L 24 P 4/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 P 35/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 P 4/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Februar 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihrer am 23. Mai 1918 geborenen und am 03. Dezember 2000 verstorbenen Mutter C.e G. (im Folgenden: Versicherte). Seit Mai 1996 wohnte die verstorbene Versicherte im Haushalt der Klägerin. Sie begehrt Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (Pflegegeld) für die Zeit vom 14. Mai 1996 bis zum 31. Oktober 1998 für die verstorbene Versicherte.

Zu den Verwaltungs- und Gerichtsakten ist die Kopie einer Vorsorgevollmacht überreicht worden, unterzeichnet durch die verstorbene Versicherte am 13. Mai 1996 vor der Notarin S. V., C. (UR Nr ... für 1996). Hierin ist u. a. ausgeführt:

"Vor dem unterzeichneten Notar

S. V.

mit dem Amtssitz in C.

erschien:

Frau C. G. geb. W.,

geboren am ... 1918 ...

Die Erschienene ist nach meiner, des Notars, aus der Verhandlung gewonnenen Überzeugung unbeschränkt geschäftsfähig ..."

Am 14. Mai 1996 beantragte die Versicherte bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Land Brandenburg (MDK) vom 18. Oktober 1996 ein, welches auf einer Untersuchung der Klägerin am 19. August 1996 durch die Ärztin F. in deren Wohnung beruhte. Die Gutachterin stellte als pflegebegründende Diagnosen fest: cerebrovaskuläre Insuffizienz mit Schwindelneigung, beginnende Physiosklerose sowie Gonarthrose beidseits. Hilfebedarf bestehe im Bereich der Körperpflege einmal wöchentlich beim Duschen und Baden sowie beim Kämmen, Rasieren (Perücke kämmen, Auf- und Absetzen allein), im Bereich der Mobilität im Bedarfsfall beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung; ansonsten bestehe im Bereich der Körperpflege beim Waschen, der Zahnpflege, der Darm- /und Blasenentleerung, der Ernährung und der Mobilität (Aufstehen/Zubettgehen, An-/Auskleiden, Stehen, Gehen, Treppensteigen) kein Hilfebedarf. Hilfebedarf bestehe im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Ein täglicher Grundpflegebedarf bestehe nicht, Pflegebedürftigkeit liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 lehnte die Beklagte den Antrag der Versicherten mit der Begründung ab, nach der Begutachtung durch den MDK durch einen Hausbesuch am 19. August 1996 bestehe kein Hilfebedarf, durch den die Merkmale der Pflegestufe I erfüllt würden. Auf den hiergegen von der Klägerin am 28. November 1996 eingelegten Widerspruch veranlasste die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK vom 12. Februar 1997, welches auf einer Untersuchung durch die Pflegefachkraft J. vom 20. Januar 1997 in deren Wohnung beruhte. Pflegebedürftigkeit liege nicht vor, Hilfebedarf bestehe im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, Kämmen/Rasieren, im Bereich der Mobilität beim An- und Auskleiden, Treppensteigen, Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung; ansonsten bestehe im Bereich der Körperpflege für den Bereich der Zahnpflege und der Darm- und Blasenentleerung, im gesamten Bereich der Ernährung sowie im Bereich der Mobilität beim Aufstehen/Zubettgehen, Stehen, Gehen kein Hilfebedarf. Hilfebedarf bestehe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die täglichen Leistungen in der Grundpflege lägen deutlich unter den Kriterien einer Pflegestufe. Die Prognose bleibe abzuwarten.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 1997 zurück. In der Gesamtbeurteilung der beiden eingeholten sozialmedizinischen Gutachten des MDK sei festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Pflegebedürftigkeit gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bei der Versicherten zur Zeit nicht als erfüllt anzusehen seien. Bei einer Zunahme des Hilfebedarfs im Grundpflegebereich könne jederzeit erneut ein Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt werden.

Vom 30. Juli 1997 bis 15. August 1997 befand die Versicherte sich in der Spreewaldklinik L ...

Einen von der Klägerin am 13. August 1997 gestellten Antrag auf Leistungen der Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege nahm die Klägerin am 06. November 1997 telefonisch wieder zurück.

Am 04. September 1997 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Der Gesundheitszustand der Versicherten habe sich wesentlich verschlechtert.

Am 26. Februar 1998 hat die Klägerin einen weiteren Antrag auf Leistungen der Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege bei der Beklagten gestellt. Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten des MDK vom 22. Mai 1998 eingeholt, welches auf einer Untersuchung vom 11. Mai 1998 durch die Pflegefachkraft H. in deren Wohnung beruhte. Der Zeitaufwand für den Hilfebedarf in dem Bereich Körperpflege betrage 21 Minuten täglich, in dem Bereich der Ernährung 8 Minuten täglich und in dem Bereich der Mobilität 7 Minuten täglich. Insgesamt betrage der Zeitaufwand für die Grundpflege (Körperpflege/Ernährung/Mobilität) 36 Minuten pro Tag, bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehe ein wöchentlicher Hilfebedarf beim Einkaufen zweimal die Woche, Kochen 7 x die Woche, Reinigen der Wohnung 7 x die Woche, Spülen 7 x die Woche, Wechseln, Waschen der Kleidung und Wäsche 1 x die Woche und Beheizen der Wohnung 7 x die Woche saisonbedingt. Ein nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe nicht. Mit Bescheid vom 28. Mai 1998 hat die Beklagte daraufhin den Antrag vom 26. Februar 1998 abgelehnt. Den hiergegen von der Klägerin am 27. Juni 1998 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des MDK vom 20. Juli 1998 mit Widerspruchsbescheid vom 08. Februar 1999 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten der examinierten Fachkrankenschwester E. M. eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 22. Januar 1999, welches auf einem Besuch bei der Versicherten und der Klägerin in deren Räumlichkeiten am 26. November 1998 beruhte, zu dem Ergebnis gelangt, bei der Versicherten bestehe ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von mindestens 29 Minuten täglich, bei der Ernährung von 7 Minuten täglich und für den Bereich der Mobilität mindestens 10 Minuten täglich; insgesamt bestehe ein Hilfebedarf bei der Grundpflege von 46 Minuten täglich. Darüber hinaus bestehe ein Hilfebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich von mindestens 62 Minuten täglich. Wegen der weiteren Feststellungen der Sachverständigen wird auf deren schriftliches Gutachten vom 22. Januar 1999 verwiesen.

Mit Schreiben vom 03. Mai 1999 hat die Beklagte sich daraufhin bereit erklärt, der Versicherten rückwirkend ab 01. November 1998 Pflegeleistungen im Rahmen der Pflegestufe I zuzubilligen.

Mit Bescheid vom 16. September 1999 hat die Beklagte dann ihren Ablehnungsbescheid vom 28. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997 teilweise aufgehoben und der Versicherten ab 01. November 1998 Pflegeleistungen im Rahmen der Pflegestufe I bewilligt.

Die Klägerin begehrte auch weiterhin Leistungen für die Zeit vom 14. Mai 1996 bis 31. Oktober 1998. Der Zustand der Versicherten sei von Tag zu Tag unterschiedlich. Gerade am 11. Mai 1998 habe sich die Versicherte in einer Phase befunden, in der es ihr noch relativ gut gegangen sei. Nach der Untersuchung sei sie komplett zusammengebrochen aufgrund der nervlichen und körperlichen Strapazen. Unhängig davon sei der Pflegeaufwand wesentlich größer gewesen als er sich aus den Gutachten selbst ergebe.

Die Klägerin hat einen Bericht der Spreewaldklinik L. vom 17. Februar 1999 betreffend einem stationären Aufenthalt der Versicherten vom 14. Januar 1999 bis 29. Januar 1999 sowie einen weiteren Bericht über eine stationäre Behandlung der Versicherten im Kreiskrankenhaus B. vom 26. Februar 1999 bis 12. März 1999 zu den Gerichtsakten übersandt; wegen des Inhalts dieser Berichte im Einzelnen wird auf Blatt 83 bis 88 der Gerichtsakten verwiesen.

Auf einen weiteren von der Klägerin am 26. Mai 1999 gestellten Antrag hat die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK vom 12. Oktober 1999 eingeholt, welches auf einer Untersuchung der Versicherten in deren Wohnung vom 23. September 1999 beruht hat. In dem MDK-Gutachten vom 12. Oktober 1999 ist die Sachverständige Z. (Pflegefachkraft) zu dem Ergebnis gelangt, Hilfebedarf bestehe in allen Bereichen (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, hauswirtschaftliche Versorgung), und zwar in der Pflegestufe II seit Mai 1999. Der nachgewiesene Zeitaufwand in der Grundpflege liege bei zwei Stunden täglich.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1999 hat die Beklagte daraufhin der Versicherten Pflegeleistungen im Rahmen der Pflegestufe II rückwirkend ab dem 01. Mai 1999 bewilligt.

Die Klägerin hat weiterhin die Auffassung vertreten, die in dem Gutachten des MDK vom 12. Oktober 1999 angegebene notwendige Grundpflege von 120 Minuten pro Tag habe bei der Versicherten bereits seit 1996 in diesem Umfange bestanden. Die Versicherte sei einmal wöchentlich gebadet worden. Sie sei bereits 1996 Gebissträgerin gewesen, während des Waschens seien die Zähne in ein Wasserglas gekommen, teilweise mit Reinigungstabletten und seien danach gebürstet worden. Nach den Mahlzeiten würden die Zähne ausgespült. Der Versicherten werde mindestens zweimal die Perücke aufgesetzt. Schon 1996 sei die Darm- und Blasenentleerung unkontrolliert gewesen. Der Hilfebedarf sei schwankend zwischen 1 bis 5 x in der Woche. Der Versicherten seien bereits 1996 die Mahlzeiten vorbereitet worden, aufgrund der Zuckererkrankung 6x täglich. Die Versicherte habe dann allein die vorbereitete Nahrung gegessen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997 sowie der Neufeststellungsbescheide vom 16. September 1999 und 21. Oktober 1999 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Mai 1996 bis zum 31. Oktober 1998 Pflegegeldleistungen entsprechend der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 15. Februar 2000 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe in dem streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Pflegegeld, weil bei ihr ein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten täglich im Bereich der Grundpflege in diesem Zeitraum noch nicht bestanden habe. Dies stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der eingeholten Gutachten und der informatorischen Befragungen der Klägerin fest. Das Gericht habe keine Bedenken, den von der Gerichtssachverständigen zugrunde gelegten Zeitwerten zu folgen, da diese nachvollziehbar seien und sich mit dem Krankheitsbild der Klägerin und dem daraus resultierenden Pflegebedarf in nachvollziehbarer Weise und unter Berücksichtigung der Pflegerichtlinien auseinandersetzten. Danach sei erstmalig im Jahre 1998 ein Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten festgestellt worden. Der von der Klägerin im streitigen Zeitraum geltend gemachte Hilfebedarf habe noch nicht den erforderlichen Mindestbedarf erreicht.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. April 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06. März 2000 Berufung bei dem Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt. Das Sozialgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Hilfebedarf für die Versicherte von mehr als 45 Minuten erstmals im Jahr 1998 mit Einstufung ab dem 01. November 1998 in die Pflegestufe I vorgelegen habe. Im Rahmen des Verfahrens sei für die Versicherte unter Hinweis auf die Aussagen der Klägerin selbst, welche die Versicherte gepflegt habe, vorgetragen worden, dass sich der tatsächliche Pflegeaufwand bereits im Zeitpunkt der Antragstellung, hier am 01. Mai 1996, auf mehr als 45 Minuten täglich belaufen habe. Beispielsweise sei im Rahmen der durch die Beklagte eingeholten Gutachten, hier des Gutachtens vom 11. Mai 1998, für die notwendige Unterstützung beim Baden der Versicherten durch die Klägerin ein Zeitaufwand von 3 Minuten angesetzt worden. Allein hieraus sei ersichtlich, dass die in dem Gutachten vor dem 01. November 1998 in Ansatz gebrachten Zeitaufwände für die tatsächlich zu leistende Hilfe bzw. Pflege jeglicher Grundlage entbehrten. Bereits im Mai 1996 habe die Versicherte die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt. Die Versicherte habe in ihrem Haushalt seit Mai 1996 gelebt. Sie habe die Versicherte, ihre Mutter, zu sich nehmen müssen, da die Versicherte bereits in ihrem Haus in Kölleda in einem Zustand geistigen Abbaus völlig auf sich selbst gestellt gewesen sei. Dieser Zustand sei immer bedenklicher geworden, so dass sich die Versicherte in keiner Weise selbst habe versorgen können. So habe die Klägerin die Versicherte in einem Haushalt vorgefunden, der vor Verunreinigung unbewohnbar gewesen sei. Beispielhaft sei ausgeführt, dass die gesamte Wohnung durch unterschiedliche Ausscheidungen verunreinigt gewesen sei. Dies sei Veranlassung gewesen, die Versicherte zu sich nach L. zu nehmen. Ursächlich für den rapiden körperlichen Verfall der Versicherten sei der Umstand gewesen, dass im Februar 1996 ihr zweites leibliches Kind verstorben sei. Bereits 1971 sei ihr Sohn R. G. im Alter von 33 Jahren verstorben. Ihr Ehemann K. G. sei 1986 verstorben. Im Februar 1996 sei ihre Tochter im Alter von 54 Jahren verstorben. Insbesondere der Tod der Tochter habe sich auf den psychischen Zustand der Versicherten ausgewirkt. Binnen weniger Wochen sei ein völliger geistiger und psychischer Abbau bei der Versicherten zu verzeichnen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Februar 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für ihre verstorbene Mutter C. G. Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 01. Mai 1996 bis zum 31. Oktober 1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil, insbesondere im Hinblick auf die eingeholten Sachverständigengutachten, für zutreffend.

Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. B. D. vom 11. Juli 2000, des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. H. W. vom 11. August 2000 und des Facharztes für Innere Medizin W. vom 29. August 2000 eingeholt. Die Klägerin hat weitere Unterlagen betreffend den Gesundheitszustand der Versicherten übersandt, und zwar Berichte der Ärztin für Allgemeinmedizin H. N. vom Mai 1996, der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. D. vom 10. Mai 1999 sowie des Kreiskrankenhauses B. vom 10. März 1999.

Der Senat hat - unter Ernennung zur Sachverständigen auch für das Berufungsverfahren - eine Stellungnahme der Sachverständigen M. vom 13. Oktober 2002 eingeholt. Die Sachverständige führt hierin aus, die neuen übersandten Unterlagen seien nicht geeignet, von der Beurteilung in ihrem Gutachten vom 22. Januar 1999 abzuweichen. Rückblickend und bei Berücksichtigung der weiteren Aktenseiten müsse der progrediente Verlauf, verbunden mit steigender Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden. Dies habe die Beklagte in jedem Fall zum 01. November 1998 mit dem Anerkenntnis einer erheblichen Pflegebedürftigkeit und zum 01. Mai 1999 mit dem Anerkenntnis der Schwerpflegebedürftigkeit getan. Es sei von keinem befragten Arzt eine neue Begründung nachzulesen, aus der abzuleiten sei, dass vor dem 01. November 1998 bereits eine erhebliche Pflegebedürftigkeit vorgelegen habe. Die Nennung von Diagnosen sei nicht ausreichend. Damit sei nicht umstritten, dass die Versicherte bereits vor dem 01. November 1998 auf die Betreuung und Unterstützung durch ihre Tochter angewiesen gewesen sei. Die Entwicklung des Hilfebedarfs allein lasse erkennen, dass es auch bis zum November 1998 eine Tendenz gegeben habe und keine gleichbleibende Situation bestanden habe. Die Gutachten in relativ kurzen Zeitabständen zu dieser Zeit ließen diesen Schluss zu.

Der Senat hat Frau J. Sch., die Tochter der Klägerin, Enkelin der Versicherten, als Zeugin gehört. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09. März 2005 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin - als Sonderrechtsnachfolgerin der verstorbenen Versicherten C. G. gemäß § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I - ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere keiner gesonderten Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil sie wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Berufung der Klägerin ist indessen nicht begründet.

Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin der verstorbenen Versicherten C. G. hat für die Zeit vom 01. Mai 1996 bis 31. Oktober 1998 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Die Versicherte erfüllte nicht die hierfür nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vorgegebenen Voraussetzungen.

Nach § 36 Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Sie können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch auf Pflegegeld setzt somit Pflegebedürftigkeit voraus. Die Versicherte war auch pflegebedürftig.

Gemäß § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 ) der Hilfe bedürfen.

Nach § 14 Abs. 3 SGB XI besteht die Hilfe im Sinne des Abs. 1 in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen.

Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen in diesem Sinne sind gemäß § 14 Abs. 4 SGB XI:

1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung,

2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,

3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,

4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XI pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 SGB XI einer von drei gesetzlich näher umschriebenen Pflegestufen zuzuordnen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Diese Voraussetzungen waren im Falle der Versicherten für den noch streitbefangenen Zeitraum vom 01.Mai 1996 bis 31. Oktober 1998 nicht erfüllt. Insbesondere betrug der Zeitaufwand, der im Bereich der Grundpflege erforderlich war, weniger als 45 Minuten täglich, wobei hier allen eingeholten Gutachten, denen das MDK und auch denen der Sachverständigen M., zu folgen ist. Die Sachverständige M. hat in ihrem Gutachten vom 22. Januar 1999, welches auf einer Untersuchung der Versicherten am 26. November 1998 in der Wohnung der Klägerin beruhte, nachvollziehbar ausgeführt, dass zumindest im hier streitbefangenen Zeitraum noch kein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten vorhanden war. Sie hat hierzu, ebenfalls nachvollziehbar, in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Oktober 2002 ausgeführt, dass anhand der in relativ kurzen Zeitabständen im streitbefangenen Zeitraum eingeholten MDK-Gutachten die Erkrankung der verstorbenen Versicherten eine Tendenz dahingehend beinhaltete, dass sich die Entwicklung des Hilfebedarfs stetig erhöhte, wobei sie, ebenfalls nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Versicherte bereits vor dem 01. November 1998 auf die Betreuung und die Unterstützung durch die Klägerin angewiesen war. Die vom Senat eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte widerlegen dieses Ergebnis nicht, sondern bestätigen es. Die Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. D. vom 11. Juli 2000 und des Dipl.-Med. H. W. vom 11. August 2000 beinhalten zwar die bei der Versicherten festgestellten Gesundheitsstörungen, besagen jedoch zum Umfang des Hilfebedarfs bei den für die Pflegeversicherung relevanten Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI nichts. Der Facharzt für Innere Medizin E. W. hat sogar darüber hinaus in seinem Befundbericht vom 29. August 2000 ausgeführt, dass bei Behandlungsbeginn (05. September 1996) die Versicherte voll orientiert gewesen sei und bei den regelmäßig von ihm durchgeführten Hausbesuchen über keine besonderen Beschwerden, sondern nur über die ihrem Alter entsprechenden Beschwerden, nämlich herabgesetzte Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, mitunter Herzschmerzen, klagte. Zur Frage der Berücksichtigung der für die Versicherte gefertigten speziellen 6 Mahlzeiten täglich wegen Diabetes ist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hinzuweisen, nach der ein etwaiges aufwändiges Zusammenstellen, Berechnen, Zubereiten, Abwiegen und Portionierung der Nahrung nicht zur Grundpflege gehört. Im Bereich der Ernährung unterscheidet hiernach § 14 Abs. 4 SGB XI zwischen der mundgerechten Zubereitung und der Aufnahme der Nahrung einerseits und den Verrichtungen "Einkaufen" und "Kochen" andererseits. Die Vorschrift differenziert allein nach dem äußerem Ablauf der Verrichtungen. Sie knüpft nicht an das mit der Verrichtung angestrebte Ziel an. Bezogen auf den Lebensbereich "Ernährung" bedeutet dies, dass nicht umfassend alle Maßnahmen einzubeziehen sind, die im konkreten Einzelfall im weitesten Sinne dem Ernährungsvorgang zugerechnet werden können. Zur Grundpflege gehört nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI vielmehr nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt noch erforderlich wird (BSG USK 99162 m.w.N). Nach den Darlegungen der Sachverständigen M. vermochte die Versicherte die Nahrung jedoch allein aufzunehmen, wobei sie nicht in der Lage war, bedarfsgerecht zu entscheiden. Die Nahrung wurde ihr deshalb mundgerecht und mengenmäßig zubereitet, da sie das nicht alleine konnte. Die Sachverständige M. hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar ausgeführt, dass die Versicherte als Diabetikerin eine besondere Speisenzubereitung benötigte, weshalb aus medizinischer Sicht auch eine bedarfs- und mengenmäßige Zubereitung dringend notwendig war. Von täglich vier Mahlzeiten war auszugehen, wobei für die Hauptmahlzeiten nachvollziehbar von der Sachverständigen zwei Minuten für die Vorbereitung festgesetzt und für die Zwischenmahlzeit von einer Minute Vorbereitungsarbeiten ausgegangen werden konnte. Hieraus ergab sich ein täglicher Zeitaufwand von 7 Minuten.

Soweit die Klägerin behauptet, ein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten habe im streitbefangenen Zeitraum bestanden, ist dies anhand der vorliegenden Unterlagen, insbesondere auch des Hinweises der Notarin V. zur Geschäftsfähigkeit vom 13. Mai 1996 sowie des Gutachtens der Sachverständigen M. vom 29. Januar 1999 einschließlich deren ergänzender Stellungnahme vom 13. Oktober 2002 nicht bewiesen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der vom Senat gehörten Zeugin Sch ... Der Senat hat die Zeugin insbesondere deswegen gehört, weil im vorbereitenden Verfahren auf deren Ausbildung als Krankenschwester hingewiesen worden war. Nachdem sich bei der Vernehmung ergeben hat, dass die damals 16 bzw. 17 Jahre alte Zeugin in der streitigen Zeit die Ausbildung noch nicht begonnen hatte, dementsprechend den objektiv erforderlichen Pflegebedarf wegen fehlender Sachkunde nicht beurteilen konnte, hat der Senat auf eine weitere eigene Befragung der Zeugin verzichtet. Die seitens der Klägerin gestellten Fragen beziehen sich auf das Erscheinungsbild der Versicherten und die tatsächlich durchgeführten Pflegemaßnahmen. Der Nachweis der Pflegebedürftigkeit ist aber eine Einschätzung, die nicht durch Zeugen, sondern durch Sachverständigenbeweis zu erbringen ist. Insoweit hat die Aussage der Zeugin nichts Neues gebracht.

Es gilt auch im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit der Grundsatz der objektiven Beweislast. Danach trifft der Nachteil der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts denjenigen Verfahrensbeteiligten, der aus der nichtfeststellbaren Tatsache rechtliche Vorteile herleitet. Die Versicherte ist bereits im Jahre 2000 verstorben. Nach den Regeln der objektiven Beweislast ist ein Nachweis einer höheren Pflegebedürftigkeit nicht erbracht worden. Die vorliegenden Sachverständigengutachten belegen vielmehr ein geringeres als für die Pflegestufe I notwendiges Pflegeerfordernis für die streitige Zeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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