L 15 U 150/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 U 11/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 150/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18. März 1997 geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. April 1995 verurteilt, der Klägerin ab 01. Juni 1995 eine Dauerrente in Höhe von 50 vom Hundert der Vollrente zu zahlen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klä gerin in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Verletztenrente.

Die Klägerin betrieb zusammen mit ihren Eltern eine Mandelbrennerei und einen Süßwarenstand, mit dem sie während der Saison an Jahrmärkten in Nordrhein-Westfalen teilnahm. Ehrenamtlich war die Klägerin im Deutschen Schaustellerbund tätig. Am 25.04.1993 erlitt sie auf der Heimfahrt von einem Kirmesplatz in L einen schweren Unfall, als der von ihr gesteuerte Pkw mit einem Lkw zusammenstieß. Bei der Erstaufnahme im Evangelischen Krankenhaus in V wurden bei der Klägerin Frakturen beider Oberschenkel und des rechten Oberarmes, eine offene Schädelfraktur, Mittelgesichtsverletzungen sowie ein Hirnödem festgestellt. Am 07.05.1993 stürzte die Klägerin infolge eines Durchgangssyndroms aus dem Krankenhausbett und zog sich eine Humerus-Trümmerfraktur rechts zu. Vom 19.07. bis 30.07.1993 wurde sie in der Neurologischen Klinik I und danach bis zum 07.08.1993 in der Unfallchirurgischen Abteilung der Klinik B in Bad T weiter stationär behandelt. Anschließend war sie bei dem Chirurgen Dr. N in ambulanter Behandlung.

Die Beklagte holte Gutachten auf chirurgischem, neurologischem und hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet ein. Der neurologische Gutachter Dr. T stellte als Unfallfolgen ein angedeutetes Stirnhirn-Syndrom und eine Schwäche der Zehenheber 2 bis 5 rechts fest. Das Stirnhirn-Syndrom habe zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. und die Zehenheberschwäche zu einer MdE von weniger als 10 v.H. geführt. Der hno-ärztliche Gutachter Dr. G diagnostizierte eine fast komplette Anosmie (Geruchsverlust) und schätzte die MdE mit 10 v.H. ein. Prof. Dr. N1 benannte als Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet eine reizlose, kosmetisch nicht ganz befriedigende Narbenbildung an der Stirn, eine Kraftminderung bei der Drehung des rechten Armes im Schultergelenk, eine Bewegungseinschränkung im Schulter- und im Ellenbogengelenk, eine Narbenbildung am rechten Oberarm, eine Verdickung des körperfernen Oberarmendes rechts, eine Braunfärbung der Haut auf der Beugeseite des Unterarmes, eine Gefühlsminderung auf der Innenseite des Oberarmes und der Streckseite des Unterarmes rechts, eine Verformung des Oberarmkopfes, liegendes Metallmaterial, eine Verdickung des Oberarmknochens und eine feste Knochennarbe sowie eine Gang- und Standbehinderung, eine Schwellneigung des körperfernen Oberschenkels links und der körperfernen Hälfte des Unterschenkels rechts einschließlich Sprunggelenk und Fuß mit leichter Dellenbildung am Unterschenkel rechts, eine aufgrund der beidseitigen Schädigung nicht im Seitenvergleich nachweisbare, aber anzunehmende Muskelminderung beider Beine, Narbenbildungen, eine geringe Braunfärbung der Haut im Bruchgebiet des rechten Unterschenkels und Glänzen der Haut in dieser Gegend und am Fußrücken, einen leichten Reizzustand des körperfernen Unterschenkeldrittels in Form einer Temperaturerhöhung, Knochennarben, eine Verdickung des Oberschenkelknochens, liegendes Metallmaterial, eine Asymmetrie des rechten Sprunggelenksspalts und eine Kalksalzminderung am rechten Sprunggelenk sowie subjektive Beschwerden. Die Schädigungen am linken Arm bewertete er mit einer MdE um 15 v.H., die Schädigungen am linken Bein mit 10 v.H. und die Schädigungen am rechten Bein mit 20 v.H. Unter Einbeziehung der Ergebnisse der Zusatzgutachten bildete er die Gesamt-MdE mit 50 v.H. Durch Gebrauch und Gewöhnung sei eine Besserung der Unfallfolgen zu erwarten.

Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.1994 eine vorläufige Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. ab 31.03.1994 und erkannte als Unfallfolgen an: ein angedeutetes Stirnhirn-Syndrom, einen fast vollständigen Verlust des Geruchsinns, eine kosmetisch nicht ganz befriedigende Narbenbildung an der Stirn, eine Gebrauchsbehinderung des rechten Armes mit Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, eine Narbe am rechten Oberarm, eine herabgesetzte Berührungsempfindung an der Innenseite des rechten Oberarmes und an der Streckseite des rechten Unterarmes, reizlos liegendes Osteosynthesematerial, eine Gebrauchs- und Gangbehinderung des rechten Beines, eine Muskelverschmächtigung des rechten Beines, eine Schwellneigung des rechten Unterschenkels, des rechten Fußgelenkes und des rechten Fußrückens, eine Bewegungseinschränkung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes, Narben am rechten Bein bei liegendem Osteosynthesematerial und eine Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 17.11.1994 zurück. Dagegen hat die Klägerin am 25.11.1994 Klage erhoben und Verletztenrente nach einer höheren MdE beansprucht.

Während des Klageverfahrens holte die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten des Dr. G1 ein, der als Folgen der Hirnkontusion eine Gefühlsstörung im Bereich des rechten Armes, Kopfschmerzen leichten Grades und glaubhafte Zeichen einer geringen Hirnleistungsbeeinträchtigung in Form von Konzentrationsstörungen, mangelhafter Ausdauer und einer Persönlichkeitsveränderung diagnostizierte und die MdE neurologischerseits auf 30 v.H. einschätzte. Der Chirurg Dr. E stellte auf seinem Fachgebiet eine Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, Narbenbildungen im Bereich der rechten Schulter und des rechten Oberarmes, eine Muskelminderung des linken Beines, Narben an der Außenseite des linken Oberschenkels und im Bereich beider Kniegelenke, eine Schwellung des rechten Unterschenkels und des Fußgelenks mit Bewegungseinschränkung unmittelbar nach Metallentfernung, röntgenologische Veränderungen, eine Narbe im Bereich der Stirn und glaubhafte Beschwerden fest. Aufgrund dessen bewertete er die Gesamt-MdE mit 40 v.H. Darauf gestützt, setzte die Beklagte die Dauerrente in dieser Höhe fest und erkannte als Unfallfolgen an: einen Zustand nach gedecktem Schädel-Hirn-Trauma mit schwerer Hirnkontusion und geringer Hirnleistungsbeeinträchtigung in Form von Konzentrationsstörungen, mangelhafter Ausdauer und einer Persönlichkeitsveränderung, einen fast vollständigen Verlust des Geruchssinns, eine Narbe an der Stirn, eine Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, eine Narbe am rechten Oberarm, Gefühlsstörungen im Bereich des rechten Armes, eine Muskelminderung des linken Beines, eine Narbe am linken Oberschenkel, eine Schwellneigung am rechten Unterschenkel und am Fußgelenk, eine Bewegungseinschränkung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes, Narben am rechten Bein und eine sensible periphere Schädigung der Nervus Peronaeus rechts.

Das Sozialgericht hat ein nervenärztliches Gutachten von Dr. U und ein chirurgisches Zusatzgutachten von Prof. Dr. C eingeholt. Prof. Dr. C hat die MdE auf seinem Gebiet ab 01.06.1995 bezüglich der Unfallfolgen am rechten Arm mit 10 v.H. und am linken Bein mit unter 10 v.H. bewertet und ausgeführt, die Befunde im Bereich des rechten Beines bedingten weiterhin eine MdE von 20 v.H. Aufgrund dessen schätzte er die MdE auf chirurgischem Fachgebiet auf insesamt 30 v.H. Dr. U kam zu dem Ergebnis neurologischerseits bestünden als Unfallfolgen ein postkontusionelles Syndrom mit Kopfschmerz, Wetterfühligkeit und Anosmie. Eine hirnorganische Wesensänderung oder Hirnleistungsschwäche sei nicht mehr feststellbar. Die MdE auf nervenärztlichem Gebiet betrage ab 01.06.1995 10 v.H., die Gesamt-MdE 40 v.H.

Durch Urteil vom 18.03.1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich auf das Ergebnis der Gutachten von Prof. Dr. C, Prof. Dr. N1, Dr. T und Dr. U gestützt. Gegen das am 13.05.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.06.1997 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, eine Addition der MdE-Grade müsse zu einer Gesamt-MdE von 60 v.H. führen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats hat die Beklagte anerkannt, daß der Klägerin für die Zeit vom 31.03.1994 bis zum 31.05.1995 eine Verletztenrente in Höhe von 60 v.H. der Vollrente zustehe. Die Klägerin hat dieses Anerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.03.1997 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 21.04.1995 zu verurteilen, ihr ab 01.06.1995 eine Verletztenrente in Höhe von 50 v.H. der Vollrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Klagebegehren im noch streitigen Umfang für unbegründet.

Das Berufungsgericht hat weiter Beweis erhoben durch Beiziehung eines von Prof. Dr. N1 unter dem 08.08.1995 für den Gerling-Konzern erstattetes Gutachten. Anschließend ist auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Orthopäden Dr. E1 eingeholt worden. Dieser Sachverständige hat ebenso wie zuvor Prof. Dr. C die MdE auf chirurgischem Gebiet für die Zeit vor dem 01.06.1995 mit 40 v.H. und anschließend mit 30 v.H. bewertet. Aufgrund der Feststellungen der nervenärztlichen Gutachter hat er die Gesamt-MdE auf 65 v.H. für die Zeit vor dem 01.06.1995 und mit 40 v.H. für die Zeit danach eingeschätzt.

Auf weiteren Antrag der Klägerin nach § 109 (SGG) hat der Senat ein neurologisches Gutachten des Chefarztes Dr. T1 vom 06.01.1999 eingeholt. Er hat als Unfallfolgen ab 31.03.1994 ein psychoorganisches Syndrom mit Störung der Merkfähigkeit, der Konzentration, des Antriebs, der Krankheitseinsicht und des Urteilsvermögens festgestellt und eine MdE von 30 v.H. angenommen. Als weitere Unfallfolgen hat er den kompletten Verlust des Riechvermögens mit einer MdE von 15 v.H., eine erhöhte Neigung zu Kopfschmerzanfällen als Ausdruck einer vegetativen Fehlregulierung mit einer MdE von 15 v.H., eine Schwäche bzw. Gefühlsfehlempfindungen im Versorgungsgebiet des oberflächlichen Wadennervs mit einer MdE von 5 v.H. bewertet und die Gesamt-MdE mit 40 v.H. eingeschätzt. Die Gefühlsfehlempfindung habe sich in der Folgezeit zu einer Gefühlsmissempfindung gewandelt, was zu einer Anhebung der Einzel-MdE auf 10 v.H. führen müsse. Ferner seien verschiedene Anfälle mit Bewußtlosigkeit und komplexen Handlungen zu berücksichtigen. Sie stellten epileptische Anfälle dar und bedingten allein eine MdE von 40 v.H. Daher sei von einem späteren Zeitpunkt an eine Gesamt-MdE von 70 v.H. zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat daraufhin ein nach Aktenlage erstattetes Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 22.05.1999 vorgelegt. Er führt darin aus, ein psychoorganisches Syndrom sei bei der Klägerin nicht feststellbar. Dr. T1 habe diese Diagnose ohne die dafür erforderliche neuropsychologische Diagnostik im Sinne einer testpsychologischen Untersuchung gestellt. Während der stationären Behandlung der Klägerin seien keine hirnorganischen Anfälle festgestellt worden. Falls nunmehr ein hirnorganisches Psychosyndrom attestiert werde, müsse eine unfallunabhängige Demenz in Betracht gezogen werden. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. T1 zum kompletten Verlust des Riechvermögens stimmten nicht mit vorangehenden gutachterlichen Feststellungen überein. Hinsichtlich der Kopfschmerzneigung sei die MdE-Einschätzung nicht nachvollziehbar.

Dr. L hält weiterhin eine MdE von 40 v.H. für angemessen.

Der Senat hat sodann ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Chefarztes Dr. U1 eingeholt. Dieser Sachverständige ist der Auffassung, epileptische Anfälle seien bei der Klägerin nicht einmal ansatzweise nachgewiesen. Die dokumentierten Verletzungen seien zwar geeignet, solche Anfälle zu verursachen. Die von Dr. T1 beschriebenen EEG-Veränderungen ergäben jedoch hierfür keinen Nachweis. Dr. T1 habe sich nicht an die allgemein anerkannten Begriffe gehalten. Als Unfallfolgen stellt Dr. U1 eine gezackte Narbe an der linken Stirn und kleine Narben am rechten Ohr, eine leichte Deformierung des linken Mittelgesichts und eine geringe Störung der Mundöffnung, eine inkomplette Riechstörung und hirnorganische Teilleistungsstörungen nach offenem Schädel-Hirntrauma mit Mittelgesichtsbrüchen und Blutergüssen in den Kieferhöhlen, einen Berstungsbruch des linken Stirnbeines, Hirnprellungen und Einblutungen in die Hirnrinde sowohl im Stirnbereich als auch im Hinterkopfbereich beidseits fest. Für diese Unfallfolgen sei eine MdE von 40 v.H. auch über den 01.06.1995 hinaus angemessen. Die Darstellung von Dr. U, wonach keine organisch bedingten psychischen Auffälligkeiten mehr bei der Klägerin vorlägen, halte er für nicht zutreffend. Aufgrund der Feststellungen im Gutachten des Dr. E1 seien die Folgen außerhalb des neurologischen Fachgebietes mit 40 v.H. ab der ersten Rentenfeststellung 1994 und mit 30 v.H. ab 01.06.1995 angemessen bewertet. Aufgrund dessen schätzt Dr. U1 die Gesamt-MdE mit 60 v.H. ab 31.03.1994 und mit 40 v.H. ab 01.06.1995 ein. Alle einzelnen Unfallfolgen hätten ab 01.06.1995 eine deutliche Besserung erfahren.

Die Klägerin hat eine Stellungnahme von Dr. T1 vorgelegt. Darin heißt es, der Verlust des Riechvermögens sei bei der Klägerin mit einer höheren MdE zu bewerten. Die von der Klägerin beschriebenen Ereignisse könnten durchaus als epileptische Anfälle gedeutet werden. Es sei unerheblich, dass sie sich bisher nicht in neurologische Behandlung begeben habe und keine Medikamente gegen hirnorganische Krampfanfälle verordnet worden seien. In einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme weist Dr. U1 darauf hin, dass er die Hirnverletzung einerseits und die Beeinträchtigung des Riechvermögen andererseits bei der MdE-Bildung getrennt beurteilt habe. Er sehe weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin hirnorganische Krampfanfälle erlitten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (3 Bände) und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Ver handlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Der Senat hatte allein über den Bescheid vom 21.04.1995 zu befinden, nachdem sich der Rechtsstreit im übrigen durch das angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten erledigt hat (§ 101 Abs. 2 SGG). Dieser Bescheid ist teilweise rechtswidrig, denn der Klägerin steht ab 01.06.1995 eine Dauerrente in Höhe von 50 v.H. der Vollrente zu. Die von der Beklagten angenommene Gesamt-MdE von 40 v.H. wird den verbliebenen Unfallfolgen nicht gerecht.

Die Klägerin leidet nach wie vor an den Nachwirkungen multipler Knochenbrüche und Weichteilverletzungen im Bereich des rechten Armes und beider Beine. Die chirurgischen Sachverständigen Prof. Dr. C und Dr. E1 haben übereinstimmend eine mittelgradige Bewegungseinschränkung des rechten Armes im Schultergelenk bei in achsengerechter Stellung knöchern fest verheilter Fraktur des Oberarmknochens, eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Beines im oberen Sprunggelenk und eine mittelgradige Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk bei in achsengerechter Stellung verheilter Pilon-Tibial-Fraktur, eine in achsengerechter Stellung verheilte Femur-Fraktur linksseitig mit spindelförmiger Verdickung des Femur-Schaftes und glaubhaften Beschwerden ohne nachweisbare Funktionsbehinderung, eine Störung der Oberflächensensibilität am rechten Oberarm und am rechten Fuß, eine Schwellneigung des distalen rechten Unterschenkels und der Sprunggelenksregion, Narbenbildungen der linken Stirnseite, des rechten Oberarms und an beiden Beinen sowie glaubhafte subjektive Beschwerden festgestellt. Aufgrund dessen haben sie die Einzel-MdE wegen der Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Armes vor dem 01.06.1995 mit 15 v.H. und anschließend mit 10 v.H. bewertet. Die wegen der Schäden im Bereich des rechten Beines haben sie gleichbleibend eine MdE von 20 v.H. angenommen, während die Befunde am linken Bein sich nach ihrer Ansicht leicht gebessert haben und ab 01.06.1995 nur noch eine MdE von weniger als 10 v.H. bedingen. Beide Sachverständige gehen davon aus, dass die Unfallfolgen auf chirurgischen Fachgebiet ab 01.06.1995 insgesamt noch eine MdE von 30 v.H. rechtfertigen.

Als Dauerfolgen der erlittenen Schädel-Hirn-Verletzungen sind über den 01.06.1995 hinaus eine gezackte Narbe an der linken Stirnseite und eine kleine Narbe vor dem rechten Ohr, eine leichte Deformierung des linken Mittelgesichts und eine geringe Störung der Mundöffnung, ferner eine inkomplette Riechstörung sowie leichte hirnorganische Teilleistungsstörungen verblieben. Dies sieht der Senat aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Privatdozent Dr. U1 als erwiesen an. Der Sachverständige hat aufgrund der hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen die MdE auf neurologisch- psychiatrischem Gebiet auf 40 v.H. vor dem 01.06.1995 und auf 30 v.H. für die Zeit danach eingeschätzt. Diese Staffelung berücksichtigt eine leichte Besserung im Unfallfolgezustand während der ersten beiden Jahre nach dem Unfall. Anschließend ist nach den Beurteilungen aller neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen ein Dauerzustand eingetreten.

Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass bei der Klägerin als Unfallspätfolgen hirnorganische Krampfanfälle aufgetreten sind, die zu weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen geführt haben. Der Sachverständige Dr. T1 hat zwar eine dahingehende Diagnose gestellt; seine Begründungen sind jedoch in sich nicht nachvollziehbar. Bei der EEG-Auswertung folgt er nicht der allgemein anerkannten Fachsprache und Diktion. Der Sachverständige Dr. U1 hat aufgrund einer umfangreichen EEG-Diagnostik und sowie aufgrund der anamnestisch erhobenen Angaben der Klägerin über zwei für sie unerklärliche nächtliche Zwischenfälle keinerlei Anhaltspunkte dafür finden können, dass bei der Klägerin hirnorganische Krampfanfälle aufgetreten sind. Ebenso wenig konnte er feststellen, dass es sich bei den geschilderten nächtlichen Vorfällen um epileptische Anfälle gehandelt haben könnte. Selbst nachdem der Sachverständige Dr. U1 auf die mangelnde Nachprüfbarkeit der von Dr. T1 durchgeführten EEG-Untersuchung hingewiesen hatte, sah sich Dr. T1 in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme nicht in der Lage, die EEG-Befunde nachvollziehbar zu dokumentieren. Seine Analyse der anamnestisch erhobenen Angaben der Klägerin über die nächtlichen Ereignisse ist ungenau und spekulativ.

Ausgehend von den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. C, Dr. E1 und Privatdozent Dr. U1 bewertet der Senat die Gesamt-MdE ab 01.06.1995 mit 50 v.H. Er folgt dabei der - auch für den medizinischen Laien einleuchtenden - Erwägung des Sachverständigen Dr. U1, die verbliebenen Funktionsbehinderungen und Beschwerden auf neurologischem und unfallchirurgisch- orthopädischem Fachgebiet überschnitten sich nicht, sondern verstärken sich sogar eher gegenseitig, weil die psychischen Beeinträchtigungen bei der Kompensation von Körperschäden eher hinderlich seien. Allerdings kann dies nicht dazu führen, die einzelnen Grade der MdE von jeweils 30 v.H. schlicht zu addieren. Vielmehr ist eine Gesamtschau der Einwirkungen aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der verschiedenen Funktionsstörungen vorzunehmen (BSGE 48, 82 = SozR 3870 § 3 Nr. 4; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.05.1992 - L 2 U 2064/90 -, HV-Info 1993, 1513; Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 56 SGB VII, Anm. 10.4; Benz, BW 1987, 609). Danach ist die Gesamt-MdE deutlich höher als die jeweiligen Einzelwerte der MdE, jedoch niedriger als deren Summe anzusetzen. Unter Beachtung dieser Grundsätze erscheint eine Gesamt-MdE von 50 v. H. angemessen. Eine solche Einstufung ab 06.06.1995 entspricht auch dem Heilungsprozess, in dessen Verlauf sich die Funktionsbeeinträchtigungen auf chirurgischem, neurologischem und hno-ärztlichem Gebiet in den ersten beiden Jahren nach dem Unfall jeweils leicht um 10 v.H. zurückgebildet haben. Dies rechtfertigt für die Folgezeit eine Reduzierung der Gesamt-MdE um 10 v.H., nicht aber um 20 v. H.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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