S 21 AR 2/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
21
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AR 2/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die dem Antragsteller für sein Gutachten vom 16.08.2004 zustehende Entschädigung wird auf 945,56 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller erstattete im zugrunde liegenden Rechtsstreit am 16.08.2004 für das Sozialgericht ein Gutachten. Der Gutachtenauftrag wurde am 29.09.2003 erteilt. Die dem Antragsteller vorgelegte Gerichtsakte umfasste 138 Seiten und das Gutachtenheft der Bundesknappschaft 70 Seiten. Für das 36 Seiten umfassende Gutachten stellte der Antragsteller dem Sozialgericht am 21.11.2004 einen Betrag in Höhe von 1513,80 Euro in Rechnung. Hierbei machte er unter anderem 4,2 Stunden für Aktenstudium, 3 Stunden für die Untersuchung, 12 Stunden für die Beurteilung und 6 Stunden für Diktat und Korrektur ausgehend von einem Stundensatz von 46 Euro geltend.

Die Anweisungsstelle des Sozialgerichts kürzte mit Schreiben vom 30.12.2004 den erstattungsfähigen Betrag auf 942,66 Euro. Dabei übernahm sie einige Einzelposten des Klägers als korrekt. Sie kürzte den Stundensatz auf 38,50 Euro, sah für die Abfassung der Beurteilung nur 4 Stunden als erforderlich an und akzeptierte 5 Photokopien nicht. Der Antragsteller hat sich mit Schreiben vom 09.01.2005 gegen die Kürzung gewehrt. Die Anweisungsstelle hat nicht abgeholfen.

II.

Die dem Antragsteller zustehende Entschädigung war abweichend von der Festsetzung der Anweisungsstelle auf 945,56 EUR festzusetzen. Die Abweichung betrifft aber nur die Entschädigung für 5 weitere Photokopien.

Zunächst ist festzustellen, dass sich der Entschädigungsanspruch nach dem ZSEG und nicht nach dem ab 1.7.2004 geltenden JVEG richtet, da der Sachverständige vor dem 01.07.2004 beauftragt worden ist (§ 24 JVEG). Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass das Gericht bei der Festsetzung der Sachverständigenentschädigung an die von dem Sachverständigen gestellten Anträge nur insoweit gebunden ist, als es im Endergebnis nicht mehr festsetzen kann, als der Sachverständige gefordert hat. Das folgt aus § 15 Abs. 1 ZSEG. Im Rahmen des Entschädigungsbegehrens kann das Gericht jedoch Beträge festsetzen, die den Vorstellungen des Sachverständigen nicht entsprechen. Die geforderten Beträge können in den Einzelansätzen sowohl verschlechtert als auch erhöht werden. Dementsprechend war die Kammer berechtigt und verpflichtet, die Kostenrechnung des Sachverständigen in vollem Umfang zu prüfen und den danach zu erstattenden Entschädigungsbetrag festzusetzen.

Ebenso wie die Anweisungsstelle sieht das Gericht einen Stundensatz von 38,50 Euro für das Gutachten als angemessen an. Gemäß § 3 Abs. 2 ZSEG umfasst der Entschädigungsrahmen für die Leistung des Sachverständigen für jede Stunde der erforderlichen Zeit 25 bis 52 Euro. Nach der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 24.11.2000 in Breithaupt 2001, 402 ff.) sind medizinische Gutachten für die Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig als mittelschwierig einzustufen, auch wenn Zusammenhangsfragen zu beurteilen und Vorgutachten kritisch zu würdigen sind. Das gilt für alle Gutachten auf den Gebieten des Schwerbehindertenrechts, der Rentenversicherung, der Unfallversicherung, des Rechts der Sozialen Entschädigung wie auch der Pflegeversicherung. Für die Höhe des Stundensatzes ist die Anzahl der Facharzttitel eines Sachverständigen und die Anzahl der Fortbildungsmaßnahmen nicht maßgebend.

Der für das Aktenstudium, die ärztliche Untersuchung des Klägers und für Diktat und Korrektur geltend gemachte Zeitaufwand von 4, 2, 3 bzw. 6 Stunden bietet keinen Anlass zu Beanstandungen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Stundenzahl übersetzt sein könnte, ergeben sich nicht.

Dagegen ist der Rechnungsposten für die Abfassung der Beurteilung, der alleine auf die Seitenzahl abstellt, nicht nachzuvollziehen gewesen. Die Kostenkammer geht mit der Anweisungsstelle von einem Zeitaufwand von nur vier Stunden für die Ausarbeitung der Beurteilung aus. Die Kostenkammer orientiert sich an der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, das es ausdrücklich abgelehnt hat, einem Sachverständigen schematisch einen Zeitaufwand von einer Stunde für jede Seite der Beurteilung zuzubilligen (Beschluss vom 06.10.1999 -L 4 Bescheid vom 9/99). Erforderlich ist nur derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen benötigt, um die Beweisfragen vollständig und sachgerecht zu beantworten (vgl. Meyer/Höver, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen unter Sachverständigen, 20. Auflage, § 3 Rz. 21). Dementsprechend ist der Zeitaufwand allein nach dem Umfang und der Schwierigkeit der gedanklichen Arbeit zu ermitteln, die erforderlich ist für die Auswertung der Befunde, deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen sowie für die diktatreife Vorbereitung des Konzepts (OLG Düsseldorf a.a.O. Beschluss vom 05.12.1994 in JurBüro 9/95 S. 488; Meyer/Höver a.a.O., Rz. 22; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.03.1998, L 10 RJ 2589/97 KO-A).

Die Kostenkammer geht im vorliegenden Fall von einem objektiv erforderlichen Zeitaufwand von 4 Stunden für die Ausarbeitung der Beurteilung aus. Mehr als 4 Stunden kann erfahrungsgemäß die Abfassung der 12 Seiten umfassenden Beurteilung nicht erfordert haben. Denn die Ausführungen erscheinen plakativ, sich wiederholend und ungeordnet, als wären sie hastig und ohne Konzept direkt in ein Diktiergerät gesprochen worden. Viele Sätze sind unvollständig, ohne Artikel und Prädikat. Im Gutachten werden zahlreiche Krankheiten diagnostiziert und Leistungsbeeinträchtigungen des Klägers behauptet. Bemühungen des Antragstellers um eine für medizinische Laien nachvollziehbare Argumentationskette als Beleg für seine Thesen sind der Beurteilung aber nicht zu entnehmen. Eine umfangreiche und schwierige gedankliche Arbeit ist aus der mit Seite 23 des Gutachtens beginnenden Beurteilung nicht ersichtlich.

Es spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt dafür, dass der Zeitansatz des Antragstellers von insgesamt 26 Stunden für das vorgelegte Gutachten überhöht ist. Der Kostenkammer sind die Aktivitäten des Antragstellers neben seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt in einer von Schmerzpatienten überlaufenen Praxis nicht bekannt. Im letzten Jahr hat er jedoch alleine für das Sozialgericht Gelsenkirchen in seiner Freizeit 18 Gutachten gefertigt. Es erscheint fernliegend, dass der Arzt 18 mal im Jahr in der Lage gewesen sein will, sich jeweils 3 volle Arbeitstage (bei einem Achtstundentag) alleine der Gutachtertätigkeit für das Sozialgericht Gelsenkirchen zu widmen.

Da der vorliegende Fall noch nach dem ZSEG abzurechnen ist, kommt die neue Vergütungspraxis der Kostenkammer bei Diktat und Korrektur (1 Stunde für 10.000 Anschläge) noch nicht zur Anwendung. Allerdings bestätigt das Gutachten des Antragstellers die von der Kostenkammer diesbezüglich bereits im Beschluss vom 13.12.2004 (S 21 AR 50/04) geäußerten Bedenken. Es erscheint zweifelhaft, ob ein gesonderter Zeitansatz für Diktat und Korrektur noch der heutigen Arbeitsweise der Sachverständigen entspricht mit Einsatz von Diktiergeräten oder PC bereits beim Aktenstudium, bei der Untersuchung und bei der Abfassung der Beurteilung. Vor diesem Hintergrund erscheint der von der Kostenkammer angenommene Zeitaufwand von insgesamt 18 Stunden nicht zu niedrig, sondern eher großzügig.

Zu der oben dargelegten Entschädigung nach Stundensätzen kommen noch 18 Euro für die 36 Seiten an vorgelegten Photokopien und nochmals 18 Euro für 36 Seiten Photokopien des Gutachtens für die Handakte des Antragstellers (§ 11 Abs. 2 ZSEG iVm Nr. 9000 KV-GVG). Außerdem stehen dem Antragsteller Schreibgebühren gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 ZSEG in Höhe von insgesamt 72 Euro (36 Seiten zu je 2 Euro) zu. Außerdem erhält der Arzt 16,40 Euro für Porto.

Es errechnet sich demnach folgende Entschädigung

Aktenstudium 4,2 Stunden

Untersuchung 3 Stunden Beurteilung 4 Stunden Diktat und Korrektur 6 Stunden Aufgerundet 18 Stunden

18 mal 38,50

693,00 EUR 36 Photokopien

18,00 EUR Schreibgebühren

90,00 EUR Summe

801, 00 EUR MWSt.

128, 16 EUR Porto

16,40 EUR Summe

945, 56 EUR
Rechtskraft
Aus
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