S 11 AL 21/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 21/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AL 85/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, in welcher Höhe dem Kläger monatlich Arbeitslosengeld (Alg) zu zahlen ist. Der Kläger wendet sich gegen die Ansetzung eines Monats mit 30 Tagen ab dem 01.01.2005.

Der am 00.00.1945 geborene Kläger steht seit August 2003 im Alg-Bezug, zuletzt mit einem Zahlbetrag von täglich 54,38 Euro.

Mit Bescheid vom 02.01.2005 hob die Beklagte den täglichen Zahlbetrag auf 54,87 Euro an und erkannte dem Kläger fortan einen monatlichen Zahlbetrag von 1646,10 Euro für alle Monate des Jahres zu, wobei sie den Monat mit 30 Tagen ansetzte.

Seinen am 03.02.2005 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er erhalte durch den neuen Berechnungsmodus jährlich ungefähr 270.- Euro weniger an Alg, was nicht rechtens sein könne.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16.02.2005 mit der Begründung zurück, die Berechnung des monatlich zu zahlenden Alg erfolge seit dem 01.01.2005 unabhängig von der Anzahl der Tage des jeweiligen Monats, wobei der volle Monat immer mit 30 Tagen angesetzt werde. Eine Übergangsregelung besteht nicht, vielmehr gelte das neue Recht in jedem Leistungsfall.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und führt aus, die Rechtsänderung widerspreche dem Gebot des Vertrauensschutzes, zumal er Alg nach § 428 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) beziehe. Als er sich auf diese "Regelung" eingelassen habe, sei ein Leistungsanspruch gemäß der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage des jeweiligen Monats vereinbart worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.2005 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 16.02.2005 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld gemäß der Anzahl der Tage des jeweiligen Monats, an denen er arbeitslos ist, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer bisherigen Auffassung.

Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Kläger hat Anspruch auf monatliches Alg nur in einer Höhe, die sich auf das 30-fache des täglichen Zahlbetrags beläuft.

Nach § 134 Satz 1 SGB III in der seit dem 01.01.2005 geltenden Fassung wird Alg für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist für einen vollen Kalendermonat Alg zu leisten, so ist dieser mit 30 Tage anzusetzen, § 134 Satz 2 SGB III. Diese Regelung ersetzt § 139 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (a.F.), wonach Alg für die Woche berechnet und für Kalendertage geleistet wurde. Eine Übergangsvorschrift zu § 134 SGB III existiert nicht, die entsprechenden Bestimmung in § 434 j SGB III enthält keinen Übergangstatbestand zu § 134 SGB III bzw § 139 SGB III aF. Grund der Neuregelung ist, dass verwaltungsaufwändige monatlich wiederkehrende Berechnungsvorgänge vermieden werden sollen. (Übersicht bei Coseriu/Jakob, in: Praxiskommentar zum SGB III, 2. Aufl., Anhang zu §§ 130 - 139, Rn. 66 mit dem Hinweis, sich hieraus ergebende faktische Kürzungen seien rechtlich nicht zu beanstanden). Eine entsprechende Regelungen finden sich beim Bezug Krankengeld, wo der Monat nach § 47 Abs. 1 Satz 7 Sozialgesezubuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ebenfalls pauschal mit 30 Tagen angesetzt wird.

Fehler bei der Anwendung von § 134 SGB III hat der Kläger nicht gerügt und sind dem Gericht nicht ersichtlich.

Auch die übrigen Einwendungen des Klägers dringen nicht durch. Der Kläger kann nicht die weitere Anwendung alten Rechts beanspruchen. Dies ergibt sich - entgegen seiner Auffassung - nicht aus § 428 SGB III, denn diese Vorschrift enthält keinen allgemeinen Bestandssschutz für alle zum Zeitpunkt der Entstehung des Alg-Anspruchs einschlägigen Regelungen. Insbesondere lässt sich § 428 SGB III nicht entnehmen, dass Arbeitslose bis zum Eintritt des 65. Lebensjahres ohne jedwede Einschränkung Alg beziehen können (Siefert-Hänsle, in: Praxiskommentar zum SGB III, a.a.O., § 428, Rn. 3).

Ein Anspruch auf die Weiteranwendung alten Rechts ergibt sich auch nicht aus dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Grundgesetz) oder aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes. Es besteht kein Anspruch eines Alg-Beziehers darauf, sein Recht stets unverändert in Anspruch nehmen zu können, denn bloße Erwartungen, die sich aus dem Fortbestand einer günstigen Gesetzeslage ergeben, sind nicht geschützt (Lauer, in: Praxiskommentar zum SGB III, a.a.O., § 121, Rn. 9). Wer als Pflichtversicherter der gesetzlichen Sozialversicherung beitritt, kann nicht von vornherein erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen unverändert fortbestehen (hierzu und zum folgenden BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981, SozR 2200 § 1255a Nr. 7, BVerfGE 58, 81 ff; ähnlich BSGE 60, 158, 162). Die gesetzliche Sozialversicherung ist eine Solidargemeinschaft, deren Rechte und Verpflichtungen im Laufe der Zeit vielfältigen Veränderungen unterliegen können. Wer einer solchen Gemeinschaft beitritt, erwirbt nicht nur die mit diesem System verbunden Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken. Eine Unabänderlichkeit der bei Begründung des Sozialversicherungs- oder Sozialleistungsverhältnis bestehenden Bedingungen widerspräche daher dem Sozialversicherungsverhältnis, das auf dem Gedanken der Solidarität und einem Ausgleich beruht.

Daher kommt dem Gesetzgeber auf für Eingriffe in bestehende Anwartschaften und Leistungsansprüche Gestaltungsfreiheit zu, solange für den Eingriff legitimierende Gründe gegeben sind (BVerfGE 31, 275, 290). Solche Gründe liegen bei allen Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung zu gewährleisten, zu verbessern oder sie veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfGE 53, 257, 293).

Die Neuregelung des Inhalts des (aufgehobenen) § 139 SGB III a.F. in § 134 SGB III dient im Wesentlichen der Verwaltungsvereinfachung, hinter der wiederum die Verwaltungseffizienz und somit die Funktionsfähigkeit der Sozialverwaltung steht. Auch die Funktionsfähigkeit der Sozialverwaltung stellt - als "technische" Seite der Leistungserbringung - einen verfassungsrechtlich billigenswerten Belang der Sozialversicherung dar. Dies gilt umso mehr, als ein entsprechende Regelungsmodelle in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht (§ 47 Abs. 1 Satz 7 SGB V) und dass auch das Entgelt - zu dessen Ersatz das Alg dient - in vielen Fällen pauschal monatlich und ungeachtet der tatsächlichen Arbeitstage geleistet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. 1
Rechtskraft
Aus
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