L 12 KA 3/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 39 KA 228/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 3/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat dem Beklagten die außergericht- lichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten und die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung als Vertragsarzt. Der 1944 geborene Kläger ist seit 1983 als Internist in H. , Kreisregion P. , zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), Bezirksstelle Niederbayern, hat mit Schreiben vom 20. August 1999 beim Zulassungsausschuss für Ärzte-Niederbayern den Antrag gestellt, dem Kläger die Kassenzulassung zu entziehen. Die KVB stützt ihren Antrag darauf, dass ihr Falschabrechnungen des Klägers in Form der Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen und durch Abrechnung von Leistungen, die aufgrund des Durchführens einer anderen Praxisform ungerechtfertigt eine Honorarmehrung bewirkt hätten, vorlägen. Diese Erkenntnisse seien das Ergebnis einer Plausibilitätsprüfung der Praxisgemeinschaft der Dres. B./ R. für die Quartale 3/97 bis 4/98 sowie einer eingehenden Patientenbefragung. Der BKK-Landesverband hat sich mit Schriftsatz vom 1. September 1999 dem Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns voll inhaltlich angeschlossen und ebenfalls Antrag auf Entzug der Zulassung des Klägers gestellt.

Der Zulassungsausschuss Ärzte-Niederbayern hat mit Beschluss vom 22. November 1999/Bescheid vom 29. Februar 2000 dem Kläger die Kassenzulassung als Internist entzogen. Gemäß § 95 Abs.6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV habe der Zulassungsausschuss die Zulassung zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt habe und deshalb zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeignet sei. Eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten liege insbesondere bei Abrechnungsmanipulationen vor, welche zu Falschabrechnungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung führten. Der Zulassungsausschuss stelle nach eingehender und intensiver Erörterung fest, dass Falschabrechnungen in Form von ungerechtfertigten Honoraranforderungen vorliegen würden. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Abrechnungsverhalten bzw. durch eine auffällige Zahl von gemeinsam behandelten Patienten sei für den Zeitraum 3/97 bis 4/98 eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt worden. Die Auswertung der am 18. September 1998 im Rahmen der Plausibilitätsprüfung durchgeführten Patientenbefragung zeige, dass der Kläger und Dr.R. gegenüber der Beigeladenen zu 1) zwar wie zwei rechtlich selbständig handelnde Einheiten gemäß § 33 Abs.1 Ärzte-ZV aufgetreten seien, in Wirklichkeit aber eine Gemeinschaftspraxis gemäß § 33 Abs.2 Ärzte-ZV betrieben worden sei. Es wird sodann das Ergebnis der Befragung von Patienten dargestellt. Nach eingehender Überprüfung stehe für den Zulassungsausschuss aufgrund der Patientenbefragung wie auch der statistischen Auswertung der Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf gemeinsame Patienten für die Quartale 3/97 bis 4/98 fest, dass aufgrund der Praxisform als Praxisgemeinschaft die Ziffer 1 BMÄ/E-GO unberechtigt doppelt in Ansatz gebracht worden sei, die Hausarztpauschale doppelt vergütet worden sei und das jeweilige Praxisbudget durch die Fallzahlmehrung unberechtigt erhöht worden sei. Dies sei nach Überzeugung des Zulassungsausschusses durch das regelmäßige Einlesen der Versichertenkarte bei beiden Ärzten ohne medizinische Notwendigkeit und unter Missachtung des Rechts auf die freie Arztwahl des Patienten erreicht worden. § 76 Abs.3 SGB V beinhalte für den Hausarzt die vertragliche Pflicht, die Patienten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu informieren und darüber, dass ein Hausarztwechsel innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen solle. Gegen diese vertragsärztliche Pflicht habe der Kläger verstoßen, weil er diese Information unterlassen und darüber hinaus den ständigen Hausarztwechsel durch die regelmäßige Aufteilung der einzelnen Patientenbehandlung noch gefördert habe (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Az.: L 5 KA 94/99). Die Tatsache, dass zwischen 67 % bis 35 % der Patienten gemeinsam von beiden Ärzten betreut worden seien, schließe nach Ansicht des Zulassungsausschusses die Annahme aus, die Ärzte hätten getrennte Praxen geführt. Die Parallelbehandlung von bis zu 67 % der Patienten sei nur zu dem Zwecke erfolgt, die Patientenströme systematisch zu steuern, um getrennte Abrechnungsmöglichkeiten mit Hilfe der vorgetäuschten Rechtsform auszunutzen und dadurch das jeweilige Honorar der Ärzte zu steigern. Da der Kläger ein langjährig zugelassener Vertragsarzt sei, seien ihm die vertragsärztlichen Pflichten bekannt gewesen. Insbesondere kenne er die Voraussetzungen der hausärztlichen Grundvergütung (Ziffer 8066), die für die Betreuungs-, Dokumentations- und Koordinationsleistungen an den Patienten während des gesamten Quartals vergütet werde. Dies bedeute, dass die mit der Einführung der hausärztlichen Grundvergütung oben genannten besonders honorierten Leistungen von den beiden Ärzten nicht getrennt, sondern gemeinschaftlich erbracht worden seien und eine tatsächlich nur einmal erbrachte Leistung nicht in rechtlich zwei selbständige Leistungen habe aufgeteilt werden können. Nachdem der Leistungsinhalt der Ziffer 8066 BMÄ/E-GO vom Kläger nicht vollständig erbracht worden sei, seien Leistungen abgerechnet worden, auf die er keinen Anspruch gehabt habe. Ferner seien ihm die Auswirkungen dieser Leistungsteilung durch den zweifachen Ansatz der Ziffer 1 BMÄ/E-GO und das damit fallzahlabhängig erhöhte Praxisbudget bewusst gewesen, nachdem er über die Einführung des EMB-Praxisbudgets ab 1. Juli 1997 schriftlich informiert worden sei. Der Bescheid des Zulassungsausschusses wurde der Anwaltskanzlei Dr.H. u. Kollegen am 31. März 2000 zugestellt. Die Rechtsanwälte Dr.H. und Kollegen hatten mit Schriftsatz vom 6. September 1999 unter Vollmachtsvorlage die Vertretung des Klägers im Verwaltungsverfahren vor dem Zulassungsausschuss angezeigt. Mit Schriftsatz vom 6. April 2000 haben die Rechtsanwälte Dr. H. und Kollegen die anwaltliche Vertretung des Klägers im Widerspruchsverfahren angezeigt und namens und im Auftrage des Klägers Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Niederbayern vom 29. Februar 2000, zugestellt am 10. März 2000, eingelegt. Die Widerspruchsbegründung erfolge nach Auswertung sämtlicher Unterlagen in einem gesonderten Schriftsatz. Zuvor werde um Akteneinsicht beim Berufungsausschuss gebeten. Mit weiterem Schriftsatz vom 6. November 2001 haben die Rechtsanwälte mitgeteilt, dass der Kläger seit 30. Januar 2001 nicht mehr durch sie anwaltschaftlich vertreten werde. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11. November 2001 mitgeteilt, dass Dr.H. zwar eine Vertretung in obiger Sache prinzipiell zugesagt habe, aber von einer Einigung über das Anwaltshonorar abhängig gemacht habe. Nachdem er es aber versäumt habe, die Höhe des Anwaltshonorares, welches er außerhalb der Gebührenordnung festlegen habe wollen, zu nennen, habe von ihm, dem Kläger, bis auf den heutigen Tag keine schriftliche Vollmacht in obigem Verfahren erteilt werden können. Entgegen der schriftlichen Mitteilung vom 6. November 2001 von Dr.H. habe dieser die Vertretung in obiger Sache nicht seit dem 30. Januar 2001 niedergelegt, sondern seit einer telefonischen Mitteilung am 7. November 2001. Weder vom Berufungsausschuss noch von Dr.H. sei ihm eine Frist für die Begründung des Widerspruchs mitgeteilt worden. Die Begründung liege hier seit März 2001 bereit. Sie sei dem Beklagten per Paketpost am 10. November 2001 zugesandt worden. Aufgrund der Tatsache, dass offensichtlich von zwei Seiten versäumt worden sei, ihm die Frist für die Begründung des Widerspruches mitzuteilen, erscheine ihm für die Mitglieder des Ausschusses der Termin am 27. November 2001 zu kurz. Er beantrage daher die Verschiebung des Termines, damit sich die Mitglieder des Widerspruchsausschusses ordnungsgemäß vorbereiten könnten. Der stellvertretende Vorsitzende des Beklagten hat mit Schreiben vom 16. November 2001 mitgeteilt, dass in der mündlichen Verhandlung am 27. November 2001 geprüft und entschieden werde, ob der Widerspruch vom 6./7. April 2000 gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Niederbayern vom 22. November 1999 zulässig sei. Hierbei komme es auf die übersandten Unterlagen und die nunmehr vorgelegte Begründung nicht an. Der für den 27. November 2001 anberaumte Termin werde daher nicht verlegt. Der Beklagte hat mit Beschluss vom 27. November 2001/Bescheid vom 22. Januar 2002 den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte-Niederbayern vom 22. November 1999 als unzulässig verworfen. Nach § 96 Abs.4 SGB V könne gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22. November 1999 der Beklagte angerufen werden. Während im echten Widerspruchsverfahren der Widerspruch nach §§ 83 ff. SGG zwar schriftlich eingelegt, im Übrigen jedoch nicht begründet werden müsse, bestehe für Widersprüche in Zulassungssachen nach § 44 Ärzte-ZV eine Begründungspflicht. Danach sei der Widerspruch schriftlich oder bei der Geschäftsstelle des Beklagten mit Angabe von Gründen einzulegen. Diese Verschärfung im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen des SGG habe das BSG in seinem Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/99 R - (MedR 2000, 198) als mit den vorgegebenen Rechtsvorschriften vereinbar erklärt. Die dem angefochtenen Beschluss des Zulassungsausschusses beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung habe allerdings nicht über diese Pflicht zur fristgerechten Begründung des Widerspruchs belehrt. Dies habe zur Folge, dass sich nach § 66 Abs.2 Satz 1 SGG die Begründungsfrist auf ein Jahr verlängert habe. Der Widerspruch der Rechtsanwälte hätte daher innerhalb dieser Ausschlussfrist bis spätestens 2. April 2001 begründet werden müssen. Der berichtigte ZA-Beschluss sei nämlich am 29. März 2000 ausgefertigt und Rechtsanwalt Dr.H. am 31. März 2000 zugestellt worden, so dass die Jahresfrist am 31. März 2001 abgelaufen sei. Da der 31. März 2001 ein Samstag und der 1. April 2001 ein Sonntag gewesen sei, sei die Jahresfrist erst am 2. April 2001 abgelaufen (§ 26 Abs.3 SGB X). Die Begründung sei jedoch erst vor der Sitzung des Beklagten vom Kläger im November 2001 übersandt worden. Es könne dahingestellt bleiben, ob sie - wie der Kläger behaupte - tatsächlich von ihm bereits im Dezember 2000 erstellt worden sei und seit März 2001 bereit liege, weil es allein auf den Zugang beim Beklagten ankomme. Auch die vom Kläger vorgetragenen Gründe, dass er nämlich weder vom Rechtsanwalt noch vom Beklagten über diese Rechtslage rechtzeitig informiert worden sei, ließen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu. Die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG stelle keine Rechtsmittelfrist, sondern eine Ausschlussfrist dar, die entsprechend den Grundsätzen der Verwirkung von Rechtsbehelfen verhindern solle, dass bei einer Verletzung der Belehrungspflicht Rechtsbehelfe zeitlich unbegrenzt möglich seien. Als gesetzliche uneigentliche Frist sei sie insbesondere nicht von einer entsprechenden Belehrung nach § 66 Abs.1 SGG abhängig (Hinweis auf Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 66 Rdnr.9 und für die gleichlautende Regelung des § 58 VwGO: Kopp, Kommentar zur VwGO, § 58 Rdnr.16). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Ausschlussfrist komme daher nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des § 67 SGG, sondern allein nach den näheren Bestimmungen des § 66 Abs.2 Satz 2 SGG, das heiße insbesondere bei Vorliegen höherer Gewalt, in Betracht. Das sei hier, insbesondere auch angesichts der anwaltlichen Vertretung des Klägers, auszuschließen. Höhere Gewalt sei ein Ereignis, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betreffenden zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht habe abgewendet werden können. Weder die Probleme des Klägers mit seinem anwaltlichen Vertreter noch der fehlende Hinweis des Beklagten auf die Begründungsfrist und der Umstand, dass wegen Arbeitsüberlastung binnen Jahresfrist nicht mit einer Verhandlung zu rechnen gewesen sei, seien solche Ereignisse. Bei der gebotenen Sorgfalt hätte der Kläger seinen Rechtsbehelf binnen eines Jahres begründen können und müssen. Nachdem der Widerspruch aus den genannten Gründen endgültig verfristet sei, brauche nicht mehr geprüft zu werden, ob er bereits deswegen unzulässig gewesen sei, weil Rechtsanwalt Dr.H. bei Einlegung des Widerspruchs im April 2000 nicht vertretungsberechtigt gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers vom 12. Februar 2002. Die Teile 1) bis 4) der Klagebegründung behandeln formelle Fragen und die hier in Streit stehende Frage der Zulässigkeit des Widerspruches, ab Teil 5) setzt sich der Kläger mit der Begründung für die Entziehung seiner Vertragsarztzulassung auseinander. In Teil 1) trägt der Kläger vor, der Beklagte habe gegen die satzungsmäßige Vorschrift der Nichtöffentlichkeit von Sitzungen des Berufungsausschusses verstoßen, weil an der Tür zum Sitzungszimmer der Name des Klägers und die Formulierung "Zulassungsentzug" öffentlich gemacht worden sei. Es liege der Tatbestand des Rufmordes vor. Dieser Fehler könne nur dadurch geheilt werden, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses Niederbayern aufgehoben werde. In Teil 2) rügt der Kläger, dass der Beklagte die anwaltschaftliche Vertretung von Rechtsanwalt Dr.H. ohne schriftliche Vollmacht nicht hätte annehmen dürfen. Der Beklagte hätte Rechtsanwalt Dr.H. auf die Unzulässigkeit dieses Vorgehens hinweisen müssen und die schriftliche Vollmacht für den Widerspruch vor dem Beklagten einfordern müssen. Durch dieses fehlerhafte Vorgehen habe der Beklagte den Anschein erweckt, dass er die Vertretung durch Rechtsanwalt Dr.H. akzeptiere. Andererseits habe sich Dr.H. nicht verantwortlich gefühlt, da er vom Beklagten zur Einsendung einer schriftlichen Vollmacht nicht aufgefordert worden sei. Rechtsanwalt Dr.H. sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, für die Begründung die Frist von einem Jahr einzuhalten, da er ja keine rechtsverbindliche Vertretung besessen habe. Dadurch sei die Versäumnis der Begründungsfrist durch eindeutiges Verschulden des Beklagten entstanden. Hätte nämlich der Beklagte auf die Unzulässigkeit des Vorgehens von Rechtsanwalt Dr.H. hingewiesen, hätte der Kläger nach seinem eigenen Rechtsgefühl als juristischer Laie bereits nach einem Monat die Begründungsschrift zumindest in einer Kurzfassung eingereicht. Falls dem Antrag 1) nicht stattgegeben werde, werde in einem Antrag 2) beantragt, den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte-Bayern vom 27. Dezember 2001 aufzuheben und den Widerspruch des Klägers vom 6. April 2000 gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 29. Februar 2000 zuzulassen. In Teil 3) macht der Kläger geltend, dass der Zulassungsausschuss Ärzte-Niederbayern es in seinem Beschluss vom 29. Februar 2000 versäumt habe, in der Rechtsbehelfsbelehrung eine Frist für die Begründung zu nennen. Er habe somit den Eindruck schuldhaft erweckt, dass eine Begründung nicht erforderlich sei oder eine Frist für die Begründung bis zur Nennung des Verhandlungstermines nicht notwendig sei. Für den Fall, dass den Anträgen 1) und 2) nicht stattgegeben werde, werde beantragt, den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 29. Februar 2000 wegen fehlerhafter Form aufzuheben. In Teil 4) der Begründung moniert der Kläger schließlich, dass der Beklagte in dem Bescheid vom 22. Januar 2002 zum Inhalt des Widerspruchsverfahrens Stellung genommen habe und sogar wertend Abrechnungsmanipulationen formuliere. Dieses Vorgehen sei unzulässig. Der Beschluss des Beklagten vom 22. Januar 2002 sei daher aufzuheben. In den Teilen 5 ff.) macht der Kläger schließlich geltend, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die zum Entzug seiner Zulassung geführt haben, nicht zutreffend seien. Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 15. Oktober 2003 die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat sich die Begründung des Beschlusses des Beklagten vom 27. November 2001 voll inhaltlich zu eigen gemacht und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs.3 SGG abgesehen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 9. Januar 2004 durch den wieder bestellten Prozessbevollmächtigten Dr. H. gemäß Vollmacht vom 26. Dezember 2003, die mit dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 näher begründet wurde. Das sozialgerichtliche Urteil und die bisherigen Entscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung seien rechtswidrig. Dies gelte insbesondere auch, soweit eine sachliche Entscheidung nicht getroffen und der Rechtsbehelf bzw. das Rechtsmittel ohne Sachentscheidung zurückgewiesen worden sei. Die Anforderungen des § 44 Ärzte-ZV seien erfüllt, da der Kläger bereits im Zulassungsentziehungsverfahren durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 25. Oktober 1999 Stellung genommen habe. Diese Einlassung sei konkludent im Widerspruchsverfahren als Widerspruchsbegründung zu berücksichtigen. Im Übrigen verstoße § 44 Ärzte-ZV gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 98 Abs.2 Nr.3 SGB V. Das im Rahmen des SGG gemäß §§ 78 ff. geregelte Vorverfahren sei nicht an eine besondere Begründung gebunden. Entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien Abweichungen auch nicht zulässig, weil sie durch Besonderheiten des Verfahrens vor den Ausschüssen gerechtfertigt seien (so bisher BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/97 R).

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Oktober 2003, Az.: A 39 KA 228/02, und den Bescheid des Beklagten vom 27. November 2001 aufzuheben und den Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Entziehung der Kassenzulassung des Klägers abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Zulassungsausschusses, die Akte des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 39 KA 228/02 und die Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 12 KA 3/04 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht München hat mit dem angefochtenen Urteil vom 15. Oktober 2003 die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2002, der allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 96 Nr.1, S.5 f), ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss bzw. Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern vom 29. März 2000 ist nicht form- und fristgerecht erhoben worden. Gemäß § 97 Abs.3 SGB V i.V.m. § 84 Abs.1 SGG ist der Widerspruch gegen Entscheidungen des Zulassungsausschusses innerhalb eines Monats einzulegen (vgl. § 96 Abs.4 SGB V). Das Verfahren vor dem Beklagten stellt dabei kein echtes Widerspruchsverfahren im Sinne des § 83 SGG dar, sondern ein besonderes zweitinstanzliches Verwaltungsverfahren, für das nach § 97 Abs.3 SGB V allein die Regelungen der §§ 84 Abs.1 und 85 Abs.3 SGG entsprechend anzuwenden sind. Während im echten Widerspruchsverfahren der Widerspruch nach §§ 83 ff. SGG zwar schriftlich eingelegt, im Übrigen jedoch nicht begründet werden muss, besteht für Widersprüche in Zulassungssachen nach § 44 Ärzte-ZV eine Begründungspflicht. Danach ist der Widerspruch schriftlich oder bei der Geschäftsstelle des Beklagten mit Angabe von Gründen beim Beklagten einzulegen. Diese Verschärfung im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen des SGG ist nicht zu beanstanden. Die Möglichkeiten, ein solches besonderes Verwaltungsverfahren anders auszugestalten als das Widerspruchsverfahren nach den §§ 78, 83 ff. SGG, sind zwar nicht unbegrenzt. Sonderregelungen sind an höherrangigem Recht zu messen, insbesondere daran, ob sie den Rechtsschutz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken oder unverhältnismäßig erschweren (vgl. Art.19 Abs.4 Satz 1 GG und dazu BVerfG 40, 237, 256). Bei Sonderregelungen in Zulassungsangelegenheiten ist ferner zu beachten, dass das Verfahren der Ausschüsse gemäß § 98 Abs.2 Nr.3 SGB V "entsprechend den Grundsätzen des Vorverfahrens in der Sozialgerichtsbarkeit" zu regeln ist. Dies gebietet die Orientierung an den Verfahrensregelungen der §§ 83 ff. SGG, erlaubt aber zugleich Abweichungen in Einzelpunkten, soweit sie sachlich gerechtfertigt sind. Mit diesen Vorgaben ist das Erfordernis des § 44 Ärzte-ZV, dass der Widerspruch binnen eines Monats mit Angaben von Gründen einzulegen ist, vereinbar (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juli 1999, MedR 2000, 198 und ebenso LSG, Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1992, 174, 175). Eine Verschärfung liegt im Vergleich zu den Regelungen des SGG über das Vorverfahren nur insoweit vor, als binnen dieser Monatsfrist auch Gründe anzugeben sind. Die Verschärfung durch die Regelung des § 44 Ärzte-ZV betrifft nur einen Einzelpunkt und erschwert den Rechtsschutz nicht unverhältnismäßig. Dem Personenkreis, der typischerweise von Entscheidungen in Zulassungsangelegenheiten gemäß den §§ 95 ff, 99 ff. i.V.m. Ärzte-ZV betroffen ist, ist die Angabe von Gründen binnen der Monatsfrist ohne weiteres zuzumuten. Vorliegend ist der Kläger allerdings gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung der Entscheidung des Zulassungsausschusses nur über die Notwendigkeit der Einlegung des Widerspruches innerhalb eines Monats nach Zustellung belehrt worden, nicht aber, dass dieser Widerspruch gemäß § 44 Ärzte-ZV zu begründen ist. Damit liegt gemäß § 66 Abs.2 SGG eine teilweise unrichtige Rechtsbehelfs- belehrung vor. In § 66 Abs.1 SGG ist zwar nur davon die Rede, dass die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen beginnt, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz oder die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist, von einer Belehrung über eine Begründungspflicht ist nicht explizit die Rede. § 66 Abs.1 SGG ist aber analog auch auf die Versäumnis der Pflicht zur Belehrung über eine fristgerechte Begründung eines Rechtsbehelfs anzuwenden. Als Folge der unrichtigen Belehrung lief anstelle der Monatsfrist die Einjahresfrist des § 66 Abs.2 Satz 1 SGG. Dazu ist allerdings festzustellen, dass bezüglich des Widerspruchs gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. März 2000, der am 31. März 2000 der Anwaltskanzlei Dr.H. und Kollegen zugestellt wurde, die im Verwaltungsverfahren auf der Grundlage der Vollmachtserteilung durch den Kläger vom 5. September 1999 bevollmächtigt war, auch innerhalb der Jahresfrist keine Begründung im Sinne des § 44 Ärzte-ZV erfolgt ist. Da der berichtigte Beschluss des Zulassungsausschusses am 29. März 2000 ausgefertigt und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. März 2000 zugestellt wurde, fällt das Ende dieser Jahresfrist zunächst auf den 31. März 2001. Da der 31. März 2001 ein Samstag und der 1. April 2001 ein Sonntag war, lief die Jahresfrist aber erst am 2. April 2001 ab (§ 26 Abs.3 SGB X). Die Begründung - vom Kläger selbst verfasst - wurde jedoch erst vor der Sitzung des Beklagten im November 2001 übersandt. Eine frühere Begründung ist, auch wenn man an Form und Inhalt der in § 44 Satz 1 Ärzte-ZV geforderten "Angabe von Gründen" keine hohen Anforderungen stellt, nicht bereits in dem Widerspruchseinlegungsschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 6. April 2000 zu sehen. Insbesondere reicht es in Hinblick auf die bloße Einlegung des Widerspruchs ohne Angabe auch nur irgendeines Widerspruchsgrundes nicht aus, dass sowohl der Kläger selbst wie auch seine Prozessbevollmächtigten zu dem Antrag auf Entziehung der Zulassung des Klägers im Antragsverfahren eingehende Stellungnahmen abgegeben haben. Hierzu hätte es zumindest einer wie auch immer gearteten Bezugnahme auf diese Stellungnahmen in dem Schreiben vom 6. April 2000 bedurft. Auch in der Formulierung "die Widerspruchsbegründung erfolge nach Auswertung sämtlicher Unterlagen in einem gesonderten Schriftsatz" im Schriftsatz vom 6. April 2000 ist keine hinreichende Begründung zu sehen. Die Ankündigung einer Begründung ersetzt nicht die Begründung selbst, abgesehen davon, dass es vorliegend seitens der Prozessbevollmächtigten nicht mehr zu der angekündigten Begründung des Widerspruchs gekommen ist, diese vielmehr durch den Kläger selbst erfolgte. Die Versäumung der Jahresfrist wäre daher nur dann unschädlich, wenn man gemäß § 67 Abs.2 SGG i.V.m. § 66 Abs.2 SGG davon ausgehen würde, dass die Einlegung des fristgerecht begründeten Widerspruchs vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist. In diesem Falle wäre dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist zu gewähren. Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend aber nicht gegeben. Die zweite Variante, dass eine schriftliche Belehrung dahingehend erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist, liegt offensichtlich nicht vor. Unter höherer Gewalt ist ein außergewöhnliches Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von den Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl. BSG, 29. Juli 1958, BSGE 8, 24, 30; BVerwG vom 23. April 1985, NJW 1986, 207). Rechtsunkenntnis, Rechtsirrtum oder die Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen stellen grundsätzlich keine höhere Gewalt dar (BGH, Urteil vom 10. April 1968, NJW 1968, 1381). Somit ist hier nach Auffassung des Senats nicht vom Vorliegen "höherer Gewalt" im Sinne von § 66 Abs.2 SGG i.V.m. § 67 Abs.2 SGG auszugehen. Richtig ist zwar, dass auf Seiten des Beklagten insoweit ein Fehler aufgetreten ist, als die Rechtsbehelfsbelehrung wegen des Fehlens eines Hinweises auf die Notwendigkeit der Angabe von Gründen bereits im Rahmen der Widerspruchsfrist für die Einlegung eines form- und fristgerechten Widerspruchs falsch war. Dieser Mangel wird aber bereits durch die Verlängerung der Frist zur Einlegung des Widerspruchs von einem Monat auf ein Jahr berücksichtigt und führt nicht per se zur Annahme des Vorliegens einer höheren Gewalt im Sinne des § 66 Abs.2 SGG i.V.m. § 67 Abs.2 SGG. Des Weiteren ist auf Seiten des Beklagten festzustellen, dass über den Widerspruch des Klägers entgegen § 88 Abs.2 i.V.m. Abs.1 SGG nicht innerhalb von drei Monaten und auch nicht innerhalb der Jahresfrist entschieden wurde, was wohl rein faktisch zu einer hinreichenden Angabe von Gründen jedenfalls innerhalb der Jahresfrist geführt hätte. Dem stehen aber aus der Sphäre des Klägers als Grund für die Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist die augenscheinlichen Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten gegenüber. Hier wäre es nicht zuletzt auch Aufgabe des Klägers selbst gewesen, eine zeitnahe und eindeutige Klärung der strittigen Fragen mit seinem Prozessbevollmächtigten herbeizuführen. Dass der Kläger hier nicht tätig geworden ist, muss er sich selbst entgegenhalten lassen und kann sich deswegen auch nicht auf das Vorliegen "höherer Gewalt" hinsichtlich der nicht ordnungsgemäßen Einhaltung der Widerspruchsfrist berufen. Unabhängig davon steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die Kanzlei Dr.H. und Kollegen zur Vertretung in seinem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 29. März 2000 bestellt hat. Davon gehen nicht zuletzt der Kläger und Dr.H. - insoweit übereinstimmend - aus, wenn sie beide vortragen, dass das Mandatsverhältnis durch Dr.H. wieder gekündigt worden ist. Einer solchen Kündigung hätte es nicht bedurft, wenn es zu keiner Einigung über eine Vollmachtserteilung gekommen wäre. Der Senat geht weiter davon aus, dass es zu einer endgültigen und eindeutigen Kündigung aus der maßgeblichen Empfängersicht des Klägers erst durch die vom Kläger angegebene fernmündliche Mitteilung durch Dr.H. gekommen ist. Wollte man dagegen bereits eine Bevollmächtigung der Kanzlei Dr.H. für das Widerspruchsverfahren verneinen, wäre der Widerspruch bereits deswegen unzulässig. Bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt sind andererseits für die Bejahung einer höheren Gewalt entsprechend höhere Anforderungen zu stellen. Höhere Gewalt ist dann nicht gegeben, wenn es dem Prozessbevollmächtigten ohne weiteres möglich war, den Fehler des nicht form- und fristgerecht eingelegten Widerspruchs zu erkennen und einen zulässigen Widerspruch einzulegen. Dies ist vorliegend nach Auffassung des Senats unzweifelhaft gegeben. Dieses Verschulden des Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger gemäß § 73 Abs.4 Satz 1, § 202 SGG i.V.m. §§ 51 Abs.2, 85 Abs.2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.2 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved