L 2 AL 83/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 449/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AL 83/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20. November 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist das Bestehen eines Anspruches auf Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) bzw. Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Die am ...1959 geborene Klägerin meldete sich erstmals am 21.12.1990 zum 01.01.1991 arbeitslos und beantragte am 17.01.1991 Alg. Die Beklagte gewährte Alg ab 01.01.1991, anschließend Alhi ab 31.12.1991 bis 30.05.1992. Nach Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Rahmen einer einjährigen ABM bezog die Klägerin ab 01.06.1993 Alg und nachfolgend Alhi bis 16.07.1994. Nach einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 18.07.1994 bis 31.12.1994, wiederum auf der Grundlage einer ABM, bezog die Klägerin zunächst bis 01.04.1995 wieder Alhi. Es schloss sich eine weitere als ABM geförderte versicherungspflichtige Beschäftigung vom 03.04.1995 bis 19.10.1995 an. Danach war die Klägerin wieder arbeitslos und bezog ab 20.10.1995 wiederum Alg und danach Alhi bis 31.12.1996.

Nach einer weiteren versicherungspflichtigen, ABM-geförderten Beschäftigung vom 01.01.1997 bis 31.12.1997 bezog die Klägerin vom 01.01. bis 29.06.1998 Alg und am 30.06.1998 Alhi. Ab dem 01.07.1998 war die Klägerin wie schon bisher wieder im Rahmen einer einjährigen ABM bei der Stadtverwaltung O ... versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 20.04.1999 hat die Klägerin ein Kind geboren.

Die Klägerin bezog Mutterschaftsgeld im Zeitraum vom 22.03.1999 bis 15.06.1999, anschließend bis 19.04.2002 Erziehungsgeld nach bundes- und später dann nach landesrechtlichen Vorschriften (Bescheinigung der AOK Sachsen vom 13.02.2002).

Am 21.02.2002 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 05.03.2002 lehnte die Beklagte die Zahlung von Alg und Alhi ab. Die Klägerin habe in der maßgeblichen Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 20.04.2002 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 20.04.2002 auch kein Alg bezogen. Den Widerspruch vom 25.03.2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2002 als unbegründet zurück. Zwar liefe die verlängerte Rahmenfrist gemäß § 124 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bei der Klägerin auf Grund der Betreuung und Erziehung eines Kindes vom 20.04.1996 bis 19.04.2002. Nachdem die Klägerin jedoch zum 01.01.1998 eine neue Anwartschaft erworben und dafür Alg bezogen habe und eine spätere Rahmenfrist nicht in eine frühere Rahmenfrist hineinreichen dürfe, könne die Rahmenfrist im vorliegenden Fall nur den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 19.04.2002 umfassen. Die Zeit des Bezuges von Mutterschafts- bzw. Erziehungsgeld, der Zeitraum vom 22.03.1999 bis 19.04.2002, liege zwar innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist, jedoch sei die Klägerin in diesem Zeitraum nicht den versicherungspflichtigen Personen zuzuordnen. Ein Anspruch auf Alg bestehe daher nicht. Einen Anspruch auf Alhi habe die Klägerin ebenfalls nicht erworben. Die verlängerte Vorfrist laufe im Falle der Klägerin im Zeitraum vom 20.04.1999 bis 19.04.2002. Die Klägerin habe jedoch in diesem Zeitraum kein Alg bezogen. Aus der früheren Bewilligung von Alhi für den 30.06.1998 könne die Klägerin einen Zahlungsanspruch wegen Zeitablaufs auch hier unter Berücksichtigung der um zwei weitere Jahre verlängerten Jahresfrist (§ 196 S. 2 Nr. 3 SGB III) nicht mehr geltend machen. Die Frist sei am 30.06.2001 abgelaufen und der Alhi-Anspruch erloschen. Im Jahre 2002 könne daher kein Alhi-Anspruch mehr geltend gemacht werden.

Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben. Die Klägerin sei in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes vom 01.05.1999 an in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen. Sie habe keinen Hinweis darauf erhalten, dass keine Pflichtversicherung zur Arbeitslosenversicherung bestanden habe.

Den Antrag der Klägerin, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die Beklagte zur Gewährung von Alg zu verurteilen, hat das SG mit Urteil vom 20.11.2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach den für die Zeit vor dem 01.01.2003 geltenden Vorschriften habe die Klägerin die erforderliche Anwartschaftszeit von 12 Monaten Beschäftigung innerhalb einer Rahmenfrist von drei Jahren nicht erfüllt (§§ 117 Abs. 1 Nr. 3, 123 Abs. 1 Nr. 1, 124 Abs. 1 SGB III). Die Rahmenfrist beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Sie reiche nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt habe (§ 124 Abs. 2 SGB III). Gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III würden in die Rahmenfrist Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen nicht eingerechnet. Voraussetzung sei, dass das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

Hier sei für die Erfüllung einer neuen Anwartschaft lediglich der Zeitraum ab dem 01.01.1998 maßgeblich. Durch ihre Beschäftigung vom 01.01.1997 bis 31.12.1997 habe die Klägerin zum 01.01.1998 einen neuen Alg-Anspruch erworben. Gemäß § 124 Abs. 2 SGB III könne daher die Rahmenfrist für die Prüfung eines Alg-Anspruchs im Jahre 2002 nicht in die Zeit vor dem 01.01.1998 zurückreichen. In der Zeit vom 01.01.1998 bis 30.06.1998 habe die Klägerin im - nicht anwartschaftsbegründenden - Leistungsbezug gestanden. Zum 01.07.1998 habe die Klägerin im Rahmen einer bis 30.06.1999 dauernden ABM eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Ab 22.03.1999 habe die Klägerin jedoch Mutterschaftsgeld, nachfolgend ab 16.06.1999 bis 19.04.2002 Erziehungsgeld bezogen.

Die Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld und die Zurücklegung von Erziehungszeiten seien nach der hier noch geltenden Vorschrift (§ 26 SGB III) nicht anwartschaftsbegründend gewesen. Die Versicherungspflicht für Bezieher von Mutterschaftsgeld und für Zeiten der Erziehung eines Kindes vor Vollendung des dritten Lebensjahres sei erst für die Zeit ab 01.01.2003 in § 26 SGB III aufgenommen worden. Die Klägerin könne daher für einen Anspruch im Jahr 2002 eine Anwartschaftszeit aus den ab 22.03.1999 zurückgelegten Zeiten nicht herleiten. Die versicherungspflichtige Zeit von 01.07.1998 bis 21.03.1999 reiche nicht aus, um die erforderliche Anwartschaftszeit eines 12-monatigen Versicherungspflichtverhältnis zu erfüllen.

Eine fehlerhafte oder unterbliebene Beratung sei der Beklagten nicht vorzuwerfen. Die Beklagte habe nicht zu vertreten, dass die Klägerin aus dem Bestehen einer Rentenversicherungspflicht auch auf das Bestehen einer Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung geschlossen habe. Überdies enthalte das der Klägerin ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose einen Hinweis darauf, dass Versicherungspflichtverhältnisse ohne Entgeltzahlung, die länger als einen Monat andauern würden, bei der Anwartschaftszeit nicht mitgerechnet würden. Allenfalls die Klägerin hätte daher eine Beratung durch die Beklagte veranlassen müssen.

Einen Anspruch auf Alhi habe die Klägerin ebenfalls nicht erworben. Hierzu werde auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid verwiesen. Schließlich könne die Klägerin auch nicht eine Zahlung von Alhi aus der Bewilligung von Alhi für einen Tag, den 30.06.1998, herleiten. Dieser Anspruch sei gemäß § 196 S. 1 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 196 S. 2 SGB III spätestens mit Ablauf des 30.06.2001 erloschen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, nach der Geburt des Kindes habe der ABM-Arbeitsvertrag bis 30.06.1999 fortbestanden. Die Klägerin habe daher schon deswegen 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Im Übrigen hätte die Beklagte die Klägerin darüber aufklären müssen, dass die Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld und Erziehungszeiten nicht anwartschaftsbegründend seien. Der Klägerin sei durch die LVA mit Schreiben vom 29.06.1999 mitgeteilt worden, dass sie in den ersten drei Lebensjahren des Kindes, vom 01.05.1999 an, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sei. Die Klägerin sei deshalb berechtigt davon ausgegangen, dass sie zum Kreis der Pflichtversicherten gehöre. Anfang Februar 2002 habe die Klägerin beim Arbeitsamt Oelsnitz den Antrag auf Alg ab 20.04.2002 stellen wollen. Auch hier sei ihr nicht gesagt worden, dass sie nicht pflichtversichert gewesen sei.

Die Geburt des Kindes am 20.4.1999 dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Wenn das Kind erst nach dem 30.6.1999 geboren worden wäre, wäre der Zeitraum von 12 Monaten ABM-Tätigkeit vollständig erfüllt worden. Es widerspreche den sozialen Gesichtspunkten, dass eine Mutter durch die Geburt des Kindes in ihren Rechten benachteiligt werde. Der Gesetzgeber habe dem auch Rechnung getragen, indem er nach § 26 Abs. 2 Nr. l und 3, Abs. 2a SGB III festgelegt habe, dass Mutterschutz- und Erziehungszeiten ab 01.01.2003 anwartschaftszeitbegründend seien, wenn unmittelbar vor Beginn des Mutterschaftsgeldes und der Erziehungszeit Versicherungspflicht bestanden habe. Dies sei auch bei der Klägerin der Fall. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die soziale Absicherung in dem Zeitraum bis zum 31.12.2002 anders beurteilt werden könne, als danach.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im SG-Urteil und führt ergänzend aus, die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Lage nach In-Kraft-Treten der den § 26 SGB III betreffenden Gesetzesänderung (Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001) für Mütter, deren versicherungspflichtige Beschäftigung durch Mutterschaft und Kindererziehung unterbrochen worden sei, eine andere gewesen sei. Für die Beurteilung von Zeiten hinsichtlich ihrer Versicherungspflichtigkeit sei die am Tag der Antragstellung (20.04.2002) gültige Gesetzeslage maßgeblich. Dass die Klägerin von der vorgenannten Gesetzesänderung nicht profitieren könne, ändere an der Sache nichts.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter als Einzelrichter über den Rechtsstreit entscheidet. Ihm liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Alg noch auf Alhi.

Ein Anspruch auf Alg setzt insbesondere voraus, dass der Antragsteller die Anwartschaftszeit erfüllt hat (§ 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). § 123 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 13 des Bundeswehrneuausrichtungsgesetzes vom 20.12.2001, BGBl. I S. 4013) sieht vor, dass innerhalb der Rahmenfrist der Antragsteller mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben muss. § 124 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001, BGBl. I S. 3443) bestimmt, dass Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen nicht in die dreijährige Rahmenfrist (§ 124 Abs. 1 SGB III) eingerechnet werden. Zugleich bestimmt § 124 Abs. 2 SGB III, dass die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Wie bereits die Beklagte und das SG zutreffend erkannt haben, beginnt hier die Rahmenfrist nicht vor dem 01.01.1998 (dem ersten Tag des Bezugs von Alg aufgrund der in der davor liegenden Rahmenfrist erworbenen Alg-Anwartschaft). Die Klägerin war nach § 24 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 3 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.1997, BGBl. I S. 2998), nach § 25 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001, BGBl. I S. 3443) und nach § 26 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 13 des Bundeswehrneuausrichtungsgesetzes vom 20.12.2001, BGBl. I S. 4013) nur in der Zeit vom 01.07.1998 bis 21.03.1999 versicherungspflichtig beschäftigt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt nicht schon allein aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während der Zeiten des Mutterschutzes und der Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub), dass die Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt war. Während der sich hieraus ergebenden Suspendierung der synallagmatischen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses entfällt das arbeitslosenversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. § 25 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass versicherungspflichtig nur Personen sind, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden. Dies war ab dem 22.03.1999 bei der Klägerin nicht mehr der Fall. Nach § 7 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gilt aber eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Diese Verlängerung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses um einen Monat gilt aber nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV dann nicht, wenn Mutterschaftsgeld oder Erziehungsgeld bezogen wird.

§ 26 SGB III sieht in der maßgeblichen Fassung nicht vor, dass der Bezug von Mutterschaftsgeld, Erziehungsgeld oder die Inanspruchnahme einer Elternzeit (früher Erziehungsurlaub) einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichzustellen ist. Allerdings hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Beschluss vom 20.06.2001 (B 11 AL 20/01 R-NZS 2002, 100) nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Ungleichbehandlung von (anwartschaftsbegründendem) Krankengeld und (nicht anwartschaftsbegründendem) Mutterschaftsgeld gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 GG verstoße, und dies mit überzeugenden Gründen bejaht.

Die Klägerin erreicht gleichwohl innerhalb der erweiterten Rahmenfrist die Alg-Anwartschaft nicht. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass der Ausschluss des Mutterschaftsgeldes als anwartschaftsbegründender Tatbestand grundrechtswidrig sei und der Gesetzgeber nur die Möglichkeit habe, den Verstoß dadurch zu korrigieren, dass er das Mutterschaftsgeld rückwirkend als anspruchsbegründend bewerte, ergeben sich keine zwölf Monate versicherungspflichtiger Tätigkeit oder gleichgestellter Tatbestände. Die Klägerin bezog nur bis 15.06.1999 Mutterschaftsgeld. Der Klägerin fehlen damit weiterhin 15 Tage zur Erfüllung einer zwölfmonatigen Anwartschaftszeit.

Die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten ist nicht grundrechtswidrig. Es handelt sich dabei um eine sozialpolitische Maßnahme des Familienlastenausgleichs, die allenfalls insoweit legitimierungsbedürftig ist, als die Beitragszahler für die Kosten aufzukommen haben. Insbesondere kann aus der Kindererziehung keine Leistung für das System der Arbeitslosenversicherung abgeleitet werden, die ihrerseits leistungsrechtlich in besonderer Weise zu berücksichtigen wäre (vgl. dazu Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 39 Rn. 191; Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Soweit nunmehr durch Art. 1 des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) mit Wirkung ab 01.01.2003 ein Absatz 2a in § 26 SGB III eingefügt worden ist, der insbesondere die Erziehung eigener Kinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs als anwartschaftsbegründenden Tatbestand regelt, folgt daraus verfassungsrechtlich nichts für die Vergangenheit. § 26 Abs. 2a SGB III gilt auch einfachrechtlich nicht rückwirkend (§ 434d Abs. 2 SGB III).

Die Klägerin kann auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als ob sie die Anwartschaftszeit erfüllt hätte, wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine derartige Fingierung von Versicherungszeiten hier überhaupt möglich wäre. Es ist bereits mangels einer Spontanberatungssituation keine Beratungsverletzung ersichtlich. Die Klägerin hat nach Beginn des Bezugs von Mutterschaftsgeld bis zum Jahr 2002 keinen Kontakt zur Beklagten aufgenommen. Die möglicherweise existierende irrige Vorstellung der Klägerin (vielleicht hat sie sich unter Berücksichtigung des jahrlang praktizierten Kreislaufs von ABM, Alg, Alhi, ABM, Alg usw. ohnehin keine näheren Gedanken gemacht), sie könne nach dem Bezug von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld wieder einen Anspruch auf Alg erworben haben oder zumindest noch einen Anspruch auf Alhi haben, haben weder die Beklagte noch eine ihr zurechenbare dritte Stelle verursacht. Auch die Miteilung der LVA hat ersichtlich keinen Bezug zur Arbeitslosenversicherung. Die LVA hat wie auch die Klägerin inhaltlich vorträgt, nur Ausführungen zur Auswirkung der Kindererziehung auf die gesetzliche Rentenversicherung gemacht. Es kommt noch hinzu, dass die Beklagte unter Zugrundelegung der bestehenden Gesetzeslage der Klägerin im Hinblick auf das Alg auch keine andere Verhaltensweise hätte nahe legen können, die zum Erwerb der Alg-Anwartschaft während des einjährigen ABM-Vertrages geführt hätte. Die Beklagte hätte die Klägerin nicht dahingehend beraten dürfen, ihren Arbeitgeber unter Verstoß gegen die zwingende Vorschrift des § 6 des Mutterschutzgesetzes, der ein Beschäftigungsverbot von mindestens acht Wochen vorsieht, zur Weiterbeschäftigung zu veranlassen. Den Hinweis der Beklagten, sich im Anschluss an die ABM um eine versicherungspflichtige Anschlussbeschäftigung zu kümmern, hätte die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Erwerbsbiographie wohl eher als Hohn empfunden. Hätte die Klägerin vor dem 30.06.2001 ein Arbeitsamt aufgesucht und dort auf ihre Situation hingewiesen, wäre eine fachkundige Beratung in Betracht gekommen, alsbald wieder Alhi zu beantragen. Die Klägerin hat aber bis zum 30.06.2001 keinen Kontakt mit einem Arbeitsamt aufgenommen.

Die Klägerin hat im Übrigen aus den von der Beklagten und dem SG genannten Gründen auch keinen Alhi-Anspruch. Hierauf wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Die Zulassung der Revision kommt auch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BSG vom 20.06.2001 nicht in Betracht, weil die dortige Vorlagefrage hier nicht entscheidungserheblich ist. Daher ist der Rechtsstreit auch weder ohne Anrufung des BVerfG nur auszusetzen noch anstelle des zur Richtervorlage nicht befugten erkennenden Einzelrichters das BVerfG durch den Senat nach Art. 100 Abs. 1 GG anzurufen und zu diesem Zweck der Rechtsstreit auszusetzen. -
Rechtskraft
Aus
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