L 5 AL 1986/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 440/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 1986/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 80/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Ein Arbeitnehmer meldet sich nur dann unverzüglich arbeitssuchend, wenn er unmittelbar nach Kenntnis vom Ende seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten persönlich vorspricht.
2.) Die verspätete Meldung ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der unverzüglichen Meldung im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.
3.) Der Arbeitnehmer hat keine Überlegungsfrist, ob er zunächst ohne Einschaltung der Beklagten versuchen soll, ein anderes Arbeitsverhältnis zu begründen.
4.) Es ist für die Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitssuche unerheblich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB 3 über die Meldepflicht informiert hat oder nicht.
5.) Aus dem Grundsatz der formellen Publizität folgt, dass es unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen kannte.
6.) Der seit 8 Jahren regelmäßig im Winter arbeitslose Saisonarbeiter kann sich für eine verspätete Meldung nicht darauf berufen, in der Vergangenheit habe das Arbeitsamt wegen der im Frühjahr zu erwartenden Arbeitsaufnahme keine Bemühungen unternommen, ihn in eine Arbeit zu vermitteln
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.

Der 1955 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und zumindest seit 1995 jeweils von Anfang/Mitte Februar bis Mitte Dezember bei einem Grabmalfertigungsbetrieb, der Firma G. F. G. in L. bzw. A. beschäftigt. Wie bereits in den Vorjahren, händigte ihm der Arbeitgeber am 29. September 2003 erneut ein Kündigungsschreiben aus, wonach das bestehende Arbeitsverhältnis zum 1. Dezember 2003 wegen winterlicher Witterung bzw. Arbeitsmangel gekündigt werde und nach jeweiliger Auftragslage der Zeitpunkt der vorläufigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne. Die Wiedereinstellung erfolge im Laufe des Monats Februar 2004, entsprechend der Witterungs- und Auftragslage (Bl. 148 Verwaltungsakte - VA -). Der Kläger arbeitete noch bis zum 14. Dezember 2003. In der Arbeitsbescheinigung der Firma G. F. vom 18. Dezember 2003 war vermerkt, dass das Arbeitsverhältnis am 30. September 2003 zum 14. Dezember 2003 durch Kündigung des Arbeitgebers beendet worden sei. Er erzielte ausweislich der Arbeitsbescheinigung im Jahr 2003 durchschnittlich pro Monat ca. 3.500,00 EUR versicherungspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt. Er meldete sich am 15. Dezember 2003 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Bl. 135 VA).

Mit Bescheid vom 13. Januar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 15. Dezember 2003 (wöchentlicher Leistungsatz 323,82 EUR, davon abzusetzender wöchentlicher Anrechnungsbetrag 161,91 EUR, wöchentliches Bemessungsentgelt 844,96 EUR, Leistungstabelle 2003, 60 vH, Leistungsgruppe C/0 - Blatt 31 LSG-Akte -). Zur Minderung verweist der Bewilligungsbescheid auf ein gesondertes Schreiben. Mit Schreiben vom 9. Januar 2004 teilte die Beklagte dem Kläger ergänzend zum Bewilligungsbescheid mit, er sei nach § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) verpflichtet gewesen, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung seines Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei er nicht rechtzeitig nachgekommen. Nach den vorliegenden Unterlagen habe er sich spätestens am 11. Oktober 2003 beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 15. Dezember 2003 gemeldet. Die Meldung sei um 65 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich sein Anspruch auf Leistungen um 50,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In seinem Fall errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.500,00 EUR. Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde, dies bedeute, ihm werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die Minderung zustehenden Leistung ausgezahlt. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung betrage 22,65 EUR. Die Anrechnung beginne am 15. Dezember 2003 und sei voraussichtlich ab dem 19. Februar 2004 beendet. Für den letzten Tag der Minderung erfolge die Anrechnung ggf. nur noch in Höhe des noch verbleibenden Restbetrages der Minderungssumme. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld hob die Beklagte ab 16. Februar 2004 auf, da der Kläger wieder beschäftigt war.

Gegen das Schreiben vom 9. Januar 2004 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, von der Pflicht, sich spätestens bis zum 11. Oktober 2003 beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden zu müssen, sei ihm nichts bekannt gewesen. Wenn ihm dies bekannt gewesen wäre, hätte er sich selbstverständlich rechtzeitig gemeldet. Bei seinem Beschäftigungsverhältnis handele es sich um einen witterungsabhängigen Arbeitsplatz. Da witterungsbedingte Arbeitslosigkeit nicht vor deren Eintritt abgesehen werden könne, beantrage er das volle Arbeitslosengeld ohne Kürzung eines Minderungsbetrages. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beendigung des unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses sei dem Kläger bereits am 29. September 2003 bekannt gegeben worden. Dies sei auch vom ehemaligen Arbeitgeber nochmals mit Schreiben vom 26. Januar 2004 bestätigt worden. Nach Ablauf einer eingeräumten Reaktionszeit von 7 Kalendertagen hätte die Meldung spätestens am 6. Oktober 2003 (Montag) erfolgen müssen um noch als "unverzüglich" im Sinne der obigen Vorschrift gelten zu können. Der Kläger habe sich jedoch erst am 15. Dezember 2003 persönlich arbeitsuchend gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld mindere sich daher um 50,00 EUR für 30 Tage, somit insgesamt um 1.500,00 EUR.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Februar 2004 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es fehle an einem Verschulden hinsichtlich der verspäteten Meldung. Sein Arbeitgeber sei seiner Hinweispflicht bezügl. der neuen Verpflichtung zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung auch nicht nachgekommen.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass ihm die Regelung nicht bekannt gewesen sei. Das Gesetz sehe eine solche Ausnahme nicht vor und lasse auch keinen Ermessensspielraum zu. Die ab 1. Juli 2003 gültige Gesetzesänderung sei über die Medien (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen, usw.) hinreichend bekannt gegeben worden. § 37 b SGB III i. V. mit § 140 SGB III stelle trotz der Pflichtenlage (keine konkrete Hinweispflicht seitens der Beklagten, aber unbedingte Verhaltens- und Handlungspflicht auf Seiten des Versicherten) nicht auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Versicherten von der Meldepflicht ab. Die Kenntnis von der gesetzlichen Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung im Sinne des § 37 b SGB III werde dem Bürger im Falle seiner nicht- oder nicht rechtzeitigen Meldung typisierend zugerechnet (mit der Rechtsfolge der Minderung des Arbeitslosengeldes gem. § 140 SGB III). Eine Exkulpation des Versicherten mit Nichtwissen gebe es im Rahmen des § 140 SGB III nicht.

Mit Urteil vom 15. April 2004 hat das SG der Klage stattgegeben, den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld in voller Höhe ohne die Minderung nach § 140 SGB III für die Zeit ab 15. Dezember 2003 zu gewähren. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, § 37b SGB III verlange von den Betroffenen, deren Versicherungspflichtverhältnis ende, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes beim Arbeitsamt (bzw. jetzt der Agentur für Arbeit) persönlich arbeitsuchend zu melden. Der Gesetzgeber habe hier eine im Zivilrecht bereits seit dem 19. Jahrhundert mit der Formel "ohne schuldhaftes Zögern" definierte Formulierung gewählt. Eine Meldepflicht bzw. -obliegenheit entstehe also nicht, wenn der Betroffene sich schuldlos erst verspätet beim Arbeitsamt melde. Der Kläger habe seine Meldepflicht, wie er auch glaubhaft in der mündlichen Verhandlung versichert habe, nicht gekannt. Er sei auch nicht von seinem Arbeitgeber auf die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung hingewiesen worden, wie dies § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III verlange. Zwar könne die bloße Unkenntnis der gesetzlichen Regelung allein die Meldepflicht nach § 37 b SGB III noch nicht entfallen lassen. Die Geltung von Gesetzen sei nicht davon abhängig, ob der ihnen unterworfene Staatsbürger sie auch kenne oder ob sie in ausreichender Weise in Presse, Hörfunk, Fernsehen, Internet und dergleichen bekannt gegeben worden seien. Es gelte vielmehr der Grundsatz der sogenannten formellen Publizität von Gesetzen, wonach diese mit ihrer ordnungsgemäßen Bekanntmachung im Bundesanzeiger als den ihnen unterworfenen Staatsbürgern als bekannt gemacht gelten. Allerdings werde eine verspätete Meldung nicht als schuldhaft erscheinen können, wenn neben dem unterlassenen Hinweis des Arbeitgebers noch andere besondere Umstände hinzu kämen, unter denen auch ein pflichtbewusster und sorgfältig handelnder Betroffener auch angesichts des Zwecks der gesetzlichen Regelung, nämlich der Ermöglichung einer frühzeitigen Vermittlung, keinerlei Anlass zu einer frühzeitigen Meldeobliegenheit erkennen könne. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn der Betreffende aufgrund einer festen Zusage oder gar eines bereits unterschriebenen Arbeitsvertrages für ein nahtlos anschließendes neues Arbeitsverhältnis davon ausgehe, die Dienste der Beklagten überhaupt nicht in Anspruch nehmen zu müssen und auch zu keinem Zeitpunkt arbeitsuchend zu sein. Besondere Umstände in diesem Sinne seien auch hier gegeben. Der Kläger stehe de facto in einem seit bald 10 Jahren andauernden Arbeitsverhältnis bei der Grabmalfertigungsfirma G. F ... Jeweils im Winter werde er wegen der branchenspezifischen Witterungsabhängigheit seiner Tätigkeit zu einem kurzfristig bestimmen Zeitpunkt für etwa 1 ½ bis 2 Monate arbeitslos und nehme dann zu einem ebenso kurzfristig bestimmten Zeitpunkt seine Arbeit wieder auf. In diesen jeweils 1 ½ bis 2 Monaten Arbeitslosigkeit würden ernsthafte Vermittlungsanstrengungen, wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschildert und von der Beklagten auch nicht bestritten, nicht unternommen. Ein Anlass zu einer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung abweichend von der langjährigen Übung, sich wie auch im Jahr 2003 dann praktiziert am ersten Tag der Arbeitslosigkeit persönlich arbeitslos zu melden, sei für ihn daher nicht erkennbar gewesen. Bei der Beurteilung der Schuldhaftigkeit einer späten Meldung sei auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Falle des § 37 b SGB III eine Obliegenheit statuiere, die den Versicherten bereits im Stadium vor der Arbeitslosmeldung und vor Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsamt treffe. Anders als bei der Beurteilung von Verschuldensfragen der §§ 45 und 48 SGB X, also der Aufhebung von Verwaltungsakten wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit oder wegen Änderungen der Verhältnisse, habe im Anwendungsbereich des § 37 b SGB III jedenfalls bei dessen erstmaliger Anwendung gegenüber dem betreffenden Versicherten eben noch keinerlei Aufklärung über seine Rechte und Pflichten als Arbeitsloser bzw. arbeitslos werdender stattgefunden. Das Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" werde dem Arbeitslosen nämlich erst bei der Arbeitslosmeldung ausgehändigt. Ein Hinweisblatt zur Arbeitsuchendmeldung und Arbeitslosmeldung erhalte er auch erst bei der Arbeitsuchendmeldung. Dies werde bei der individuell durchzuführenden Beurteilung des Verschuldens an der Verzögerung in dem Sinne zu berücksichtigen sein, dass ein weniger strenger Maßstab anzulegen sein werde als bei Obliegenheitsverletzungen während des laufenden Leistungsbezuges. Daher habe sich der Kläger noch unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet und seien die Bescheide der Beklagten insoweit aufzuheben.

Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 14. Mai 2004 zugestellte Urteil am 25. Mai 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, zunächst sei darauf zu verweisen, dass die hier relevante Regelung im SGB III durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 eingefügt worden sei und die Neuregelungen in § 2 SGB III am 1. Januar 2003, die Neuregelungen in § 37 b und § 140 SGB III am 1. Juli 2003 in Kraft getreten seien. Das hinausgeschobene In-Kraft-Treten der Sanktionsregelungen dokumentiere, dass der Gesetzgeber dem von der Sanktion betroffenen Personenkreis eine angemessene Frist für die Kenntnisnahme der Neuregelungen habe einräumen wollen. Die Regelung des § 140 SGB III sehe nach der Gesetzesbegründung einen "pauschalen Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft" vor. Arbeitnehmer, die die Arbeitsverwaltung nicht rechtzeitig darauf hinwiesen, dass sie der beruflichen Wiedereingliederung bedürften, erhöhten das Risiko der Arbeitslosenversicherung. Des Weiteren handele es sich bei der Meldepflicht nach § 37 b SGB III um eine allgemeine Obliegenheitspflicht des Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis und nicht um eine Rechtspflicht, wie aus dem Wortlaut entnommen werden könnte. Denn sie (die Beklagte) könne die "frühzeitige Arbeitssuche" im Sinne des § 37 b SGB III nicht erzwingen. Vielmehr entstünden für den Versicherten nur potenzielle Nachteile im Rahmen des § 140 SGB III bei Nichterfüllung der Meldepflicht. Insoweit sei die Obliegenheit als "Rechtspflicht gegen sich selbst" zu werten (mit Hinweis auf Spellbrink in Hennig/Henke/Schlegel/Theuerkauf u. a., Kommentar zum SGB III, Rdnr. 24 zu § 37 b). Für Obliegenheitsverletzungen nach § 37 b III sei es unerheblich, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung subjektiv bekannt gewesen sei. Es gelte der Grundsatz, dass im Allgemeinen zu erwarten sei, dass Versicherte Ihre Rechtspflichten kennen würden und die Unkenntnis hierüber grundsätzlich Pflichtverstöße nicht entschuldige. Das Arbeitslosengeld mindere sich für den Versicherten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 140 SGB III, da die Kenntnis von der "Obliegenheit" nach § 37 b SGB III typisierend unterstellt werde. Der Betroffene könne sich deshalb nicht darauf berufen, dass er über die Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nach § 37 b SGB III nicht informiert worden sei, sei es von seinem Arbeitgeber oder von der Arbeitsverwaltung. Nur dann wenn der Betroffene aus tatsächlichen Gründen gehindert sei, sich nach § 37 b SGB III unverzüglich zu melden, könne eine Meldung später, das bedeute am Tag nach Wegfall des Hinderungsgrundes, akzeptiert werden. Mit dem SG sei auch sie der Auffassung, dass der Begriff "unverzüglich" allgemein als "ohne schuldhaftes Zögern" zu verstehen sei (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) und auf diese Definition auch im Rahmen der §§ 37 b, 140 SGB III zurückgegriffen werden müsse. Ebenso zutreffend habe das SG darauf hingewiesen, dass die reine Unkenntnis von der Neuregelung des Gesetzgebers nicht ausreiche, eine verspätete Meldung im Sinne der genannten Rechtsnormen zu rechtfertigen. Mit dem Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die Informationspflicht des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III "im Kontext" mit § 37 b und § 140 SGB III stehe, sei lediglich umschrieben worden, dass die Meldepflicht des Arbeitnehmers aus § 37 b SGB III letztlich doch rechtlich unabhängig von der Wahrnehmung der Verpflichtung seitens des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sei und auch bestehe. Auch wenn der Arbeitgeber in keiner Weise seinen Arbeitnehmer informiert habe, dass dieser sich nach § 37 b SGB III unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden habe, könne dies den Versicherten ihr gegenüber nicht "exkulpieren". Der Betroffene könne sich daher nicht darauf berufen, dass ihn der Arbeitgeber nicht über die Verpflichtung informiert habe, sich unverzüglich bei ihr zu melden. Eine andere Beurteilung könne auch nicht aus der Tatsache resultieren, dass einem Arbeitslosen das Merkblatt erst bei seiner Arbeitslosmeldung ausgehändigt werde und folglich erst dann Informationen über seine Rechte und Pflichten erhalte. Ebenso wenig sei entscheidungsrelevant, ob sich ein Betroffener erstmals oder wiederholt arbeitslos melde. Nicht gefolgt werden könne auch der weiteren Auffassung des SG, dass bei sich wiederholenden Perioden der Arbeitslosigkeit die Beurteilung des betroffenen Arbeitnehmers über den Zweck einer frühzeitigen Arbeitssuche in die rechtliche Beurteilung mit einfließen solle. Wie bereits ausgeführt gehe es vielmehr nach der Intension des Gesetzgebers bei der Regelung in § 37 b SGB III allein darum, sofort nach Bekanntwerden des Beendigungszeitpunktes eines Beschäftigungsverhältnisses der Arbeitsverwaltung die Möglichkeit zu geben, Vermittlungs- und ggf. Eingliederungsbemühungen einzuleiten. Dadurch könne evtl. der Eintritt des Schadensfalles Arbeitslosigkeit vermieden bzw. der Umfang des Versicherungsschadens reduziert werden. Hierbei habe der Betroffene keinen Beurteilungsspielraum. Es sei nicht seine Aufgabe oder sein Recht, im anstehenden Schadensfall vorher eine Einschätzung über die Arbeitsmarktsituation vorzunehmen, um danach die frühzeitige Arbeitssuche und -meldung bei der Arbeitsverwaltung davon abhängig zu machen. Grundsätzlich sei auch die Unkenntnis über gesetzliche Neuregelungen schon nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen als schuldhaft anzusehen. Darauf habe das SG auch zutreffend hingewiesen. Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt hätten (mit Hinweis auf BSG SozR 3 - 1200 § 13 Nr. 1 m. w. N.; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3). Dies müsse hier umso mehr gelten, als - wie hier - der Gesetzgeber die Sanktionsregelung erst nach ca. ½ Jahr in Kraft gesetzt habe. Letztlich bleibe noch darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber auch keine Sonderregelung für saisonal Arbeitslose vorgesehen habe. Die Reformgesetze hätten vielmehr umfassend alle von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen betreffen sollen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt er aus, ein Verschulden sei ihm gerade nicht anzulasten. Es fehle bereits an einem objektiv schuldhaften Verhalten, da es eben gerade nicht so sei, dass jeder Bürger automatisch jedes Gesetz kennen müsse. Jedenfalls fehle es am subjektiven Verschulden, das im Bereich des Sozialrechts immer zu prüfen sei - unabhängig davon, ob es sich nun um "Rechtspflicht" oder "Obliegenheiten" handele. Hinzu komme, dass es zwischen der Beklagten und dem Kläger ohnehin eine Art "gentleman agreement" gebe, wonach der Kläger die Schlechtwetterperiode arbeitslos sei und bleibe, um dann den ursprünglichen Arbeitsplatz wieder einnehmen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500,00 EUR ist überschritten. Denn der Kläger erhielt gemindertes Arbeitslosengeld für mehr als zehn Tage (15. Dezember 2003 bis 15. Februar 2004), sodass bei einem täglichen Anrechnungsbetrag von 50,00 EUR ein Betrag von mehr als 500,00 EUR zur Anrechnung kam.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom "9. Januar 2004" (richtig 13. Januar 2004) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2004 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Anspruches gem. den §§ 37 b und 140 SGB III sind erfüllt.

Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2004. Denn die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verfügte die Beklagte in diesem Bewilligungsbescheid. In diesem Bewilligungsbescheid wurde wegen der Minderung auf ein gesondertes Schreiben verwiesen. Im Falle des Klägers war dies das Schreiben vom 9. Januar 2004. In diesem Schreiben erläuterte die Beklagte lediglich Grund und Berechnung der Höhe der Minderung. Das Schreiben enthält damit keine (zusätzliche) Regelung hinsichtlich der Minderung sondern die Begründung. Es ist deswegen kein Verwaltungsakt. Dass die Beklagte dieses Schreiben auch nicht als Verwaltungsakt ansah, zeigt sich darin, dass dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war.

1. Zunächst ist festzustellen, dass auf Grund des Bewilligungsbescheids über Arbeitslosengeld vom 13. Januar 2004 dem Kläger ab 15. Dezember 2003 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach zustand. Zwar hat der Kläger den Bewilligungsbescheid nur insoweit angefochten, als ihm Arbeitslosengeld für 30 Tage in geminderter Höhe bewilligt worden ist, so dass im Übrigen der Bewilligungsbescheid bestandskräftig ist. Macht ein Leistungsbezieher aber einen Anspruch auf höhere Leistung geltend, so ist im gerichtlichen Verfahren nicht nur die von ihm geltend gemachte Beanstandung, sondern die Rechtmäßigkeit der Leistungsfeststellung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (z.B. BSG Urteil vom 29. Januar 2003 - B 11 AL 47/02 R -).

Der Kläger war im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB III arbeitslos (Nr. 1), hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt (Nr. 3). Der Kläger war ab 15. Dezember 2003 arbeitslos, denn er stand ab diesem Zeitpunkt (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (Beschäftigungslosigkeit) und (Nr. 2) suchte eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung (Beschäftigungssuche). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf ausdrückliche Nachfrage bestätigt, dass der Kläger selbstverständlich jederzeit eine ihm während dieser Zeit angebotene, auch unbefristete Beschäftigung aufgenommen und ausgeübt hätte. Auch die Beklagte ging für den hier streitigen Zeitraumes wie bereits immer in der Vergangenheit von der Verfügbarkeit des Klägers aus. Der Kläger hat damit zum Einen gem. § 119 Abs. 1 Nr.1 SGB III alle Möglichkeiten genutzt und nutzen wollen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und (Nr. 2) den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden (Verfügbarkeit). Denn er war arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend auch arbeitsbereit (§ 119 Abs. 2 SGB III). Dem Kläger stand schließlich aufgrund seiner bereits in der Vergangenheit eine Anwartschaftszeit erfüllenden und anspruchsbegründenden Beschäftigungen noch ein Restanspruch in Höhe von mind. 502 Kalendertagen zu.

2. Die Beklagte hat mit dem Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2004 zu Recht den Anspruch des Klägers gem. §§ 37 b, 140 SGB III um 30 Tage zu je 50,00 EUR gemindert.

Gem. § 37 b SGB III (mit Wirkung zum 1. Juli 2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 - Bundesgesetzblatt I S. 4607 - eingefügt) sind Personen, deren Pflichtversicherungsverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich gem. § 140 SGB III (ebenfalls eingefügt durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 mit Wirkung zum 1. Juli 2003) das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt gem. § 140 Satz 2 SGB III

1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,00 EUR 7,00 EUR, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 700,00 EUR 50,00 EUR

für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist gem. Satz 3 auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird (§ 140 Satz 4 SGB III).

Der Kläger unterfällt der Regelung des § 37 b SGB III, da die Kündigung seines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Steinbildhauer nach In-Kraft-Treten der Vorschrift und zwar durch die ihm am 29. September 2003 ausgehändigte Kündigung zum 1. Dezember 2003 (oder auch einem späteren Zeitpunkt) erfolgt ist. Die Voraussetzungen des § 37 b SGB III sind gegeben.

Der Kläger wusste, dass sein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis enden wird. Denn der Arbeitgeber kündigte am 29. September 2003 das Arbeitsverhältnis schriftlich zum 1. Dezember 2003 und übergab diese Kündigung am selben Tag dem Kläger. Auch wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben ausführte, dass nach jeweiliger Auftragslage der Zeitpunkt der vorläufigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne - was eintrat und das Arbeitsverhältnis dann erst am 14. Dezember 2003 endete -, war dem Kläger jedenfalls bekannt, dass im Dezember 2003 das Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis enden wird. Zudem erfolgte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der selben Weise wie in den Vorjahren. Der Kläger wusste mithin, dass er im Laufe des Dezember 2003 wie in den Vorjahren als Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld beziehen werde.

Der Kläger meldete sich auch nicht unverzüglich im Sinne von § 37 b SGB III arbeitsuchend.

Unverzüglich bedeutet, dass die persönliche Meldung ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) zu erfolgen hat, nachdem die versicherungspflichtige Person vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses Kenntnis erlangt hat (vgl. auch Voelzke, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts Rdnr. 492; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Unverzüglich ist nicht gleichbedeutend mit sofort. Dem Betreffenden steht eine angemessene Überlegungsfrist zu (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 121 Rdnr. 3). Was im Einzelfall als unverzüglich anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung des Zwecks der entsprechenden gesetzlichen Regelung zu beurteilen. Nach Auffassung des Senats muss im Hinblick auf den Zweck der Regelung des § 37 b SGB III der Arbeitnehmer sich unmittelbar nach Kenntnis, dass sein Versicherungspflichtverhältnis endet, bei der Beklagten arbeitsuchend melden. Eine Verletzung der - vom Gesetzgeber als eine allgemeine Obliegenheitspflicht des Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis (vgl. BT-Drs. 15/25, S. 31 zu Nr.19 zu § 140 SGB III) angesehenen - Meldung als arbeitsuchend ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der Meldung nach § 37 b Satz 1 SGB III im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.

Die Regelung des § 37 b SGB III hat ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Die Betroffenen sollen sich deshalb so früh wie möglich persönlich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitsuchend melden. Das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) kann dann sofort mit den in § 35 SGB III vorgesehenen Maßnahmen beginnen. Die Regelung fordert von den Betroffenen, dass sie sich unverzüglich beim Arbeitsamt persönlich melden müssen, wenn sie den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennen. So entsteht die Meldepflicht z.B. bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen unverzüglich nach Zugang der Kündigung durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Die Meldung hat persönlich zu erfolgen, damit sofort mit dem Arbeitsamt eine Vereinbarung über das gemeinsame Vorgehen erfolgen kann (BT-Drs. 15/25 S. 27 zu Nr. 6 zu § 37 b). Daraus wird deutlich, dass mit der frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend der Versicherungsfall Arbeitslosigkeit und damit die Zahlung von Arbeitslosengeld vermieden werden soll. Dies kommt auch in § 37 b Satz 3 SGB III zum Ausdruck, wonach die Pflicht zur Meldung unabhängig davon besteht, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Gerade also in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu erkennen gibt, an dem bisherigen Arbeitsverhältnis festhalten und es fortsetzen zu wollen, soll gleichwohl schon mit der Arbeitsvermittlung begonnen werden und es wird deshalb vom Arbeitnehmer die Meldung als arbeitsuchend verlangt. Dies alles zeigt, dass die Meldung als arbeitsuchend umgehend nach Kenntnis vom Ende des Versicherungspflichtverhältnisses zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer hat somit keine Überlegungsfrist etwa dahin, zunächst ohne Einschaltung der Beklagten zu versuchen, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Vielmehr soll unabhängig von den vom Gesetzgeber vorausgesetzten Eigenbemühungen des Arbeitnehmers (siehe § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) die Beklagte unmittelbar nach Ende des Versicherungspflichtverhältnisses in die Arbeitsvermittlung im Sinne des § 35 SGB III eingeschaltet werden. Mit der Minderung des Anspruchs wird ein pauschaler Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft wegen der verzögerten Einleitung von Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen auf Grund der verspäteten Arbeitsuchendmeldung vorgenommen (vgl. BT-Drs. 15/25, S. 31 zu Nr.19 zu § 140 SGB III), und zwar in der Weise, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht in voller Höhe besteht. Auch dies zeigt, dass nicht konkret zu prüfen ist, ob möglicherweise durch das Verhalten des Arbeitnehmers sich der Schaden (Leistungen wegen Arbeitslosigkeit) vermindert hätte, wenn der Arbeitnehmer sich pflichtgemäß verhalten hätte.

Der Annahme, der Kläger habe sich nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, steht nicht entgegen, dass er die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretene gesetzliche Regelung nicht kannte (ebenso LSG Baden-Württemberg,. Urteil vom. 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Für die Verletzung der Obliegenheit des § 37 b SGB III ist es unerheblich, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend bekannt war (vgl. Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b, Rdnr. 27 der eine unbedingte Verhaltenspflicht annimmt, bei der es nicht auf Kenntnis oder kennen müssen ankomme, weil die Kenntnis typisierend zugerechnet werde). Insoweit hat das SG zutreffend auf den Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen verwiesen. Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3).

Des Weiteren steht der Annahme, der Kläger habe sich nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, nicht entgegen, dass der Arbeitgeber es entgegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III unterlassen hat, den Arbeitnehmer über die Meldepflicht zu informieren (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Arbeitnehmer sollen nach dieser Vorschrift vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ihren Arbeitgeber frühzeitig über die Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung beim Arbeitsamt informiert werden. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zum Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zur Neuregelung des § 2 Abs. 2 SGB III ausgeführt, dass die Regelung die Verpflichtung zur Mitwirkung des Arbeitgebers am nahtlosen Übergang des gekündigten Arbeitnehmers in eine neue Beschäftigung konkretisiere und mit dem arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch korrespondiere. Der Arbeitgeber unterstütze frühzeitige Anstrengungen des Arbeitnehmers bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Damit leiste er einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Die Regelung stehe im Kontext mit der Konkretisierung der Meldepflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 37 b SGB III und der Einführung von Minderungen des Arbeitslosengelds bei verspäteter Meldung in § 140 SGB III ( BT-Drs. 15/25, S. 26 zu Nr.2 zu § 2 SGB III). Mit dem Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die Informationspflicht des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III lediglich "im Kontext" der §§ 37 b, 140 SGB III stehe, wird umschrieben, dass die Meldepflicht des Arbeitnehmers aus § 37 b SGB III rechtlich unabhängig von der Wahrnehmung der Verpflichtung des Arbeitgebers besteht (so auch Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b Rdnr. 30). Selbst wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 2 Abs. 2 Satz Nr. 3 SGB III nicht nachkommt, kann das den Arbeitnehmer nicht entlasten (andere Ansicht Gagel/Kruse, SGB III, § 37 b Rdnr. 8 und Gagel/Winkler, SGB III, § 140 Rdnr. 3 die dann fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers annehmen) und befreit ihn das nicht von seiner eigenen Verpflichtung nach § 37 b SGB III (vgl. GK-SGB III/Rademacher, § 37 b Rdnr. 21). Für die Auffassung des Senats spricht auch, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Information nur als eine Soll-Vorschrift ausgeformt (vgl. GK - SGB III/Rademacher, § 37 b, Rdnr. 21) und diese nicht in § 37 b SGB III oder § 140 SGB III mit dem Verhalten des Arbeitslosen verknüpft, sondern schon mit räumlichem Abstand im Gesetz ohne weitere ausdrückliche Verbindung zu diesen Vorschriften in § 2 SGB III niedergelegt hat. Eine mit Konsequenzen für die Frage des Verschuldens versehende Form der "Rechtsfolgenbelehrung" durch den Arbeitgeber anstelle der Beklagten ist im Arbeitsförderungsrecht systemfremd und würde diesen dann bei Fehlern ggf. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen aussetzen, die ersichtlich nicht vom Gesetzgeber gewollt waren (vgl. z. B. Arbeitsgericht Verden vom 27. November 2003 - 3 Ca 1567/03 -, welches unter Hinweis auf den Soll-Charakter sowie Wortlaut und Aufbau der Vorschrift des § 2 SGB III keinen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Aufklärung durch den Arbeitgeber zuerkannte; ablehnend zu Schadenersatzansprüchen auch Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b Rdnr. 31), denn die Vorschrift ist als nicht staatlich durchsetzbar ausgestaltet (vgl. GK SGB III/Rademacher, § 37 b Rdnr. 29). Würde das Verschulden des Arbeitnehmers von der Aufklärung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht, so wäre dem kollusiven Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmer zum Nachteil der Versichertengemeinschaft bei entsprechendem wirtschaftlichen Interesse beider oder freundschaftlichen bzw. familiären Bindungen Raum gegeben.

Auch weitere Umstände, die den Kläger an der Meldung als arbeitsuchend bis zum ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit am 15. Dezember 2003 hinderten, sind nicht gegeben. Der Kläger wusste, dass er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine neue Beschäftigung haben wird. Er hätte deshalb begründeten Anlass gehabt, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen, statt für die sich erneut abzeichnende Arbeitslosigkeit auf den erneuten Erhalt von Leistungen der Versichertengemeinschaft zu vertrauen. Die (nach Auffassung des Gesetzgebers) Obliegenheit, an die § 37 b SGB III anknüpft, ist letztlich Ausdruck einer Selbstverständlichkeit für jeden von Arbeitslosigkeit betroffenen bzw. bedrohten Arbeitnehmer, nämlich dafür Sorge zu tragen, so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu kommen. Für die Zeit, in der sein Arbeitsverhältnis bei der Firma F. auf Grund der ausgesprochenen Kündigung nicht bestand, hätte der Kläger selbst für eine ggf. auch befristete Beschäftigung sorgen können, zumal er eigenen Vorbringens hierzu bereit war.

Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Beklagte nach Aktenlage zumindest seit Dezember 1995, also seit acht Jahren, ihm regelmäßig für die Zeit von Anfang bzw. Mitte Dezember bis Februar des jeweiligen Folgejahres bis zur erneuten Einstellung durch seinen bisherigen Arbeitgeber Arbeitslosengeld zahlte und dabei keine Vermittlungsbemühungen, auch für befristete Beschäftigungen, vornahm, was sich auch aus den in der Leistungsakte enthaltenen Beratungsvermerken ergibt. So ist z.B. im Beratungsvermerk vom 15. Dezember 2003 u.a. notiert: "kein Termin AV (gemeint Arbeitsvermittlung), da Wiedereinstellung bei gl. AG (gemeint gleicher Arbeitgeber), Mitte Feb. gibt Bescheid". Der Kläger hätte allen Anlass gehabt, sich darüber zu informieren, ob die Voraussetzungen für die jedenfalls nach Aktenlage seit 1995 praktizierte Verfahrensweise fortgelten oder sich ändern. Er durfte nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Regelungen für den alljährlichen Bezug von Arbeitslosengeld von Dezember bis Februar des Folgejahres unverändert fortgelten und insbesondere die ihm günstige Rechtslage unverändert bleibt.

Die Höhe des Änderungsbetrags errechnete die Beklagte zutreffend (Blatt 140 der Leistungsakte), wobei sie zu Gunsten des Klägers von einer Meldung spätestens am 11. Oktober 2003 (so im Schreiben vom 9. Januar 2004) bzw. 6. Oktober 2004 (so im Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2004) und nicht unmittelbar nach Kenntnis der Kündigung ausging. Der Kläger erhebt insoweit auch keine Einwände.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (Auslegung des Begriffs "unverzüglich") zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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