L 4 KR 84/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 78/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 84/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 3. März 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten in Höhe von 2.169,65 EUR zu erstatten, die ihr für das Entfernen von Goldlegierungen, das Legen von provisorischen Zementfüllungen sowie die Versorgung eines Zahnes mit einer Keramikkrone entstanden sind.

Die 1968 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie hat mit Schreiben vom 22.04.2002 unter Hinweis darauf, sie leide an einer Schwermetallintoxikation und Allergien auf Kunststoff, Amalgam und Goldfüllungen, bei der Beklagten beantragt, dass diese ihr die vollen Kosten für Zementprovisorien nach Entfernung der Goldfüllungen sowie für eine Keramikkrone schriftlich zusage. Für sie kämen als Füllmaterialen nur Keramik und als Übergangslösung Glasionomerzement in Frage. Die Klägerin hat hierzu einen privatärztlichen Befund- und Behandlungsplan des Zahnarztes Dr.H. vom 15.04.2002 vorgelegt, wonach von zehn Zähnen eine Krone oder ähnliches entfernt werden und durch neue Zementeinlagefüllungen und eine Vollkeramikkrone ersetzt werden sollten. Vorgelegt wurde auch ein Plan des selben Zahnarztes vom 22.03.2002, wonach für "Entfernung aller ZE-Metallversorgungen und Ersatz durch Vollporzellankrone auf 46 sowie Glasionemerfüllungen an den restlichen Zähnen als außervertragliche Leistung" Kosten in Höhe von voraussichtlich 2.798,35 Euro entstehen würden. Der Hautarzt und Allergologe Dr.S. bescheinigte Allergien auf Nickel, Amalgam und Kunststoffe für Zahnfüllungen. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 08.05.2002 mitgeteilt, für die vorläufige Versorgung mit Zementfüllungen sei keine Kostenübernahme möglich, da sie sich nur an endgültigen Versorgungen beteiligen könne. Wegen der nachgewiesenen Allergien sei dann nach aktuell gültiger Rechtslage eine Kostenbeteiligung für die endgültige Inlayversorgung möglich. An der Kronenversorgung des Zahnes 46 könne sich die Beklagte mit ca. 140 Euro beteiligen. Mit Bescheid vom 13.05.2002 hat die Beklagte dann eine Kostenbeteiligung an der Funktionsanalyse abgelehnt. Die Kostenbeteiligung an der Versorgung mit einer Krone bezifferte sie mit ca. 140 Euro. Eine volle Kostenübernahme bzw. 65 % aus den anfallenden Kosten bei einer Privatbehandlung sei nicht möglich. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 12.06.2002 Widerspruch ein, den die Beklagte nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern mit Widerspruchsbescheiden vom 04.03.2003 zurückwies. Kosten für provisorische Füllungen könnten grundsätzlich nicht übernommen werden, die Gebührenordnung für Zahnärzte gestatte eine Gebühr hierfür nicht. Bei der Versorgung des Zahnes 46 mit einer Zirkonhochleistungsporzellankrone handele es sich um keine Vertragsleistung. Daher seien die über die Vertragsleistung hinausgehenden Kosten Mehrkosten, die die Kasse nicht zu tragen habe. Es bleibe bei der Bewilligung des Zuschusses von ca. 140 Euro.

Hiergegen richtete sich die am 28.03.2003 zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage. Die Klägerin gab an, ihr seien für das Entfernen aller Goldlegierungen und das Legen von Füllungen aus Zement sowie die prothetische Versorgung durch eine Keramikkrone Kosten in Höhe von insgesamt 2.169,65 Euro entstanden, deren Erstattung sie von der Beklagten verlange. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2004 abgewiesen. Der behandelnde Zahnarzt habe im Heil- und Kostenplan formularmäßig darauf aufmerksam gemacht, dass eine Kostenerstattung durch die Beklagte möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet sei. Die Beklagte habe sich jedoch, da bei der Klägerin Allergien gegen Amalgam, Kunststoff und Gold nachgewiesen seien, bereit erklärt, sich an der endgültigen Versorgung mit Inlays zu beteiligen. Provisorische Einlagefüllungen stellten jedoch keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar, eine Kostenerstattung sei also nicht möglich. Ebenfalls zutreffend habe die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.05.2002 zugesichert, sich bei der Kronenversorgung des Zahnes 46 mit ca. 140 Euro beteiligen zu können. Die Versorgung des Zahnes mit einer Zirkonhochleistungsporzellankrone übersteige das Maß des Notwendigem im Sinne von § 12 Abs.1 SGB V.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die sie damit begründet, jeder habe ein Recht darauf, gehört und gewertet zu werden. Es sei ignoriert worden, dass es für sie wegen ihrer Allergie auf die Zahnfüllmaterialien Amalgam, Kunststoff, Gold und Titan keine andere Möglichkeit für die Zahnbehandlungen gab. Seit der Entfernung der Goldlegierungen habe sich ihre Situation drastisch verbessert, es sei eine lebensnotwendige Zahnbehandlung gewesen. Es stehe außer Frage, dass jeder Arzt und Mediziner Hilfe nach dem hippokratischen Eid zu leisten habe. In diesem Zusammenhang gebe es keine außervertragliche Leistung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 02.03. 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2003 zu verurteilen, ihr Behandlungskosten in Höhe von 2.169,65 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Mit der Berufungsbegründung seien keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Senat kann gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt.

Die Klägerin hat nicht gemäß § 13 Abs.3 SGB V Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr für die Zahnbehandlung durch Dr.H. in Rechnung gestellt wurden. Nach § 13 Abs.3 SGB V hat die Krankenkasse die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Bei der Zahnbehandlung der Klägerin hat es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Die Beklagte hat die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs.3 SGB V tritt an die Stelle eines Anspruchs auf Sach- oder Dienstleistung (§ 13 Abs.1 SGB V). Das bedeutet, Kosten können nur für Leistungen erstattet werden, auf die Versicherte Anspruch haben und über die eine Vereinbarung zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen besteht (Vertragsleistungen). Die Leistungen müssen außerdem dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs.1 SGB V entsprechen, sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Zu der Krankenbehandlung, auf die Versicherte gemäß §§ 11, 27 SGB V Anspruch haben, gehört auch die ärztliche und zahnärztliche Behandlung gemäß § 28 SGB V. Nach § 28 Abs.2 Satz 1 SGB V in der im Zeitpunkt der Behandlung geltenden Fassung umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Erkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheit nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen (§ 28 Abs.1 Satz 2 SGB V). Die Klägerin hat nach Entfernung der Goldinlays die Überzeugung gewonnen, wegen ihrer Allergien kämen für sie als Füllmaterialien nur Keramik und als Übergangslösung Glasionomerzement in Frage. Diese Versorgung hat sie als außervertragliche Leistung privat mit dem behandelnden Zahnarzt Dr.H. vereinbart. Für die Notwendigkeit dieser Behandlung gibt es keine befürwortenden ärztlichen Aussagen. Vielmehr hat der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenkassen in Bayern ausdrücklich ausgeführt, dass es keine medizinische Indikation für vorläufige Zementfüllungen im Fall der Klägerin gebe. Nach gewissenhafter Materialauswahl durch den Vertragszahnarzt könne nach kritischer Beurteilung der vorliegenden Unterlagen vertragsgerecht versorgt werden. Es wird vom MDK auch besonders vermerkt, dass kein Allergietestprotokoll, entsprechend den Anforderungen der Kontaktallergiegruppe der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft vorliegt, sondern nur die Kopie eines Amalgam betreffenden Allergiepasses mit nur schwer lesbarem Text zu den Inhaltsstoffen. Bei fehlender medizinischer Indikation für vorläufige Zementfüllungen sei Ziel der Behandlung eine endgültige Versorgung. Die Beklagte hat nicht abgelehnt, sich an dieser endgültigen Versorgung zu beteiligen. Die Ablehnung der Kostenbeteiligung an der vorläufigen Versorgung ist rechtmäßig.

Auch bezüglich der Versorgung mit einer Zahnkrone (Zahn 46) hat die Beklagte rechtmäßig gehandelt. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 30 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 19.12. 1998 wurden beachtet. Danach haben Versicherte Anspruch auf medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz (zahnärztliche Behandlung und zahntechnische Leistung). Der Zahnersatz umfasst auch Zahnkronen. Zur Versorgung mit Zahnersatz ist gemäß § 30 Abs.2 SGB V ein Zuschuss zu übernehmen. Die Klägerin hat auch bezüglich der Zahnkrone privatzahnärztliche Behandlung vereinbart und nach Angaben des Medizinischen Dienstes die teuerste aller möglichen Arten, nämlich Zirkonhochleistungsporzellan gewählt. Diese Versorgung geht über die Regelversorgung hinaus, so dass § 30 Abs.3 SGB V zur Anwendung kommt. Wählen danach Versicherte einen über die Versorgung nach Abs.1 hinausgehenden Zahnersatz, erhalten sie Leistungen nach Abs.1 im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung. Mehrkosten der zusätzlichen, über die Versorgung nach Abs.1 hinausgehenden Leistungen haben sie selbst in vollem Umfang zu tragen. Die Beklagte hat der Klägerin die Übernahme der Kosten nach vertragszahnärztlicher Versorgung zugesagt und dafür ca. 140 Euro als Betrag benannt. Ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

Auch wenn die Klägerin als freiwilliges Mitglied anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung gewählt hätte, ergäbe sich für sie aus § 13 Abs.2 SGB V kein weiterer Anspruch. Nach § 13 Abs.2 Satz 4 SGB V besteht der Anspruch auf Erstattung nämlich höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Diese Erstattung zu erbringen, hat die Beklagte im Rahmen der endgültigen Versorgung mit Zahnfüllungen und im Rahmen der Versorgung mit Zahnersatz (Zahn 46) zugesagt.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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