L 3 B 64/04 AL

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 902/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 64/04 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Rechtsstreitigkeiten vor den Sozialgerichten zwischen private Arbeitsvermittlern und der Bundesagentur für Arbeit über die Auszahlung eines Vermittlungsgutscheines (§ 421g SGB 3) sind kostenpflichtig.

Private Arbeitsvermittler, die die Auszahlung eines dem Arbeitslosen erteilten Vermittlungsgutscheines begehren, sind keine Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG.
Die Rechtstreitigkeiten richten sich nach § 197a SGG.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 03.03.2004 wird aufgehoben.
II. Die Beschwerdegegnerin zu 2. hat die Kosten des Klagverfahrens vor dem Sozialge-richt Dresden (Az.: S 17 AL 902/03) zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 1.000,- festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Kostenpflichtigkeit eines Klagverfahrens vor dem Sozialge-richt Dresden, das über die Auszahlung eines Vermittlungsgutscheines geführt wurde.

Die Beschwerdegegnerin zu 1. betreibt ein Unternehmen der privaten Arbeitsvermittlung.

Die Beschwerdegegnerin zu 2. erteilte am 18.03.2003 der Arbeitssuchenden A ... W ... einen bis zum 17.06.2003 geltenden Vermittlungsgutschein über EUR 2.500,-. Am 24.03.2003 nahm die Arbeitssuchende eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung auf. Der Arbeitgeber bescheinigte, dass das Beschäftigungsverhältnis auf Vermittlung der Beschwerdegegnerin zu 1. zustande gekommen sei.

Mit Bescheid vom 24.04.2003 lehnte die Beschwerdegegnerin zu 2. die Auszahlung des Vermittlungsgutscheins an die Beschwerdegegnerin zu 1. ab, weil der Vermittlungsvertrag zwischen der Beschwerdegegnerin zu 1. und dem Arbeitssuchenden mangels bezifferbarer Vergütungsvereinbarung unwirksam sei. Den Widerspruch vom 28.04.2003 wies die Be-schwerdegegnerin zu 2. mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2003 als unbegründet zu-rück. Hiergegen hat die Beschwerdegegnerin zu 1. am 13.06.2003 vor dem Sozialgericht Dresden Klage mit dem Ziel erhoben, von der Beschwerdegegnerin zu 2. eine erste Rate in Höhe von EUR 1.000,- zu erhalten. Das Verfahren wurde unter dem Az.: S 17 AL 902/03 geführt.

Mit Schriftsatz vom 07.07.2003 hat die Beschwerdegegnerin zu 2. folgendes Anerkenntnis abgegeben: "1. Der Bescheid vom 24.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2003 wird aufgehoben. 2. Der Vermittlungsgutschein nach § 421 g SGB III wird in Höhe von EUR 1.000,- an den Kläger ausgezahlt. 3. Notwendige außergerichtliche Kosten werden dem Kläger erstattet."

Mit Schriftsatz vom 11.08.2003 hat die Beschwerdegegnerin zu 1. das Anerkenntnis ange-nommen.

Nach Aufforderung des Sozialgerichts Dresden hat die Beschwerdegegnerin zu 2. am 22.08.2003 erklärt:

"1. Ich gebe hiermit ein Kostengrundanerkenntnis ab. 2. Ich beantrage gleichzeitig die Kostenfestsetzung, da ...".

Mit Schriftsatz vom 03.09.2003 hat die Beschwerdegegnerin zu 1. auch dieses Kosten-grundanerkenntnis angenommen.

Am 24.10.2003 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 25 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung (GKG).

Dies lehnte das Sozialgericht Dresden mit Beschluss vom 03.03.2004 ab. Zur Begründung führte es aus, dass Kosten nach den Vorschriften des GKG nur zu erheben seien, wenn weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ge-nannten Personen gehörten. Die Beschwerdegegnerin zu 1. gehöre als Leistungsempfänger zu den in § 183 SGG genannten Personen. Bei dem Vermittlungsgutschein handele es sich um eine Leistung der Arbeitsförderung.

Gegen den ihm am 09.03.2004 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 10.03.2001 Beschwerde erhoben. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 03.03.2004 aufzuhe-ben und den Gegenstandswert des Verfahrens vor dem Sozialgericht Dresden zum Az.: S 17 AL 902/03 festzusetzen sowie den Schuldner der Gerichtskosten zu bestimmen.

Die Beschwerdegegnerinnen haben keine Anträge gestellt.

Die Beschwerdegegnerin zu 2. ist der Ansicht, dass die Verfahren kostenpflichtig seien, weil die Beschwerdegegnerin zu 1. kein Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG sei; dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft. Denn gegen den Streitwertfest-setzungsbeschluss nach § 25 Abs. 2 GKG findet die Beschwerde nur statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 50,- übersteigt, § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Beschwerdeführer (zur Beschwerdebefugnis der Staatskasse vgl. Hartmann, Kostengesetze, GKG, § 25, Rz. 61) ist in Höhe von EUR 55,- beschwert. Denn bei einem Streitwert von EUR 1.000,- ist nach der Verfahrensbeendigung durch das angenommene Anerkenntnis eine volle Verfahrensgebühr (Ziff. 4100 der Anlage 1 zum GKG) in Höhe von EUR 55,- angefallen. Die Beschwerde ist auch formgerecht und innerhalb der Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GKG erhoben.

1. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts war aufzuheben, weil es zu Unrecht die Festsetzung eines Streitwertes abgelehnt hat. Zwar ist ein Streitwert in sozialgerichtlichen Verfahren nur festzusetzen, wenn Gerichtskosten zu erheben sind, § 25 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG.

Das Verfahren ist jedoch entgegen der Ansicht des Sozialgerichts gerichtskostenpflichtig, weil die Beschwerdegegnerinnen nicht zu dem in § 183 SGG benannten Personenkreis gehören. Denn das Verfahren ist nur für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger kosten-frei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft an dem Verfahren teilnehmen, § 183 Satz 1 SGG. Die Beschwerdegegnerin zu 2. unterfällt unstreitig nicht diesem Personenkreis. Dies gilt aber auch für die Beschwerdegegnerin zu 1.

Die Beschwerdegegnerin zu 1. ist insbesondere kein Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG. Insofern ist die rechtliche Natur des von der Beschwerdegegnerin zu 1. im Klagverfahren geltend gemachten Zahlungsanspruches maßgeblich. Die von der Be-schwerdegegnerin zu 1. begehrte Auszahlung des Vermittlungsgutscheines ist aber keine Leistung im o.g. Sinne.

Dies ergibt sich zwar nicht allein aus dem Wortlaut des § 183 Satz 1 SGG. Denn die Zah-lung aus dem Vermittlungsgutschein ist eine Leistung. Eine solche kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen (§ 241 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB); vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 54, Rz. 37). Die Beschwerdegegnerin zu 1. ist in diesem Sinne auch Empfänger einer Leistung, weil sie einen eigenständigen sozialrechtlichen Anspruch auf Auszahlung des Vermittlungsgutscheines gegen die Bundesagentur für Arbeit hat (vgl. das Senatsurteil vom 02.12.2004, Az.: L 3 AL 319/03, noch nicht veröffentlicht).

Bei einer solch weiten Auslegung des Begriffes "Leistungsempfänger" liefe allerdings die Einführung der Kostenpflicht für einige sozialgerichtliche Verfahren uns Leere. Denn es ist – außer bei Feststellungsklagen – kaum eine Rechtstreitigkeit vor der Sozialgerichtsbarkeit denkbar, in der nicht ein Beteiligter ein Tun oder Unterlassen verlangt. Dies gilt neben dem Sozialleistungsempfänger auch für Vertragsärzte und andere Leistungserbringer des Kran-kenversicherungsrechts, die um Vergütung (Tun) ihrer Leistung streiten; dies trifft aber auch auf Arbeitgeber, welche die Inanspruchnahme für Beiträge und Umlagen verhindern (Unterlassen) wollen, zu.

Es ist daher der gesetzgeberische Wille zur Auslegung des Begriffes "Leistungsempfänger" heranzuziehen. Hiernach sollte die Kostenpflicht für Verfahren eingeführt werden, an denen Personen beteiligt sind, die nicht eines besonderen sozialen Schutzes in Form eines kostenfreien Rechtsschutzes bedürfen; die Gebührenprivilegierung sei von ihrem Schutz-zweck zur Durchsetzung von Ansprüchen auf Sozialleistungen ausgerichtet (amtliche Be-gründung in BT-Drs. 14/5943, Seiten 28f., Zu Nr. 68). Der Begriff der Leistungsempfänger ist daher auf die Empfänger von Sozialleistungen zu begrenzen (offenlassend: Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22.09.2004, Az.: B 11 AL 33/03 R, zu finden in JURIS).

Die Beschwerdegegnerin empfängt durch die Auszahlung keine Sozialleistung. Denn sie verwirklicht hiermit nicht eigene soziale Rechte. Mit dem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die Agentur für Arbeit, den Vergütungsanspruch des Vermittlers, der den Arbeitnehmer vermittelt hat, zu erfüllen, § 421g Abs. 1 Satz 2 des Dritten Buches Sozial-gesetzbuch (SGB III). Dieser Auszahlungsanspruch entspringt aber der Verpflichtung der Bundesagentur, die zwischen Vermittelten und Vermittler bestehenden Zahlungsverpflich-tung für den Vermittelten zu übernehmen (Gagel, Arbeitsförderung - SGB III, § 421g, Rz. 7). Er dient zur Erfüllung des Honorars des Vermittlers zugunsten des Vermittelten, der von seiner Zahlungspflicht befreit wird; ihm steht die Gegenleistung der Vermittlung gegenüber. Dann begünstigt der Auszahlungsanspruch aber nicht den Vermittler, der seinen Vergütungsanspruch andernfalls gegen den Vermittelten zivilrechtlich durchsetzen könnte. Er kommt vielmehr dem Vermittelten zugute, dessen soziales Recht an einer Teilhabe am Erwerbsleben durch eine zügigere und qualifizierte Vermittlung gewährleistet werden soll (vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 14.03.2002, in BT-Drs 14/8546, Seite 10, zu Nr. 34). Der Vermittler dient nur zur Verwirklichung dieses sozialen Rechtes, ist aber nicht dessen Nutznießer.

Dies wird auch noch durch die systematische Stellung des Zahlungsanspruches und des Vermittlungsgutscheines im SGB III verdeutlicht. Die Regelung des § 421g findet sich im 2. Abschnitt – Ergänzungen für übergangsweise mögliche Leistungen und zeitweilige Aufgaben – des 13. Kapitels – Sonderregelungen -. Sie knüpft materiell-rechtlich an die Vorgaben des § 296 SGB III – Vermittlungsvertrag zwischen einem Vermittler und einem Arbeitsuchenden – an, der wiederum im 7. Kapitel – Weitere Aufgaben der Bundesagen-tur – zu finden ist. Keine der beiden Abschnitte regelt originär Leistungen der Bundes-agentur. Der Vermittler ist – anders als Arbeitgeber (§ 3 Abs. 2 SGB III) oder Träger von Arbeitsförderungsmaßnahmen (§ 3 Abs. 3 SGB III) – nicht als Leistungsempfänger im Leistungskatalog des § 3 SGB III oder des § 19 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) aufgeführt.

2. Die Kosten des Klagverfahrens vor dem Sozialgericht waren der Beschwerdegegnerin zu 2. aufzuerlegen. Sie hat das Klagbegehren anerkannt und war somit unterlegen. Die Ausnahmeregelung des § 156 VwGO war nicht einschlägig, weil die Beschwerdegegnerin zu 2. Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hat.

3. Infolge dessen war auch der Streitwert des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht festzu-setzen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG und folgt den nachvollziehbaren Angaben in der Klagschrift.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten, § 25 Abs. 4 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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