L 5 KA 1055/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 3853/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1055/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Prüfgremien handeln nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie bei der Festlegung des Kürzungsbetrags einem Zahnarzt zwei Dritteldes unwirtschaftlichen Mehraufwands belassen, weil der Zahnarzt auf eine vorangegangene Wirtschaftlichkeitsprüfung im überprüften Quartel noch nicht habe reagieren und sein Behandlungsverhalten umstellen können.
Auf die Berufung des Beklagten und des Beigeladenen Nr. 7 wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. November 2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat dem Beklagten und dem Beigeladenen Nr. 7 die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Honorarabrechnungen der Quartale 1/96 bis 4/96 des Beigeladenen Nr. 7 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise zu kürzen sind.

Die Bezirksdirektion K. der Beigeladene Nr. 2 beantragte mit Schreiben vom 12.12.1996, 13.12.1996 und 21.3.1997 die Prüfung der Abrechnungen der Quartale 1/96 bis 4/96 des Beigeladenen Nr. 7, der als Zahnarzt für Kieferorthopädie in K. zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen ist. Auf Grund dieser Anträge nahm der Prüfungsausschuss eine eingehende Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der kieferorthopädischen Begleitleistungen des Beigeladenen Nr. 7 für die Quartale 1/96 bis 3/96 vor und kürzte die Honorarforderung im Quartal 1/96 um DM 19.886,94, im Quartal 2/96 um DM 28.852,46, im Quartal 3/96 um DM 27.306,00, insgesamt um DM 76.045,40, sowie im Quartal 4/96 um DM 22.299,84. Er kürzte vom statistisch signifikanten Mehraufwand, den der Beigeladene Nr. 7 in den Quartalen 1/96 bis 4/96 unter Berücksichtigung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis in Höhe von 100% abrechnete (pro Fall DM 49,88 im Quartal 1/96, DM 76,40 im Quartal 2/96, DM 70,28 im Quartal 3/96 und DM 59,67 im Quartal 4/96), 35% (Beschlüsse/Bescheide vom 18.3.1998). Im Anschluss an die Prüfung des Quartales 4/95 (Bescheid des Prüfungsausschusses vom 5.2.1997; Bescheid des Beklagten vom 19.11.1997; die Klage des Klägers abweisendes Urteil des Sozialgerichts Freiburg - SG - vom 4.11.1998 - S 1 KA 3877/97 -, das nach Rücknahme der Berufung durch den Kläger rechtskräftig ist - L 5 KA 833/99 -) ging der Prüfungsausschuss von folgenden statistischen Zahlen des Beigeladenen Nr. 7 im Vergleich mit allen bei der Beigeladenen Nr. 1 abrechnenden Zahnärzten für Kieferorthopädie in den Quartalen 1/96 bis 3/96 bzgl. Begleitleistungen bei kieferorthopädischen Behandlungen aus:

-Tabellen können nicht ordnungsgemäß dargestellt werden- Quartal Fallzahl Fallkosten-Ø Beigel. Nr. 7 Fallkosten-Ø KZV Überschreitung in % I./96 1.139 74,18 12,15 511 II./96 1.079 100,04 11,82 746 III./96 1.110 92,38 11,05 736 IV/96 1.068 83,10 11,52 618

Quartal 1/96

Beigel. Nr. 7 KZV-Durchschnitt Kassen- art Leistung Punkt- zahl Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Überschreitung in % Primär-KK Ä1 -Ber- 6 87 522 102 612./. Ersatz-KK Ä1 -Ber- 6 548 3.288 207 1.242./. Primär-KK 01 -U- 13 67 871 72 936./. Ersatz-KK 01 -U- 13 295 3.835 142 1.846 108 Primär-KK 12 -bMF- 8 18 144 65 520./. Ersatz-KK 12 -bMF- 8 245 1.960 122 976 101 Primär-KK 10 -üZ- 6 83 498 18 108 361 Ersatz-KK 10 -üZ- 6 644 3.864 45 270 1.331 Primär-KK 105 -Mu- 10 168 1.680 18 180 833 Ersatz-KK 105 -Mu- 10 996 9.960 46 460 2.065 Primär-KK 106 -sK- 10 79 790 12 120 558 Ersatz-KK 106 -sK- 10 612 6.120 32 320 1.813 Primär-KK 107 -Zst- 18 164 2.952 20 360 720 Ersatz-KK 107 -Zst- 18 963 17.334 48 864 1.906 SUMME 53.818 8.814 511

Quartal 2/96

Beigel. Nr. 7 KZV-Durchschnitt Kassen- art Leistung Punkt- zahl Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Überschreitung in % Primär-KK Ä1 -Ber- 6 242 1.452 99 594 144 Ersatz-KK Ä1 -Ber- 6 489 2.934 198 1.188 147 Primär-KK 01 -U- 13 140 1.820 67 871 109 Ersatz-KK 01 -U- 13 302 3.926 128 1.664 136 Primär-KK 12 -bMF- 8 159 1.272 59 472 169 Ersatz-KK 12 -bMF- 8 254 2.032 98 784 159 Primär-KK 10 -üZ- 6 308 1.848 19 114 1.521 Ersatz-KK 10 -üZ- 6 634 3.804 45 270 1.309 Primär-KK 105 -Mu- 10 486 4.860 16 ,160 2.938 Ersatz-KK 105 -Mu- 10 966 9.660 40 400 2.315 Primär-KK 106 -sK- 10 304 3.040 12 120 2.433 Ersatz-KK 106 -sK- 10 617 6.170 32 320 1.828 Primär-KK 107 -Zst- 18 485 8.730 20 360 2.325 Ersatz-KK 107 -Zst- 18 956 17.208 45 810 2.024 SUMME 68.756 8.127 746

Quartal 3/96

Beigel. Nr. 7 KZV-Durchschnitt Kassen- art Leistung Punkt- zahl Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Überschreitung in % Primär-KK Ä1 -Ber- 6 296 1.776 103 618 187 Ersatz-KK Ä1 -Ber- 6 519 3.114 192 11.52 170 Primär-KK 01 -U- 13 154 2.002 64 832 141 Ersatz-KK 01 -U- 13 290 3.770 121 1.573 140 Primär-KK 12 -bMF- 8 182 1.456 58 464 214 Ersatz-KK 12 -bMF- 8 281 2.248 89 712 216 Primär-KK 10 -üZ- 6 365 2.190 20 120 1.725 Ersatz-KK 10 -üZ- 6 654 3.924 43 258 1.421 Primär-KK 105 -Mu- 10 405 4.050 16 160 2.431 Ersatz-KK 105 -Mu- 10 818 8.180 36 360 2.172 Primär-KK 106 -sK- 10 335 3.350 13 130 2.477 Ersatz-KK 106 -sK- 10 616 6.160 32 320 1.825 Primär-KK 107 -Zst- 18 437 7.866 19 342 2.200 Ersatz-KK 107 -Zst- 18 846 15.228 43 774 1.867 SUMME 65.314 7.815 736

Quartal 4/96

Beigel. Nr. 7 KZV-Durchschnitt Kassen- art Leistung Punkt- zahl Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Anzahl der Leistungen Gesamt- punkte Überschreitung in %. Primär-KK Ä1 -Ber- 6 259 1.554 109 654 138 Ersatz-KK Ä1 -Ber- 6 483 2.898 193 1.158 150 Primär-KK 01 -U- 13 166 2.158 67 871 148 Ersatz-KK 01 -U- 13 271 3.523 121 1.573 124 Primär-KK 12 -bMF- 8 161 1.288 62 496 160 Ersatz-KK 12 -bMF- 8 190 1.520 99 792 92 Primär-KK 10 -üZ- 6 373 2.238 22 132 1.595 Ersatz-KK 10 -üZ- 6 690 4.140 45 270 1.433 Primär-KK 105 -Mu- 10 246 2.460 14 140 1.657 Ersatz-KK 105 -Mu- 10 791 7.910 35 350 2.160 Primär-KK 106 -sK- 10 192 1.920 11 110 1.645 Ersatz-KK 106 -sK- 10 568 5.680 30 300 1.793 Primär-KK 107 -Zst- 18 256 4.608 16 288 1.500 Ersatz-KK 107 -Zst- 18 798 14.364 39 702 1.946 SUMME 56.261 7.836 618

Der Beklagte wies die Widersprüche des Klägers und des Beigeladenen Nr. 7 zurück (Beschluss/Bescheid vom 4.11.1998). Zum Widerspruch des Klägers führte der Beklagte aus, die von der Bezirksdirektion K. der Beigeladenen Nr. 2 gestellten Prüfanträge seien ausdrücklich als Folgeanträge und somit auf analoge Vorgehensweise zum Quartal 4/95 gestellt worden. Da der Beigeladene Nr. 7 für den hier streitgegenständlichen Zeitraum 1/96 bis 4/96 keine Reaktionsmöglichkeiten auf den ersten Bescheid vom 5.2.1997 gehabt habe und die übrigen Parameter im Vergleich zum damaligen Prüfbescheid nicht abwichen, habe die Vorgehensweise des Prüfungsausschusses der ständigen Verwaltungspraxis der Prüfgremien entsprochen, unter Beachtung des Gebotes der Gleichmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen. Der Kläger müsse sich fragen lassen, warum er gegen den Bescheid vom 19.11.1997 nicht geklagt habe, wenn die nunmehr gerügten Kürzungsmaßnahmen seiner Ansicht nach nicht ausreichend und somit rechtswidrig gewesen seien. Überdies sei die Ermessensentscheidung einer auf 35% beschränkten Kürzung des statistisch signifikanten Mehraufwandes in einem erstmaligen Prüfverfahren nicht zu beanstanden. Zum Widerspruch des Beigeladenen Nr. 7 führte der Beklagte aus, ein eventuell erhöhter Beratungsbedarf bei ausländischen Patienten im Zusammenhang mit offensichtlich unwirtschaftlich erbrachten Begleitleistungen könne grundsätzlich nicht zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten führen. Darüber hinaus habe er erhebliche Zweifel bezüglich der vorgetragenen Verständigungsschwierigkeiten, da das ausländische jugendliche Klientel erfahrungsgemäß gut Deutsch spreche. Auch die Tatsache, dass die damals vom Prüfungsausschuss geprüften Fälle zu nahezu 100% Multibandfälle gewesen seien, ergebe keinen Anspruch auf Zuerkennung einer Praxisbesonderheit. Aus den Zahnarztstatistiken lasse sich auch die Behauptung des Beigeladenen Nr. 7, in seiner Praxis würde weit über dem KZV-Durchschnitt mit Multiband behandelt, nicht ableiten. Bei den Nrn. 126 und 128 BEMA liege der Beigeladene Nr. 7 in etwa im KZV-Durchschnitt. Auch ansonsten ergeben sich aus den Zahnarztstatistiken des Beigeladenen Nr. 7 keinerlei auffällige Abweichungen in den kieferorthopädischen Behandlungspositionen. Dass der Kläger im Quartal 1/96 wie das ganze Jahr zuvor mit einem Weiterbildungsassistenten gearbeitet habe, der mit Wirkung zum 1.4.1996 als angestellter Zahnarzt beim Beigeladene Nr. 7 zugelassen worden sei, sei für die Zuerkennung von Praxisbesonderheiten nicht relevant.

Gegen den ihm am 25.11.1998 zugestellten Bescheid des Beklagten hat der Kläger am 23.12.1998 Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, der Bescheid des Beklagten lasse trotz der eklatanten Überschreitungen des Fallkostendurchschnitts der Fachgruppe durch den Beigeladenen Nr. 7 von 511%, 746%, 736% und 618% nicht erkennen, warum lediglich Kürzungen in Höhe von 35% vorgenommen worden seien. Nicht ausreichend sei der Verweis auf einen vorangegangenen Bescheid bzw. auf eine nach Ansicht des Beklagten bestehende Verwaltungspraxis. Ein für ein Quartal ergehender Honorarbescheid entfalte keine Bindungswirkung für spätere Quartale (Hinweis auf Urteile des BSG vom 18.6.1997 - 6 RKa 95/96 - und vom 5.11.1997 - 6 RKa 1/97 -).

Der Beklagte und der Beigeladene Nr. 7 sind der Klage entgegengetreten und haben die Begründung des Bescheides als ausreichend bezeichnet. Der Beigeladene Nr. 7 hat des Weiteren die Auffassung vertreten, mangels wirksamen Antrages hätte von vornherein die Wirtschaftlichkeitsprüfung unterbleiben müssen.

Das SG hat mit Urteil vom 8.11.2000 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4.11.1998 verpflichtet, über die Widersprüche erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden. Der Beklagte habe sich zu Unrecht daran gebunden gesehen, keine höhere Kürzung als 35% des über der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis liegenden und wirtschaftlichen Mehraufwandes auszusprechen. Bereits bei der ersten Prüfungsmaßnahme könnten die Prüfgremien den gesamten offensichtlich unwirtschaftlichen Mehraufwand kürzen. Die volle Kürzung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes dränge sich insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden auf, wenn ein Zahnarzt in so hohem Maße unwirtschaftlich handele. Damit, dass der Beigeladene Nr. 7 auf die erstmals im Quartal 4/95 festgestellte Unwirtschaftlichkeit in den streitigen Quartalen noch nicht habe reagieren können, könne der Beklagte nicht gehört werden, weil grundsätzlich jeder Zahnarzt von Anfang an zur wirtschaftlichen Behandlungsweise verpflichtet sei. Angesichts des Ausmaßes der Überschreitungen habe ihm auch ohne Beratung und ohne statistisches Material deutlich werden müssen, dass er erheblich unwirtschaftlich handele. Auch könne sich der Beklagte für die Höhe der Kürzung nicht auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen berufen. Die Prüfgremien müssten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung für jedes Quartal erneut eine Prüfung und Abwägung vornehmen (Bezugnahme auf Urteil des BSG vom 5.11.1997 - 6 RKa 1/97 -).

Gegen das ihm am 6.2.2001 zugestellte Urteil hat der Beigeladene Nr. 7 am 28.2.2001 Berufung eingelegt. Gegen das ihm am 8.2.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 6.3.2001 Berufung eingelegt.

Der Beklagte macht geltend, die Ausführungen des SG im Urteil vom 4.11.1998 - S 1 KA 3877/97 (zum Quartal 4/95) stünden in eklatantem Widerspruch zu der im angefochtenen Urteil erhobenen Forderung, bereits in einem ersten Prüfverfahren den gesamten, offensichtlich unwirtschaftlichen Mehraufwand zu kürzen. Bei der Ermessensausübung bezüglich der Höhe der Kürzung für die Quartale 1/96 bis 4/96 habe er sich zu Recht im Hinblick auf das aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) folgende Gebot der Gleichmäßigkeit der Ermessensausübung an die Entscheidung gebunden gesehen. Aus dem Urteil des BSG vom 5.11.1997 - 6 RKa 1/97 - ergebe sich nichts anderes. Sein Bescheid stelle mit keinem Wort auf eine angebliche Selbstbindung der Verwaltung dergestalt ab, dass grundsätzlich bei der ersten Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Beratung, sodann bei der nächsten eine geringe Kürzung und erst allmählich eine volle Kürzung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes auszusprechen sei. Im Hinblick auf die ausgesprochene Kürzung in Höhe von insgesamt DM 98.345,24 könne auch nicht von einer "geringen Kürzung" gesprochen werden, die geradezu einen Anreiz biete, in hohem Maße unwirtschaftlich zu behandeln. Dass seine Ermessensentscheidung in höchstem Maße geeignet gewesen sei, zeige, dass der Beigeladene Nr. 7 bereits ab dem Quartal 1/97, als er mit den statistischen Abweichungen erstmals konfrontiert worden sei, sein Behandlungsverhalten geändert habe.

Der Beigeladenen Nr. 7 hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen.

Der Beklagte und der Beigeladene Nr. 7 beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. November 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

hilfsweise, die Revision zuzulassen

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt und sich im Berufungsverfahren in der Sache nicht geäußert

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die beigezogene Akte L 5 KA 833/99, die Akte des SG sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen Nr. 7 sind zulässig. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert von DM 1.000,00, seit 2.1.2002 ¤ 500,00, ist überschritten. Denn zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der gesamte bzw. ein weiterer Teil des vom Beklagten als unwirtschaftlich festgestellten Mehraufwandes pro Fall von DM 49,88 im Quartal 1/96, DM 76,40 im Quartal 2/96, DM 70,28 im Quartal 3/96 und DM 59,67 im Quartal 4/96 zu kürzen ist. Eine Kürzung des gesamten vom Beklagten als unwirtschaftlich festgestellten Mehraufwandes ergäbe einen weiteren Kürzungsbetrag von insgesamt DM 182.642,04 (= ¤ 93.383,39).

II.

Die zulässigen Berufungen des Beklagten des Beigeladenen Nr. 7 sind begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4.11.1998 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Kürzung der Honorarforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des Gesundheits-Strukturgesetzes (GSG) vom 22.12.1992 (BGBl. I, S. 2266 ff), der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V für den vertragszahnärztlichen Bereich entsprechend gilt. Die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze hat das SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils (S. 4/7) zutreffend dargelegt, insbesondere, dass den Prüfgremien bei der Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes und insbesondere bei der Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Missverhältnis ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich hierbei auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit geprüft werden können, im Bescheid genannt werden oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (vgl. zum Ganzen: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 25, mwN; ständige Rechtsprechung). Ausgehend hiervon ist der Bescheid des Beklagten vom 4.11.1998 rechtlich nicht zu beanstanden.

1.) Entgegen der Auffassung des Beigeladenen Nr. 7 liegt ein wirksamer Antrag auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise vor. Der nach § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung, die hier noch maßgeblich ist (auf Grund der Änderung des § 106 Abs. 5 SGB V durch Art. 1 Nr. 44 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999 - BGBl. I, S. 2626 ff - ist das Antragserfordernis ab 1.1.2000 entfallen), erforderliche Prüfantrag hat keine materiell-rechtliche Bedeutung, sondern ist eine bloße Verfahrensvoraussetzung. Die den Prüfantrag stellende Institution ist nicht verpflichtet, den Antrag zu begründen. Sie kann durch ihren Antrag das Prüfungsverfahren auch nicht auf bestimmte Teile der Abrechnung des Vertragsarztes bzw. Vertragszahnarztes beschränken, da die Prüfgremien auf Grund der Anträge zur gesamten Überprüfung der Wirtschaftlichkeit berechtigt und verpflichtet sind (vgl. zum Ganzen zuletzt: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 53, mwN). Demgemäß sind die Ausführungen der Bezirksdirektion K. der Beigeladenen Nr. 2, es handele sich bei den Prüfanträgen um Folgeanträge, für die Wirksamkeit des Antrages ohne Bedeutung.

2.) Ohne Verletzung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes hat der Beklagte wie der Prüfungsausschuss die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Beigeladenen Nr. 7 anhand eines statistischen Kostenvergleiches (Horizontalvergleich) mit der Gruppe der Zahnärzte für Kieferorthopädie bei den Begleitleistungen vorgenommen. Der Horizontalvergleich, also die statistische Prüfung anhand eines Vergleiches der Abrechnungswerte des Zahnarztes mit denjenigen der Fachgruppe im selben Quartal, ist jedenfalls seit dem 1.1.1993 nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, die Regelprüfmethode. Der Horizontalvergleich hat Vorrang vor anderen Prüfmethoden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 33; Nr. 45).

Ohne Verletzung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes hat der Beklagte wie der Prüfungsausschuss bei den Begleitleistungen Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses festgestellt. Insbesondere ist es vertretbar, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung von 100% zu ziehen. Denn der Beklagte hat wie der Prüfungsausschuss nicht eine Prüfung anhand des Gesamtfallwertes vorgenommen, sondern anhand von Einzelleistungen. Die Prüfgremien können im Rahmen ihres Handlungsermessens grundsätzlich wählen, ob sie der Vergleichsprüfung die Gesamtfallwerte oder nur den Aufwand in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Einzelleistungen zugrunde legen (vgl. BSG, Urteil vom 27.6.2001 - B 6 KA 43/00 R -).

Hinsichtlich der Prüfmethode des Horizontalvergleiches und der Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses enthält der Bescheid des Beklagten vom 4.11.1998 zwar keine Ausführungen. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich aber, dass sich der Beklagte die Ausführungen des Prüfungsausschusses zu eigen gemacht hat.

Schließlich hat der Beklagte wie der Prüfungsausschuss auch zu Recht das Vorliegen von Praxisbesonderheiten verneint. Bei der Behandlung ausländischer Versicherter ist nicht generell ein erhöhter zahnmedizinischer Behandlungsbedarf gegeben (vgl. zuletzt: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, mwN). Eine überdurchschnittliche Behandlung sogenannter Multibandfälle lässt sich auf Grund der lediglich durchschnittlichen Abrechnung der entsprechenden Nrn. 126 und 128 BEMA nicht feststellen. Durch die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten oder eines angestellten Zahnarztes können zwar mehr Versicherte behandelt werden, was zu einer überdurchschnittlichen Fallzahl führt. Der Behandlungsbedarf pro Patient vergrößert sich aber nicht.

3.) Ist die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Vertrags(zahn)arztes und ein sich daraus ergebender unwirtschaftlicher Mehraufwand festgestellt worden, steht den Prüfgremien bei der Festsetzung der Höhe des Kürzungsbetrages ein Ermessensspielraum zu (BSG SozR 2200 § 368n Nr. 27; BSG SozR aa0 Nr. 49). Die Entscheidungen können insoweit nur daraufhin gerichtlich überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. zB BSGE 63, 6, 7 = SozR 2200 § 368n Nr. 52; BSG SozR aa0 Nr. 57). Das den Prüfgremien zustehende Ermessen ist insofern beschränkt, als das Honorar des Arztes über den unwirtschaftlichen Mehraufwand hinaus nicht gekürzt werden darf (BSG SozR 2200 § 368n Nr 49). Die maßgeblichen Gesichtspunkte, von denen bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen worden ist, müssen aus der Begründung des Bescheides erkennbar sein (§ 35 Abs. 1 Satz 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -). Unter Berücksichtigung dessen ist die Entscheidung des Beklagten, lediglich 35% des als unwirtschaftlich festgestellten Mehraufwandes zu kürzen, rechtlich nicht zu beanstanden.

Wie der Prüfungsausschuss hat auch der Beklagte sich davon leiten lassen, dass der Beigeladene Nr. 7 erstmals im Quartal 4/95 einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgesetzt gewesen ist und erstmals mit dem Bescheid des Prüfungsausschusses vom 5.2.1997 eine Honorarkürzung ausgesprochen worden ist. Die erstmalige Honorarkürzung ist damit nach den hier streitigen Quartalen des Jahres 1996 erfolgt. Der Beklagte hat davon ausgehen können, dass der Beigeladene Nr. 7 auf die Honorarkürzungen in der Weise reagieren wird, dass er sein Behandlungsverhalten überprüft und seine Honoraranforderungen in Zukunft im Hinblick auf das Gebot der wirtschaftlichen Behandlung reduziert. Eine entsprechende Reaktion des Beigeladenen Nr. 7 hat aber erst sinnvoll erfolgen können, wenn ihm auf Grund einer Entscheidung eines Prüfgremiums erkennbar gewesen ist, in welchen Punkten seine Behandlungsweise als unwirtschaftlich zu beanstanden ist. Im Hinblick darauf, dass sowohl im Quartal 4/95 als auch in den hier streitigen Quartalen 1/96 bis 4/96 die selben tatsächlichen Umstände vorgelegen haben, ist es deshalb vertretbar, auch in den Quartalen 1/96 bis 4/96 nicht den gesamten als unwirtschaftlich festgestellten Mehrbedarf bzw. keinen höheren Anteil als 35% des als unwirtschaftlich festgestellten Mehrbedarfs zu kürzen.

Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Prüfgremien nicht an Honorarkürzungsbescheide aus vorangegangenen Quartalen bei Entscheidungen in späteren Quartalen gebunden sind (vgl. Urteil des BSG vom 18.6.1997 - 6 RKa 95/96 -). Allerdings sind die Prüfgremien auch nicht verpflichtet, in späteren Quartalen grundsätzlich höhere Kürzungsbeträge als in vorangegangenen Quartalen auszusprechen. Im Übrigen müssten die Prüfgremien, wenn sie bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen in späteren Quartalen höhere Kürzungen verfügen, diese höheren Kürzungen gesondert begründen und darlegen, weshalb nunmehr höhere Kürzungen berechtigt sind. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn ein Zahnarzt bzw. Arzt nicht auf vorangegangene Maßnahmen reagiert hat. Dies ist aber gerade im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass angesichts der eklatanten Überschreitungen der Honoraranforderungen des Beigeladenen Nr. 7 gegenüber den Zahnärzten für Kieferorthopädie im Bereich der Beigeladenen Nr. 1 - die im Übrigen auch der Beklagte erkannt hat (vgl. S. 4, vorletzter Absatz des Bescheides vom 4.11.1998) - durchaus auch höhere Kürzungen berechtigt gewesen wären. Der Kläger übersieht aber, dass, wenn der Verwaltung die Ausübung von Ermessen eingeräumt ist, nicht - von dem Fall der Ermessensreduzierung auf Null abgesehen, für den es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gibt - nur eine einzige Entscheidung als rechtmäßig anzusehen ist, sondern es eine ganze Bandbreite von rechtmäßigen Entscheidungen gibt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die Aufwendungen des Beklagten sind erstattungsfähig. § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG ist zwar durch Art. 1 Nr. 66 Buchst. b des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl. I, 2144) mit Wirkung zum 2.1.2002 aufgehoben worden. Eine Übergangsvorschrift für vor dem 2.1.2002 anhängig gewordene Verfahren enthält das 6. SGGÄndG nicht. Allerdings hat sich durch das 6. SGGÄndG an der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beklagten nichts geändert. Sie ergibt sich nunmehr aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der allerdings auf vor dem 2.1.2002 anhängig gewordene Verfahren nicht anzuwenden ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGGÄndG). Bei dieser Sachlage kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber für die vor dem 2.1.2002 anhängig gewordenen Verfahren die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beklagten hat beseitigen wollen.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht zu entnehmen, welche Ermessensüberlegungen bei der Ermittlung der Höhe des Kürzungsbetrages anzustellen sind, damit in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise fehlerfrei Ermessen ausgeübt werden kann.
Rechtskraft
Aus
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