L 13 R 4236/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 401/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 4236/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Zeitpunkt des Beginns einer Witwenrente.

Die Klägerin ist die Witwe des am 6. Januar 1995 verstorbenen A. M. (Versicherter). Dieser bezog von der Beklagten seit 1. August 1974 Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebens- jahres sowie eine Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz. Der Postrentendienst stellte die Rentenzahlung mit Ablauf des Februar 1995 ein und erstattete der Beklagten den für Februar 1995 überzahlten Betrag des Altersruhegeldes, nachdem ihm die Meldebehörde den Tod des Versicherten mitgeteilt hatte. Die Rentenakte der Beklagten wurde am 18. Juni 1996 vernichtet.

Am 17. Januar 1997 ging beim Postrentendienst ein Schreiben der Klägerin vom 7. Januar 1997 ein, in dem sie mitteilte, sie hal- te es für durchaus angebracht, nunmehr zwei Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes ihre Hinterbliebenenbezüge festzusetzen und an- zuweisen. Der Postrentendienst leitete dieses Schreiben an die Beklagte weiter und teilte mit, eine Mitteilung der Witwe über den Sterbefall liege dort nicht vor.

Die Beklagte zog eine Kopie des Altersruhegeldbescheides an den Versicherten aus den Akten der Bezirksfinanzdirektion (BFD) bei und bewilligte der Klägerin aufgrund eines Antrags vom 17. Ja- nuar 1997 große Witwenrente ab 1. Januar 1996 (Bescheid vom 13. Januar 1999). Die Nachzahlung für Januar 1996 wurde auf 1.732,24 DM festgesetzt. Ab 1. Februar 1996 sei die Rente nicht zu leisten, da die Klägerin keine Angaben zum anrechenbaren Einkommen gemacht habe.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin gel- tend, eine Einkommensanrechnung sei nicht zulässig. Im Übrigen habe sie bereits am 7. Februar 1995 Rentenantrag gestellt und an diesen mit Schreiben vom 18. September 1995 erinnert. Mit dem Schreiben vom 7. Februar 1995 sei die Sterbeurkunde übersandt und angeregt worden, die Februarzahlung des Altersruhegeldes mit der Witwenrente zu verrechnen.

Nach Vorlage des Vordrucks über anrechenbares Einkommen setzte die Beklagte die große Witwenrente für die Zeit ab 1. Januar 1996 neu fest (Bescheid vom 1. September 1999).

Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück (Widerspruchsbe- scheid vom 31. März 2000). Ihr liege nur das Schreiben vom 7. Januar 1997, beim Postrentendienst eingegangen am 17. Januar 1997, vor. Gemäß § 99 Abs.2 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei eine Hinterbliebenenrente nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt werde, zu leisten. Unter Beachtung der Rentenantragstellung vom 17. Januar 1997 sei der Rentenbeginn daher zutreffend auf den 1. Januar 1996 festgelegt worden. Ein Antrag vom 7. Februar 1995 oder eine Erinnerung vom 18. September 1995 sei nicht aktenkundig.

Dagegen hat die Klägerin am 12. April 2000 (Eingang bei Ge- richt) beim Sozialgericht München (SG) unter Vorlage zweier Schreiben vom 7. Februar 1995 und 18. September 1995 an den Postrentendienst Klage erhoben mit der Begründung, aufgrund der in diesem Schreiben dokumentierten Antragstellung sei der Klä- gerin Witwenrente ab Februar 1995 zu gewähren. Der Postrenten- dienst - jetzt Renten Service - teilte auf Anfrage mit, aus dem Jahr 1995 lägen keine Belege mehr vor.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15. Mai 2002 er- klärte der Prozessbevollmächtigte und Sohn der Klägerin, er sei sich sicher, dass die Schreiben vom 7. Februar 1995 und 18. September 1995 abgesandt worden und nicht zurückgekommen seien. Das Schreiben vom 7. Februar 1995 habe er selbst zur Post gebracht. Einen Tag nach dem Schreiben vom 18. September 1995 sei seine Mutter vom Postrentendienst angerufen worden. Das Schreiben liege vor und werde nunmehr bearbeitet, was al- lerdings einige Zeit dauern könne. Sie sei noch gefragt worden, ob der Dreimonatsantrag gestellt werde. Einen solchen Antrag habe sie nicht gestellt. Er selbst sei bei dem Telefonat nicht anwesend gewesen. Es sei ihm von seiner Mutter erzählt worden.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Mai 2002). Der Antrag auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Eingang eines Antrags im Jahr 1995 beim Postrentendienst sei aber nicht nachgewiesen. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast gehe dies zu Lasten der Klägerin.

Gegen das am 2. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat die Kläge- rin am 30. Oktober 2002 (Eingang beim SG) zum Bayer. Landesso- zialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Der Zugang des Schreibens vom 7. Februar 1995 ergebe sich schon daraus, dass aufgrund der beigefügten Sterbeurkunde die Rentenzahlung eingestellt worden sei. Den Eingang des Schreibens vom 18. September 1995 habe der Postrentendienst am Folgetag telefonisch bestätigt. Dass der Postrentendienst die Unterlagen vernichtet habe, könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Vom Tode des Versicherten seien u.a. das Nachlassgericht, die kontoführenden Banken, der Vermieter, die BFD, die Versicherungen, der Postrentendienst und diverse Vereine und Verbände informiert worden.

Die BFD hat auf Anfrage mitgeteilt, der Bescheid vom 2. November 1995, mit dem der Klägerin Versorgungsbezüge bewilligt wurden, sei dieser am 17. November 1995 zugestellt worden. An die Beklagte sei keine Zustellung erfolgt. Eine Mitteilung an die Beklagte über die Zahlung von Versorgungsbezügen sei nicht vorgesehen und auch nicht vorgenommen worden. Diese sei erst mit Schreiben vom 14. Oktober 1998 aufgefordert worden, eine fikti- ve Witwenrente zu errechnen, um ein mögliches Ruhen der Versor- gungsbezüge prüfen zu können ( Schreiben vom 17. November 2003).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Mai 2002 auf- zuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Witwenrente für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1995 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie geht weiterhin davon aus, dass eine Rentenantragstellung vor dem 17. Januar 1997 nicht nachgewiesen ist.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, der BFD und des SG bei- gezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht be- gründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin große Witwenrente auch für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1995 zu gewähren. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 15. Mai 2002 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch für die Zeit vor dem 1. Januar 1996.

Gemäß § 99 Abs.2 SGB VI wird eine Hinterbliebenenrente von dem Monat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird nicht für mehr als 12 Kalendermonate vor dem Monat geleistet, in dem die Rente beantragt wird (Satz 1 und 3 a.a.O.).

Dass die Klägerin als Witwe des am 6. Januar 1995 verstorbenen Versicherten seit 01. Februar 1995 die Anspruchsvoraussetzungen für eine große Witwenrente nach § 46 SGB VI (i.S.d. Entstehung des Stammrechts) erfüllt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Ausgehend von dem am 17. Januar 1997 beim Postrentendienst und am 23. Januar 1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben der Klägerin vom 7. Januar 1997 hat die Beklagte unter Anwendung des § 99 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB VI der Klägerin Zahlungsansprüche (i.S. monatlicher Einzelleistungsansprüche) hieraus aber zutreffend nur für die Zeit ab 1. Januar 1996 bewilligt. Eine frühere Rentenantragstellung ist nicht nachgewiesen.

Eine wirksame Antragstellung setzt voraus, dass die Antragser- klärung als empfangsbedürftige Willenserklärung beim zuständi- gen Leistungsträger oder einer anderen, zur Entgegennahme be- rechtigten Stelle (§ 16 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I -) tatsächlich eingeht (vgl. BSG SozR3-2600 § 197 Nr.3, SozR4-4300 § 325 Nr.1).

Zwar hat die Klägerin eine Durchschrift eines (Begleit)Schreibens vom 7. Februar 1995 und die Kopie eines Schreibens vom 18. September 1995 vorgelegt, die - was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig ist - als Rentenantrag anzusehen wären. Es liegen jedoch keine Nachweise dafür vor, dass diese Schreiben beim Adressaten - dem Postrentendienst - tatsächlich eingegangen sind. Die bloße Aufgabe zur Post, reicht zum Nachweis eines Zugangs nicht aus.

Soweit die Klägerin vorträgt, der Zugang des Schreibens vom 7. Februar 1995 ergebe sich schon daraus, dass aufgrund einer ihm beigefügten Sterbeurkunde die Zahlung des Altersruhegeldes eingestellt worden sei, ist dem vorgelegten Durchschlag dieses Schreibens schon nicht zu entnehmen, welche Anlagen tatsächlich übersandt wurden. Außerdem erfolgte die Einstellung der Zahlung nach Auskunft des Postrentendienstes an die Beklagte nicht aufgrund der Übersendung einer Sterbeurkunde durch die Klägerin, sondern aufgrund einer Mitteilung der Meldebehörde.

Bezüglich des Erinnerungsschreibens vom 18. September 1995 ist ebenfalls kein Zugang nachgewiesen. Zwar hat der Prozessbevoll- mächtigte und Sohn der Klägerin vorgetragen, diese sei bereits am 19. September 1995 (laut Schreiben vom 30. September 2004 dagegen: einige Tage nach Absendung des Schreibens vom 18. Sep- tember 1995) von einem Mitarbeiter des Postrentendienstes angerufen und informiert worden, das Schreiben werde weiterbearbeitet (laut Schreiben vom 30. September 2004 dagegen: weitergeleitet). Über die tatsächliche Identität des Anrufers und den Inhalt des Gesprächs - der von ihm gegenüber dem SG und dem LSG unterschiedlich dargestellt wird - hat er jedoch keine eigene Kenntnis. Es ist nicht auszuschließen, dass das Telefonat tatsächlich mit der BFD geführt wurde, bei der zur selben Zeit die Festsetzung der Hinterbliebenenversorgungsbezüge durchgeführt wurde.

Die Beklagte hat auch nicht auf anderem Wege Kenntnis von einem möglichen Witwenrentenanspruch erlangt. Insbesondere hat die BFD die Beklagte nach eigener Auskunft nicht über die Bewilli- gung einer Hinterbliebenenversorgung (Bescheid vom 2. November 1995) informiert und erst 1998 aufgefordert, zur Prüfung einer möglichen Anrechnung auf die Versorgungsbezüge eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berechnen. Ob die Rentenakte des Versicherten einen Hinweis auf die Klägerin als witwenrentenberechtigte Ehefrau enthalten hat, ist nach Vernichtung der Akte nicht mehr aufklärbar. Eine Beweiserleichterung ergibt sich daraus für die Klägerin aber ebenso wenig, wie aus der Vernichtung der Unterlagen beim Postrentendienst. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Akten seitens der Beklagten oder des Postrentendienstes schuldhaft - insbesondere unter Verstoß gegen Aufbewahrungsfristen oder gar zum Zweck der Beweisvereitelung - vernichtet wurden (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage § 103 Rdnr. 18a m.w.N.).

Da für das Vorliegen eines wirksamen Antrags eine Glaubhaftma- chung mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht aus- reicht (§ 23 Abs.1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -), trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im Sozialrecht Anwendung findet (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O. Rdnr.19a m.w.N.), die Klägerin das Risiko, dass sich eine Antragstellung vor dem Januar 1997 nicht im Sinne des Vollbeweises feststellen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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