L 24 KR 57/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 KR 73/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 57/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 23. Oktober 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer stationären Rehabilitation.

Die im ... 1955 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, beantragte im Mai 2001 eine stationäre Kurmaßnahme. Beigefügt war die ärztliche Stellungnahme der Fachärzte für Allgemeinmedizin H. und Dr. H. vom 10. April 2001.

Nachdem die Beklagte die Stellungnahme der Ärztin Z. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 08. Mai 2001 eingeholt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 09. Mai 2001 die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ab, weil die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort nicht ausgeschöpft seien.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, nach Ansicht ihrer behandelnden Ärztin sei eine ambulante Behandlung nicht machbar.

Die Beklagte veranlasste das Gutachten des MDK des Dr. Sch. vom 01. Juni 2001.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme lägen nicht vor. Die Klägerin wirke nicht im erforderlichen Maße unter ambulanten Bedingungen mit. Die Diabetes-Schulungen und die Ernährungsberatung seien auch ambulant in der Häuslichkeit beziehungsweise durch die hausärztliche Betreuung möglich.

Dagegen hat die Klägerin am 30. August 2001 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben und vorgetragen: Wegen psychischer Probleme seien die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Kur sei wegen ihrer Angst und Zuckererkrankung nötig.

Das Sozialgericht hat die Befundberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. J. vom 11. Dezember 2001 und der Fachärzte für Allgemeinmedizin H. und Dr. H. vom 04. März 2002 eingeholt.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2002 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, der Klägerin eine stationäre Rehabilitation zu bewilligen: Die Kammer folge den Ausführungen der behandelnden Hausärztin, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen, um der Klägerin kompakt eine Diätberatung, Gewichtskontrolle und -abnahme, Bewegungstraining und ähnliches zuzuführen. Nur durch Anerziehung der notwendigen gesundheitsfördernden Maßnahmen und Diätregeln im Alltag könne eine Besserung der Stoffwechsellage erreicht werden. Aufgrund der Debilität komme es immer wieder zu Diätfehlern, so dass ambulante Maßnahmen nicht ausreichend seien, weil eine jederzeitige Kontrolle durch die Hausärztin nicht möglich sei. Trotz eines Krankenhausaufenthaltes vom 14. bis 24. November 2000 sei es bisher nicht zu einer Normalisierung der Blutzuckerwerte gekommen.

Gegen das ihr am 26. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Dezember 2002 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie verweist darauf, dass die Klägerin an einer geeigneten und ausreichenden ambulanten Krankenbehandlung nicht mitwirke. Sollten bei einer entsprechenden Mitwirkung der Klägerin ambulante Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, kämen zunächst ambulante Rehabilitationsmaßnahmen in Betracht, bevor überhaupt ein Anspruch auf eine stationäre Kur entstehe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass wegen körperlicher oder intellektueller Defizite es der Klägerin unmöglich sei, ambulante Leistungen in Anspruch zu nehmen. Sie könne selbstständig ihren Lebensalltag bewältigen. Ihre Ernährungsberaterin führe derzeit Gespräche mit der Klägerin, um die Ernährungsgewohnheiten durchzusprechen und die Ernährung umzustellen. Die Klägerin habe sich außerdem zum Aqua-Fitness-Kurs angemeldet. Nach Angaben ihrer Ernährungsberaterin seien die Blutzuckerwerte gut. Die Klägerin sei auch über die Diabetes-Erkrankung gut informiert. Die Klägerin begehre die Kur, um kochen zu lernen und richtig einzukaufen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 23. Oktober 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht ist der von der Beklagten erhobene Vorwurf ungerechtfertigt. Sie sei im Krankenhaus wegen ihres Diabetes bereits vor drei Jahren so geschult worden, dass sie seitdem allein spritzen könne. Sie habe im letzten Jahr zudem eine physikalische Behandlung wahrgenommen. Sie hat die Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin H. vom 09. Mai 2003 vorgelegt.

Der Senat hat die Befundberichte der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) Dr. S. vom 05. Juni 2003 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin H. vom 01. Juli 2003 und 05. Januar 2004 eingeholt sowie Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. und des Diplom-Psychologen K. vom 06. Dezember 2004.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird unter anderem auf Blatt 126 bis 152 beziehungsweise 153 bis 167 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...) und der weiteren Gerichtsakte des Sozialgerichts Neuruppin (S 9 KR 52/99), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine stationäre Rehabilitation zu bewilligen. Der Bescheid vom 09. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2001 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine solche Behandlung, denn zum einen sind die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft und zum anderen besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine stationäre Rehabilitation erfolgreich absolviert werden kann.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V).

Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V).

Nach § 40 Abs. 1 SGB V gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, in wohnortnahen Einrichtungen erbringen. Reicht diese Leistung nicht aus, kann die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 SGB V).

Die genannten Vorschriften machen ein Stufenverhältnis der verschiedenen Maßnahmen der Krankenbehandlung deutlich, das bereits aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V folgt, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Daraus folgt, dass eine stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung nur dann in Betracht kommt, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung, eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung und eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, nicht ausreichend sind. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, darf eine stationäre Rehabilitation allerdings gleichwohl nicht bewilligt werden, wenn diese keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bietet, dass das Rehabilitationsziel erreicht werden kann. Ist dieses Ziel im konkreten Einzelfall nicht zu erreichen, ist die in Frage kommende Behandlungsmaßnahme unwirtschaftlich und darf deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht bewirkt werden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass zum einen eine ambulante Krankenbehandlung ausreichend ist und dass zum anderen mit einer stationären Rehabilitation das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann. Dies folgt aus dem Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. und des Diplom-Psychologen K. vom 06. Dezember 2004.

Danach bestehen psychogene Anfälle (Zustände eines eingeengten Bewusstseins mit motorischen Entäußerungen, die die Klägerin willkürlich beginnen und beenden kann), eine psychogene Gangstörung, eine leichte Intelligenzminderung, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine intermittierende Vorhoftachikardie und eine extreme Adipositas.

Dies ist unzweifelhaft, denn die vorliegenden ärztlichen Berichte stimmen damit im Wesentlichen überein. Weder aus diesen Berichten noch aus der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. K. gibt es Anhaltspunkte dafür, dass, wie von der Klägerin gegenüber der Sachverständigen dargelegt, eine Nervenlähmung vorhanden ist, weswegen sie ohne Krücken nicht mehr laufen kann.

Die Klägerin hat sich bei der Sachverständigen Dr. K. zwar mit zwei Gehhilfen vorgestellt, mit denen sie zügig und flüssig hat gehen können. In unbeobachteten Momenten hat sie die Gehhilfen jedoch nicht benutzt und hat gleichwohl zielgerichtet und sicher gehen können. Beim Anblick der Sachverständigen hat sich die Klägerin dann der Gehhilfen wieder bedient. Diese Befundung sowie die Tatsache, dass die Klägerin beim An- und Ausziehen nicht behindert gewesen ist, belegen, dass eine Nervenerkrankung nicht besteht. Die Klägerin hat im Übrigen dies auch teilweise selbst gegenüber der Sachverständigen Dr. K. eingeräumt. So hat sie ausgeführt: "Wenn ich keinen Ärger habe, fühle ich mich sauwohl. Dann kann ich auch mit einer Krücke gehen." Die Untersuchung der Klägerin ist auch sonst auffällig gewesen. So hat sie einen Teil der Untersuchungen mit der Bemerkung "geht gar nicht" abgelehnt. Dies hat zum Beispiel die Prüfung der Beinmotorik betroffen (zum Beispiel Anheben des Beines von der Unterlage in gebeugte Stellung). So hat die Klägerin nicht den Versuch einer Muskelkontraktion unternommen, obwohl sie ansonsten gut hat gehen können. Beim Romberg-Test ist es zu einem groben Schwanken der Klägerin gekommen, ohne dass sich hierfür eine Ursache hat feststellen lassen. Die Klägerin hat zudem bei der Prüfung der Armkraft ebenfalls keinen Versuch der Muskelkontraktion unternommen, wofür es aus somatischer Sicht keinerlei Erklärung gibt. Angesichts dessen haben sowohl die Sachverständige Dr. K. als auch die die Klägerin behandelnden Ärzte insoweit ein psychogenes Krankheitsbild beziehungsweise eine hysterische, hypochondrische Persönlichkeit angenommen (Befundbericht der Fachärzte für Allgemeinmedizin H. und Dr. H. vom 04. März 2002 und 01. Juli 2003, vgl. auch Epikrise des Kreiskrankenhauses P. der Dr. Sch. vom 05. Oktober 1998 sowie die ärztliche Stellungnahme der Fachärzte für Allgemeinmedizin H. und Dr. H. vom 10. April 2001 zum Antrag auf stationäre Kurmaßnahme).

Die Sachverständige Dr. K. hat beurteilt, dass es sich bei der psychogenen Gangstörung um eine Simulation, also eine bewusste Vortäuschung einer körperlichen Erkrankung, handelt. Dies ist im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin nachvollziehbar.

In gleicher Weise sind die psychogenen Anfälle zu beurteilen. Auch wenn diese Ausnahmezustände nach Beurteilung der Sachverständigen Dr. K. offenbar auch bei heftiger emotionaler Erregung auftreten, werden sie von der Klägerin doch zugleich bewusst eingesetzt, um eigene Wünsche und Forderungen durchzusetzen. Dies ist insbesondere auch bei der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. K. deutlich geworden. So hat die Klägerin kategorisch auf die Anwesenheit des erwachsenen Sohnes bestanden und angekündigt, dass sie ohne seine Anwesenheit garantiert einen "Anfall bekomme". Die Ankündigung von so genannten "Anfällen" habe, so die Sachverständige, insofern eine wichtige Funktion, als sie zu einer besonderen Aufmerksamkeit von Ärzten und sicher auch von nahen Bezugspersonen führe. Dies hat sich zudem in der von der Sachverständigen festgestellten Tendenz zur Übertreibung bis hin zu konfabulatorischen Elementen dargestellt. So hat sie gegenüber dem Diplom-Psychologen K. geäußert, vergewaltigt worden zu sein. Demgegenüber hat sie gegenüber der Sachverständigen Dr. K. ausgeführt, dass es dazu nicht gekommen sei. Die Ursache für das von der Klägerin dargestellte Verhalten hat die Sachverständige Dr. K. anhand der biografischen Anamnese darin gesehen, dass die Klägerin in einem emotionalen Mangelmilieu aufgewachsen ist und sich auch heute noch als chronisch benachteiligt erlebt. So hat die Klägerin geäußert: Die Mutter habe sich "wie eine Stiefmutter" verhalten, "viel geschimpft und sie bis ins Jugendalter verprügelt". Sie habe sich häufig benachteiligt gefühlt. Während sich ihre Mutter ganz liebevoll um die jüngere Schwester gekümmert habe, habe sie "den Arsch voll bekommen". Dieses verinnerlichte Erleben einer Benachteiligung findet sich auch im Umgang mit Ämtern und aktuell der Beklagten. Die Reaktionen der Klägerin seien, so die Sachverständige Dr. K., durchaus kämpferisch mit auch querulatorischen Zügen. Die von ihr gemachten Äußerungen, dass sie zuschlage, wenn sie verärgert sei, entsprechen der Wirklichkeit, wie die Klägerin dargelegt hat. So hat sie in einem Zustand emotionaler Erregung einem Beamten einen Finger gebrochen. Bei einer Konfrontation mit einer Frau vom Jugendamt hat sie dieser drei Zähne ausgeschlagen. Dazu hat sie gegenüber der Sachverständigen geäußert: Endlich habe sie ihr ein "paar reingewürgt" und nicht nur immer die anderen ihr. Die Klägerin neigt zur Abwertung anderer. Durchgängig besteht eine externale Schuldzuweisung. Noch heute ist sie der Auffassung, zu Unrecht wegen der Misshandlung ihres Sohnes zur Verantwortung gezogen worden zu sein (Haftstrafe von 1987 bis 1988). Gefühle der Schuld oder Scham empfindet die Klägerin nicht. Sie hat in Kompensation ihrer subjektiv (und objektiv) erlebten Defizite eine Kampfhandlung entwickelt und fordert quasi als Ersatz oder Entschädigung für erlebte Benachteiligungen bestimmte Zuwendungen (so die Sachverständige Dr. K.).

Auch der von der Klägerin als Angst empfundene und so bezeichnete Zustand ist nach Beurteilung der Sachverständigen Dr. K. häufig die Folge von anderen, primären Gefühlen und hat verschiedene Bedeutungen. Er bedeute zum Beispiel Enttäuschung und Ärger infolge von Nichtbeachtung und Benachteiligung, aber auch Trauer durch Verluste (Auszug des jüngsten Sohnes), Hilflosigkeit und Kränkung (Meidung und Missachtung durch andere). Infolge dieser unterschiedlichen emotionalen Verfassungen reagiere die Klägerin, zusätzlich aber auch als bewusste Manipulation, um sich durchzusetzen, mit Anfällen.

Die von dem Sachverständigen K. durchgeführten psychologischen Leistungs- und Persönlichkeitstests haben eine entsprechende Persönlichkeit aufgedeckt. Auch bei dieser Testung hat die Klägerin ihren Sohn mitgebracht, der den Testraum nicht habe verlassen dürfen, da er "Sicherheit vermittle". Es sei im Rahmen dieser Tests besonders aufgefallen, dass sie passiven Widerstand gegenüber Leistungsanforderungen im sozialen und beruflichen Bereich hat und ungerechtfertigt der Annahme ist, missverstanden, ungerecht behandelt und übermäßig in die Pflicht genommen zu werden. Insgesamt habe die Klägerin einen Intelligenzquotienten von 67 erreicht, was einer leichten Intelligenzminderung entspreche.

Die Sachverständige Dr. K. hat beurteilt, dass eine Behandlung der psychogenen Anfälle und der psychogenen Gangstörung wenig aussichtsreich ist. Sie hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass aufgrund des hohen sekundären Krankheitsgewinnes, des fehlenden Veränderungsanliegens und der Intelligenzminderung eine Einwirkung auf dieses Fehlverhalten wenig aussichtsreich ist. Als mögliche Therapie komme zwar die Behandlung durch einen Psychologen oder Psychiater in Betracht. Bei der jedoch nicht gegebenen entsprechenden Motivation der Klägerin könne das Behandlungsziel, eine Bearbeitung des Fehlverhaltens, nicht erreicht werden.

Behandlungsbedürftig und behandlungsfähig sind demgegenüber der insulinpflichtige Diabetes mellitus, die arterielle Hypertonie, die intermittierende Vorhoftachikardie und die extreme Adipositas (107,2 kg Körpergewicht bei einer Körpergröße von 169 cm). Letztgenanntes Leiden stelle einen Risikofaktor für degenerative Gelenkveränderungen und insbesondere für eine Progredienz des bestehenden Diabetes mellitus und des Hypertonus dar.

Eine solche Behandlung, insbesondere des Diabetes mellitus, kann nach der Sachverständigen Dr. K. ambulant ausreichend erfolgen. Bei der Klägerin besteht kein Defizit an Aufklärung über diese Erkrankung, sondern ein Mangel an wirklicher Motivation. Die Klägerin selbst hat gegenüber der Sachverständigen Dr. K. angegeben, bezüglich des Diabetes mellitus sehe sie keine Probleme. Sie spritze sich viermal täglich Insulin und der Blutzucker werde 14-tägig kontrolliert. Auch die Ernährung bereite ihr keine Schwierigkeiten. Man habe gesagt, sie könne alles essen, aber im Rahmen. Sie wolle abnehmen. Dem steht jedoch gegenüber, dass sie tatsächlich die notwendige Diät nicht eingehalten hat, obwohl ihr diese bekannt ist. Während der Begutachtung sei der Eindruck entstanden, dass den internistischen Erkrankungen, insbesondere der Adipositas, von der Klägerin relativ wenig Beachtung geschenkt werde. Die Klägerin strebe zwar eine Gewichtsreduktion an, trotzdem komme es zu groben Diätfehlern wie dem Verzehr von Süßigkeiten (Rosinen mit Schokolade) und zu einem Bewegungsmangel durch Vermeidung von Belastungen. Trotz der leichten Intelligenzminderung sei der Klägerin bei einer entsprechenden Motivation zumutbar, sich insbesondere an die Diätregeln zu halten.

Das Verhalten der Klägerin wird vornehmlich dadurch geprägt, dass sie versucht, tatsächlich oder vermeintlich erlittene Benachteiligungen durch die Erlangung besonderer Fürsorge auszugleichen. Die Sachverständige Dr. K. hat bei der Klägerin die Tendenz vorgefunden, sich von allen Kontaktpersonen versorgen zu lassen, um ihre eigenen Interessen konsequent durchzusetzen. Dies ist in der Untersuchung auch dadurch deutlich geworden, dass die Klägerin dem anwesenden Sohn die Füße entgegengestreckt hat, damit dieser die Schuhe hat zubinden müssen. Objektiv ist dies nicht erforderlich gewesen, denn die Klägerin hat sich selbst an- und ausziehen können. Außerdem lässt sich die Klägerin von ihrer behandelnden Ärztin H. im Hausbesuch betreuen, wofür es keine zwingenden Gründe gibt. So hat die Klägerin gegenüber der Sachverständigen Dr. K. angegeben, dass sie manchmal am Wochenende ihren Ehemann besuche oder auch gern ihre Enkelkinder betreue, ohne sich durch deren Versorgung überfordert zu fühlen. Schließlich ist es der Klägerin möglich gewesen, an drei aufeinanderfolgenden Tagen zum Zwecke der Begutachtung die Klinik aufzusuchen. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, weshalb gegebenenfalls erforderliche Blutzuckerkontrollen nebst entsprechender insbesondere Ernährungsberatung nicht durch eine ambulante Behandlung durch Aufsuchen der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin H. möglich sein soll. Soweit die behandelnde Ärztin in ihrem Befundbericht vom 01. Juli 2003 ausgeführt hat, sie sehe eine ambulante Krankenbehandlung als ausgeschöpft an, wird ersichtlich die von der Klägerin bewusst eingesetzte Versorgungshaltung verkannt. Es wird von dieser Ärztin nicht gesehen, dass sie dazu benutzt wird, das Interesse der Klägerin an einer stationären Rehabilitation durchzusetzen. Die von dieser Ärztin zudem angegebene Begründung, eine stationäre Rehabilitation sei erforderlich, um die Klägerin von belastenden Lebensverhältnissen zu entlasten, ist ersichtlich unzutreffend. Wie die Sachverständige Dr. K. zutreffend ausgeführt hat, mag sich die Klägerin zwar nach dem Auszug ihres jüngsten Sohnes einsam fühlen. Sie hat jedoch zu diesem und auch zu ihrem - von ihr getrennt lebenden - Ehemann ständigen und engen Kontakt, ohne dass daraus zugleich eine psychische Belastung bewirkt wird. Die Klägerin selbst hat gegenüber der Sachverständigen angegeben, die stationäre Rehabilitation sei notwendig, um dann ruhiger zu werden und keine Angst mehr haben zu müssen. Es sei ihr auch wichtig, "körperlich stabiler" zu sein. Sie müsse ihre "Beine mehr akzeptieren". Wie oben bereits dargelegt, ist eine Beeinflussung des psychogenen Krankheitsbildes angesichts der fehlenden Motivation der Klägerin jedoch nicht möglich beziehungsweise bei gegebener Motivation eine ambulante Krankenbehandlung durch einen Psychiater und Psychologen ausreichend.

Nach alledem bestehen ausreichende ambulante Behandlungsmöglichkeiten, so dass eine stationäre Rehabilitation nicht in Betracht kommt.

Eine solche stationäre Rehabilitation ist im Übrigen nach der Beurteilung der Sachverständigen Dr. K. auch nicht geeignet, das Rehabilitationsziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer psychischen Stabilisierung als auch einer Optimierung der Blutzuckereinstellung.

Die Sachverständige weist zutreffend darauf hin, dass die Klägerin bereits unrealistische Erwartungen von den Inhalten einer stationären Rehabilitation hat. Sie erwartet viel individuelle Zuwendung, Akzeptanz von Mitpatienten, gute Einkaufsmöglichkeiten usw., ohne zu berücksichtigen, dass sie selbst Initiative und Motivation aufbringen muss, um eine Beeinflussung des psychogenen Krankheitsbildes erreichen zu können. Da es daran fehlt, führen, worauf die Sachverständige Dr. K. hingewiesen hat, schon geringe Abweichungen von ihren Erwartungen zur Enttäuschung, Erregung und dem Gefühl der ungerechten Behandlung beziehungsweise Benachteiligung. Aufgrund der Persönlichkeitspathologie, der erheblichen interpersonellen Störungen, insbesondere auch der ausgeprägten Frustrationsintoleranz, ist es für die Klägerin schwierig, sich in einer ihr nicht vertrauten Umgebung wohl zu fühlen. Im Hinblick darauf steht zu erwarten, dass es zu den beschriebenen Gefühlszuständen kommt. Wenn die Sachverständige angesichts dessen keine Wahrscheinlichkeit dafür gesehen hat, dass eine stationäre Rehabilitation erfolgreich absolviert werden kann, ist dies nachvollziehbar.

Aufgrund der gegebenen Persönlichkeitspathologie ist auch bezüglich des Diabetes mellitus und der arteriellen Hypertonie durch eine stationäre Rehabilitation keine erfolgreiche Behandlung zu sichern. Durch eine mehrwöchige stationäre Rehabilitation könne, so die Sachverständige Dr. K., zwar eine vorübergehende Verbesserung der Blutzucker- und Blutdruckwerte erreicht werden, sofern es gelänge, durch eine durchgängige Einzeltherapie das demonstrative Verhalten zu begrenzen. Mit der Rückkehr in das häusliche Milieu und die alten Verhaltensmuster sei jedoch kaum eine Nachhaltigkeit zu erzielen. Dies ist für den Senat nachvollziehbar.

Die Berufung hat daher Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved