S 13 P 41/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 P 41/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 (3) P 41/04
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, der Beigeladenen 218.074,52 EUR zu zahlen.

Die Beklagte führte bei der Klägerin und der Beigeladenen vom 02.08. bis 10.09.1999 eine Gesamtverwaltungsprüfung gemäß § 274 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw. § 46 Abs. 6 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) durch. Dabei stellte sie fest, dass es bei technischen Hilfsmitteln zu Fehlbuchungen gekommen war. Diese beruhten darauf, dass die nachrangige Leistungspflicht der Pflegeversicherung gegenüber der Krankenversicherung (§ 40 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB XI) nicht beachtet worden war. Die Beklagte ermittelte einen Fehlbuchungsgesamtbetrag von 53.196,50 DM. Anlässlich der Besprechung des Prüfergebnisses am 09.08.2000 erklärten die Klägerin und die Beigeladene, sie hätten für 1999 bereits eine repräsentative Stichprobe und eine entsprechende Umbuchung vorgenommen. Auf entsprechende Nachfrage übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 08.10.2001 einen Umbuchungsbeleg der Beigeladenen in Höhe von 53.196,50 DM. Diesen Beleg konnte die Beklagte bei späterer Überprüfung im Sachbuch nicht als Buchung nachvollziehen; sie geht deshalb davon aus, dass der Buchungsbeleg gefälscht ist.

Am 17./18.04. und 03.05.2001 führte die Beklagte eine Schwerpunktprüfung zur Leistungsabgrenzung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung für die Jahre 1998 bis 2000 durch. Die durch den Prüfdienst der Beklagten gezogene Stichprobe ergab bei den Ausgaben für technische Pflegehilfsmittel auf dem Konto Q 0000 Fehlerquoten von 76,47% in 1998, 59,10% in 1999 und 7,28% in 2000 bzw. einen Hochrechnungsbetrag von 174.124,34 DM allein für die Jahre 1998 bis 2000. Mit Schreiben vom 12.10.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es mit der Korrektur der in der ersten (Gesamtverwaltungs-)Prüfung konkret beanstandeten Fälle allein nicht getan sei; vielmehr habe sie eine Korrektur mittels Einzelfallüberprüfung aller Fälle im Leistungszeitraum 1995 bis 2000 oder mittels einer pauschalen Umbuchung aufgrund einer Hochrechnung durch eine repräsentative Stichprobe vorzunehmen. Bei der Besprechung des Ergebnisses der Schwerpunktprüfung hatte die Klägerin selbst bereits eine umfassende Berichtigung fehlerhafter Buchungen für die Zeit ab 01.04.1995 durch Einzelfallprüfung zugesagt. Da dies jedoch nicht geschah, erinnerte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 28.11.2001 an das Schreiben vom 12.10.2001 und kündigte eine Nachprüfung im Rahmen einer Vollprüfung der Thematik nach § 88 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an; beide Schreiben waren mit einem Gesprächsangebot verbunden. Nach telefonischer Kontaktaufnahme am 16.01.2002 kündigte die Beklagte mit Telefax vom 21.01.2002 eine Prüfung für die 12. Kalenderwoche (18.- 22.03.2002) an und bat um Übersendung der Sachbuchauszüge der einschlägigen Konten P 4300, 4310 und 4320 der Jahre 1996 bis 2002 und der Konten P 4200 und 5100 der Jahre 2000 und 2001. In der Folgezeit erinnerte die Beklagte dreimal an die angeforderten Sachbuchauszüge, jeweils unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit im Hinblick auf den Beginn der Prüfung vom 18.03.2002.

Mit Schreiben vom 19.02.2002, zugestellt am 21.02.2002, wurde die Beigeladene durch die Beklagte über das Aufsichtsrecht und die Aufsichtsmittel des Bundesversicherungsamtes förmlich gemäß § 89 Abs. 1 SGB IV beraten. Am 27.02.2002 gingen daraufhin die angeforderten Sachbuchauszüge bei der Beklagten ein. Die Beigeladene erklärte mit Schreiben vom 01.03.2002, dass sie eine Eigenprüfung begonnen habe und bis zum 30.06.2002 abgeschlossen haben werde; über das Ergebnis werde sie die Beklagte informieren. Dies geschah jedoch nicht.

Mit Schreiben vom 26.07.2002 kündigte die Beklagte daraufhin erneut eine Prüfung nach § 88 SGB IV bei der Beigeladenen an und führte diese in der Zeit vom 25. bis 29.11.2002 durch. Bei dieser Prüfung wurde festgestellt, dass die Beigeladene im Zeitraum 01.04.1996 bis 21.11.2002 technische Hilfsmittel Pflegebedürftiger im Wert von 425.337,33 EUR der Leistungspflicht der Pflegeversicherung zugeordnet hatte. Von diesen Hilfsmitteln waren 48,73% (im Wert von 207.262,81 EUR) Hilfsmittel, die das Pflegehilfsmittelverzeichnis vom 14.03.1996 aufführt; 51,27% (im Wert von 218.074,52 EUR) waren Hilfsmittel, die nicht dem genannten Verzeichnis entsprechen. Die Beklagte stellte hierzu im Prüfbericht fest, es handele sich bei den nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis genannten Hilfsmitteln in der Regel um Hilfsmittel des für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) maßgeblichen Verzeichnisses nach § 128 SGB V, die bewilligt worden seien, ohne die vorrangige Leistungspflicht der Krankenkasse im Einzelfall zu prüfen bzw. auszuschließen. Soweit vereinzelt Zuordnungen zur Pflegeversicherung erkennbar gewesen seien, hätten diese keiner rechtlichen Einzelfallprüfung entsprochen, sondern in ihrer Begründung geradezu die Leistungspflicht der GKV aufgezeigt. Einzelfallprüfungen seien nicht dokumentiert gewesen.

Mit Schreiben vom 31.07.2003 teilte die Beigeladene mit, sie sei in vielen Bereichen anderer Auffassung als die Beklagte und werde sich zunächst einmal darauf beschränken, die eindeutig und klaren Fälle umzubuchen. Einen Vollzug dieser angekündigten Umbuchung bestätigte die Beigeladene in der Folgezeit ebensowenig wie die Klägerin.

Mit aufsichtsrechtlichem Beratungsschreiben vom 28.08.2003 teilte die Beklagte der Klägerin einen Vorbericht über das Prüfergebnis mit den in Excel-Listen aufgeführten Einzelfällen mit und forderte sie auf, den in der Vergangenheit durch fehlerhafte Zuordnungen von Hilfsmitteln zu Lasten der Beigeladenen entstandenen Schaden in Höhe von 218.074,52 EUR unverzüglich auszugleichen und dies schriftlich innerhalb einer Frist von 3 Wochen zu bestätigen, anderernfalls der Erlass eines entsprechenden Verpflichtungsbescheides beabsichtigt sei. Mit einem im Wesentlichen inhaltsgleichen Beratungsschreiben vom selben Tag forderte die Beklagte die Beigeladene auf, den Schadensbetrag unverzüglich gegenüber der Klägerin geltend zu machen und dies innerhalb einer Frist von drei Wochen zu bestätigen, anderenfalls ebenfalls der Erlass eines entsprechenden Verpflichtungsbescheides beabsichtigt sei. Die Klägerin und die Beigeladene kamen den Aufforderungen nicht nach.

Daraufhin verpflichtete die Beklagte die Klägerin durch Bescheid vom 17.10.2003, zugestellt am 21.10.2003, den der Beigeladenen in der Vergangenheit durch fehlerhafte Zuordnung von Hilfsmitteln entstandenen Schaden in Höhe von 218.074,52 EUR unverzüglich auszugleichen und den zugunsten der Beigeladenen erfolgten Ausgleich der Schadenssumme spätestens bis zum 01.12.2003 schriftlich zu bestätigen. Mit weiterem Bescheid vom 17.10.2003, zugestellt am 21.10.2003, verpflichtete die Beklagte die Beigeladene, den ihr in der Vergangenheit durch fehlerhafte Zuordnung von Hilfsmitteln entstandenen Schaden in Höhe von 218.074,52 EUR unverzüglich gegenüber der Klägerin geltend zu machen und die Geltendmachung des Schadens bis spätestens 01.12.2003 schriftlich zu bestätigen. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Ergebnis ihrer Prüfung nach § 88 SGB IV. Der Grundsatz der Subsidiarität der Leistungspflicht der Pflegeversicherung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB XI sei nicht beachtet worden. Mit der Einführung des § 40 SGB XI habe sich der Leistungsumfang der Krankenversicherung nicht geändert; er bestehe unverändert fort. Es sei daher auch nicht möglich, dass Hilfsmittel, die wegen einer Behinderung und einer Krankheit erforderlich seien und grundsätzlich zu Lasten der Krankenversicherung bewilligt werden, nun von der Pflegeversicherung bereitgestellt werden, weil aufgrund der Behinderung oder Erkrankung zusätzlich noch Pflegebedürftigkeit gegeben sei. Würden gleichzeitig die Leistungsvoraussetzungen der Krankenversicherung erfüllt, sei die Pflegekasse nicht eintrittspflichtig. Sollte in einem konkreten Einzelfall ein Hilfsmittel der Pflegeversicherung zuzuordnen sein, welches nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis in der Fassung vom 14.03.1996 aufgeführt sei, so habe die Pflegekasse dies umfassend zu begründen und zu dokumentieren. Sofern sich eine solche Begründung aus einem vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu erstellenden Pflegegutachten ergebe, habe eine vom MDK gegebene Empfehlung zur Verbesserung/Veränderung der Pflegehilfsmittel-/Hilfsmittelversorgung für die Frage der Leistungspflicht der Kranken- oder Pflegekasse keine präjudizierende Wirkung; die Begutachtungsrichtlinien vom 21.03.1997 in der überarbeitenden Fassung vom 22.08.2001 enthielten keinerlei Anleitung für die Frage der Abgrenzung der Leistungspflicht der Kranken- und Pflegeversicherung. Der Versicherungsträger habe die Notwendigkeit der Versorgung mit einem Pflegehilfsmittel unter Beteiligung einer Pflegefachkraft oder des MDK zu überprüfen. Eine ärztliche Verordnung sei vom Gesetz nicht vorgesehen und somit auch nicht ausreichend. Die Beigeladene habe pflegebedürftigen Versicherten in vollstationärer Pflege Hilfsmittel nach § 40 Abs. 1 und 3 SGB XI gewährt. Diese Hilfsmittel seien nach systematischer Auslegung des SGB XI unzulässig. Die Beklagte verwies insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.02.2000 (B 3 KR 26/88 R). Sie habe die geprüften Fälle, in denen Pflegehilfsmittel gewährt worden seien, mitgeteilt und im Einzelnen kenntlich gemacht, in welchen Fällen eine vorrangige Leistungspflicht der Krankenversicherung gegeben gewesen sei und es deshalb zu Fehlbuchungen in Höhe von 218.074,52 EUR zu Lasten der Beigeladenen gekommen sei.

Am 00.00.0000 hat die Klägerin "gegen den Bescheid des Bundesversicherungsamtes vom 17.10.2003" Klage erhoben.

Am 00.00.0000 hat auch die Beigeladene "gegen den Bescheid des Bundesversicherungsamtes vom 17.10.2003" Klage erhoben. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts auf die Versäumung der Klagefrist hat die Beigeladene ihre Klage am 20.02.2004 zurückgenommen. Durch Beschluss vom 24.02.2004 ist sie zu diesem Verfahren beigeladen worden.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte bei Gehhilfen, Rollstühlen, Bett- und Patientenliftern zu Unrecht in jedem Fall davon ausgehe, dass durch diese Hilfsmittel immer noch eine Restmobilität geschaffen werde; richtig sei, dass dies in den seltensten Fällen der Fall sei. Die Klägerin meint, dass auch Produkte, die nur im Hilfsmittelverzeichnis der GKV nach § 128 SGB V aufgeführt seien, Pflegehilfsmittel sein könnten, wenn sie ausschließlich der Pflegeerleichterung bzw. nur der Verhinderung der Überforderung der Pflegepersonen oder nur der selbständigen Lebensführung des Pflegebedürftigen dienten. Beispielhaft nennt die Klägerin Badehilfen und Badewannenlifter. Abweichend hiervon vertritt die Klägerin im (erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten) Schriftsatz vom 12.10.2004 die Auffassung, von den beanstandeten Fällen seien Hilfsmittel dieser Art im Wert von 10.595,85 EUR als Leistungen der Pflegeversicherung anzusehen, da sie überwiegend der Pflegeerleichterung gedient hätten. Die Klägerin meint, der von ihr zu erstattende Betrag sei um weitere 7.306,16 EUR und 8.338,34 EUR zu mindern, weil Pflegebetten und Wechseldruckmatrazen typische Leistungen der Pflegeversicherung seien. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie erst zur Kostenübernahme von Hilfsmitteln verpflichtet sein könne, wenn ihre Leistungspflicht im Einzelfall feststehe. Die Klägerin behauptet, dass ihre Verpflichtung durch den angefochtenen Bescheid aufgrund einer nicht ausreichenden Einzelfallprüfung durch die Beklagte erfolgt sei. Sie meint, es sei rechtswidrig, sie zu Leistungen zu verpflichten, die von der Beigeladenen rechtmäßig gewährt worden sein könnten oder die nicht als notwendige Leistungen der Krankenversicherung feststünden. Es sei möglich, dass sich die Nutzung der von der Beigeladenen bezahlten Rollstühle auf den Bereich innerhalb des Krankenhauses oder des Pflegeheimes beschränkt haben könnte, so dass die Rollstühle im Rahmen der stationären Pflege von dem Krankenhaus oder dem Pflegeheim vorzuhalten und zur Verfügung zu stellen gewesen seien, ohne dass eine Leistung durch die Klägerin erforderlich gewesen wäre. Weiterhin wäre es möglich, dass sehr auf die häusliche Pflege bezogene Leistungen wie Badehilfen ausschließlich der Pflegeerleichterung gedient hätten, wenn die betroffenen Versicherten nicht mehr in der Lage gewesen wären, zumindest teilweise einen eigenständigen Badevorgang zu verrichten. Ferner sei es möglich, dass Inkontinenzhilfen ausschließlich der Pflegeerleichterung gedient hätten, wenn dauernde Bettlägerigkeit des Versicherten vorgelegen habe und die Inkontinenzhilfen allein aus hygienischen und pflegerischen Gesichtspunkten zum Einsatz gekommen wären. Im Übrigen verweist die Klägerin auf § 111 SGB X und meint, zumindest die Erstattungsansprüche der Beigeladenen bezüglich Leistungen der Jahre 1996 bis 1999 seien verfristet, Erstattungsansprüche bezüglich der Jahre 1996 bis 1998 sogar verjährt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Sie ist der Auffassung, dass bei der gesetzlich angeordneten strikten Nachrangigkeit der Leistungspflicht der Pflegeversicherung bei technischen Hilfsmitteln und einem von der Rechtsprechung weitgefassten Begriff des Behinderungsausgleichs gemäß § 33 SGB V nur extreme Ausnahmefälle denkbar seien, in denen ein Hilfsmittel aus dem Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung nach § 128 SGB V einmal ausschließlich der Erleichterung der Pflege diene. Die Aufsichtspraxis und die Prüfmaßstäbe des Bundesversicherungsamtes hätten sich am Grundsatz der strikten Nachrangigkeit auszurichten. Dabei werde bei Hilfsmitteln, die im Pflegehilfsmittelverzeichnis stehen, keine Einzelfallprüfung der vorrangigen Leistungspflicht der Krankenversicherung gefordert, obwohl auch hier, z.B. bei Betten, eine weitreichende Leistungspflicht der Krankenversicherung bestehen könne. Bei allen Hilfsmitteln jedoch, die nicht in das Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgenommen seien und insbesondere bei Hilfsmitteln aus dem Hilfsmittelverzeichnis der GKV nach § 128 SGB V sei eine dezidierte Begründung des Ausschlusses einer vorrangigen Leistungspflicht der Krankenversicherung notwendig; wenn in einem konkreten Einzelfall ein Hilfsmittel, welches nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis in der Fassung vom 14.03.1996 aufgeführt sei, der Pflegeversicherung zugeordnet werde, so habe die Pflegekasse dies umfassend zu begründen und zu dokumentieren. Dies sei in den streitbefangenen Fällen nicht geschehen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass in nahezu sämtlichen beanstandeten Fällen allein eine ärztliche Verordnung mit ausschließlich medizinischer Indikation der Hilfsmittelgewährung zugrunde lag. Demnach habe zweifelsfrei die Leistungspflicht der Krankenversicherung bestanden. In keinem der beanstandeten Fälle habe die Klägerin die von ihr behauptete Leistungspflicht der Pflegeversicherung in ausreichender Form begründet.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie schließt sich dem Antrag und der Rechtsauffassung der Klägerin an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, weil ein Versicherungsträger die Klage erhoben hat (§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Bundesversicherungsamt ist die für die Aufsicht über die Klägerin und die Beigeladene zuständige Aufsichtsbehörde, da es sich bei den beiden Kassen um bundesunmittelbare Versicherungsträger handelt (§ 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Beklagte war berechtigt, die Geschäftsführung der Klägerin und der Beigeladenen zu prüfen (§ 88 Abs. 1 SGB IV i.V.m. §§ 274 Abs. 1 SGB V, 46 Abs. 6 SGB XI). Sie hat sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene in den Beratungsschreiben vom 28.08.2003 ausführlich über die Sach- und Rechtslage sowie die bei der Geschäftsprüfung festgestellten Rechtsverletzungen informiert und darauf hingewirkt, dass die Kassen diese Rechtsverletzungen innerhalb einer angemessenen Frist beheben (§ 89 Abs. 1 Satz SGB IV). Da die Klägerin und die Beigeladenen dem nicht nachgekommen sind, war die Beklagte berechtigt, die Verpflichtungsbescheide vom 17.10.2003 zu erlassen (§ 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Klägerin und die Beigeladene haben die in § 40 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB XI normierte Subsidiarität der Leistungspflicht der Pflegeversicherung gegenüber der der Krankenversicherung in dem vom Beklagten festgestellten Umfang nicht beachtet. Die Kammer schließt sich in vollem Umfang der Auffassung der Beklagten im Verpflichtungsbescheid vom 17.10.2003 an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung dieses Bescheides (§ 136 Abs. 3 SGG). Die Beklagte hat die beanstandeten Fälle aufgelistet; die Klägerin hat dagegen keine substanziierten Einwände erhoben. Sie hat in keinem der vom Beklagten beanstandeten Fälle die von ihr behauptete nachrangige Leistungspflicht der Pflegeversicherung in ausreichender Form begründet. Hierzu bestand insbesondere deshalb Anlass, weil Hilfsmittel betroffen sind, die nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, und weil in nahezu sämtlichen beanstandeten Fällen allein eine ärztliche Verordnung mit ausschließlich medizinischer Indikation der Hilfsmittelgewährung zugrunde lag.

Der Vortrag der Klägerin, es sei im Einzelfall möglich, dass eines der in Rede stehenden Hilfsmittel von einem Krankenhaus oder einem Pflegeheim vorzuhalten gewesen sei oder ausschließlich der Pflege der Versicherten gedient habe, basiert nicht auf konkret dokumentierten Erkenntnissen, sondern ist reine Spekulation. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht die Aufsichtsbehörde verpflichtet, die Leistungspflicht der Kranken- bzw. Pflegeversicherung im Einzelfall nachzuweisen; vielmehr hat die Pflegekasse die Hilfsmittelleistungen zu dokumentieren und im Einzelfall nachzuweisen, dass sie nachrangig - ausschließlich - leistungspflichtig ist. Diesen Nachweis haben die Klägerin bzw. die Beigeladene auch nicht dadurch erbracht, dass sie im Schriftsatz und in der mündlichen Verhandlung vom 00.00.0000 einzelne Hilfsmittel unter Angabe von Belegnummern im Wert von insgesamt 26.240,44 EUR lediglich aufgelistet und dazu die Auffassung vertreten haben, es handele sich um "typische Leistungen der Pflegeversicherung", um "rein prophylaktisch eingesetzte Hilfsmittel" oder "Pflegehilfsmittel", die überwiegend der Pflegeerleichterung dienten".

Pflegeerleichterung und Behinderungsausgleich schließen sich nicht gegenseitig aus. Ein Hilfsmittel kann gleichzeitig beide Funktionen erfüllen, ohne dass seine Hilfsmitteleigenschaft im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V entfällt (BSG, Urteil vom 25.01.1995 - 3/1 RK 63/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 13 = NZS 1995, 412 m.w.N.). Um ein reines Pflegehilfsmittel, das der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugerechnet werden kann, handelt es sich nur dann, wenn es im konkreten Fall allein der Erleichterung der Pflege durch die Pflegeperson dient. Dies hat die Klägerin für keinen der beanstandeten Fälle konkret dargelegt. Der Subsidaritätsgrundsatz des § 40 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB XI bedeutet, dass ein Hilfsmittel, das nicht ausschließlich der Pflegeerleichterung dient, sondern zumindest auch eine der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 SGB V erfüllt, in die vorrangige Leistungspflicht der Krankenversicherung fällt. Dies trifft auf die von der Beklagten beanstandeten Fälle zu.

Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zuordnung der Leistungen zur Krankenversicherung oder Pflegeversicherung im Hinblick auf die unterschiedlichen Finanzausgleiche in den beiden Sozialversicherungsbereichen von erheblicher Bedeutung ist. Sie hat dazu ausgeführt:

"Der Risikostrukturausgleich ist ein kassenübergreifender Finanzausgleich, der die unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen - gemessen an den Faktoren Alter, Geschlechtund Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente - ausgleicht. Der Aus- gleich erfolgt einnahmeorientiert, d.h. nicht die Ist-Ausgaben einer Krankenkasse werden ausgeglichen, sondern standardisierte Ausgabeprofile. Der Risokostrukturausgleich wurde parallel zur Kassenwahlfreiheit eingeführt, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu einer effizienten Versorgung führt und nicht zu einem unsolidarischen Wettbewerb um junge und gesunde Versicherte wird. Die Kranken- kassen stehen somit vor allem über ihren Beitragssatz unterein- ander im Wettbewerb.

Im Finanzausgleich der Pflegeversicherung (§§ 66 ff. SGB XI) werden alle Leistungsausgaben ausgeglichen. Übersteigen die Einnahmen die Ausgaben, sind diese an den Ausgleichsfonds als Sondervermögen der Pflegeversicherung abzuführen (§ 67 Abs. 2 B XI), sind die Ausgaben höher, erhält die Pflegekasse Geld aus dem Ausgleichsfonds. Ein einheitlicher Beitragssatz von 1,7% (§ 55 SGB XI) wäre sonst nicht zu halten. Im Umkehrschluss bedeutet es auch, dass der Beitragssatz in der Pflegeversiche- rung kein Mittel im kasseninternen Wettbewerb darstellt."

Dem schließt sich die Kammer in vollem Umfang an.

Ist somit vorrangiges Mittel im Wettbewerb um Mitglieder der Beitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung, so mögen einzelne Kassen versucht sein, unter Missachtung der strikten Nachrangigkeit der Pflegeversicherung die Ausgaben im Bereich der Leistungen der Krankenversicherung künstlich niedrig zu halten. Nach dem Ergebnis der aufsichtsrechtlichen Prüfung haben die Klägerin und die Beigeladene in kollusivem Zusammenwirken entgegen der unmisserständlich klaren Vorgabe des Gesetzes Leistungen zu Lasten der Pflegeversicherung erbracht, obwohl die Voraussetzungen für Leistungsfälle der Krankenversicherung vorlagen. Auf diese Weise hat sich die Klägerin über Jahre in ungesetzliche Weise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen gesetzlichen Krankenkassen verschafft. Als dies schon bei der ersten Prüfung im August/September 1999 von der Beklagten aufgedeckt wurde, haben die Klägerin und die Beigeladene in der Folgezeit nur geringe Bereitschaft zur Zusammenarbeit gezeigt. Ihrer gesetzlichen Pflicht zur Vorlage der von der Beklagten erbetenen Unterlagen (vgl. §§ 274 Abs. 1 Satz 5 SGB V, 46 Abs. 6 Satz 5 SGB XI) sind sie erst auf mehrfache Erinnerung nachgekommen. Die von der Beigeladenen im Schreiben vom 31.07.2003 angekündigte Umbuchung falsch gebuchter Hilfsmittelkosten in den "eindeutig und klaren Fällen" ist bis heute nicht erfolgt. Die Klägerin hat zuletzt im Schriftsatz vom 12.10.2004 - ohne nähere Begründung und Nachweis - 26.240,44 EUR als von den Erstattungsansprüchen der Beigeladenen abzusetzenden Betrag genannt; sie hat aber auch die hiernach verbleibenden 191.834,08 EUR nicht zu Gunsten der Beigeladenen umgebucht.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, Erstattungsansprüche der Beigeladenen seien verfristet oder sogar verjährt. Es begegnet bereits erheblichen Zweifel, ob die §§ 111, 113 SGB X die hier streitigen "Erstattungsansprüche" überhaupt erfasst. Dagegen spricht, dass die Organe der Pflegekassen die Organe der Krankenkassen sind, bei denen sie errichtet sind (§ 46 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Der Vorstand der Klägerin ist zugleich Vorstand der Beigeladenen. Durch sein Handeln bzw. Unterlassen als Vorstand der erstattungsberechtigten Pflegekasse könnte er die Verfristung/Verjährung zu Gunsten der erstattungsfähigen Krankenkasse bewirken. Unabhängig davon sind aber die Ansprüche der Beigeladenen weder verfristet noch verjährt, da der Lauf der entsprechenden Fristen von der Kenntnis des erstattungsberechtigten Leistungsträgers von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht abhängt (vgl. §§ 111 Satz 2, 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die (erstattungspflichtige) Klägerin hat bis heute keine Entscheidung hinsichtlich ihrer Leistungspflicht getroffen, da sie diese ja gerade bestreitet! Mithin fehlt es an einer eine Frist in Gang setzenden Kenntnis der (erstattungsberechtigten) Beigeladenen.

Nach alledem ist der gegenüber der Klägerin ergangene Verpflichtungsbescheid der Beklagten nicht zu beanstanden. Der gegenüber der Beigeladenen ergangene Bescheid vom 17.10.2003 ist nicht (mehr) angefochten und daher bestandskräftig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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