eine überwiegend stehende und gehende Tätigkeit handelt. Lediglich bei der Firma SElektronische Bauelemente GmbH - Auskunft vom 16. Februar 2000 - ist der Anteil der sitzenden Tätigkeit etwas höher (Gehen 20%, Stehen 30%, Sitzen 50%), dafür sind zur Bedienung des Lagersystems betriebswirtschaftliche und SAP-Kenntnisse erforderlich (Einarbeitungszeit bis zu sechs Monaten, bevorzugt kaufmännische Vorbildung).

Die sonstigen Voraussetzungen für eine Rente wegen BU liegen gleichfalls vor, denn der Kläger hat ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 14. Juli 2004 vor Eintritt der BU die allgemeine Wartezeit (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F.) sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F.) erfüllt. Da der Versicherungsfall der BU bereits im März 1998 eingetreten war, war dem Kläger - wie von ihm bereits vor dem SG geltend gemacht - Rente wegen BU ab dem 1. Mai 1998 (§ 99 Abs. 1 SGB VI) zu gewähren. Gemäß §§ 20 Abs. 3, 25 Abs. 2, 116 Abs. 1 Satz 2 SGB VI a.F. hat die Beklagte jedoch an Stelle von Rente wegen BU auch für die Zeit bis zum Beginn der AHB (8. Juni 1999) Übergangsgeld zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; sie trägt dem Gesamtverlauf und Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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