L 3 U 91/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 725/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 91/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger von der Beklagten Verletztenrente wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 25.10.1999 zu gewähren ist.

Der 1951 geb. Kläger war zum Unfallzeitpunkt als LKW-Fahrer beschäftigt. Beim Abladen eines LKW-Anhängers wurde er von der Ladebordwand an der rechten Schulter und am Kopf getroffen und zu Boden gedrückt. Hierbei erlitt er - so im Durchgangsarztbericht des Dr.B. , Chefarzt des Kreiskrankenhauses M. festgestellt - eine Kontusion der rechten Schulter, eine Schädelprellung und eine Kopfplatzwunde. Die Röntgenaufnahmen erbrachten keinen Anhalt für eine knöcherne Verletzung. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bescheinigte Dr.B. bis 02.11.1999 und die Allgemeinärzte Dres. W. und K. bis 14.11.1999. Die Behandlung, so erklärten Letztere, war am 08.11.1999 abgeschlossen.

Aufgrund einer Meldung der AOK vom 06.07.2000 wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger seit 08.05.2000 von Dr.Ö. wegen einer als posttraumatisch bezeichneten Schultergelenksarthrose und eines Impingement (Enge)-Syndroms behandelt wurde und seit dem 29.05.2000 arbeitsunfähig erkrankt war. Dr.Ö. fertigte am 08.05.2000 Röntgenaufnahmen der rechten Schulter an und veranlasste ein Magnetresonanztomogramm (MRT vom 07.06. 2000). Die Beklagte beauftragte Prof.Dr.B. und Prof. Dr.H. , beide Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. , mit der Erstattung eines Gutachtens. Die Ärzte kamen am 04.12.2000 - unter Auswertung eines radiologischen Zusatzgutachtens des Dr.W. vom 22.11.2000 - zum Ergebnis, die Behandlung wegen der Schultereckgelenksarthrose ab Mai 2000 habe nicht im Zusammenhang mit der Unfallverletzung gestanden; Unfallfolgen seien jetzt nicht mehr vorhanden.

Mit Bescheid vom 11.01.2001 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 25.10.1999 als Arbeitsunfall mit Prellung der rechten Schulter und einer Kopfplatzwunde als Unfallfolgen an. Diese Verletzungen seien inzwischen folgenlos abgeheilt und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 26. Woche sei nach dem Unfall nicht verblieben. Den Widerspruch des Klägers wies sie am 25.09.2001 zurück.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben und beantragt, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 25.10.1999 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat ihm antragsgemäß Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und ein Gutachten des Orthopäden Dr.F. eingeholt. Der Sachverständige hat am 15.05.2002 ausgeführt, da die Röntgenbilder vom Unfalltag und das MRT vom 07.06.2000 zwar Verschleißschäden des Schultereckgelenks, hingegen keinerlei Anhaltspunkte für eine traumatische Schädigung erkennen ließen und ein schweres Binnentrauma der rechten Schulter schon aufgrund des Unfallhergangs und der Erstbefunde auszuschließen sei, könnten die jetzigen Beschwerden nicht durch den Unfall verursacht worden sein. In einem vom SG in Auftrag gegebenen Gutachten vom 07.07.2003 hat der Neurologe Dr.K. Störungen neurologischer oder psychischer Art verneint. Dem Hilfsantrag, Dr.Ö. gemäß § 411 Abs.3 Zivilprozessordnung (ZPO) zur mündlichen Verhandlung zu laden und ihn zu dessen vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 03.06.2002 zu hören, hat das SG nicht entsprochen. Darin hat der Arzt erklärt, er halte die Auffassung des Dr.F. nicht für zutreffend; er schlage vor, den Sachverhalt durch seinen Kollegen Dr.H. im Rahmen eines Gegengutachtens oder der "Anhörung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG)" abzuklären.

Mit Urteil vom 24.09.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist den Gutachten der Dres.F. und K. gefolgt und hat dem Schreiben des Dr.Ö. vom 03.06.2002 im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung keine Bedeutung beigemessen.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung hat der Kläger gerügt, das am 24.09.2003 verkündete Urteil sei ihm erst am 24.02.2004 zugestellt worden; wegen des langen zeitlichen Abstands zwischen Verkündung und Zustellung gelte es als nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Ausführungen des SG seien ungenügend und enthielten keine nachvollziehbare Beweiswürdigung.

Seinen Antrag, ihm für das Berufungsverfahren PKH zu gewähren, hat der Senat mit Beschluss vom 02.11.2004 abgelehnt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2001 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 25.10.1999 Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf die Akte der Beklagten (Az.: 01 1 02421) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Das Urteil des SG leidet nicht an einem Verfahrensmangel, der zur Aufhebung führen würde. Der Einwand des Klägers, das am 24.09.2003 verkündete Urteil sei nicht innerhalb der von der Rechtsprechung geforderten Frist von fünf Monaten (Meyer-Ladewig, Komm. zum SG § 134 Anm.4) nach der Verkündung in Schriftform zugestellt worden, greift nicht durch. Denn es genügt insoweit, dass der Tatbestand und die Entscheidungsgründe innerhalb der vorgenannten Frist schriftlich niedergelegt, vom Richter unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dies ist, wie der Akte des SG zu entnehmen ist, am 24.02.2004 und mithin innerhalb der Fünfmonatsfrist geschehen.

Auch mit der Rüge, das Urteil enthalte keine ausreichende, nachvollziehbare Beweiswürdigung, kann der Kläger nicht durchdringen. Richtig ist, dass das SG in den Entscheidungsgründen lediglich auf die Gutachten der Dres.F. und K. Bezug nimmt, ohne deren Auffassung wiederzugeben oder näher zu erläutern. Da die Gutachten dem Kläger bekannt gegeben wurden, wie er selbst einräumt, und anders lautende Gutachten nicht vorliegen, ist eine detailliertere Auseinandersetzung nicht erforderlich. Zweck der Entscheidungsbegründung ist es, den Beteiligten die Kenntnis zu verschaffen, von welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Gericht ausgegangen war (Meyer-Ladewig, a.a.O. § 136 Rdnr.7c). Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftstücke, also auch auf Gutachten, zulässig, wenn damit keine Unklarheiten geschaffen werden. Das SG setzte sich im Übrigen mit der Äußerung des Dr.Ö. im Schreiben vom 03.06.2002 auseinander. Es kam zum Ergebnis, dass der Sachverhalt auch in Kenntnis dieser ärztlichen Meinung hinreichend geklärt sei. Damit gab es klar zu verstehen, von welchen Tatsachen und Anknüpfungspunkten es ausging.

Entgegen der Meinung des Klägers stellt es keinen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG führen würde, dass Dr.Ö. nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde. Eine Rechtsgrundlage hierfür liefert die Vorschrift des § 411 Abs.3 ZPO i.V.m. § 202 SGG nicht. Sie bezieht sich nur auf die Ladung eines Sachverständigen, d.h. auf eine vom Gericht zum Sachverständigen ernannte Person, die ein von ihr schriftlich abgefasstes Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutern soll. Dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Eine andere Rechtsgrundlage für die vom Kläger gewünschte Anhörung des Dr.Ö. ist auch § 414 ZPO nicht zu entnehmen. Darin wird die Anhörung eines sachverständigen Zeugen geregelt, wenn Beweis über vergangene Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich ist, erhoben werden soll. Nach der Vorstellung des Klägers soll Dr.Ö. nicht über vergangene Tatsachen oder Zustände berichten, sondern begründen, weshalb aus seiner Sicht die Auffassung des Dr.F. nicht zutreffend sei. Ein zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils gereichender Verfahrensfehler liegt nicht vor.

Auch in der Sachentscheidung selbst ist das Urteil des SG vom 24.09.2003 nicht zu beanstanden, denn der Nachweis ist nicht erbracht, dass die Schultereckgelenksarthrose rechts mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückzuführen ist. Ein Rentenanspruch des Klägers gem. §§ 8, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ist nicht zu begründen. Danach haben Versicherte, die einen Arbeitsunfall erlitten, Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert wird. Ein Rentenanspruch setzt voraus, dass es durch den Unfall zu einem Körperschaden kam und zwischen diesem Erstschaden (Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Anm. 8.1) und später auftretenden Gesundheitsstörungen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Der Erstschaden ist im Grade der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Gewissheit bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat (BSGE 32,203). Für den ursächlichen Zusammenhang genügt einfache Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn nach der ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Unfallzusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn, a.a.O. § 8 Anm. 10.1 m.w.Nachweisen).

Die entscheidende Frage, ob es bei dem Unfall am 25.10.1999 zu einer Verletzung kam, die mit Wahrscheinlichkeit die ab 08.05. 2000 behandlungsbedürftigen Beschwerden hervorrief, ist durch das Gutachten von Dr.F. hinreichend beantwortet. Danach steht aufgrund der Röntgenaufnahmen vom Unfalltag und des MRT vom 07.06.2000 fest, dass eine knöcherne Verletzung oder ein Schaden im Gelenkinneren nicht, aber bereits ausgeprägte Verschleißschäden im Bereich des rechten Schultereckgelenks vorlagen, die nach dem Unfall keine wesentlich stärkere Ausprägung erfuhren. Auch die klinischen Befunde widerlegen einen schwereren Schaden. Die rechte Schulter war am Unfalltag laut Bericht des Durchgangsarztes Dr.B. frei beweglich und über dem rechten Schulterblatt zeigte sich lediglich eine Hautrötung. Nach Auskunft der behandelnden Ärzte Dres. W./K. war nach dem 08.11.1999 keine Behandlung mehr bis zum Mai 2000 erforderlich. Diese Tatsachen legen es nahe, von einem unfallunabhängigen degenerativen Schultereckgelenksschaden auszugehen, der am Unfalltag latent vorhanden war. Für eine verletzungsbedingt entstandene Arthrose des Schultereckgelenks finden sich keine Anhaltspunkte. Wie bereits ausgeführt, würde dies eine Knochenläsion in diesem Bereich voraussetzen, in dessen Folge sich theoretisch eine Arthrose ausbilden könnte. Dagegen spricht, dass die Arthrose röntgenologisch schon am Unfalltag erkennbar war und sich, wie im MRT vom 07.06.2000 zu erkennen, nicht weiter veränderte. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr.F ...

Demgegenüber ist dem Schreiben des Dr.Ö. vom 03.06.2002 nichts zu entnehmen, was die Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen entkräften könnte. Eine Auseinandersetzung mit den vom Durchgangsarzt zeitnah zum Unfall erhobenen klinischen und röntgenologischen Befunden läßt Dr.Ö. ebenso vermissen wie das Aufzeigen von Befunden, aus denen auf eine traumatische Schädigung des Schultergelenksbinnenraumes geschlossen werden könnte, was Voraussetzung für eine Schultereckgelenksarthrose in der Folge wäre.

Ein Anspruch des Klägers auf Rentenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gem. §§ 8 Abs. 1, 56 Abs. 1 und 3 SGB VII ist nicht zu begründen. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 24.09.2003 war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG klärungsbedürftig sind und eine Divergenz nicht zu erkennen ist.
Rechtskraft
Aus
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