L 15 VJ 6/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 VJ 2/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VJ 6/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.05.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger im Zusammenhang mit einer am 30.06.1989 stattgefundenen Schutzimpfung gegen die durch Zecken übertragene Frühsommermeningitis (FSME-Impfung) Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zusteht.

Der 1928 geborene Kläger beantragte im September 1993 beim Beklagten, ihm wegen Impfschadensfolgen nach einer FSME - Impfung vom 30.06.1989 (Impfstoff: FSME - Immun der Firma I. GmbH) Versorgung zu gewähren. Als Folgen der Impfung machte er heftigste Kopf-/Nackenschmerzen während des Orgasmus (im Stehen) sowie eine Vielzahl weiterer Beschwerden (wandernde Schmerzen im ganzen Körper; plötzlich auftretende heftige Schmerzen im Bereich der Augen mit extremer Lichtempfindlichkeit; stechende Schmerzen an der rechten Schläfe; heftige Schmerzen an der rechten Niere; ständiges Stolpern mit dem rechten Fuß, das nach etwa einem Jahr wieder abgeklungen sei; extreme Wetterempfindlichkeit mit großen Beschwerden und Schwindelgefühlen) geltend. Die Orgasmuskrämpfe seien kurze Zeit nach der Impfung vom 30.06.1989 aufgetreten. Anfangs habe er diese Beschwerden auf den seit langem bei ihm bestehenden degenerativen Halswirbelschaden zurückgeführt. Ende 1989 habe er einen Neurologen (Dr.M.) aufgesucht, der den Orgasmus-Kopfschmerz als nicht ungewöhnlich bezeichnet und ihm regelrechte Reflexe attestiert habe. Bei einer orthopädischen Routineuntersuchung im August 1992 seien dann aber die Beinreflexe nicht mehr auslösbar gewesen. Eine umfangreiche stationäre Untersuchung im Januar 1993 in der Neurologischen Klinik der Technischen Universität M. (T.) habe keine Befunde ergeben, mit denen der Orgasmus-Kopfschmerz hätte erklärt werden können; eine früher diagnostizierte Polyneuropathie sei nicht bestätigt worden. Kurze Zeit danach habe er über verschiedene Artikel in der Presse und auf Grund der Angaben auf dem Beipackzettel des bei ihm verwendeten Impfstoffes der Firma I. Kenntnis davon erlangt, dass die aufgetretenen Kopf- und Nackenschmerzen wie auch die übrigen nach der Impfung aufgetretenen Beschwerden und Gesundheitsstörungen Folge der FSME-Impfung vom 30.06.1989 seien. Beweisend dafür sei nicht nur, dass der Beipackzettel eine präzise Beschreibung seiner Kopf- und Nackenschmerzen enthalte, sondern auch, dass als Folge einer im April 1993 bei ihm durchgeführten Infusionsserie mit dem unter anderem auch auf das ZNS wirkenden Präparat "AntiFocal" ziemlich schnell eine gewisse Besserung seiner Orgasmusbeschwerden und auch einiger anderen Symptome eingetreten sei. Der Kläger legte seinem Antrag Beipackzettel des Impfstoffs FSME-Immun und des Medikaments AntiFocal sowie Berichte des Neurologen Dr.M. vom 14.12.1989, der Neurologischen Klinik der T. vom 27.01.1993 und Atteste des Orthopäden Dr.L. vom 02.12.1993 sowie des Orthopäden Dr.H. vom 07.03.1994 bei.

Der Beklagte holte eine Auskunft des Staatlichen Gesundheitsamtes M. vom 06.05.1994 ein. Darin wurde ausgeführt, nach telefonischer Auskunft der Arztpraxis Dr.B. sei der Kläger erstmalig am 25.04.1988 dort vorstellig geworden; bereits zu diesem Zeitpunkt habe er anamnestisch die nun vorgebrachten Symptome beschrieben; die Schutzimpfungen seien jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. In versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 29.06. und 18.08.1994 verneinten die Nervenärztinnen Dr.K. und Dr.S. die Wahrscheinlichkeit eines wesentlich ursächlichen Zusammenhanges zwischen den vom Kläger vorgebrachten Gesundheitsstörungen und der FSME-Impfung vom 30.06.1989; Anhaltspunkte für eine Encephalitis, eine radikuläre Affektion oder eine Polyneuropathie in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung lägen nicht vor. Mit Bescheid vom 19.09.1994 lehnte es der Beklagte daraufhin ab, dem Kläger aus Anlass der Impfung vom 30.06.1989 Versorgung nach dem BSeuchG zu gewähren.

Mit dem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch übergab der Kläger verschiedene ärztliche Atteste/Berichte, eine Auf- listung aller Beschwerden nach dem 30.06.1989 sowie die Folgen von FSME-Impfungen betreffende Kopien aus dem "arznei-telegramm" (3/95) und dem "Arzneimittel-Kursbuch" (transparenz-telegramm 92/93). Daneben legte er eine Handakte mit einer Vielzahl von Unterlagen (u.a. Artikel aus verschiedenen Presseorganen, medizinische Berichte, medizinisch-wissenschaftliche Publikationen, Literaturliste, Aufstellungen aus einem "Netzwerk der gegenseitigen Information" zu vermuteten Folgen nach FSME-Impfungen) vor. Der Beklagte veranlasste eine erneute versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr.K. (29.03.1995). Die Sachverständige vertrat weiter die Auffassung, die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden ließen sich nicht auf die FSME-Impfung vom 30.06.1989 zurückführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.1995 wies der Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben: Die erst nach der dritten Zeckenimpfung explosionsartig aufgetretenen und unvorstellbar massiven Kopf- und Nackenschmerzen seien nie allein aufgetreten, sondern immer nur gleichzeitig mit einem ebenso explosions- und schlagartig einsetzenden Krampfanfall (Tetanie); ausgelöst worden sei das Ganze immer nur durch einen jeweils stattfindenden Orgasmus. Mit dem bekannten Halswirbelschaden hätten diese Beschwerden überhaupt nichts zu tun gehabt; Krampfanfälle oder Nackenschmerzen seien vor dem 30.06.1989 nie vorgekommen. Der Kläger hat eine Vielzahl von medizinischen Unterlagen vorgelegt, darunter auch einen Arztbrief des Neurologen Dr.M. vom 26.10.1995, in dem als Diagnose eine "Kombination einer abgeschlossenen Meningoencephalitis und einer Radikulopathie. Z.n. FSME-Schutzimpfung." beschrieben ist. Darüber hinaus hat der Kläger ein in seinem Auftrag von dem Arzt für Naturheilverfahren/Chirotherapie Dr.V. am 31.05.1996 erstattetes Gutachten übersandt. Dr.V. vertrat die Auffassung, auf Grund des engen zeitlichen Zusammenhanges der beim Orgasmus auftretenden Beschwerden mit der dritten FSME-Impfung, des neurologischen Status und der aufgetretenen Allgemein- und neurologischen Symptomatik sowie der immunologischen Veränderungen müsse eine Impfschädigung als wahrscheinlichste Ursache für die vorliegende Erkrankung angenommen werden; trotz Rückbildung zahlreicher Symptome müsse weiterhin von einer bleibenden Restschädigung ausgegangen werden; im Übrigen könne die Entwicklung einer Immunschwächeerkrankung (bei negativem HIV-Test) nicht ausgeschlossen werden.

Das Sozialgericht hat die den Kläger betreffende Impfschadensakte des Beklagten beigezogen und einen Befundbericht des Internisten Dr.B. vom 13.03.1996 sowie eine Auskunft der "V. Krankenversicherung AG" vom 09.05.1996 eingeholt. Im Auftrag des Sozialgerichts hat der Arzt für Neurologie und Psy- chiatrie Dr.K. am 10.02.2000 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Der Sachverständige gelangte zu der Auffassung, die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch schädigende Ereignisse im Sinne des § 1 BSeuchG hervorgerufen oder verschlimmert worden. Anhaltspunkte für eine zentralnervöse Komplikation im Sinne einer Myelitis, Encephalitis oder Meningitis seien nie erwähnt worden und mit Sicherheit auszuschließen. Das einzige Krankheitsbild, welches rein theoretisch als peripher-neurologische Komplikation auf die Impfung zurückzuführen wäre, sei die Polyneuropathie, die allerdings erst drei Jahre nach dem Ereignis erstmalig diagnostiziert worden sei. Ein Kausalzusammenhang sei hier schon wegen der langen zeitlichen Latenz ausgeschlossen.

Der Kläger hat sich schriftsätzlich am 13.05.2000 zu dem Gutachten des Dr.K. geäußert. Er monierte, dass der Sachverständige die beim Orgasmus auftretenden Kopf- und Nackenschmerzen auf seinen HWS-Schaden zurückführe, obwohl es sich bei den Orgasmusschmerzen um völlig andere, krampfartige und heftigste Schmerzen handle. Auch hat der Kläger Berichte des Dr.M. vom 23.07.1999 und der Allgemeinärztin Dr.B. vom 24.03.1999 vorgelegt, in denen ein durch die streitgegenständliche Impfung verursachter Impfschaden jeweils bejaht wurde; des Weiteren Unterlagen des P.-Instituts sowie des Arzneimittel-Informationsdienstes B. mit einer Auflistung von nach Zeckenimpfungen beobachteten Nebenwirkungen, unter welchen alle von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen zu finden seien.

Mit Urteil vom 29.05.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung bezog sich das Gericht auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und auf die rechtsnormähnliche Qualität der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996" (AP), wonach (S.235) als einziger Impfschaden nach FSME-Schutzimpfung vermerkt sei: "extrem selten periphere Nervenschäden".

Gegen dieses Urteil hat der Kläger - im Wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens - Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Er hat eine Vielzahl von medizinischen und publizistischen Unterlagen - insbesondere mit dem Tenor, die massiven Risiken der FSME-Impfung seien seit vielen Jahren bekannt, würden insbesondere in Österreich, aber auch vom P.-Institut unterdrückt - übersandt.

Der Senat hat unter anderem die den Kläger betreffende Impfschadensakte des Beklagten einschließlich der vom Kläger in einem eigenen Ordner übergebenen Unterlagen und den FSME-Impfpass des Klägers beigezogen sowie Berichte/Auskünfte des Dr.G. junior, des Dr.K. und der "V. Krankenversicherung AG" eingeholt und den Kläger angehört (Erörterungstermin vom 26.06.2003). Im Auftrag des Senats hat die Ärztin für medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie Dr.J. (Lehrstuhl für Virologie der L.-Universität M. , M.-Institut) - nach Zurückweisung von zwei Ablehnungsgesuchen des Klägers gegen diese Sachverständige (Senatsbeschlüsse vom 09.03. und 13.05.2004) - am 08.06.2004 ein Gutachten erstattet. Die Sachverständige vertrat die Auffassung, ein über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden sei innerhalb der Inkubationszeit nicht aufgetreten. Als solcher komme in erster Linie der Orgasmuskopfschmerz in Frage, für den jedoch in der Literatur kein Zusammenhang mit FSME-Impfungen beschrieben werde und der darüber hinaus durch andere, beim Kläger bestehende Ursachen (Arachnoidalzyste u.a.) erklärbar sei. Für die Vielzahl weiterer, vom Kläger auf die Impfung zurückgeführter Gesundheitsstörungen fehle es bereits am zeitlichen Zusammenhang mit der FSME-Impfung vom 30.06.1989.

Der Kläger hat sich schriftsätzlich zum Gutachten der Dr.J. geäußert und in diesem Zusammenhang weitere Unterlagen übersandt (Schreiben vom 13.07., 09.09. und 05.12.2004). Der Beklagte hat sich ebenfalls zu dem eingeholten Gutachten und zum neuen Vorbringen des Klägers unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie PD Dr.K. vom 21.10.2004 geäußert.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 29.05.2000 sowie des Bescheides vom 19.09.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.1995 zu verurteilen, ihm wegen Impfschadensfolgen (FSME-Impfung vom 30.06.1989) ab Antragstellung Versorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspreche.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Akten und Unterlagen sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 61 Abs.2 BSeuchG bzw. 68 Abs.2 IfSG i.V.m. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger angegebenen Gesundheitsstörungen als Folge eines Impfschadens auf Grund der FSME-Impfung vom 30.06.1989 anzuerkennen und ihm deshalb Versorgung zu gewähren.

Dies hat das Sozialgericht mit Recht verneint.

Entsprechend der Regelung des § 60 Abs.1 IfSG (früher: § 51 Abs.1 BSeuchG) i.V.m. dem BVG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die unter anderem von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Voraussetzung im Einzelnen dafür ist, dass die empfohlene Impfung die Gesundheitsstörung wahrscheinlich verursacht hat. Wahrscheinlich in diesem Sinn ist die Kausalität dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht, das heißt die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen. Die Impfung als schädigende Einwirkung, der Impfschaden - das ist ein über die übliche Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden - und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) müssen nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (BSG, 19.03.1986, 9 a RV 2/84; 26.06.1985, 9 a RVi 3/83 = BSG, SozR 3850 § 51 Nrn.9 und 8).

Eine Erkrankung, die alsbald nach einer Impfung mit Sicherheit aufgetreten sein muss, ist als ungewöhnliche Impfreaktion und damit als "Impfschaden" zu verstehen, falls sie wahrscheinlich durch die Impfung verursacht wurde. Falls ein "Impfschaden" nicht erwiesen ist, erübrigt es sich, einen ursächlichen Zu- sammenhang mit dem letzten Glied der Ursachenkette zu prüfen. Selbst wenn man die Kausalitätsformel in § 61 Satz 1 IfSG (früher: § 52 Abs.2 Satz 1 BSeuchG) isoliert betrachten wollte, müsste man das Mittelglied "Impfschaden" als Brückensymptom in der durch die beiden Endglieder begrenzten Kette von Ursachen und Wirkungen mit Gewissheit feststellen; es dürfte auch dann nicht bloß wahrscheinlich sein. Anderenfalls würde die Überzeugung nicht den Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges gerecht. Diese sind aber unverzichtbar. Eine Umkehr der Beweislast gibt es in diesem Bereich nicht (BSG, 19.03.1986 a.a.O.).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Selbst wenn man mit Rücksicht auf die auch hier geltende Bestimmung des § 15 KOVVfG (Gesetz über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung) das "alsbaldige" erstmalige Auftreten von sehr heftigen Kopf- und Nackenschmerzen beim Orgasmus als sicher bewiesen ansehen wollte, obwohl entsprechende medizinische Feststellungen aus den ersten Monaten nach der Impfung nicht vorliegen, so fehlt es jedenfalls an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges dieses Schmerzphänomens mit der - öffentlich empfohlenen - FSME-Impfung vom 30.06.1989. Gegen diese Wahrscheinlichkeit spricht zum einen, dass nach Aussage der Sachverständigen Dr.J. in der medizinisch wissenschaftlichen Fachliteratur kein Zusammenhang zwischen FSME-Impfungen und Orgasmuskopfschmerz beschrieben wird. Zum anderen spricht gegen einen solchen Zusammenhang der Umstand, dass der vom Kläger angegebene Orgasmusschmerz plausibler mit den beim Kläger objektivierten - impfunabhängigen - Gesundheitsstörungen wie degenerativen HWS-Veränderungen und arachnoidalen Zysten erklärt werden kann.

Das Auftreten einer zentralnervösen Komplikation im Sinne einer Myelitis, Encephalitis oder Meningitis alsbald nach der Impfung ist ebenfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen. Entsprechend den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr.K. ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte. Dies folgt insbesondere aus dem Umstand, dass der vom Kläger als erster Neurologe nach der Impfung aufgesuchte Dr.M. bei der Untersuchung im Dezember 1989 keine neurologischen Auffälligkeiten feststellen konnte. Die Wirksamkeit der Behandlung mit dem Medikament AntiFocal durch Dr.K. im Jahr 1993, wie sie vom Kläger angegeben wurde, ohne dass Dr.K. dies bestätigte (vgl. Auskunft Dr.K. vom 02.07.2003), vermag das Auftreten einer zentralnervösen Komplikation im Juli 1989 nicht zu beweisen. Entsprechendes gilt für die Auffassung des Dr.M. (Bericht vom 23.07.1999), der eine Encephalopathie und Polyneuropathie als Folgen der FSME-Schutzimpfung annimmt. Als Beweis für die Annahme einer postvakzinalen Encephalopathie dient Dr.M. der Orgasmuskopfschmerz als Brückensymptom. Der sichere Nachweis einer postvakzinalen Encaphalopathie scheitert jedoch bereits daran, dass als mögliche Ursachen des Orgasmuskopfschmerzes auch die beim Kläger vorliegenden degenerativen HWS-Schäden oder aber die computertomographisch festgestellte arachnoidale Zyste in Frage kommen. Der Auffassung des Dr.V. in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten vom 31.05.1996 vermochte sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Die Schlussfolgerung dieses Sachverständigen, als "wahrscheinlichste" Ursache für die Erkrankung des Klägers (krampfartige Kopfschmerzen, Gleichgewichtstörungen mit Gehunsicherheit, Schwindelgefühle, wandernde Schmerzen in Armen und Beinen, allgemeine Schwäche und Erschöpfbarkeit, immunologische Veränderungen) müsse eine Impfschädigung angenommen werden, genügt nicht den Beweisanforderungen des sozialgerichtlichen Verfahrens. Denn der erforderliche Nachweis eines nach der FSME-Schutzimpfung vom 30.06.1989 aufgetretenen Impfschadens im Sinne des Vollbeweises wird dadurch nicht geführt.

Da es somit am Nachweis eines Impfschadens fehlt, ist ein wahrscheinlicher Kausalzusammenhang der zeitlich mit größerem Abstand zu der Impfung aufgetretenen weiteren vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen mit der Impfung vom 30.06.1989 ausgeschlossen. Der Umstand, dass solche Gesundheitsstörungen als mögliche Folgen von FSME-Schutzimpfungen diskutiert werden, vermag den fehlenden Nachweis der oben als Voraussetzung beschriebenen Kausalkette (Impfung - Impfschaden - Impfschadensfolgen) nicht zu ersetzen.

Ein Kausalzusammenhang der Gesundheitsstörungen des Klägers mit in dem verwendeten Impfstoff enthaltenen Konservierungsmitteln und Zusatzstoffen - wie u.a. Formaldehyd - ist, wie Privatdozent Dr.K. in der im Wege des Urkundenbeweises verwerteten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.10.2004 schlüssig und überzeugend dargelegt hat, ebenfalls nicht wahrscheinlich. Sowohl die weit unter den toxischen Bereichen liegende Konzentration dieser Stoffe als auch die Tatsache, dass die Auslösung eines Orgasmuskopfschmerzes durch diese Substanzen in der Literatur nicht beschrieben ist, und die lange zeitliche Distanz des Auftretens der übrigen geltend gemachten Gesundheitsstörungen zu der Impfung sprechen gegen einen derartigen Zusammenhang. Soweit die Gesundheitsstörungen des Klägers auch als Symptome einer abgelaufenen - ebenfalls durch Zecken übertragenen - Lyme Borreliose gedeutet werden (Bericht Dr.B. vom 20.07.2004), ist ein Zusammenhang dieser durch ganz andere Erreger verursachten Erkrankung mit der FSME-Schutzimpfung nicht wahrscheinlich (vgl. Stellungnahme PD Dr.K. vom 21.10.2004).

Da die Sachverständige Dr.J. schlüssig dargelegt hat, dass von einer Untersuchung des Klägers keine zusätzlichen Erkenntnisse für die Beantwortung der Beweisfragen zu erwarten waren, hat der Senat keine Veranlassung gesehen, auf einer Untersuchung zu bestehen.

Die Voraussetzungen der so genannten "Kann-Versorgung" (§ 52 Abs.2 Satz 2 BSeuchG bzw. § 61 Satz 2 IfSG) sind ebenfalls nicht gegeben, wie sich aus den gutachtlichen Ausführungen der Sachverständigen Dr.J. (insbesondere zu Beweisfrage 4.) ergibt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.05.2000 musste nach alldem zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 bis 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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