L 3 AL 307/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 667/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 307/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch die durch einen produktiver Lohnkostenzuschuss Ost gefördeten Arbeitnehmer sind zu dem für die Förderung anderer Beschäftigter wesentlichen Beschäftigtenstand hinzuzuzählen.
Eine Verringerung des Beschäftigungsstandes wird sofort mit dem Ausscheiden des Beschäftigten wesentlich im Sinne von § 48 SGB 10, wenn er nicht rechtzeitig ersetzt wird.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. Oktober 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die teilweise Aufhebung eines der Klägerin gewährten Lohnkostenzuschusses und die Erstattung von 5.542,40 EUR (entspricht 10.840,00 DM) rech-tens sind.

Die Klägerin betrieb seit dem 01.08.1999 einen Einzelhandel für Freizeitbekleidung und Accessoires. Am 23.07.1999 beantragte sie die Bewilligung eines Lohnkostenzuschusses für die Beschäftigung eines Verkäufers. Am 30.08.1999 stellte sie Herrn D ... W ... (im folgenden: erster Geförderter) als Verkäufer ab 01.09.1999 ein; das Arbeitsverhältnis war unbefristet abgeschlossen. Mit Bescheid vom 01.11.1999 bewilligte die Beklagte ihr einen Lohnkostenzuschuss vom 01.09.1999 bis zum 31.08.2000 in Höhe von 2.180,00 DM mo-natlich (Az. der Beklagten: LKZ ...). Die Maßnahme verlief ordnungsgemäß. Mit Schlussbescheid vom 20.09.2000 wurde die Maßnahme ohne Beanstandungen abgerech-net.

Nach Ende der Maßnahme entließ die Klägerin den ersten Geförderten, D. W., aus wirt-schaftlichen Gründen zum 01.09.2000 Bereits am 24.05.2000 stellte die Klägerin Frau P ... W ... (im folgenden: zweite Geför-derte) ab 01.06.2000 als Verkäuferin mit einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden ein. Als Arbeitslohn war ein Monatslohn von 1.355,00 DM vereinbart. Am 25.05.2000 beantragte die Klägerin – neben der bereits gewährten Förderung unter dem Az.: Lkz 18400/99 – die Förderung einer weiteren Vollzeitkraft. Mit Bescheid vom 14.06.2000 bewilligte die Be-klagte ihr einen weiteren Lohnkostenzuschuss für die Zeit vom 01.06.2000 bis zum 31.05.2001 in Höhe von 1.355,00 DM monatlich (Az. der Beklagten LKZ 10446/00). Im Bewilligungsbescheid findet sich unter "Auflagen" unter Ziff. 6.4 folgende Auflage: "Der Bescheid ergeht mit der Auflage, dass dem Arbeitsamt unverzüglich mitgeteilt wird, wenn sich die Beschäftigtenzahl (inkl. der geringfügig und befristeten Beschäftigten sowie der über LKZ Ost u. SAM OfW geförderten Arbeitnehmer) nicht nur vorübergehend ver-ringert." Unter Ziff. 6.8 findet sich folgende Auflage: "Der Bescheid ergeht mit der Auflage, dass am Ende der Förderung eine Erklärung vorge-legt wird, aus der u. a. die Zahl der dann im Betrieb Beschäftigten (inkl. der geringfügig und befristeten Beschäftigten sowie der über LKZ Ost u. SAM OfW geförderten Arbeit-nehmer) ersichtlich ist."

Im Rahmen der Schlussabrechnung für die zweite Förderung gab die Klägerin an, dass sie zum Ende der Maßnahme nur eine Vollzeitkraft beschäftige; eine Verringerung sei durch die Beendigung der ersten Fördermaßnahme eingetreten. Auch das Arbeitsverhältnis mit der zweiten Geförderten sei zum 31.05.2001 beendet worden.

Mit Schreiben vom 10.05.2001 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Aufhe-bung der Bewilligung ab dem Datum der Verringerung an; einen Hinweis auf die subjekti-ven Voraussetzungen enthielt die Anhörung nicht. Mit Antwortschreiben vom 31.05.2001 teilte die Klägerin mit, dass sie die Verringerung bei der Abgabe der Unterlagen für den ersten Geförderten im August 2000 persönlich mit-geteilt habe. Die Personalverringerung sei aus wirtschaftlichen Gründen per 01.09.2000 vollzogen worden.

Mit Bescheid vom 06.06.2001 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 14.06.2000 mit Wirkung vom 01.09.2000 auf. Mit Schlussbescheid vom gleichen Tage setzte sie die Förderung für die Maßnahme 10446/00 auf insgesamt 4.065,00 DM fest; in-folge der bisher geleisteten Zahlungen in Höhe von 14.905,00 DM habe die Klägerin 10.840,00 DM zu erstatten.

Gegen beide Bescheide legte die Klägerin am 29.06.2001 Widerspruch ein. Zur Begrün-dung führte sie aus, dass sie die Verringerung durch die Entlassung des ersten Geförderten persönlich und mündlich bekannt gegeben haben; dieser habe sich auch bei der Beklagte arbeitslos gemeldet. Die Lohnkostenzuschüsse seien auch an die Beschäftigte in voller Höhe ausgezahlt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2001 wies die Beklagte die Widersprüche als unbe-gründet zurück. Hierzu führte sie aus, dass die Bewilligung ab dem 01.09.2000 aufzuheben gewesen sei, weil eine nicht nur vorübergehende Verringerung eingetreten sei. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) solle der Verwaltungs-akt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn der Betroffene um den Wegfall des sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Anspruches gewusst oder nicht gewusst habe, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Dies habe die Klägerin auch gewusst, weil sie bereits bei der Beantra-gung der Leistung erklärt habe, sie sei darüber unterrichtet, dass eine nicht nur vorüberge-hende Verringerung der Beschäftigtenzahl die Aufhebung des Bewilligungsbescheides zur Folge habe. Infolge dessen seien auch bereits erbachte Leistungen zu erstatten. Hiergegen hat die Klägerin am 14.08.2001 vor dem Sozialgericht Leipzig Klage erhoben.

Mit Urteil vom 08.10.2003 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 06.06.2001 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2001 aufgehoben. Zur Begründung hat es aus-geführt, die Beklagte könne die Aufhebung nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X stüt-zen, weil der Klägerin keine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwe-rem Maße vorgeworfen werde könne. Denn ihr hätte sich nicht zwingend der Schluss auf-drängen müssen, dass beim Ausscheiden eines geförderten Arbeitnehmers auch die Förde-rung des verbleibenden Arbeitnehmers wegfallen könnte. Dem Sinn und Zweck des Ver-bots des Personalabbaus sei auch so Genüge getan; denn dieses solle verhindern, dass der Arbeitgeber sein bisher gefördertes Personal entlässt, um sodann gefördertes Personal ein-zustellen. Im vorliegenden Falle sei jedoch nur gefördertes Personal nicht weiterbeschäftigt worden. Da die Beklagte die Aufhebung ausdrücklich nur auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gestützt habe, sei eine Verletzung der Mitteilungspflichten nicht zu prüfen gewe-sen.

Gegen dieses ihr am 11.11.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.11.2003 Beru-fung eingelegt.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne die Aufhebung auch darauf stützen, dass die Kläge-rin den Wegfall des Anspruches hätte erkennen müssen. Hätte sie nämlich einen ihr zu-mutbaren Blick auf den Bewilligungsbescheid geworfen, wäre ihr aufgefallen, dass eine nicht nur vorübergehende Verringerung der Beschäftigtenzahl einschließlich der geförder-ten Arbeitnehmer die Aufhebung des Bewilligungsbescheides zur Folge habe. Sie habe schließlich einem geförderten Arbeitnehmer gegenüber einem nunmehr ungeförderten Ar-beitnehmer den Vorzug gegeben. Darüber hinaus könne sie die Aufhebung auf eine grob fahrlässig verschuldete Mitteilungspflichtverletzung der Klägerin stützen. Denn diese habe ihr das Ausscheiden des ersten Geförderten nicht mitgeteilt. Die behauptete Vorsprache anlässlich der Abgabe der Schlussabrechnung der anderen Maßnahme könne so nicht statt-gefunden haben, weil die Abrechnung ausweislich des Eingangsstempels in den Haus-briefkasten eingeworfen worden sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08.10.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sie sich gemäß den Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils und aufgrund der vom Sozialgericht erkannten Besonderheiten des Sachverhaltes auf Ver-trauensschutz berufen könne. Insbesondere könne ihr keine grob fahrlässige Mitteilungs-pflichtverletzung unterstellt werden. Hierzu behauptet sie, dass sie anlässlich der Abgabe der Schlussabrechnung für die Maßnahme zum Az.: LKZ 18400/99 (erster Geförderter) bei einer Mitarbeiterin der Beklagten persönlich vorgesprochen und hierbei die Entlassung des ersten Geförderten mitgeteilt habe. Man habe sie nicht darauf hingewiesen, dass sie hier-durch den Anspruch auf die zweite Förderung verlieren würde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beiden Verwaltungsakten der Beklagten zu den Maßnahmen LKZ SAM OfW 18400/99 und 10446/00 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht einge-legt, §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Berufung ist auch begründet.

I.

Das Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil die von der Klägerin angefochtenen Bescheide vom 06.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 12.07.2001 rechtmäßig sind und diese nicht in ihren Rechten verletzen.

1. Der Aufhebungsbescheid vom 06.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2001 ist rechtmäßig.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar ist die Anhörung hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung unvollständig und damit fehlerhaft. Die Beklagte hat aber diesen formellen Fehler geheilt. Denn die Verletzung dieser Verfah-rensvorschrift ist unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung der Beteiligten nachge-holt wird, § 41 Abs. 1 Ziff. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); die Handlung kann bis zu letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, § 41 Abs. 2 SGB X. Eine solche – auch auf die subjektiven Komponenten bezogene Anhörung – ist hier wirk-sam nachgeholt worden. Denn im Widerspruchsbescheid vom 12.07.2001 sind sämtliche Voraussetzungen aufgeführt, auf die die Beklagte die Aufhebungsentscheidung stützt.

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig, weil die Beklagte in der Sache zu Recht die Bewilligung der Lohnkostenzuschüsse für die zweite Geförderte mit Wirkung zum 01.09.2000 aufgehoben hat. Denn ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwal-tungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

a) Durch die Entlassung des ersten Geförderten ist eine Änderung in den tatsächlichen Ver-hältnissen eingetreten. Denn hierdurch ist der Anspruch auf die Förderung der Beschäfti-gung der zweiten Geförderten weggefallen, weil die Klägerin damit die Zahl der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer verringert hat. Zwar können im Beitrittsgebiet Wirtschaftsun-ternehmen im gewerblichen Bereich durch Lohnkostenzuschüsse als Strukturanpassungs-maßnahmen für zusätzliche Beschäftigungen arbeitsloser Arbeitnehmer gefördert werden, §§ 272, 415 Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Arbeitgeber kann den Zuschuss aber nur erhalten, wenn er in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor der Förderung die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitneh-mer nicht verringert hat und während der Dauer der Zuweisung nicht verringert, § 415 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 SGB III. Die Klägerin hat zu Beginn der zweiten Förderung einen Arbeitnehmer beschäftigt, den ersten Geförderten. Diesen hat sie während der zweiten Maßnahme entlassen, ohne hierfür eine Ersatzkraft einzustellen.

Der erste Geförderte ist auch zum Beschäftigtenstand im Sinne von § 415 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 SGB III zu zählen. Denn er wird – wie jeder andere ungeförderte Arbeitnehmer – im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gegen Arbeitsent-gelt (§ 25 Abs. 1 SGB III) beschäftigt (vgl. zum Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Gefördertem: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 20 Rz. 38ff.). Dass der erste Geförderte als Beschäftigter mitzuzählen ist, ergibt sich auch aus § 415 Abs. 3 Satz 7 SGB III. Hiernach bleiben bei der Ermittlung der Zahl der bereits be-schäftigten Arbeitnehmer die aufgrund eines Eingliederungsvertrages oder in Vergabe-maßnahmen nach dem SGB III beschäftigten Arbeitnehmer außer Betracht. Ein Eingliede-rungsvertrag bestand nicht. Maßnahmen nach § 415 Abs. 3 SGB III sind auch keine Ver-gabemaßnahmen. Dies waren Maßnahmen, die der Maßnahmeträger an ein Wirtschaftun-ternehmen vergab (§ 262 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fas-sung). Dies war zwar grundsätzlich auch bei Strukturanpassungsmaßnahmen möglich (§ 278 SGB III). Strukturanpassungsmaßnahmen nach § 415 Abs. 3 SGB III zeichnen sich aber durch die Besonderheit aus, dass sie direkt von dem Wirtschaftsunternehmen – ohne Maßnahmeträger – und nicht in Vergabe betrieben werden (Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, aaO., Rz. 61).

Der erste Geförderte war zudem zu Beginn der zweiten Förderung bereits beschäftigt (in-soweit Unterschied zum Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 01.10.2003, Az.: L 3 B 45/02 AL, zu finden in JURIS, wo eine Einstellung beider Geförderte zum glei-chen Zeitpunkt vorlag).

b) Diese Änderung ist auch schon zum 01.09.2000 wesentlich geworden. Wesentlich im Sin-ne des § 48 Abs. 1 SGB X ist eine Änderung nämlich dann, wenn sie erheblich im Rechts-sinne ist und dazu führt, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt nicht mehr ergehen dürfte (von Wulffen, Kommentar zum SGB X, § 48, Rz. 9). Zwar sind zwischenzeitliche Verrin-gerungen des Beschäftigungsstandes unerheblich; da die Förderung durch Lohnkostenzu-schüsse nach § 415 Abs. 3 SGB III vom Gesetzgeber als unkompliziertes Förderinstrument gedacht und daher großzügig geregelt war, sind zur Beurteilung des Personalstandes die zur Verwaltungsvereinfachung erforderlichen groben, pauschalierenden Maßstäbe heran-zuziehen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.02.2002, Az: B 7 AL 14/01 R, abge-druckt in NZS 2002, Seiten 664ff., insbs. Seite 665). Deshalb ist die Förderungsvorausset-zung, der Personalstand dürfe sich "in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor der Förderung" und "während der Dauer der Zuweisung" nicht verringern, mittels eines Vergleichs des Personalstands zum Zeitpunkt dreier Stichtage – nämlich (mindestens) sechs Monate vor, zu Beginn und am Ende der Förderung – zu prüfen; es ist also jeweils bezogen auf einen Anfangs- und einen Endstichtag die Differenz der Arbeitnehmerzahl festzustellen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.02.2002, aaO.; Urteil des Bundesso-zialgerichts vom 06.03.2003, Az: B 11 AL 49/02 R, zu finden in JURIS). Danach könnte man erwägen, dass der Personalabbau erst zum letzten Stichtag, also hier am 31.05.2001 (Ende der Förderung), wesentlich für den Wegfall des Anspruches geworden sei.

Einer solchen Auffassung folgt der Senat jedoch nicht. Denn die Stichtagsregelung greift nur dann zugunsten des Leistungsempfängers, wenn er die Verminderung tatsächlich aus-gleicht. Sie soll Härten verhindern, die durch einen plötzlichen, unbeabsichtigten und von vornherein vorübergehenden Stellenabbau entstehen und nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgebot in Einklang zu bringen sind (Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.02.2002, aaO.). Sie dient der schnellen Erfassung des dem Anspruch zugrundeliegenden Sachverhalts, ohne diesen schon rechtlich zu werten. Letztlich würde eine solche Lösung dazu führen, dass der Zweck, der mit der Fördervoraussetzung des gleichbleibenden Be-schäftigungsstandes verfolgt wird, verfehlt würde. Denn hierdurch sollten Mitnahmeeffek-te und die Entlassung ungeförderter Arbeitnehmer zur Erlangung von Fördermittel verhin-dert werden (vgl. Hennig et.al., SGB III-Arbeitsförderung, 13. Ergänzungslieferung, § 415, Rz. 41). Gerade in den Fällen, in denen der Arbeitgeber während der Förderung Arbeit-nehmer entlässt und einen wirtschaftlichen Vorteil dadurch erlangt, dass er Geförderte wei-terbeschäftigt, würde eine Aufhebung der Förderung faktisch unmöglich.

c) Die Beklagte war auch verpflichtet, die Bewilligung ab dem 01.09.2000 aufzuheben. Denn ein Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzu-heben, soweit der Betroffene wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass der Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist, § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III. Die Klägerin hat aber ihre Unkenntnis vom Wegfall der Leistung selbst grob fahrlässig verursacht. Hiervon ist der Senat nach dem Sachvortrag im Verfahren und dem Eindruck, den er sich in der mündlichen Verhandlung von der Klä-gerin verschafft hat, überzeugt. Insofern ist ein subjektiver Sorgfältigkeitsbegriff anzuwen-den; es ist dabei maßgeblich darauf abzustellen, ob der Betroffene unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit nach den Umständen des konkreten Einzelfalles seine Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt hat (Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.12. 1972, Az.: 7 RKg 6/69, abgedruckt in BSGE 35, Seiten 108 ff., insbs. Seite 112; Urteil vom 31.08.1976, Az. 7 RAr 112/74, abgedruckt in SozR 4100, § 152, Nr. 3, insbs. Seite 4 m.w.N.). Eine Sorgfaltspflichtverletzung in diesem hohen Maße ist demnach nur dann anzunehmen, wenn der Begünstigte den Wegfall der Leis-tungsberechtigung bei oberflächlicher Prüfung ohne Mühen erkennen konnte und die Feh-ler geradezu ins Auge springen musste; hierzu genügt eine Parallelwertung in der Laien-sphäre (von Wulffen, aaO., Rz. 25 und § 45, Rz. 23).

Der Klägerin musste sich aber selbst bei oberflächlicher Prüfung den Wegfall der Förde-rung ohne weiteres aufdrängen. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.03.2005 erklärt, dass sich durch die Entlassung des ersten Geförderten auch nach ihrem Verständnis das Personal rein rechnerisch verringert habe; es sei jedoch nur ein Auslaufen der Förderung geworden. Ihr musste sich aber auch der Schluss aufdrängen, dass diese Verringerung einer weiteren Förderung entgegensteht. Denn aus den Antragsformularen für beide Förderungen und aus dem Bewilligungsbescheid ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass auch andere Geförderte bei der Ermittlung des Beschäftigungsstandes zu berücksichtigen sind. Schon aus den Auflagen zu Ziff. 6.4 und 6.8 ergibt sich, dass andere, ebenfalls über SAM OfW geförderte Arbeitnehmer zum Personalbestand gehören und de-ren Ausscheiden erheblich für die Förderung sind. Dies ergibt sich auch schon aus den Fragen zu Personalbestand zum Beginn der Förderung und sechs Monate vor Beginn der Förderung, die im Förderantrag zu beantworten sind (Frage 5.1 und 5.2). Zudem hatte die Klägerin mit dem Antrag zur ersten Förderung einen Abdruck des § 415 Abs. 3 SGB III und den Hinweis erhalten, dass zu der in Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 angesprochenen Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auch die mit Lohnkostenzuschüssen Ost (§ 249 Abs. 4b AFG) bzw. Strukturanpassungsmaßnahmen Ost (§ 415 Abs. 3 SGB III) für Wirt-schaftsunternehmen geförderten Arbeitnehmer zählen. Aus diesen recht einfach gehaltenen und ohne weiteres verständlichen Hinweisen hätte die Klägerin den Schluss ziehen müs-sen, dass sie seit der Entlassung des ersten Geförderten am 01.09.2000 keinen Anspruch auf den Lohnkostenzuschuss mehr hat. Auch die Einlassung der Klägerin, die Hinweise nicht oder nicht genau gelesen zu haben sollte, lässt den Vorwurf einer grob fahrlässig her-beigeführten Unkenntnis nicht entfallen. Denn es obliegt dem Leistungsempfänger, den Inhalt ihm übergebener Merkblätter und Hinweise zur Kenntnis zu nehmen; die Nichtbe-achtung dieser Obliegenheit begründet die zur Aufhebung erforderliche grobe Fahrlässig-keit (von Wulffen, aaO., § 45, Rz. 24).

Dem erhöhten Verschuldensgrad der Klägerin steht auch nicht die behauptete unvollstän-dige Beratung über die Auswirkungen der Entlassung auf die zweite Förderung entgegen. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob diese Vorsprache überhaupt oder mit dem be-haupteten Gesprächsinhalt stattgefunden hat. Denn schon nach dem Sachvortrag der Klä-gerin ist überhaupt nicht über die zweite Förderung gesprochen worden. Allenfalls eine aktive Falschberatung in dem Sinne, dass sich keinerlei Auswirkungen ergäben, hätte das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen. So war die Klägerin aber nicht der Obliegenheit enthoben, in der konkreten Situation den Bescheid samt Auflagen und Bedin-gungen zu lesen oder sich nochmals von einer Mitarbeiterin der Beklagten ? freilich unter Nennung aller Tatsachen und in Bezug auf die zweite Förderung – beraten zu lassen.

Etwaiges Verschulden von Mitarbeitern der Beklagte ist bei der Aufhebungsentscheidung nicht zu berücksichtigen. § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X hat nur die grob fahrlässige Unkenntnis des begünstigten Leistungsempfängers zur Voraussetzung. Ein Mitverschulden der Behörde kann nur als Beschränkung der Aufhebungsentscheidung im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt werden; einer solchen Ermessensaus-übung ist die Beklagte aber wegen § 330 Abs. 3 SGB X enthoben.

2. Auch der Schlussbescheid und die hier verfügte Erstattung von 5.542,40 EUR ist rechtmäßig. Denn soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, § 50 Abs. 1 SGB X. Die Bewilligung der Lohnkostenzuschüsse ist aber durch den angegriffenen Aufhebungsbescheid für die Zeit ab dem 01.10.2000 wirksam aufgeho-ben. Soweit die Beklagte Lohnkostenzuschüsse für die Zeit nach dem 30.09.2000 erbracht hat, sind diese in der festgesetzten Höhe zu erstatten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

III.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG hat. Denn es ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung dazu ergangen, wann die Verringerung des Beschäftigungsstandes während einer nach § 415 Abs. 3 SGB III geförderten Strukturanpassungsmaßnahme wesentlich im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X wird. Die bisherigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts beschäftigen sich lediglich mit der Ablehnung der Förderung, weil schon vor Beginn der Maßnahme eine Verringerung eingetreten ist. Diese Rechtsfrage hat auch noch – trotz Außerkrafttretens der maßgeblichen Vorschriften – noch grundsätzliche Bedeutung, weil ihre Beantwortung noch für zahlreiche andere Verfahren erheblich ist.
Rechtskraft
Aus
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