L 6 U 4600/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1526/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4600/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Berechnung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV sind bezogene Lohnersatzleistungen wie Krankengeld mit dem Bruttobetrag zu berücksichtigen. (Nichtzulassungsbeschwerde anhängig beim BSG unter AZ: B 2 U 96/05 B)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. September 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Übergangsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1941 geborene Kläger ist ausgebildeter Färber und Chemiereiniger. Seit 1985 war er bei der Reinigungsfirma WUP in H. beschäftigt. 1991 traten bei ihm erstmals Hautveränderungen an den Händen auf. Seit 28.02.2003 war der Kläger wegen Gastritis und depressiver Verstimmung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Firma WUP kündigte ihm zum 30.11.2003 (arbeitsgerichtlicher Vergleich vom 26.06.2003 im Rechtsstreit 5 Ca 377/03 vor dem Arbeitsgericht Mannheim). Mit Bescheid vom 03.03.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 01.03.2003 Rente als vorläufige Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) in Höhe von 25 v. H. der Vollrente (monatlicher Zahlbetrag 345,29 EUR).

Mit Bescheid vom 27.01.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ferner eine Übergangsleistung gem. § 3 Abs. 2 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Diese wurde für das erste Jahr der Laufzeit auf 5/5, für das zweite Jahr auf 4/5, das dritte Jahr auf 3/5, das vierte Jahr auf 2/5 und das fünfte Jahr auf 1/5 des Minderverdienstes festgesetzt, der sich aus der Gegenüberstellung des bei einer Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz voraussichtlich erzielten Nettolohnes mit dem nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich bezogenen Einkommen ergab. Da der Kläger vom 28.02. bis 08.05.2003 vom letzten Arbeitgeber Lohnfortzahlung erhielt, errechnete sich für diesen Zeitraum keine Übergangsleistung. Für den Zeitraum vom 09.05. bis 31.12.2003 stellte die Beklagte dem (fiktiven) Nettoarbeitseinkommen des Klägers in Höhe von 12.300,56 EUR das von ihm bezogene Bruttokrankengeld (vom 09.05. bis 31.12.2003 47,72 EUR täglich = 11.118,76 EUR) gegenüber. Auf diese Weise errechnete sich für die Zeit vom 09.05. bis 31.12.2003 ein Minderverdienst ihn Höhe von 1.181,80 EUR, der als Übergangsleistung zugebilligt wurde.

Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, die Beklagte müsse bei der Berechnung des Minderverdienstes das niedrigere Netto-Krankengeld (täglich 41,11 EUR) berücksichtigen. Da Sinn und Zweck der Übergangsleistung darin bestünden, den Minderverdienst infolge Fortfalls der Entgeltansprüche in voller Höhe auszugleichen, sei die Differenz zwischen dem Nettolohn und dem Nettokrankengeld maßgeblich.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Urteil vom 25.02.1993 - 2 RU 6/92).

Am 02.06.2004 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er trug vor, wie sich aus dem Urteil des BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 6/01 R ergebe, handle es sich bei der Übergangsleistung um einen echten Schadenersatzanspruch. Das Urteil des BSG vom 25.02.1993 - 2 RU 6/92 sei in seinem Fall nicht anwendbar, da es auf die gesetzliche Regelung des früheren § 1385 b Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) abstelle, die heute nicht mehr in Kraft sei. Im übrigen sei die Argumentation des BSG zu Sinn und Zweck des § 1385 b RVO und zu den Hintergründen des Haushaltbegleitgesetzes 1984 nicht stichhaltig.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 08.09.2004 - dem Kläger am 17.09.2004 zugestellt - wies das SG die Klage ab. Wie das BSG im Urteil vom 25.02.1993 zutreffend ausgeführt habe, würde die Berücksichtigung des Nettokrankengeldes zu einer systemwidrigen und nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung derjenigen Versicherten führen, die einen Arbeitsunfall erlitten hätten und sodann (wegen unfallfremder Erkrankungen) von der gesetzlichen Krankenversicherung Krankengeld erhielten. Diese hätten nämlich aus dem Krankengeld die gesetzlichen Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuführen. Insoweit gehe die Beitragslast hälftig zu Lasten des Versicherten, ohne dass ein Ausgleich durch den Unfallversicherungsträger in Betracht komme. Würde nunmehr im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV bei der Berechnung der Übergangsleistung das Nettokrankengeld in Ansatz gebracht, käme es zu einer bei vergleichbarem Sachverhalt systemwidrigen Beitragsentlastung der Versicherten. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger durch die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unmittelbar entsprechende Sozialleistungsansprüche bzw. Anwartschaften erwerbe. Auch deshalb dürfte es nicht geboten sein, bei der Berechnung der Übergangsleistung das Nettokrankengeld in Ansatz zu bringen. Im Hinblick darauf habe das Gericht erhebliche Zweifel, ob die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 25.02.1993, die Beitragslast sei im Falle des Krankengeldes als ein allgemeines Solidaropfer zu begreifen, heute noch zutreffend sei. Hierauf komme es aber nicht entscheidend an, da die angefochtene Entscheidung der Beklagten auf diesen Erwägungen nicht in tragender Weise beruhe.

Der Kläger hat am 11.10.2004 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er trägt vor, zu Unrecht gehe das SG davon aus, die Beklagte habe sich bei ihrer Ermessensentscheidung nicht "in tragender Weise" auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 25.02.1993 berufen. Tatsächlich sei dieses Urteil zur alleinigen Begründung der Berechnungsmethode von der Beklagten herangezogen worden. Im übrigen sei auch nach seiner Auffassung die Meinung des BSG, dass die Beitragslast im Fall des Krankengeldes als ein allgemeines Solidaropfer zu begreifen sei, heute nicht mehr zutreffend. Unrichtig sei im übrigen die Ansicht, die Zugrundelegung des Nettokrankengeldes würde eine systemwidrige und nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Versicherten bedeuten, die einen Arbeitsunfall erlitten hätten und sodann wegen unfallfremder Erkrankungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung Krankengeld erhielten. Die Tatsache, dass diese dann angeblich ungleich behandelten Versicherten wegen unfallfremder Erkrankungen Krankengeld erhielten, führe zu der Schlussfolgerung, dass kein gleichartiger Sachverhalt vorliege. Er sei gerade wegen der durch die Berufsausübung entstandenen und später als BK festgestellten Erkrankung gezwungen gewesen, seine bisherige berufliche Tätigkeit aufzugeben. Schließlich habe die Tatsache, dass seit dem Jahr 1993 von dem bezogenen Krankengeld gesetzliche Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuführen seien, nichts mit der Berechnung der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV zu tun. Insbesondere sei nicht einzusehen, dass er im Falle der Berechnung der Übergangsleistung mit In-Ansatz-Bringung des Nettokrankengeldes eine Beitragsentlastung erfahren würde. Die Beiträge, die von dem Krankengeld zu zahlen seien, blieben in jedem Fall gleich. Er trage die Beitragslast zu 100 %.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 08.09.2004 aufzuheben, den Bescheid vom 27.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2004 abzuändern und ihm Übergangsleistungen gem. § 3 BKV zu gewähren, die errechnet werden aus der Differenz zwischen dem zuletzt erzielten Nettolohn und dem gezahlten Nettokrankengeld.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, nach wie vor seien im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG Rentenversicherungsbeiträge, die vom Krankengeld abgeführt werden müssen, nicht als Minderverdienst bzw. wirtschaftlicher Nachteil in Form einer Übergangsleistung gem. § 3 BKV auszugleichen. Eine Bevorzugung der Gruppe der an einer Berufskrankheit Leidenden, die Krankengeld oder Verletztengeld erhielten, könne auch nicht aus dem Zweck der Übergangsleistung abgeleitet werden. Diese solle als präventive Maßnahme einen Anreiz dafür schaffen, eine gesundheitsgefährdende Tätigkeit einzustellen. Dieser Zweck gebiete es aber nicht, die Versichertengruppe, welcher der Kläger angehöre, aus den allgemeinen Beitragspflichten auszunehmen. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger durch die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unmittelbar entsprechende Sozialleistungsansprüche bzw. Anwartschaften erwerbe. Es könne deshalb nicht beanstandet werden, dass sich der Kläger an diesen Beiträgen beteilige, zumal der Leistungsempfänger lediglich den hälftigen Beitrag erbringe, der sich aus der Höhe seiner Leistung errechne. Die Aussage des Klägers, er würde die Beitragslast zu 100 % tragen, sei nicht nachvollziehbar.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe (§ 144 SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird 1. ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder 2. eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von 5 Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BKV). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BKV gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (BSGE 78, 261, 262). Gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG hat der Träger der Unfallversicherung bei dieser Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen. Dasselbe ergibt sich auch aus § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Rechtsanspruch (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die Gesichtspunkte, von denen der Unfallversicherungsträger bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist, müssen in der Begründung der Entscheidung erkennbar werden (§ 35 Abs. 1 Satz 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) i.V.m. dessen Sätzen 1 und 2).

Die Beklagte hat insbesondere in ihrem Widerspruchsbescheid vom 04.05.2004 eine eingehende Begründung dafür gegeben, dass sie bei der Berechnung des durch die Übergangsleistung auszugleichenden Minderverdienstes nicht das Nettokrankengeld nach Abzug der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, sondern das sogenannte Bruttokrankengeld zugrunde gelegt hat. Die Übergangsleistung hat eine präventive, krankheitsvorbeugende Funktion und soll den Versicherten veranlassen, die gefährdende Tätigkeit aufzugeben (BSGE 40, 146, 150). Für den Fall, dass der Versicherte die - gefährdende - Tätigkeit einstellt, ist die Übergangsleistung "zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile" zu gewähren. Neben der Anreizfunktion zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit handelt es sich um einen echten Schadenersatzanspruch (BSGE 78, 261, 264). Indessen geht dieser Schadenersatzanspruch nicht auf den Ersatz des dem Versicherten danach verbleibenden vollen Schadens im Sinne der sogenannten Naturalrestitution (vgl. §§ 249 Satz 1, 252 BGB). Zwar sind gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV grundsätzlich "konkrete" Nachteile auszugleichen. Bei der Berechnung des Minderverdienstes ist daher bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern einerseits der (fiktive) Nettoverdienst, wie er sich aus dem Bruttoverdienst, vermindert um die gesetzlichen Abzüge wie Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ergibt, und andererseits das nach der Berufsaufgabe tatsächlich erzielte Nettoentgelt bzw. -einkommen (§§ 14, 15 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IV) abzustellen. Zum Nettolohn, der nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bezogen wird, rechnen auch Leistungen mit Entgeltersatzfunktion wie z. B. Krankengeld (Mehrtens/Perlebach, BKV, Anmerkung 5.3 zu § 3).

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen bedarf es, wie das SG zutreffend dargelegt hat, einer besonderen Rechtfertigung, wenn die Beklagte bei Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld auf den Bruttobetrag abstellt, obwohl bei dem nach der schädigungsbedingten Berufsaufgabe erzielten Arbeitsentgelt auf den Nettobetrag abzustellen ist. Diese Begründung hat das BSG in dem von der Beklagten herangezogenen Urteil vom 25.02.1993 - 2 RU 6/92 gegeben, dem auch das SG im Ergebnis gefolgt ist. Heute wie damals gilt, dass die Berücksichtigung des Nettokrankengeldes zu einer systemwidrigen und nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen würde. Während der unfallverletzte Bezieher von Verletztengeld oder von Krankengeld in dem Fall, dass zur Zeit des Unfalls bereits Arbeitsunfähigkeit wegen unfallfremder Leiden vorgelegen hat, Beiträge zur Rentenversicherung aus dem Verletzten- oder Krankengeld zu tragen hat, käme bei einem an einer BK erkrankten Bezieher von Krankengeld ein "Ausgleich" der Beitragslast über § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV in Betracht. Wie das BSG aaO weiter ausgeführt hat, kann eine Bevorzugung der Gruppe der an einer BK Leidenden, die Krankengeld oder Verletztengeld erhalten, auch nicht aus dem Zweck der Übergangsleistung abgeleitet werden. Diese soll wie bereits oben dargelegt als präventive Maßnahme einen Anreiz dafür schaffen, eine gesundheitsgefährdende Tätigkeit einzustellen. Dieser präventiv ausgerichtete Zweck gebietet es nicht, die Versichertengruppe, der der Kläger angehört, aus der Beitragspflicht zur Rentenversicherung auszunehmen.

Zu Unrecht hat der Kläger eingewandt, das Urteil des BSG vom 25.02.1993 könne auf den vorliegenden Fall nicht mehr angewandt werden, weil das BSG ausgehend von der Vorschrift des § 1385 b Abs. 1 RVO davon ausgegangen sei, die Beitragslast im Falle des Krankengeldes sei als ein allgemeines Solidaropfer zu begreifen. Dass das BSG diesen Ausdruck gebraucht hat, ist nur aus der historischen Entwicklung des Rentenrechts zu verstehen. § 1385 b wurde durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBegleitG) vom 22.12.1983 - BGBl I Seite 1532) in die RVO eingefügt. Danach zahlten u. a. die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für Ausfallzeiten von Personen, die von ihnen Krankengeld bezogen, für die Zeit des Bezugs dieser Leistung Beiträge, wenn diese Personen vor Beginn der Leistung zuletzt nach diesem Buch oder dem Handwerkerversicherungsgesetz pflichtversichert waren. Die Beiträge waren von den Beziehern des Krankengeldes, sofern es nicht in Höhe von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen war, sowie von den Leistungsträgern je zur Hälfte zu tragen. Diese Regelung war für die deutsche Rentenversicherung neuartig. Ursprünglich, d. h. bei der Rentenreform des Jahres 1957, wurden Ausfallzeiten, zu denen u. a. die Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheit gehörten, vom Gesetzgeber sehr begünstigt. Bei der Rentenberechnung wurden sie in der Regel entsprechend dem während des Arbeitslebens durchschnittlich erzielten Verdienst des Versicherten bewertet und waren auch dann, wenn an die Stelle des ausgefallenen Arbeitsverdienstes Sozialleistungen, insbesondere Krankengeld oder Arbeitslosengeld traten, von einer Beitragsleistung befreit. Wie der 12. Senat des BSG im Urteil vom 19.06.1986 - 12 RK 54/85 (SozR 2200 § 1385 b Nr. 1) ausführlich dargelegt hat, wurde diese Begünstigung der Ausfallzeiten in der Folgezeit unter dem Druck wachsender Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversicherung immer mehr eingeschränkt. Zu einem vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung kam es mit dem HBegleitG 1984. Dieses nahm die Bezieher von Leistungen der Krankenversicherungsträger, soweit die Leistungsbezieher durch das Rehabilitationsangleichungsgesetz von 1974 rentenversicherungspflichtig geworden waren, wieder aus der Versicherungspflicht heraus. Dafür begann nun die Beitragspflicht zur Rentenversicherung nicht erst nach einem 12-monatigen Krankengeldbezug, sondern sogleich mit der Leistungsgewährung. Die Beiträge wurden allerdings lediglich nach der Höhe der Sozialleistung bemessen, wobei die Beitragslast bei Bezug von Kranken- und von Verletztengeld grundsätzlich auf die Leistungsträger und die Leistungsempfänger je zur Hälfte verteilt wurde. Die Leistungszeiten blieben Ausfallzeiten und wurden trotz der Entrichtung von Beiträgen keine als Beitragszeiten anrechnungsfähigen Versicherungszeiten (vgl. § 1250 Abs. 1 a RVO). In seinem Urteil vom 25.02.1993 hat der 2. Senat des BSG deshalb von einem "Solidaropfer der Bezieher von Lohnersatzleistungen" gesprochen, weil der Gesetzgeber die neuartige Belastung der Versicherten mit Beiträgen durch das HBegleitG damit gerechtfertigt hatte, dass die betroffenen Lohnersatzleistungen (u. a. das Krankengeld) von allen einschränkenden Maßnahmen in den zurückliegenden Jahren verschont geblieben seien und im Regelfall 100 v. H. des letzten Nettoarbeitsverdienstes betrügen (Hinweis auf BT-Drucksache 10/335 Seite 59).

Durch die Rentenreform 1992 wurde das Rentenrecht grundlegend umgestaltet. Auch im strittigen Zeitraum ab 09.05.2003 wurden jedoch gem. § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a des Sechsten Buches des Sozialgerichtsbuchs (SGB VI) bei Personen, die Krankengeld oder Verletztengeld beziehen, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, von den Beziehern der Leistung und den Leistungsträgern je zur Hälfte Beiträge erhoben. Gem. § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind nämlich versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger u. a. Krankengeld oder Verletztengeld beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren. Seit 01.01.1992 sind Zeiten des Bezugs solcher Entgeltersatzleistungen echte Pflichtbeitragszeiten. Sie wirken sich nach den Vorschriften der §§ 54, 55, 70 ff. SGB VI rentensteigernd aus. Mithin hat die Entscheidung des BSG hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung, die bei der Berechnung der Übergangsleistung nicht berücksichtigt werden dürfen, unverminderte Bedeutung.

Das Argument des BSG, dass die Berücksichtigung des Nettokrankengeldes zu einer systemwidrigen und nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der unfallverletzten Bezieher von Verletztengeld oder Krankengeld führen würde, hat jedoch auch Bedeutung für die im hier maßgeblichen Zeitraum ab 09.05.2003 abzuführenden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und zur Pflegeversicherung. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) sind in der Arbeitslosenversicherung u. a. Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld oder Verletztengeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren. Die Beiträge werden von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen jeweils zur Hälfte von den Beziehern der Leistung und den Leistungsträgern getragen (§ 347 Nr. 5 SGB III). Dagegen waren für den in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Kläger keine Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung zu entrichten(vgl. § 224 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V)).

In der sozialen Pflegeversicherung, in welcher der Kläger auch während seines Krankengeldbezugs gemäß § 20 Abs. 1, § 49 Abs.2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) iVm § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V als in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtiges Mitglied ebenfalls pflichtversichert war, hatte er allerdings während der Zeit seines Krankengeldbezugs neben der Krankenkasse hälftig (§ 59 Abs. 2 SGB XI) Beiträge zu entrichten. Anders als in der Krankenversicherung besteht nämlich in der Pflegeversicherung keine (auf das Krankengeld beschränkte) Beitragsfreiheit (vgl. zur Begründung im Einzelnen Peters in KassKomm, Rdz. 21 zu § 57 SGB XI).

Der Senat lässt offen, ob dem SG auch darin gefolgt werden kann, die Berücksichtigung des Bruttokrankengeldes bei der Ermittlung des Minderverdienstes sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger durch die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unmittelbar entsprechende Sozialleistungsansprüche bzw. Anwartschaften erwerbe, und ob es überhaupt zulässig ist, diese Erwägung anzustellen, obwohl sich die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung hierauf nicht berufen hat. Wie oben dargelegt trifft es zwar zu, dass sich Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung aufgrund eines Krankengeldbezugs rentensteigernd auswirken. In der Arbeitslosenversicherung hat jedoch die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 SGB III). Ob Beiträge abgeführt worden sind, ist nicht entscheidend. Es reicht aus, dass der Arbeitslose in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den § 24 ff. SGB III gestanden hat (vgl. Niesel, SGB III, Anmerkung 3 zu § 123). Auch in der Pflegeversicherung sind Leistungsansprüche nicht von einer vorausgegangenen Beitragsentrichtung abhängig. Ebenso wenig wie in der Krankenversicherung muss hierfür eine Anwartschaft erfüllt sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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