S 11 AS 17/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 17/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwältin X1, X2 Straße 00, 00000 D-S beigeordnet. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 28.02.2005 gegen den Bescheid vom 02.02.2005 wird abgelehnt. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragstellerin war für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu gewähren, da die Rechtsverfolgung – wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt – hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO – hat. Wie sich den folgenden Ausführungen entnehmen lässt, hat die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung demgegenüber keine hinreichende, sondern allenfalls geringe Erfolgsaussicht, so dass sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war.

Der Antrag der Antragstellerin ist unzulässig, weil dem Antrag nunmehr das Rechtschutzbedürfnis fehlt. Der Antrag war zunächst dahin auszulegen (§ 123 SGG), dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.02.2005 gegen den Bescheid vom 02.02.2005 anzuordnen ist (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Der Antragstellerin waren mit Bescheid vom 17.12.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.09.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach §§ 19, 20 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuches – SGB II – gewährt worden. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Antragsgegnerin diese Leistungen nach § 66 Abs. 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuches – SGB I – entzogen, so dass der Antrag als ein solcher nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu verstehen war. Mit Schriftsatz vom 18.04.2005 hat die Antragsgegnerin diesem Begehren – sinngemäß – entsprochen und mitgeteilt, dass die vorläufige Zahlungseinstellung aufgehoben und Leistungen rückwirkend für die Zeit ab dem 01.02.2005 erbracht werden. Da sie mithin dem Antragsbegehren in der Sache entsprochen hat, ist die Antragstellerin klaglos gestellt und das Rechtschutzbedürfnis nachträglich entfallen.

Der vom Antragsteller sinngemäß gestellte Antrag,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für die Unterkunft nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,

ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen (vgl. Grieger, ZfSH/SGB, 2004, 579 [583], Berlit, info also 2005, 3 [4 f.]).

Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarf des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer unter anderem seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II). Die Nichtaufklärbarkeit dieses anspruchsbegründenden Tatbestandmerkmals geht zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs behauptet. Dies ist der Hilfebedürftige (vgl. Verwaltungsgericht – VG – Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.03.2000 – Az.: 3 L 351/00 zu § 11 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – , Sozialgericht – SG – Gelsenkirchen, Beschluss vom 17.03.2005 – Az.: S 11 AS 12/05 ER zu § 9 Abs. 1 SGB II).

Einen solchen Hilfebedarf hat der Antragsteller nach summarischer Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht glaubhaft gemacht. Wie die Antragsgegnerin zutreffend herausgestellt hat, stellen sich seine Einkommensverhältnisse auch unter Zugrundelegung seines Vorbringens in der Antragschrift und den Angaben im Verwaltungsverfahren sowohl im Hinblick auf die Vergangenheit als auch hinsichtlich eines gegenwärtigen Bedarfs als ungeklärt dar. Der Antragsteller hat bis zum 31.03.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Für die Zeit ab dem 01.04.2004 ist ihm diese nach § 25 Abs. 1 BSHG um 25 % und für die Zeit ab dem 01.05.2004 um 100 % gekürzt worden. Vollständig eingestellt wurden die Leistungen ab dem 01.08.2004, wohingegen die Antragstellerin – die mit dem Antragsteller und dem gemeinsamen Sohn in Bedarfsgemeinschaft lebt – durchgehend bis zum 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt unter Anrechnung des Kindergeldes bezogen hat. Dass der Antragsteller in der Zeit ab dem 01.08.2004 lediglich von Verkäufen auf Trödelmärkten, die insgesamt einen von ihm geschätzten Ertrag von etwa 200,00 bis 300,00 EUR erbracht haben sollen, sowie von dem Darlehen eines Freundes in Höhe von 100,00 EUR gelebt haben will, erscheint der Kammer als nicht nachvollziehbar. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass sich nach den schlüssigen Berechnungen der Antragsgegnerin ein Fehlbedarf von etwa 3000,00 EUR ab Mai 2004 ergeben hat. In diesem Zusammenhang sind seine Ausführungen im Hinblick auf die Verkäufe eigener Möbelstücke auf Trödelmärkten (zweimal pro Monat) und dem daraus resultierenden Ertrag von etwa 200,00 bis 300,00 EUR zu pauschal und nicht nachvollziehbar. Allein der Umstand, dass der Antragsteller anlässlich seiner Verkäufe keine Quittungen ausgestellt haben mag, sollte ihn nicht daran hindern, im Rahmen seiner Möglichkeiten umfassende und nachvollziehbare Angaben zu machen. Nahegelegen hätte es jedenfalls, der Antragsgegnerin mitzuteilen, wann er bei welchen Trödelmärkten welche Gegenstände veräußert hat, um eine einigermaßen schlüssige Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 SGB II zu ermöglichen. Darüber hinaus hätte er noch Bescheinigungen über entrichtete Standmieten vorlegen können. Entsprechende Angaben hatte die Antragsgegnerin bzw. die Stadt D-S bereits mit Schreiben vom 06.12.2004 vom Antragsteller erbeten ("detaillierte Auflistung über Art und Höhe sämtlicher Gegenstände, die der Antragsteller seit August 2004 zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verkauft hat sowie entsprechende Kaufbelege bzw. Quittungen"). Vor dem Hintergrund dieser Gegebenheiten trägt auch die Erklärung des Vaters der Antragstellerin, dass er den Antragstellern und dem gemeinsamen Sohn in der Zeit ab Februar 2005 zwei- bis dreimal täglich ermöglicht habe, bei ihm Mahlzeiten zu sich zu nehmen und dass er die dafür entstandenen Aufwendungen mit etwa 150,00 bis 200,00 EUR beziffere, wenig zur Klärung des Hilfebedarfs bei, zumal auch diese Erklärung zu pauschal gehalten ist. Ebenso verhält es sich mit der eidesstattlichen Versicherung vom 07.03.2005. Schließlich lässt sich nach Auffassung des Gerichts allein aus dem Umstand, dass zwischenzeitlich nicht unerhebliche Mietrückstände in Höhe von 2.303,00 EUR (Stand: 04.04.2005) aufgelaufen sind, nicht die Schlussfolgerung auf Hilfebedürftigkeit ziehen, zumal die Einkommensverhältnisse des Antragstellers unter Berücksichtigung der oben dargestellten Aspekte auch gegenwärtig als ungeklärt anzusehen sind.

Nach Auffassung des Gerichts hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn eine Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht (vgl. hierzu VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 06.11.2000 – Az.: 3 L 2178/00 und Beschluss vom 23.01.2003 – Az.: 2 L 2994/02 m.w.N.) kann die Kammer zur Zeit nicht erkennen. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Stadt D-S bereits mit dem oben angesprochenen Schreiben vom 21.12.2004 weitere Nachweise erbeten hat, die zum Nachweis der Hilfebedürftigkeit beitragen können. Mit einem am 14.12.2004 bei der Stadt D-S eingegangenen Schreiben hat er ausgeführt, sich in den letzten drei Monaten ausschließlich durch den Verkauf privater Gegenstände auf Trödelmärkten unterhalten und sich zudem 100,00 EUR von einem Freund "geliehen" zu haben. An diesen Angaben hat er im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 05.01.2005 festgehalten. Seit diesem Zeitpunkt sind – abgesehen von der Bescheinigung über Mietrückstände - keine weiteren nachvollziehbaren Angaben erfolgt und Nachweise vorgelegt worden, die einen Hilfebedarf stützen könnten, obwohl es der Antragsteller – wie oben gezeigt – durchaus in der Hand gehabt hätte, geeignete Nachweise beizubringen. Wenn er jedoch nicht unerhebliche Zeiträume zur Glaubhaftmachung seines Anspruchs verstreichen lässt, hat er damit zum Ausdruck gebracht, dass ihm an einer schnellen gerichtlichen Entscheidung nicht gelegen ist (vgl. auch Krodel, das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage 2005, Rdnr. 38). Wie sich aus den Leistungsakten der Antragsgegnerin ergibt, scheint auch die Mitwirkung der Antragsteller im Rahmen eines am 06.12.2004 gestellten Antrages auf Gewährung von Wohngeld nicht optimal verlaufen zu sein. Dieser wurde nämlich von der Wohngeldstelle abgelehnt, nachdem keine glaubhaften Nachweise über die Einkommensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft vorgelegt werden konnten (Bescheid vom 14.02.2005).

Bei der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung hat das Gericht berücksichtigt, dass der die Antragstellerin betreffende Teil des angefochtenen Bescheides vom 02.02.2005 die nach § 66 Abs. 1 SGB I erforderlichen Ermessenserwägungen nicht erkennen lässt. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin gegen Mitwirkungsobliegenheiten verstoßen haben könnte, rechtfertigt nicht die vollständige Entziehung der Leistung, ohne auf der Rechtsfolgenseite Ermessen auszuüben (vgl. auch Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 26.05.1983 – Az.: 10 RKg 13/82, SozR 1200 § 66 SGB I Nr. 10; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – LSG NRW –, Urteil vom 22.05.2003 – Az.: L 16 KR 182/02, unveröffentlicht – zu recherchieren unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Rechtskraft
Aus
Saved