L 16 B 172/04 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KR 51/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 172/04 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 14.09.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Streitig ist in der Hauptsache, ob dem Kläger ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die medizinische Rehabilitation im Rehabilitationshaus der Sozialpsychiatrischen Initiative (SPI) Q e. V. in der Zeit vom 01.12.2002 bis zum 26.05.2003 in Höhe von 21.025,77 EUR gegen die Beklagte zusteht.

Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen bewilligte dem 1963 geborenen Kläger mit Bescheid vom 22.03.2002 eine stationäre Heilbehandlung mit Übergangsgeldanspruch als medizinische Leistung zur Rehabilitation nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die voraussichtliche Dauer von 4 Monaten im Rehabilitationshaus der SPI. Eine Abkürzung oder Verlängerung der Behandlung behielt sich die LVA Westfalen in Zusammenarbeit mit der Behandlungsstätte vor. Der Kläger wurde am 17.04.2002 in die Einrichtung aufgenommen. Am 04.09.2002 bzw. 05.11.2002 teilte die LVA Westfalen der SPI mit, dass die stationäre Leistung bis zum 16.10.2002 bzw. bis zum 30.11.2002 verlängert werde. Eine weitere Kostenübernahme ab dem 01.12.2002 lehnte die LVA Westfalen ab. Der Kläger erhielt entsprechende Durchschriften dieser Schreiben. Mit Ablauf des Monats November 2002 stellte die LVA Westfalen auch die Zahlung von Übergangsgeld an den Kläger ein.

Da der Träger der Einrichtung eine Weiterbehandlung des Klägers als notwendig ansah, stellte er am 28.11.2002 einen Antrag auf Kostenübernahme ab dem 01.12.2002 - nur - beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe und fügte einen Antrag des Klägers auf Sozialhilfe bei. Unter Hinweis auf § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) lehnte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe den Antrag ab und leitete ihn an die Beklagte, bei der der Kläger freiwillig krankenversichert ist, weiter. Diese sah die Voraussetzungen des § 14 SGB IX nicht gegeben und verneinte dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe gegenüber ihre Zuständigkeit. Die einseitige Weiterführung der Maßnahme durch den Träger der Einrichtung stelle keinen neuen Versicherungsfall dar. Im Übrigen scheide eine Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung bereits deshalb aus, weil mit der SPI kein Versorgungsvertrag gemäß § 111 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe und diese, da sie kein Krankenhaus sei, auch nicht über eine Zulassung gemäß § 108 SGB V verfüge.

Bezüglich der am 30.05.2003 vom Kläger beantragten Kostenübernahme verwies die Beklagte diesen mit Schreiben vom 10.06.2003 an den aus ihrer Sicht zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Dieser lehnte einen daraufhin erneut gestellten Antrag des Klägers und der SPI unter dem 09.03.2004 wiederum ab.

Mit der am 24.06.2004 zum Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der Kosten begehrt. Bezüglich der Höhe der Forderung hat der Bevollmächtigte des Klägers auf eine entsprechende Aufstellung der SPI "zur Vorlage beim Sozialgericht" vom 03.05.2004 verwiesen. Danach beliefen sich die Maßnahmekosten auf 20.498,37 EUR (täglich 115,81 EUR) zuzüglich eines Taschengel-des in Höhe von 527,40 EUR (monatlich 87,90 EUR). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Beiladung aller in Betracht kommender Leistungsträger angeregt, insbesondere des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der LVA Westfalen, und zugleich PKH unter seiner Beiordnung beantragt.

Mit Beschluss vom 14.09.2004 hat das Sozialgericht den PKH-Antrag abgelehnt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Der dagegen gerichteten, am 30.09.2004 erhobenen Beschwerde, hat das Sozialgericht nicht abgeholfen.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2004 dem Widerspruch des Klägers nicht abgeholfen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zur Kostentragung verpflichtet.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt X aus X zu Recht abgelehnt. Zutreffend ist das Sozialgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73 a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -). Eine solche wäre anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hielte (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage § 73a Rd-Nr. 7 m. w. N.). Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO sind neue Tatsachen und Beweise vom Beschwerdegericht zu berücksichtigen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 177 RdNr. 4, § 73a RdNr. 4). Zwar steht das vom Sozialgericht hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage geltend gemachte Bedenken, es fehle an einem abgeschlossenen Vorverfahren, der Bewilligung von PKH jedenfalls deshalb nicht mehr entgegen, weil während des Beschwerdeverfahrens ein Widerspruchsbescheid der Beklagten ergangen ist. Ob das Schreiben der Beklagten vom 10.06.2003 überhaupt einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. LSG; Urt. vom 10.04.2001, Az.: L 16 KR 39/99, www.sozialgerichtsbarkeit.de), kann insoweit offen bleiben. Jedoch ist - wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat - unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein materiell-rechtlicher Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ersichtlich. Insoweit macht sich der Senat die zutreffenden Ausführungen der Beklagten vor und während des Verfahrens zu eigen. Bisher ist aber auch gar nicht erkennbar, dass die SPI Q den Kläger wegen der entstandenen Kosten überhaupt in Anspruch nimmt/nehmen will. Allein schon die erheblich zeitverzögerte Erhebung der Klage - die Maßnahme endete bereits am 26.05.2003 - sowie die vorgelegte Bescheinigung der SPI über offene Forderungen für die medizinische Rehabilitation ohne Bezugnahme auf den Kläger als Schuldner lassen daran zweifeln.

Die für die Bewilligung von PKH vorausgesetzte hinreichende Erfolgsaussicht der Klage ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die von dem Bevollmächtigten des Klägers beantragte Beiladung aller in Betracht kommender Sozialleistungsträger. Zwar sieht § 75 Abs. 5 SGG - im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen - vor, dass ein Versicherungsträger nach der Beiladung verurteilt werden kann. Dem Ratsuchenden soll nicht zugemutet werden, einen neuen Prozess zu führen, wenn er die Passivlegitimation verkannt hat (Zeihe, SGG, Loseblattsammlung, Stand: 01.11.2004, § 75 Anm. 56a m.w.N.). Der Bevollmächtigte des Klägers hat jedoch in keiner Weise dargelegt - und dies ist auch nicht ersichtlich - gegen welchen Versicherungsträger aus welchem Rechtsgrund ein Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme folgen sollte. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass bei einer eigenmächtigen Verlängerung von Maßnahmen zur Rehabilitation durch die Einrichtung und den Versicherten letztlich irgendein Versicherungs- bzw. Leistungsträger die Kosten - einschließlich eines Taschengeldes für den Leistungsempfänger - tragen müsse, besteht nicht.

Abgesehen von der Frage, ob etwaige Ansprüche gegen die Beklagte und in Betracht kommende Beigeladene in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stünden (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 75 RdNr. 18), scheidet ein möglicher Anspruch des Klägers gegen den Landschaftsverband Westfalen-Lippe bereits deshalb als Gegenstand des anhängigen Verfahrens aus, weil der Landschaftsverband kein Versicherungsträger ist. Eine Verurteilung nach entsprechender Beiladung kommt gemäß § 75 Abs. 5 SGG damit nicht in Betracht.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage ergibt sich schließlich auch nicht aus der möglichen Beiladung der LVA Westfalen. Zwar ist diese unzweifelhaft ein Versicherungsträger im Sinne von 75 Abs. 5 SGG. Es ist jedoch kein über § 75 Abs. 5 SGG im Rahmen des anhängigen Verfahrens einzubeziehender Anspruch des Klägers gegen diesen Versicherungsträger denkbar. Um den Gesetzeszweck - baldige Klärung der Leistungsverhältnisse - zu verwirklichen, wird es als unschädlich angesehen, wenn der Rechtssuchende bislang keinen entsprechenden Antrag bei dem Versicherungsträger gestellt hat bzw. ein Vorverfahren nicht abgeschlossen worden ist. Hat der Versicherungsträger den geltend gemachten Anspruch in der Vergangenheit jedoch bindend abgelehnt, so steht dies einer Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG entgegen (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 75 RdNr. 18a m.w.N., Zeihe, a.a.O., § 75 Anm. 57b m. w. N.). Anderenfalls verschaffte § 75 Abs. 5 SGG dem Rechtssuchenden - über die Beschleunigung des Verfahrens hinaus - einen nicht beabsichtigten Rechtsvorteil: Im Verhältnis zu dem Versicherungsträger stehen dem Rechtssuchenden nach Eintritt der Bestandskraft der belastenden Entscheidung nur die eingeschränkten Möglichkeiten eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) offen.

Die LVA Westfalen hat mit Bescheid vom 22.03.2002 in Gestalt der Folgeentscheidungen dem Kläger gegenüber bestandskräftig entschieden, dass eine Kostenübernahme über den zuletzt festgelegten Bewilligungszeitraum hinaus (ab 01.12.2002) nicht in Betracht kommt. Der Kläger hat weder selbst noch über die Einrichtung Widerspruch gegen die Entscheidungen eingelegt, auch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 84 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 66 Abs. 2 S. 1 SGG, die im Hinblick auf die den Entscheidungen über die Verlängerung nicht beigefügten Rechtsmittelbelehrungen eröffnet ist. Eine Geltendmachung von möglichen Ansprüchen gegen die LVA Westfalen ist nur in einem gesonderten Verfahren, jedoch nicht im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits möglich.

Andere Versicherungsträger, die die Kosten der Rehabilitation zu tragen haben könnten, sind nicht ersichtlich.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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