L 5 KR 84/03

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 81/01
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 84/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung der Klägerin für Diabetiker-Teststreifen.

Die Klägerin vertreibt Diagnostika für den Diabetikerbedarf. Sie hatte ihren Sitz in N. Mit den Krankenkassen des Landes Schleswig-Holstein verbindet sie - abgesehen von einer Ersatzkasse - keine vertragliche Vereinbarung über die Preisgestaltung der Lieferungen. Sie lieferte an in Hessen wohnhafte Versicherte der Beklagten, die ebenfalls ihren Sitz in Hessen hat, Diabetiker-Teststreifen. Hierüber erstellte sie Rechnungen vom 6. und 13. Dezember 2000 sowie 15. und 22. Januar und 5. Februar 2001 in Höhe von insgesamt 1.774,80 DM (entsprechend 907,44 EUR). Die Beklagte kürzte die Rechnungen um insgesamt 122,80 DM (entsprechend 62,79 EUR). Hierbei orientierte sie sich an den Preisen, die sie mit dem Hessischen Apothekerverband abgeschlossen hatte. Nach Aufforderung der Klägerin, auch den Restbetrag zu zahlen, erklärte sich die Beklagte bereit, sich einem zwischen der Klägerin und der örtlichen AOK in Schleswig-Holstein abgeschlossenen Liefervertrag anzuschließen. Sie führte aus, solange sie keinerlei Kenntnisse über die vertragliche Situation der Klägerin habe, werde sie die hessischen Preise zu Grunde legen.

Mit ihrer beim Sozialgericht Kiel erhobenen Feststellungsklage hat die Klägerin ihre Restforderung in Höhe von 122,80 DM weiter verfolgt. Sie hat ausgeführt, die Beklagte habe für die Rechnungskürzung keine vertragliche Grundlage. Für sie - die Klägerin - sei die Vereinbarung zwischen dem Hessischen Apothekerverband und der Beklagten nicht verbindlich. Mangels einer vertraglichen Preisvereinbarung gelte der übliche Preis als vereinbart. Die Beklagte könne nicht den zwischen ihr und einem dritten Leistungserbringer ausgehandelten Preis als üblich zu Grunde legen. Festbeträge gebe es für Diabetiker-Teststreifen nicht. Diese seien keine Hilfsmittel, sondern Arzneimittel. Auch unter dem Wirtschaftlichkeitsgebot seien die Lieferpreise mehrerer Anbieter in Hessen unmaßgeblich.

Die Beklagte hat ausgeführt, die zwischen ihr und dem Hessischen Apothekerverband ausgehandelten Preise entsprächen dem Wirtschaftlichkeitsgebot, sie seien daher auch gegenüber der Klägerin sachgerecht. Eine Preisvereinbarung zwischen ihr und der Klägerin gebe es nicht, daher gelte der übliche Preis als vereinbart. Dies folge aus den zivilrechtlichen Bestimmungen, die auf das Verhältnis zwischen ihr und der Klägerin anzuwenden seien. Es obliege der Klägerin, den üblichen und damit maßgeblichen Preis darzulegen und als solchen zu beweisen. Insbesondere habe die Klägerin nichts dafür dargelegt, was unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots einen höheren als den mit dem Hessischen Apothekerverband ausgehandelten Preis rechtfertige.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Januar 2003 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage sei nicht begründet. Denn zwischen den Beteiligten bestehe kein Rechtsverhältnis, auf Grund dessen die Beklagte die geforderten höheren Preise akzeptieren müsse. Entsprechende vertragliche Ansprüche beständen zwischen den Beteiligten nicht. Die Klägerin habe auch kein einseitiges Bestimmungsrecht über die Preise. Das Gesetz gehe von der Vorstellung aus, dass Vertragspartner, die den Umfang der geschuldeten Gegenleistung nicht vertraglich festlegten, bei Vertragsschluss im allgemeinen mit einem entsprechenden Bestimmungsrecht des Gläubigers einverstanden seien. Wenn es dem mutmaßlichen Willen beider Beteiligter nicht entspreche, sei die Auslegungsregelung des § 316 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht anwendbar. Regelmäßig würden die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenversicherungsträgern und den Leistungserbringern über die Inhalte und Vergütungen der Leistungen vertraglich festgelegt. Mangels einer vertraglichen Vereinbarung seien regelmäßig gerichtlich überprüfbare Entscheidungen des Schiedsamts oder einer Schiedsstelle zu erwirken. Dieses Verfahren sei für Leistungen der Klägerin jedoch nicht vorgesehen. Daraus sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine hoheitliche Vertragsgestaltung hier nicht gewollt habe. Den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei eine Festlegung der angemessenen Vergütung verwehrt. Es gelte mangels einer Einzelvereinbarung der übliche Preis als vereinbart. Dies folge bei Heilmittelerbringern von Dienstleistungen aus § 612 BGB, bei Erbringern von Werkleistungen aus § 632 Abs. 2 BGB, beim Werklieferungsvertrag aus § 651 BGB oder beim Kaufvertrag aus § 433 BGB in entsprechender Anwendung der Vorschrift. Die für den Kaufvertrag allgemein geltende Auslegungsregel, dass der im Geschäftsbetrieb des Verkäufers übliche Preis als vereinbart gelte, könne im Verhältnis des zugelassenen Leistungserbringers zur Krankenkasse nicht angewandt werden. Dort könnten vereinbarte Preise wegen ihres Charakters als Höchstpreise nicht ohne Weiteres als übliche Preise angesehen werden, insbesondere wenn mehrere andere Krankenkassen niedrigere Preise vereinbart hätten. Die Kammer könne keine Aussage darüber treffen, welcher Preis zwischen den Beteiligten üblich sei. Weder könne sie den zwischen der Beklagten und dem Hessischen Apothekerverband ausgehandelten Höchstpreis noch die von der Klägerin verlangten Preise als üblich heranziehen. Denn es müssten die jeweils unterschiedlichen wirtschaftlichen Erwägungen berücksichtigt werden. Erst wenn ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in breitem Umfang durch die Ausübung der marktbeherrschenden Position Vertragsverhandlungen verhindere, könne eine Korrektur bestehender Verhältnisse im Wege der Rechtsprechung in Betracht gezogen werden. Nur die Beklagte habe die Zahlung eines höheren Preises für die Blutzuckerteststreifen verweigert. Dies allein wirke sich noch nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aus. Außerdem habe die Beklagte um nähere Informationen über die Preisvereinbarungen der Klägerin mit anderen Krankenkassen gebeten. Die Kammer könne den Beteiligten den schwierigen Prozess der Einigung über einen Preis nicht abnehmen. Auch wenn die Klägerin gegenüber der Beklagten bei den Verhandlungen im Nachteil sei, sei das Gericht nur äußerst eingeschränkt dazu in der Lage, einen Ausgleich herzustellen, und zwar nur dann, wenn das Grundrecht der freien Berufsausübung gemäss Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz berührt wäre. Dies wäre jedoch lediglich bei einer Existenzgefährdung der Klägerin der Fall, für die Anhaltspunkte fehlten.

Gegen die ihr am 31. März 2003 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 29. April 2003 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11. September 2003 die Berufung zugelassen.

Die Klägerin trägt vor, das Sozialgericht habe zwar den üblichen Preis als vereinbart angesehen, es habe jedoch versäumt, diesen üblichen Preis festzusetzen. Es sei nicht ersichtlich, warum der Grundsatz des § 612 BGB, nach dem der im Geschäftsbetrieb des Verkäufers übliche Preis als vereinbart gelte, nicht anzuwenden sei. Im Übrigen laufe die Regelung jetzt darauf hinaus, dass die Beklagte einseitig die zwischen ihr und anderen Leistungserbringern getroffene Vereinbarung den Zahlungen zu Grunde lege. Hierbei handele es sich jedoch auch nicht um den "üblichen Preis". Statt einer einseitigen Festsetzung der Preise durch sie - die Klägerin - komme es zu einer einseitigen Festsetzung durch die Beklagte. Diese habe nunmehr ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, mit dem sie die zwischen ihr und den anderen Leistungserbringern getroffene Vereinbarung auf die Rechtsbeziehung zu jedem weiteren Leistungserbringer anwenden könne. Die Apotheken seien für sie - die Klägerin - eine ernste Konkurrenz. Es sei nicht bekannt, welche Motive diese zu der Preisvereinbarung mit der Beklagten geführt habe. Die Beklagte greife einseitig in den Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern ein. Sie habe in Hessen als mit Abstand größter Krankenversicherungsträger eine erhebliche Marktmacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 62,79 EUR nebst gesetzlicher Zinsen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und führt aus, hier sei der übliche Preis heranzuziehen. Das sei der Preis, der auch von anderen Leistungserbringern für dieselbe Leistung verlangt werde und der sachgerecht sei. Die Klägerin habe keine Umstände vorgetragen, die den von ihr verlangten Preis rechtfertigten. Es sei überhaupt nicht erkennbar, inwiefern dieser wirtschaftlich sei.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Infolge des Beschlusses des Senats vom 11. September 2003 ist sie insbesondere statthaft.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Kiel ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung für die Diabetiker-Teststreifen.

Der Sozialrechtsweg ist für Rechtsstreitigkeiten zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig (BSG, Urteil vom 24. Januar 1990, 3 RK 11/88, SozR 3-2200 § 367d Nr. 1). Zu Recht erhebt die Klägerin eine Leistungsklage. Die Beteiligten stehen in einem Gleichordnungsverhältnis zueinander, in dem Verwaltungsakte nicht ergehen können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Januar 1996, 3 RK 26/94, SozR 3-2500 § 129 Nr. 1). Insbesondere war kein Vorverfahren durchzuführen.

Der Übergang von der Feststellungsklage zu einer Leistungsklage ist zulässig. Selbst wenn man hierin eine Klagänderung im Sinne des § 99 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sehen will, wäre diese jedenfalls zulässig, weil die Beklagte ihr nicht widersprochen, sondern sich in der Berufungsverhandlung darauf eingelassen hat (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Januar 1996, 3 RK 26/94, SozR 3-2500 § 129 Nr. 1).

Im Krankenversicherungsrecht gibt es keine Normen, die das Zahlungsbegehren der Klägerin regeln. Blutzuckerteststreifen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) Arzneimittel (vgl. auch Landgericht Stuttgart, Urteil vom 24. Februar 1994, 6 S 371/93, VersR 1994, 849). Die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen sind grundsätzlich in §§ 129 ff. Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) geregelt. Diese Regelungen geben für die hier streitige Frage, welcher Abgabepreis für ein Arzneimittel gilt, nichts her. Die §§ 129 ff. SGB V betreffen die Arzneimittelversorgung über Apotheken. Sie sind auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen Unternehmen nicht anwendbar. Diese sind in §§ 130a, 131 SGB V behandelt. Dort sind jedoch lediglich Rabatte und Rahmenverträge über die Arzneimittelversorgung geregelt, die die Preisgestaltung nicht umfassen. Daher richtet sich die Rechtsbeziehung wegen der Preise zwischen der Klägerin und der Beklagten nach der allgemeinen Regelung des § 69 SGB V. Dies gilt insbesondere deshalb, weil vertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten des Verfahrens nicht bestehen. Es ist nicht einheitlich geklärt, wie gemäss § 69 SGB V die Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und den Leistungserbringern ausgestaltet sind (vgl. hierzu Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, § 69 Rdz. 21; Hess in Kasseler Kommentar, SGB V § 69 Rdz. 3; Hencke in Peters, KV (SGB V) Stand Januar 2004 § 69 Rdz. 15; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, SGB V vor § 69 Rdz. 16; Auktor in LPK-SGB V, 2. Auflage, § 69 Rz. 26). Die Frage kann hier jedoch dahinstehen. § 69 Satz 3 SGB V bestimmt, dass neben den Spezialregelungen des SGB V für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend gelten, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach den Bestimmungen des SGB V vereinbar sind. Dies gilt auch, soweit durch die Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Es ist unmaßgeblich, ob die Bestimmungen des BGB unmittelbar oder entsprechend heranzuziehen sind.

Zwischen den Beteiligten ist Vertragsrecht anzuwenden; unerheblich ist es dabei, dass zwischen ihnen weder ein Rahmenvertrag nach § 131 SGB V abgeschlossen worden ist, noch dass unmittelbare Willenserklärungen abgegeben worden sind. Ein Leistungserbringer erwirbt - auch bei grenzüberschreitenden Lieferungen - einen vertraglichen Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse des belieferten Versicherten (BSG, Urteil vom 17. Januar 1996, a.a.O.). Es ist ein typisches Wesensmerkmal, dass im Recht der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung ein unmittelbarer Austausch von Willenserklärungen zwischen dem Leistungserbringer und der die Leistung bezahlenden Krankenkasse nicht stattfindet; allenfalls bei den Krankenhausleistungen werden näherungsweise Erklärungen ausgetauscht, wenn die Krankenkasse eine Kostenübernahmeerklärung abgibt. Im Übrigen findet der Leistungsaustausch regelmäßig im Dreiecksverhältnis über den Versicherten statt, im Bereich des Vertragsarztrechts darüber hinaus unter Einschaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Besondere Bedeutung bei der Leistungserbringung, insbesondere bei den Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, kommt der Verordnung des Vertragsarztes vor. Dieser nimmt eine Schlüsselstellung bei der Versorgung ein. Bei der Arzneimittelversorgung verordnet er dem Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel und handelt dabei kraft der ihm durch das Vertragsarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der Krankenkassen. Damit gibt er mit Wirkung für und gegen diese eine Willenserklärung ab. Der Leistungserbringer, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit der Vorlage der kassenärztlichen Verordnung angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das Arzneimittel aushändigt. Der Vertragsarzt fungiert als Vertreter der Krankenkasse, so dass zwischen dieser und dem Leistungserbringer ein Vertrag zu Gunsten des Versicherten zustande kommt (BSG, Urteil vom 17. Januar 1996, a.a.O.).

Da die Klägerin die Diabetikerteststreifen nicht selbst herstellt, sondern nur vertreibt, ist das Kaufvertragsrecht der §§ 433 ff. BGB anwendbar. Nach § 433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Da es sich um einen Vertrag zu Gunsten des Versicherten als Dritten handelt, ist als Käufer die Beklagte anzusehen. Ihre Zahlungspflicht nach § 433 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein Kaufpreis zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden ist. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Da der Kaufpreis als Hauptleistung des Käufers wesentlicher Inhalt des Kaufvertrages ist, letzterer somit keine Bestimmungen über eine wesentliche Hauptpflicht einer Vertragspartei enthält, würde daraus ein Einigungsmangel im Sinne des § 154 Abs. 1 BGB folgen und deshalb der Vertrag als nicht geschlossen gelten. Das hätte zur Folge, dass die Klägerin überhaupt keinen Zahlungsanspruch aus Vertragsrecht gegenüber der Beklagten hätte. Es kommt dann allenfalls ein Bereicherungsanspruch aus den §§ 812 Abs. 1, 818 BGB in Betracht. Dessen Höhe orientiert sich an dem, was die Beklagte durch die Lieferungen der Klägerin erspart hat. Das wären die Beträge, die sie sonst hätte bezahlen müssen, wenn ihre Versicherten die Teststreifen in hessischen Apotheken gekauft hätten, also genau die Entgelte, die die Beklagte der Klägerin auch tatsächlich gezahlt hat. Einen darüber hinausgehenden Anspruch hätte die Klägerin nicht.

Geht man davon aus, dass § 154 Abs. 1 BGB hier nicht zur Anwendung kommt, weil das Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem typischerweise vorgegebenen Dreiecksverhältnis und der Einbeziehung des Versicherten es regelmäßig mit sich bringt, dass vertragliche Abreden zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern über die Preisgestaltung grundsätzlich nicht getroffen werden, folgt daraus ebenfalls kein über die Zahlungen der Beklagten hinausgehender Anspruch der Klägerin. Denn auch wenn Rahmenverträge im Sinne der §§ 124 ff. SGB V getroffen worden sind, liegen damit regelmäßig noch nicht Vereinbarungen über die Preisgestaltungen im Einzelnen vor. Die Inhaltsbeschreibungen der §§ 125, 127, 129 und 130 SGB V lassen erkennen, dass das Gesetz nicht von einer so detaillierten Vertragsausgestaltung über jede einzelne Haupt- und Nebenpflicht der Leistungsbeziehung ausgeht. Die §§ 315, 316 BGB sind auf die Preisgestaltung ebenfalls nicht anwendbar. § 315 Abs. 1 BGB geht davon aus, dass die Vertragsleistung nach dem Inhalt des Vertrages von einer der Vertragsparteien bestimmt werden soll; im Zweifel muss diese Bestimmung dann nach billigem Ermessen getroffen werden. Eben so wenig wie die Beklagte hat auch die Klägerin jedoch bei Lieferungsverträgen der vorliegenden Art ein einseitiges Bestimmungsrecht. Eine dahingehende Absicht ist aus den gesamten Umständen der Leistungsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen nicht zu ersehen. Auch § 316 BGB ist auf Grund dieses Gesamtgefüges des Leistungserbringungsrechts nicht anwendbar. Ist nach der Vorschrift - wie hier - der Umfang der für eine Leistung versprochenen Gegenleistung nicht bestimmt, so steht die Bestimmung im Zweifel demjenigen Teil zu, welcher die Gegenleistung zu fordern hat. Dies wäre bei dem Kaufpreis der Verkäufer. Diese Regelung ist im Recht der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung aber deshalb nicht anwendbar, weil in allen Fällen, in denen es keine festen Vereinbarungen über die Preisgestaltung gibt, die Leistungserbringer einseitig die Preise festlegen könnten. Eine derartige Rechtslage würde jedoch dem in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechen. Denn die Krankenkassen hätten dann keine Möglichkeit, auf die Preisgestaltung Einfluss zu nehmen. Dies stellt eine Unvereinbarkeit mit den Rechten und Pflichten der Beteiligten im Sinne des § 69 Satz 3 SGB V dar.

Nach Auffassung des Senats ist die vertragliche Lücke hinsichtlich des Kaufpreises im Wege des § 453 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a. F.) zu füllen. Nach dieser Vorschrift galt im Zweifel der für den Erfüllungsort zur Erfüllungszeit maßgebende Marktpreis als vereinbart, wenn dieser als Kaufpreis bestimmt war. Es ist davon auszugehen, dass die Leistungserbringer und die Krankenkassen stillschweigend der Auffassung sind, dass die Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung zu den üblichen Marktpreisen erfolgen soll. Mangels anderweitiger Regelungen ist dieser Preis als der übliche anzusehen und vernünftigerweise auf die Leistungsbeziehungen anzuwenden. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Krankenkassen und die Leistungserbringer die Leistungsabwicklung zu anderen als den üblichen Konditionen abwickeln wollen. Ein höherer Preis ließe sich mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot keinesfalls vereinbaren.

Legt man den Marktpreis nach § 453 BGB a. F. zu Grunde, so kommt es für die Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten darauf an, an welchem Ort die Lieferungen erfolgt sind. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, dass die Lieferungen Versicherte in Hessen betrafen, dass sie also nach Hessen erfolgten. Nach § 453 a. F. BGB ist daher der für Hessen maßgebliche Preis heranzuziehen. Die Klägerin hat allerdings nichts dafür vorgetragen, zu welchen Konditionen sie in Hessen an andere Krankenkassen liefert. Mangels anderweitiger Angaben musste der Senat folglich davon ausgehen, dass die von der Beklagten genannten, mit dem Hessischen Apothekerverband vereinbarten Preise als marktüblich anzusehen sind. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren die Klägerin aufgefordert hat, Anhaltspunkte für die Preisgestaltung und Vereinbarungen mit anderen Versicherungsträgern - auch in Schleswig-Holstein - darzulegen. Dieser Aufforderung war die Klägerin nicht nachgekommen. Eine Anfrage des Senats an andere Krankenkassen in Hessen verbot sich. Denn deren Aussagen hätten nichts über das wirtschaftliche Umfeld der Preisvereinbarungen mit vergleichbaren Herstellern von Diabetikerteststreifen ergeben. Insbesondere wäre eine Vergleichbarkeit der Preise nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Die von der Klägerin selbst vorgelegte Preisliste macht deutlich, dass es mehrere Produktvarianten gibt, die sich preislich nicht unerheblich voneinander unterscheiden. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, dass der von der Beklagten zu Grunde gelegte Preis marktüblich ist. Es besteht daher kein weitergehender Anspruch der Klägerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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