L 5 KA 1989/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 768/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1989/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 5/02
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Abrechnung der Übungsbehandlung nach Nr 505 EBM-Ä.
Die EBM-Ä Nr 505 (gezielte Übungsbehandlung bei gestörter Gelenk-und/oder Muskelfunktion) erfordert einen neuen Arzt/Patienten-Kontakt. Sie kann am Tag der ambulanten Operation nicht abgerechnet werden. Übungsbehandlungen am Tag der ambulanten Operation zählen zu der von EBM-Ä Nr 86 erfassten Nachsorge.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01. März 2000 aufgehoben und die Klage der Kläger gegen den Bescheid vom 06. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.1998 abgewiesen. Die Berufungen der Kläger gegen die Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2001 werden zurückgewiesen.

Die Kläger haben der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Streichungen der Geb.-Nr. 505 (gezielte und kontrollierte Übungsbehandlung bei gestörter Gelenk- und/oder Muskelfunktion) des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) in der Abrechnung der Quartale 3/96, 1/97, 2/97, 3/97, 2/98 sowie 3/98 streitig.

1. Die Kläger sind als Fachärzte für Orthopädie (Kläger zu 1) bzw. für Orthopädie, Rheumatologie und Sportmedizin (Kläger zu 2) in P. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie üben ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis aus.

Die Beklagte strich im Wege der sachlich - rechnerischen Berichtigung in den Honorarabrechnungen der Quartale 3/96, 1/97, 2/97, 3/97, 2/98 sowie 3/98 unter anderem die mit 50 Punkten bewertete Geb.-Nr. 505 EBM in den Fällen, in denen die Kläger am selben Tag Gebührennummern für ambulante Operationen (regelmäßig die mit 6.500 Punkten bewertete Geb.-Nr. 2449 EBM ( rekonstruktive arthroskopische Operation)) und einen Zuschlag für ambulantes Operieren (regelmäßig die mit 3.600 Punkten bewertete Geb.-Nr. 86 EBM ( Zuschläge für die erforderliche Vor- und Nachsorge im Falle unter anderem der Geb.-Nr. 2449 EBM)) abgerechnet hatten. Zur Begründung der Streichungen war ausgeführt, dass die Leistung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer arthroskopischen Knieoperation bzw. anderen operativen Leistungen nicht möglich sei, weil die Gelenke hiernach nicht bewegt werden könnten bzw. die Patienten von der Narkose oder Anästhesie noch zu benommen sein, um den Leistungsinhalt dieser Nummer erfüllen zu können. Die Streichungen betrafen im Bereich der Ersatz- und Primärkassen 405, 511, 530, 456, 462 und 388 Fälle (Bescheide vom 06.02.1997, 22.07.1997, 27.10.1997, 27.01.1998, 23.02.1999 und 26.01.1999). Die dagegen ohne weitere sachliche Begründung erhobenen Widersprüche blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 28.01.1998, 21.09.2000, 26.07.2000, 07.11.2000, 25.08.2000 und 22.09.2000).

2. Auf die am 28.01.1998, 21.09.2000, 26.07.2000, 07.11.2000, 25.08.2000 und 22.09.2000 zum Zwecke der Zustellung durch Übergabeeinschreiben zur Post gegebenen Widerspruchsbescheide haben die Kläger am 27.02.1998 (S 1 KA 768/98), 20.10.2000 (S 1 KA 3698/00), 10.08.2000 (S 1 KA 2814/00), 08.12.2000 (S 1 KA 4365/00), 26.09.2000 (S 1 KA 3403/00) und 24.10 2000 (S 1 KA 3752/00) Klagen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung machten sie in dem hier nur noch interessierenden Punkt jeweils geltend: Üblicherweise werde bei allen operierten Patienten postoperativ eine gezielte kontrollierte Übungsbehandlung durchgeführt, weil die moderne Therapie von am Gelenk operierten Patienten eine größtmögliche Mobilisierung erforderlich mache. Dem stünden Narkosegründe nicht entgegen. Sie sei zu dem betreffenden Zeitpunkt bereits weitestgehend abgeklungen. Der Patient sei wieder derart im Besitz seiner Sinne, dass er vorliegende erhebliche Störungen der Gelenksfunktionen durch eine manuelle Behandlung erkennen und korrigieren könne. Zudem sei bei der von ihnen durchgeführten Lokalanästhesie zwar das Schmerzempfinden herabgesetzt, nicht aber die Muskelfunktion, sodass diese einige Stunden nach durchgeführter Lokalanästhesie wieder gut zu beüben sei. Der Leistungsinhalt der Geb.-Nr. 505 EBM sei demzufolge in allen Fällen voll erbracht worden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und berief sich in einem Teil der Verfahren auf Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 30.11.1999 und vom 08.06.2000, in denen ausgeführt ist: Zwar sei die Abrechnung der Leistungen nach den Geb.-Nrn. 505 und 507 EBM nach ambulanten Operationen nicht ausgeschlossen. Jedoch bestünden Zweifel, ob diese Positionen sinnvoll neben ambulanten Operationen erbracht werden können. Soweit die Kläger angäben, den betroffenen Patienten nach einer Ruhezeit gezielt und kontrolliert zu zeigen, wie das operierte Gelenk oder auch andere Gelenke zu belasten seien, erfülle dies nicht den Leistungsinhalt der Geb.-Nr. 505 EBM. Erforderlich dafür sei die gezielte und kontrollierte Übungsbehandlung. Sie verlange das aktive Mitwirken des Patienten und beinhalte keineswegs lediglich Hinweise, wie bestimmte Gelenke nach einer Operation zu belasten sind. Die Kläger hätten mit Sicherheit nur allgemeine Verhaltensmaßregeln, ggf. spezifiziert auf bestimmte Gelenke, gegeben und diese nach Geb.-Nr. 505 EBM abgerechnet. Jedoch seien diese Hinweise nicht gesondert berechnungsfähig, sondern vielmehr mit den Zuschlägen für die Durchführung ambulanter Operationen abgegolten. Die Aufklärung und Beratung durch den Operateur im Zusammenhang mit der Durchführung einer ambulanten Operation beinhalte auch bestimmte Verhaltensmaßregeln nach der Operation, ohne das daraus eine Berechnungsfähigkeit resultiere.

Das SG änderte im Verfahren S 1 KA 768/98 auf die Klage den Berichtigungsbescheid vom 06.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.1998 das Quartal 3/96 betreffend mit Urteil vom 01.03.2000 ab und verurteilte die Beklagte unter Abweisung der übrigen, hier nicht mehr im Streit stehenden Klageanträge, den Klägern die gestrichene Leistungen der Geb.-Nr. 505 EBM in 405 Fällen im Quartal 3/96 nachzuvergüten, und wies die weiteren Klagen mit Urteilen vom 17.01.2001 ab.

Zur Begründung führte das SG hinsichtlich der Stattgabe aus: Der Kläger zu 1 habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass nach einer Operation und einer Ruhezeit den betroffenen Patienten gezielt und kontrolliert gezeigt werden müsse, wie das operierte Gelenk oder auch andere Gelenke, deren Benutzung mit der Operation im Zusammenhang standen, zu belasten seien. Z. B. könne vier Stunden nach einer Knieoperation das Kniegelenk schon leicht belastet werden. Ohne eine gezielte Demonstration der Bewegungsabläufe könnten die Patienten nicht entlassen werden. Diese Behandlungsweise erfülle die Leistungslegende der Geb.-Nr. 505 EBM. Denn es handele sich um eine gezielte und kontrollierte Übungsbehandlung bei gestörter Gelenk- und/oder Muskelfunktion. Der abweichenden Auffassung der Beklagten habe sich die Kammer nicht anschließen können. Denn nach einer Ruhezeit müssten die Patienten durch die Kläger mobilisiert werden, und wenn dies erfolge, sei die Leistungslegende der Geb.-Nr. 505 EBM erfüllt.

Dagegen ist zur Begründung der Urteile vom 17.01.2001 ausgeführt: Bei der Entscheidung vom 01.03.2000 habe die Kammer nicht berücksichtigt, dass die Hinweise und gezielten Demonstrationen, die nach den Operationen den Patienten gegeben oder an ihnen durchgeführten würden, noch Teil der Operation als solcher seien. Nach dem Schreiben der KBV vom 08.06.2000 erfordere der Leistungsinhalt der Geb.-Nr. 505 EBM eine gezielte und kontrollierte Übungsbehandlung, die das aktive Mitwirken des Patienten beinhalte. Eine solche aktive Übungsbehandlung habe die Kammer nunmehr auch unter Berücksichtigung des Sachverstandes der ehrenamtlichen Richter nicht mehr zusprechen können. Das von den Klägern insoweit nach der Operation als Leistung Erbrachte sei noch als deren Teil, nämlich als Nachsorge in Bezug auf die Operation anzusehen und somit nicht abrechnungsfähig.

3. Auf das ihr am 11.04.2000 zugestellte Urteil vom 01.03.2000 und die ihnen am 06.03.2001 (S 1 KA 3752/00), 07.03.2001 (S 1 KA 3403/00), 12.03.2001 (S 1 KA 2814/00) und am 19.03.2001 (S 1 KA 3698/00 und S 1 KA 4365/00) zugestellten Urteile vom 17.01.2001 haben die Beklagte und die Kläger jeweils fristgerecht Berufung eingelegt, und zwar die Beklagte am 11.05.2000 und die Kläger am 06.04.2001 (zu S 1 KA 3752/00), am Montag den 09.04.2001 (zu S 1 KA 4365/00, S 1 KA 3698/00 und S 1 KA 3403/00) sowie am 12.04.2001 (zu S 1 KA 2814/00). Der Senat hat die unter den Aktenzeichen L 5 KA 1989/00, L 5 KA 1564/01, L 5 KA 1595/01, L 5 KA 1596/01, L 5 KA 1597/01 und L 5 KA 1672/01 geführten Verfahren durch Beschluss vom 23.11.2001 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 5 KA 1989/00 verbunden.

Die Kläger haben zur Begründung ihres Standpunkts geltend gemacht, die Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 8. Juni 2000 könnten sie inhaltlich nicht nachvollziehen. Bei einer ambulanten Operation müsse ein Patient in der Lage sein, die Übungen nach Geb. - Nr. 505 EBM durchzuführen und zwar bevor er nach Hause gehe. Es handele sich bei diesen Übungen gerade nicht um eine postoperative Behandlung. Dies gehöre nicht zur erforderlichen Nachsorge. Nachsorge sei die Kontrolle von Herz und Kreislauf und ggf. der Verbände. Bei den Übungen, die mit den Patienten gemacht würden, handle es sich viel mehr um solche Übungen, die auch in der Folgezeit von Patienten bei der Krankengymnastik durchgeführt werden sollten, später natürlich in größerem, gesteigerten Umfang. Diese Übungen würden den Patienten gezeigt. Es handle sich um die beginnende Krankengymnastik. Gezeigt werde den Patienten die Muskelanspannung zur Thromboseprophylaxe, das Ausmaß der Beweglichkeit des entsprechenden Gelenkabschnittes sowie die Belastbarkeit der entsprechenden Extremität, je nach durchgeführter Operation, u. a. mit Gehstöcken unter Erlernen des Maßes der zulässigen Belastbarkeit. Es handelt sich dabei um den Beginn der Rehabilitation des Patienten, bei der der Patient aktiv mitarbeiten müsse.

Sie führten dies u. a. auch deshalb durch, weil Patienten, die von Außerhalb kämen, diese Übungen in jedem Fall erlernen müssten und sie nicht darauf angewiesen sein sollten, bei ihrem überweisenden Arzt diese Übungen erst zu erlernen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01. März 2000 zurückzuweisen sowie die Bescheide vom 22. Juli 1997, 27. Oktober 1997, 27. Januar 1998, 23. Februar 1999 und 26. Januar 1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21. September 2000, 26. Juli 2000, 07. November 2000, 25. August 2000 und 22. September 2000 und die Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihnen die gestrichenen Leistungen der Geb.-Nr. 505 EBM in den Quartalen 1/97, 2/97, 3/97, 2/98 sowie 3/98 zu vergüten,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01. März 2000 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 06. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.1998 abzuweisen sowie die Berufungen der Kläger gegen die Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2001 zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich auf die Stellungnahme der KBV insbesondere mit dem Schreiben vom 08.06.2000 und weist weiter darauf hin, dass die Zuschläge nach den Geb.-Nrn. 80 ff. EBM nicht nur die Mehrkosten für die spezielle personelle und sachliche Praxisausrüstung zum ambulanten Operieren abdeckten, sondern auch Honoraranteile für den Operateur unter anderem für die erforderliche ärztliche Nachsorge enthielten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen sowohl der Beklagten als auch der Kläger sind zulässig. Insbesondere sind sie sämtlich statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt in keinem der Berufungsverfahren vor. Die Streichungen der mit 50 Punkten bewerteten Geb.-Nr. 505 EBM beläuft sich in den im Streit stehenden Quartalen auf 20.250, 25.550, 26.850, 22.800, 21.600 und 19.400 Punkte, und damit auch bei einem Punktwert von 0,07 DM auf jeweils mehr als 1.000,00 DM.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufungen der Kläger sind hingegen unbegründet. Vielmehr hat das SG deren Klagen mit den Urteilen vom 17.01.2001 zu Recht abgewiesen. Dagegen hat es die Beklagte mit Urteil vom 01.03.2000 zu Unrecht verurteilt, den Klägern die gestrichenen Leistungen der Geb.-Nr. 505 EBM im Quartal 3/96 zu vergüten. Die Kläger haben in keinem der beanstandeten Fälle Anspruch auf Vergütung der Geb.-Nr. 505 EBM, weil deren Leistungsinhalt am Tag einer ambulanten Operation nicht abrechnungsfähig ist. Die angegriffenen Berichtigungsbescheide sind daher nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

1. Die Beklagte ist berechtigt, die Honorarabrechnungen der Vertragsärzte auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls die Honorarabrechnungen zu berichtigen. Dies ergibt sich aus § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä), § 34 Abs. 4 des Arzt-/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ä), die auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vereinbart worden sind. Nach diesen Bestimmungen obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honoraranforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) sind für die Abrechnungen die gesetzlichen und vertraglichen Gebührenregelungen maßgebend. Nach § 5 Buchstabe a ihres HVM prüft die Beklagte die Abrechnungsunterlagen auf sachliche und rechnerische Richtigkeit. Dabei ist darauf zu achten, dass sich Vertragsärzte mit einer Gebietsbezeichnung grundsätzlich auf ihr Gebiet beschränken, dass die Bestimmungen der geltenden Honorarverträge und Gebührenordnungen beachtet worden sind und die richtigen Gebührennummern angesetzt wurden.

2. Die Leistungslegende der mit 50 Punkten bewerteten Geb.-Nr. 505 EBM lautete in den streitigen Quartalen wie folgt: "Gezielte und kontrollierte Übungsbehandlung bei gestörter Gelenk- und/oder Muskelfunktion, ggf. mit Anwendung von Geräten, je Sitzung".

Die Geb.-Nr. 505 wurde in allen hier streitigen Fällen neben der Geb.-Nr. 86 abgerechnet. Ihrer Leistungslegende nach handelt es sich um "Zuschläge für die erforderliche Vor- und Nachsorge, einschließlich der Bereitstellung von Operationseinrichtungen, bei ambulanter Durchführung von Operationen, zusätzlich zu den in den Katalogen nach den Nrn. 80 bis 87 aufgeführten Leistungen".

Für die Auslegung dieser vertragsärztlichen Gebührenordnungsnummern ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegende maßgeblich (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 2 S. 5 sowie aaO Nr. 5 S. 22 f). Erweiternde Interpretationen der Leistungslegenden sind nach der Rechtsprechung nur in engen Grenzen zulässig. Die Zurückhaltung bei der Auslegung des EBM-Ä bzw. der Vertragsgebührenordnungen beruht auf ihrem, dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten einerseits und Krankenkassen andererseits dienenden, vertraglichen Charakter (vgl. BSG SozR 3-4500 § 87 Nr. 5 S. 22 f sowie SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 zum zahnärztlichen Bereich). Es ist in erster Linie Aufgabe der Bewertungsausschüsse, unklare Regelungen der Gebührenordnung zu präzisieren. Wegen der aus funktionalen Gründen gebotenen Zurückhaltung der Gerichte bei der Auslegung der Gebührenordnungen kann eine systematische Interpretation lediglich i.S. einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen (vgl. BSG SozR 3-5533 Nr. 115 Nr. 1 S. 3; SozR aaO Nr. 1460 Nr. 1 S. 2; vgl. auch SozR aaO Nr. 2145 Nr. 1 S. 3), um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur insoweit in Betracht, als Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung erläutert haben (BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 S. 6). Die Leistungsbeschreibungen dürfen schließlich auch weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (vgl. BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 S. 15; SozR aaO Nr. 1460 Nr. 1 S. 2; SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 S. 4). Aufgrund dessen ist es ausgeschlossen, unter Hinweis auf eine tatsächlich bestehende oder nur behauptete übereinstimmende medizinisch-wissenschaftliche Auffassung erweiterte Abrechnungsmöglichkeiten damit zu begründen, die Terminologie der Gebührenordnungen werde der medizinischen Realität nicht gerecht.

3. Ausgehend davon sind die Abrechungsvoraussetzungen der Geb.-Nr. 505 EBM hier nicht gegeben. Werden die streitigen Leistungen noch am Tag der Operation nach deren Ausführung durchgeführt, ist die Leistungslegende selbst dann nicht erfüllt, wenn die Leistungen sich als physikalisch-medizinische Leistungen im Sinne des Abschnitts E II des EBM darstellen sollten. Daher kann dahin stehen, ob den Klägern in medizinischer Hinsicht darin zu folgen ist, dass die von ihnen gerade erst operativ versorgten Patienten bereits wieder zur aktiven Mitarbeit an Übungen im Sinne der Geb.-Nr. 505 EBM in der Lage waren oder ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass es sich jeweils nur um vorwiegend mündliche Einweisungen in die nach der Operation zu beobachtenden Verhaltensmaßregeln handelte. Denn in beiden Fällen sind im Anschluss an eine ambulant durchgeführte Operation erbrachte Leistungen zur Einleitung der Mobilisierung des operierten Gelenks von dem Zuschlag der in diesen Fällen stets abgerechneten Geb.-Nr. 86 EBM abgegolten. Insoweit gibt der Senat seine früher vertretene Auffassung zu der mit der hier im Streit stehenden Geb.-Nr. inhaltsgleichen Geb.-Nr. 510 des BMÄ/E-GO früherer Fassung auf (vgl. Urteil vom 04.09.1996 zu L 5 KA 3167/95). Das folgt im Einzelnen aus dem Verhältnis des umfassend zu verstehenden Nachsorgebegriffs einerseits und des Sitzungsbegriffs andererseits, der den Leistungslegenden der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM und der Geb.-Nr. 505 EBM zu Grunde liegt:

Auszugehen ist zunächst von dem Begriff der Nachsorge, wie er in der Leistungslegende der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM verwandt wird. Nach der Einleitung dieser in Abschnitt B "Grundleistungen, Ambulante Operationen und Anästhesien, Prävention, Empfängnisregelung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch (Sonstige Hilfen), Substitutionsbehandlung" im Unterabschnitt "VI. Ambulante Operationen" aufgeführten Gebührentatbestände decken die Zuschläge dieser Gebührentatbestände den "besonderen personellen und sachlichen Aufwand" bei ambulanter Durchführung von operativen Leistungen ab, und haben zur Voraussetzung, dass (1.) die notwendigen sachlichen und personellen Bedingungen (z. B. Lagerungs- und Ruhemöglichkeiten, Ausrüstung zur Reanimation und Schockbehandlung) erfüllt sind und der Arzt (2.) in jedem Einzelfall geprüft hat, ob die Art und die Schwere des Eingriffs und der Gesundheitszustand des Patienten die ambulante Durchführung der Operation nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlaubt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, decken die Zuschläge der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM den Aufwand unter anderem für die (nach der Operation) erforderliche Nachsorge ab, und zwar (1.) nur dann, wenn der Patient – von unvorhersehbaren Notfällen abgesehen – nicht am selben Tage wegen derselben Erkrankung in stationäre Krankenhausbehandlung aufgenommen wird, und (2.) dem Umfang nach auch dann nur einmal, wenn "in zeitlichem Zusammenhang mehrere operative Leistungen an demselben Patienten erbracht" werden.

Vor dem Hintergrund dieser den Leistungslegenden der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM vorangestellten Einschränkungen kann der Nachsorgebegriff der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM nur umfassend verstanden werden. Schon begrifflich umfasst das Merkmal der "Nachsorge" alle im weiteren Sinne medizinischen Leistungen, die erforderlich sind, um im Anschluss an eine ambulant durchgeführte Operation die Folgen auszugleichen, die sich aus der Operation für den Patienten ergeben haben, ohne dass dies durch eine zeitliche Grenze auf eine bestimmte Zeit nach Durchführung der ambulanten Operation beschränkt wäre. Insoweit wird dem Duden nach unter Nachsorge die "ärztliche Betreuung eines Patienten nach einer Krankheit, einer Operation" (Duden Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl. 1996) verstanden. Ähnlich definiert der Brockhaus Nachsorge als die "diagnost. und therapeut. Nachbetreuung im Anschluß an die akute klin. Versorgung, v.a. bei Krebs und Herzinfarkt" (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl.). Nichts anderes ergibt sich auch aus dem weiteren Zusammenhang der Regelungen des Abschnitts B. IV. des EBM. Vielmehr knüpft auch dessen Vorbemerkung mit der Abdeckungsklausel für "den damit (nämlich: bei ambulanter Durchführung von operativen Leistungen) verbundenen besonderen personellen und sachlichen Aufwand" bereits dem Wortlaut nach an jeglichen Aufwand an, der bei ambulanten Operationen medizinisch geboten ist, um eine Operation ambulant und nicht stationär durchführen zu können. Dieses Wortlautverständnis wird weiter bekräftigt durch die zusätzliche Regelung, wonach der Zuschlag nur einmal anfällt, wenn "in zeitlichem Zusammenhang" mehrere operative Leistungen an demselben Patienten erbracht werden. Schließlich wäre auch der Sinn der Zuschlagsgebühr anders nicht verständlich, weil sie definitionsgemäß nicht den Operationsaufwand selbst, sondern ausschließlich den begleitenden Nebenaufwand aus Anlass einer ambulant durchgeführten Operation abgilt, und zwar in einer gestaffelten Höhe in Abhängigkeit von dem Aufwand für die Operation selbst.

Ausgehend davon deckt die Zuschlagsgebühr der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM in Bezug auf die hier interessierende Nachsorge dem begrifflichen und systematischen Zusammenhang nach zunächst jeglichen Aufwand ab, der nach den Regeln der medizinischen Kunst im Zusammenhang mit der entsprechenden Operation erforderlich ist, um die Operationsfolgen nach deren Abschluss "nachsorgend" zu beseitigen (vgl. zu der ebenfalls in diesem Sinne umfassenden Auslegung des Operationsbegriffs BSG, Urteil v. 24.08.1994, 6 Rka 40/92 – Entlassungsuntersuchung; BSG, SozR 3-5533 BMÄ-Nr. 2145 Nr. 1 - Versorgung von Nachblutungen; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 05.04.1995, L 5 Ka 804/94 - die zur Karpaltunnel-Operation gehörende Neurolyse; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.07.1995, L 5 Ka 1703/95 – zu den zur abschließenden Versorgung nötigen Nähten jeweils als Bestandteil der ambulanten Operation). Diese nachoperative Versorgung steht auch nicht etwa im Belieben der eine ambulante Operation durchführenden Ärzte. Voraussetzungsgemäß darf eine Operation nach den Vorbemerkungen des Abschnitts B II des EBM vielmehr nur dann durchgeführt werden, wenn der Arzt sich vor deren Beginn darüber vergewissert hat, dass Art und Schwere des Eingriffs und der Gesundheitszustand des Patienten die ambulante Durchführung der Operation nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlauben. Daher gehört zur ambulant durchgeführten Operation als deren Bestandteil nicht nur die Entlassungsuntersuchung mit dem Zweck festzustellen, ob die Auswirkungen des operativen Eingriffs auf den Gesundheitszustand des Patienten so sind, dass der Übergang in den häuslichen Bereich medizinisch vertretbar ist (vgl. dazu BSG, Urteil v. 24.08.1994, 6 Rka 40/92). Vielmehr rechnen dazu auch die Belehrungen und gegebenenfalls motorischen Übungen – wie sie vorliegend im Streit stehen -, die aus medizinischer Sicht notwendig sind, damit der Patient nach seiner Entlassung im häuslichen Bereich das Seine dazu beitragen kann, damit der Heilungserfolg erreicht wird.

Soweit der Begriff der Nachsorge danach einen über den zeitlichen Zusammenhang mit der ambulant durchgeführten Operation hinausreichenden Bedeutungsgehalt hat, steht dies der vom Senat für richtig gehaltenen Auslegung nicht entgegen. Vielmehr nötigt das Merkmal "Nachsorge" in den Leistungslegenden der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM zur Überzeugung des Senats dazu, jedenfalls all die ärztlichen Verrichtungen der ambulanten operativen Versorgung des Patienten zuzurechnen und von den Zuschlägen der Geb.-Nrn. 80 ff. EBM abgegolten anzusehen, die noch am Tage der ambulant durchgeführten Operation erbracht werden und deshalb in einem funktionellen Zusammenhang mit ihr stehen. Dafür spricht zum einen, dass auch die vorliegend im Streit stehenden Leistungen wie die Entlassungsuntersuchungen zum wesentlichen Teil der medizinisch angezeigten Behandlungsmaßnahme des Arztes gehören, bevor der Patient in den häuslichen Bereich überwechselt und sich damit aus der Obhut des Arztes begibt (vgl. dazu BSG, Urteil v. 24.08.1994, 6 Rka 40/92). Zum anderen wird diese Sicht dadurch bekräftigt, dass die Geb.-Nr. 505 EBM mit dem Tatbestandsmerkmal "je Sitzung" an einen eigenen Arzt-/Patientenkontakt anknüpft und insoweit unverständlich wäre, warum angesichts einer funktional noch nicht abgeschlossenen operativen Behandlung des Patienten am selben Tag in Bezug auf die Geb.-Nr. 505 EBM im Sinne diese Gebührenlegende ein neuer Arzt-/Patientenkontakt entstehen sollte. Dies kann vielmehr erst an Tagen nach Durchführung der ambulanten Operation der Fall sein, wenn sich im Sinne der Vorbemerkungen des Abschnitts B II des EBM der "zeitliche Zusammenhang" mit der ambulant durchgeführten Operation so weit gelöst hat, dass ein im Sinne des Gebührenrechts "neuer" Arzt-/Patientenkontakt aufgenommen werden kann.

Bei dieser Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob, wie dies die Kassenärztliche Bundesvereinigung vermutet, nach einer ambulanten Operation eine aktive Übungsbehandlung nicht sachgerecht möglich ist, und ob der Kläger die Leistungslegende der Geb.-Nr. 505 schon deshalb nicht erfüllt, weil er die Übungen den Patienten nur zeigt und mit ihnen deshalb gerade nicht die geforderte aktive Übungsbehandlung vornimmt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 SGG.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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