L 16 KR 90/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 229/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 90/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 19/02 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12. April 2001 wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden Kosten in Höhe von 225,-- Euro auferlegt. Im übrigen sind Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Fortführung der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers mit Anspruch auf Krankengeld (Krg) ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger, der als selbständiger Bezirksschornsteinfeger tätig ist, ist langjähriges freiwilliges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Das Versicherungsverhältnis bestand mit Anspruch auf Krg ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Zum 01.01.1998 änderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Satzung dahin, dass freiwillige Mitglieder, die selbständig tätig sind, nur noch mit Anspruch auf Krg vom Beginn der 3. oder 7. Woche wahlweise versichert werden konnten. Eine Ausnahme wurde für diejenigen Versicherten vorgesehen, die vor Vollendung des 50. Lebensjahres beantragt hatte, dass Krg vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wurde. Diese Übergangsregelung trat mit Wirkung zum 01.04.2000 durch Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom 09.12.1999 außer Kraft und wurde durch das Landesversicherungsamt Nordrhein-Westfalen am 14.12.1999 genehmigt.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten stufte den Kläger mit Bescheid vom 27.12.1999 ab dem 01.01.2000 mit einem Krankenversicherungsbeitrag von monatlich 1.264,20 DM ein und wies ihn darauf hin, dass ab dem 01.04.2000 nicht mehr die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krg ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit bestehe. Der Kläger widersprach dem mit Schreiben vom 17.01.2000 und machte geltend, dies treffe auf seinen Versicherungsvertrag nicht zu.

Mit weiterem Bescheid vom 03.04.2000 stufte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger ab dem 01.04.2000 mit einem Beitrag von 1.109,40 DM und Anspruch auf Krg ab Beginn der 3. Woche der Arbeitsunfähigkeit ein.

Der Kläger legte erneut am 14.04.2000 Widerspruch ein und machte geltend, nur hilfsweise begehre er einen Versicherungsschutz mit Anspruch auf Krg ab Beginn der 3. Woche der Arbeitsunfähigkeit. Er habe seit ca. 20 Jahren mit der Beklagten vereinbart, dass er Anspruch auf Krg ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit habe. Durch die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen werde er in seinem Sozialstatus erheblich benachteiligt. Auch aus Gründen des Bestandsschutzes sei die Änderung des Krg-Anspruchs nicht hinzunehmen. Als Selbständigen träfe ihn ein krankheitsbedingter Arbeitsausfall in den ersten Wochen ohne die Kompensationsmöglichkeit durch das Krg besonders stark, weil seine Fixkosten weiter liefen und eine Vertretung kaum beschafft werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Änderung der Satzung, durch die der Umfang des Leistungsanspruchs auch für bestehende Versicherungsverhältnisse eingeschränkt werde, rechtlich unbedenklich, sofern Ansprüche aus vor der Rechtsänderung eingetretenen Versicherungsfällen nicht berührt würden. Freiwillig versicherte Mitglieder müssten immer damit rechnen, dass der Versicherungsträger von der ihm gesetzlich eingeräumten Befugnis autonomes Recht zu setzen, auch in Zukunft und ggf. auch zu Lasten der Versicherten Gebrauch mache. Ein rechtlich geschütztes Vertrauen auf den unveränderten Bestand der satzungsrechtlich geregelten Ansprüche bestehe nicht.

Der Kläger hat am 21.12.2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben auf Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2000 (richtig: 03.04.2000) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2000 (richtig 23.11.2000) und Feststellung, dass die ursprünglich vereinbarten Bedingungen seiner freiwilligen Krankenversicherung fortbestünden. Er hat weiterhin geltend gemacht, dass er in seinem Bestandsschutz beeinträchtigt und in sozial nicht hinnehmbarer Weise durch die Satzungsänderung betroffen werde. Auch verletze diese Satzungsänderung den Gleichheitsgrundsatz, weil das freiwillig versicherte Mitglied ebenso behandelt werden müsse, wie das angestellte Mitglied. Schließlich habe die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, gegen einen erhöhten Beitrag den bestehenden Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten.

Mit Urteil vom 12.04.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 23.04.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.05.2001 Berufung eingelegt und geltend gemacht, angesichts seines Alters von jetzt 57 Jahren bestünde für ihn nicht mehr die Möglichkeit, sich zu gleichen Kosten und Bedingungen bei einer privaten Krankenversicherung mit Tagegeld ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu versichern. Infolge der Einschränkung der Leistungen durch die Beklagte sei er gezwungen, seinen Sozialstatus bei einer privaten Versicherung abzusichern, wodurch erhebliche zusätzliche Kosten auf ihn zukämen. Er habe auf den Fortbestand des Vertrages vertrauen dürfen und keine Veranlassung gehabt, zusätzliche Vorkehrungen zu treffen. Insoweit sei auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Ebenso verstoße die Satzungsänderung gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 1 GG, weil er durch eine willkürliche Satzungsänderung in seinen schützenswerten Positionen beeinträchtigt werde. Auch unter Berücksichtigung der mit Einführung des Gesundheitsreformgesetzes angestrebten Kostenersparnisse sei es der Beklagten möglich gewesen, entsprechende Versicherungsleistungen weiterhin anzubieten. Schließlich verstoße die Satzungsänderung gegen das Gleichheitsgebot, weil eine Differenzierung zwischen der Gruppe der Pflicht- und der freiwillig Versicherten nicht zulässig sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 12.04.2001 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 31.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 insoweit aufzuheben, als dort festgestellt ist, dass der Kläger ab April 2000 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit versichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich weiterhin auf die Rechtsprechung des BSG und ist der Auffassung, dass ihre Satzungsänderung keine Grundrechte des Klägers beeinträchtige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die auf die Anfechtung des Bescheides vom 03.04.2000 - das im Verhandlungstermin im Klageantrag protokollierte Datum 31.03.2000 ist offensichtlich irrtümlich erfolgt, da der unter diesem Datum erlassene weitere Bescheid, der eine Versicherung ohne Krg-Anspruch vorsah, bereits im Widerspruchsverfahren aufgehoben und durch den Bescheid vom 03.04.2000 ersetzt worden ist, auf den sich auch inhaltlich allein der Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 bezieht - hinsichtlich des Beginns des Krg-Anspruchs beschränkte Klage ist zulässig. Auch wenn schon der Bescheid vom 27.12.1999 als feststellender Verwaltungsakt über die Änderung des Versicherungsstatus bezüglich des Krg-Anspruchs anzusehen wäre (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 4 S. 5 f), so ist infolge der Anfechtung auch dieses Bescheides durch den Kläger ein einheitliches Vorverfahren bezüglich der Krg-Versicherung in Gang gesetzt worden. Da die Beklagte ihre Widerspruchsentscheidung auf den späteren Bescheid beschränkt hat, durch den der Krg-Anspruchsbeginn endgültig festgesetzt worden ist, durfte auch der Kläger sein Rechtsmittel hierauf beschränken, da mit der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Regelung für die Beteiligten verbindlich feststeht, wie sich in Zukunft der Anspruch des Klägers gestaltet. Es bedurfte dabei auch keines über die Anfechtung hinausgehenden Klage- und Berufungsantrages (vgl. BSG wie vor).

Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und die Klage daher nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Fortsetzung seiner Krankenversicherung mit der Krg-Regelung zu, wie sie gemäß der Übergangsregelung in Anhang 4 Abs. 1a zu § 8 Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 01.04.2000 Gültigkeit hatte. Danach konnten freiwillige, selbständig erwerbstätige Mitglieder, die aufgrund der bisherigen Satzungsbestimmungen vor Vollendung des 50. Lebensjahres beantragt hatten, dass Krg vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wurde, mit entsprechendem Anspruch weiter versichert werden, wenn eine derartige Versicherung zum 30. Juni 1997 bestanden hatte. Diese Übergangsregelung hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch durch ordnungsgemäß genehmigten Beschluss zum 01.04.2000 außer Kraft gesetzt, so dass freiwillige Mitglieder, die selbständig tätig sind, nach § 8 Abs. 2 der Satzung frühestens mit Anspruch auf Krg ab Beginn der 3. Woche der Arbeitsunfähigkeit versichert werden können. Aufgrund dieser Bestimmung hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger mit einem entsprechend eingeschränkten Krg-Anspruch weiterversichert.

Demgegenüber kann sich der Kläger nicht auf einen "Versicherungsvertrag" mit der Beklagten stützen, an den diese gebunden wäre. Die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter war und ist auch bei Ersatzkassen öffentlich geregelt und wird nicht durch Vertrag begründet (BSG Urt. v. 04.11.1992 - 1 RK 12/92 - Umdr.S. 5). Eine Änderung des Mitgliedschaftsverhältnisses bestimmt sich allein nach den gesetzlichen Vorschriften und der ihnen entsprechenden Satzung.

Die Satzungsregelung einschließlich der Aufhebung der Ausnahmeregelung ist durch § 44 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) gedeckt. Weder diese Ermächtigungsnorm noch die streitigen Satzungsbestimmungen verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), noch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (Rückwirkungsverbot). Insoweit verweist der Senat auf das den Beteiligten bekannte Urteil des BSG vom 28.09.1993 - 1 RK 34/92 - (= SozR 3-2500 § 44 Nr. 4 S. 7 ff).

Allein der Umstand, dass der Kläger sich möglicherweise nur unter Aufwendung zusätzlicher Mittel einen Versicherungsschutz wie in bisheriger Weise verschaffen könnte, rechtfertigt keine Abweichung von dieser Rechtsprechung (vgl. BSG Beschl. v. 27.06.2000 - B 1 KR 64/99 B -), zumal durch die eingetretene Beitragssenkung infolge der Beschränkung des Krg-Anspruchs eine gewisse Kompensation beim Kläger eingetreten ist.

Ebensowenig war die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtet, durch andere Gestaltungsmöglichkeiten ihre Einsparungsziele zu verwirklichen - etwa Beginn des Krg-Anspruchs gestaltet nach anderen Beitragssätzen -, da das von ihr gewählte Mittel geeignet und verhältnismäßig gewesen ist.

Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.

Angesichts der eindeutigen durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärte Rechtslage, mit der sich der Kläger trotz entsprechender Hinweise schon im angefochtenen Widerspruchsbescheid in keiner Weise auseinandergesetzt hat, wertet der Senat die Fortsetzung des Rechtsstreits durch den Kläger als mißbräuchliche Rechtsverfolgung (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG -), so dass ihm nach entsprechendem Hinweis im Verhandlungstermin als verursachter Kostenbetrag der Mindestbetrag von 225,-- Euro aufzuerlegen war (§§ 192 Abs. 1 Satz 3, 184 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung im übrigen beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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