S 11 AS 12/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 12/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 B 11/05 AS ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der zulässige Antrag,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – SGB II – zu gewähren,

hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen.

Die Antragstellerin hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zu Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer unter anderem seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II). Die Nichtaufklärbarkeit dieses anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmals geht zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs behauptet. Dies ist der Hilfebedürftige (vgl. Verwaltungsgericht – VG – Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.03.2000 – Az.: 3 L 351/00 zu § 11 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz – BSHG -).

Einen solchen Hilfebedarf hat die Antragstellerin nach summarischer Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht glaubhaft gemacht. Wie die Antragsgegnerin zutreffend herausgestellt hat, stellen sich ihre Einkommensverhältnisse auch unter Zugrundelegung ihres Vorbringens in der Antragsschrift und in dem Schriftsatz vom 15.03.2005 sowohl im Hinblick auf die Vergangenheit als auch hinsichtlich eines gegenwärtigen Bedarfs als ungeklärt dar. Das ergibt sich zunächst daraus, dass der Antragstellerin während des Bezuges von Arbeitslosenhilfe im Jahr 2004 nach Abzug der Wohnkosten in Höhe von monatlich 641,08 EUR bei einer monatlichen Arbeitslosenhilfe, die sich zwischen 664,80 EUR und 703,39 EUR belief, ein Betrag zwischen 23,72 EUR und 62,31 EUR zur Sicherung ihres monatlichen Lebensunterhaltes zur Verfügung stand. Legt man beispielsweise einen im Jahre 2004 zu berücksichtigenden monatlichen sozialhilferechtlichen Bedarf von 296,00 EUR zugrunde, der vergleichbare Bedürfnisse abdecken sollte, wie die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II, so ergibt sich eine deutliche Kostenunterdeckung, die sich zur Überzeugung der Kammer nicht allein durch die Inanspruchnahme des Dispositionskredits erklären lässt. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Antragstellerin nach den von ihr vorgelegten Kontoauszügen vom 11.08.2003 und vom 26.01.2005 monatliche Telefonkosten von 43,65 EUR und 46,06 EUR sowie Rechnungen für den Neckermann Versand (246,32 EUR) und die Lotto Faber KG von 36,95 EUR zu begleichen hatte. Hierbei erscheint es der Kammer nicht als unbedingt nachvollziehbar, dass die oben genannten Aufwendungen aus dem Dispositionskredit bestritten werden, während der Nachbar der Antragstellerin – der Zeuge M – gelegentlich die Kosten für Lebensmittel übernehmen bzw. Barzuwendungen tätigen will.

Als problematisch stellt sich ferner dar, dass die Antragstellerin noch am 06.12.2004 anlässlich ihrer persönlichen Vorsprache bei der Bundesagentur für Arbeit und mit Schreiben vom 08.12.2004 angegeben hat, keinerlei Unterstützung durch Dritte zu erhalten und dies auch mit eidesstattlicher Versicherung vom 29.12.2004 sowohl gegenüber dem Gericht als auch gegenüber der Antragsgegnerin bekräftigt hat. Mit Eingang des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat sie allerdings ihren Sachvortrag geändert und vortragen lassen, dass ihr der Zeuge M kleinere Beträge zum Einkauf von Lebensmitteln zur Verfügung stelle. Auch dies hat sie an Eides Statt versichert (Eidesstattliche Versicherung vom 26.02.2005). Dieser Sachvortrag ist bzw. war widersprüchlich. Unrichtig ist auch der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen M vom 26.02.2005. Denn die mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 15.03.2005 behaupteten Darlehen – erschöpfender Sachvortrag zum Zustandekommen der Darlehensabreden liegt nicht vor - sind dort nicht aufgeführt worden. Der Zeuge hat in der eidesstattlichen Versicherung lediglich angegeben, dass er der Antragstellerin "gelegentlich kleinere Beträge zum Kauf von Lebensmitteln usw." zur Verfügung stelle. Dieses Versäumnis ist insofern nicht nachvollziehbar, als dass die Darlehenssummen von 650,00 EUR und 700,00 EUR nach den vorgelegten Kontoauszügen am 29.01.2005 und am 24.02.2005 auf das Konto der Antragstellerin eingezahlt worden sind und sowohl der Umstand der Darlehensvergabe als auch die Einzahlungen bei Abfassung und Unterschrift der eidesstattlichen Versicherung am 26.02.2005 dem Zeugen bekannt gewesen sein müssen. Sofern es sich jedoch nicht um Darlehen gehandelt haben sollte, sondern um – unbenannte – Zuwendungen, so ist die eidesstattliche Versicherung gleichfalls unrichtig. Im Übrigen dürfte es sich bei den Darlehensbeträgen nicht um "kleinere Beträge zum Kauf von Lebensmitteln" handeln. Aus den vorbeschriebenen Gründen ist auch die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom 26.02.2005 inhaltlich unrichtig.

Gegen die Glaubhaftmachung eines Hilfebedarfs im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II spricht weiter, dass die Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 08.12.2004 mitgeteilt hatte, Unterlagen bzw. Kontoauszüge einreichen zu wollen, die einen Zeitraum von mehr als drei Monate umfassen sollten, jedoch letztlich nur zwei Kontoauszüge vom 11.08.2004 sowie eine Entschädigungsberechnung der AXA AG beigefügt hat. Wenn die Antragstellerin, der – dies ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens vom 08.12.2004 – ihre Obliegenheiten bewusst waren, von sich aus keinen weiteren Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung leistet, so muss dies ebenfalls zu ihren Lasten gehen. In diesem Zusammenhang ist überdies nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin auch mit ihrer Antragsschrift vom 02.03.2005 lediglich einen Kontoauszug vom 26.01.2005 beigefügt, im Übrigen jedoch keine weiteren Nachweise vorgelegt hat. Ebenso wenig hat sie die von der Antragsgegnerin erbetenen Kontoauszüge vorgelegt und zu ihren Ausführungen in der Antragserwiderung vom 08.03.2005 Stellung genommen (Fristsetzung durch das Gericht: 14.03.2005). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie eine gesonderte Aufforderung durch die Antragsgegnerin nicht erhalten haben will. Denn die Antragsgegnerin hat in ihrer Erwiderung vom 08.03.2005 auf diese Aufforderung Bezug genommen, so dass es ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, ihr Begehren durch Vorlage entsprechender Belege gegenüber dem Gericht glaubhaft zu machen oder aber Hinderungsgründe mitzuteilen. Beides ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat sich die Antragstellerin darauf beschränkt, einzelne Kontoauszüge zu überreichen, die jedoch für sich genommen keine Glaubhaftmachung des erhobenen Anspruchs ermöglichen.

Im Übrigen hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn eine Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht (vgl. hierzu VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 06.11.2000 – Az: 3 L 2178/00 und Beschluss vom 23.01.2003 – Az: 2 L 2994/02, m.w.N.) kann die Kammer zur Zeit nicht erkennen. Das ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.12.2004 weitere Kontoauszüge angekündigt, diese jedoch auch nach Anforderung durch die Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 08.03.2005) bis zum 15.03.2005 nicht vorgelegt hat. Wenn sie jedoch nicht unerhebliche Zeiträume zur Glaubhaftmachung des Anspruchs verstreichen lässt, kann die Kammer die Notwendigkeit einer sofortigen Leistungsgewährung nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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