L 2 BL 1/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 5 BL 3/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 BL 1/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.03.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte Blindengeld in Höhe von 3.519,05 EUR zurückfordern kann.

Der Kläger ist Rechtsnachfolger (Alleinerbe) der am ... 1909 geborenen und am ...20o3 verstorbenen M. F ... (im Folgenden: die Leistungsempfängerin). Diese erhielt ab 01.01.1992 ausweislich eines Bescheides des Beklagten vom 26.11.1992 Blindengeld in Höhe von 600,00 DM monatlich nach dem Landesblindengeldgesetz (LBlindG). Auf Seite 3 des Bescheides wies der Beklagte darauf hin, dass jede Änderung der persönlichen Verhältnisse, u. a. die Gewährung oder Veränderung von Pflegegeld aus einer Unfallversicherung, die Aufnahme in einem Heim und die Übernahme der Heim- und Pflegekosten durch einen Sozialhilfeträger oder eine sonstige Stelle unverzüglich anzuzeigen seien. Überzahlungen seien zu erstatten.

Am 08.11.1994 übersandte der Beklagte der Leistungsempfängerin ein Formblatt, in dem letztere um Angaben bezüglich des Erhaltes bzw. der Beantragung von Pflegegeld gebeten wurde. Die Leistungsempfängerin sandte das Formblatt am 14.12.1994 versehen mit ihrer Unterschrift zurück. Auf Blatt 2 des Formblattes wies der Beklagte erneut auf Mitteilungspflichten der Leistungsempfängerin, z. B. hinsichtlich der Gewährung eines Pflegegeldes von der Pflegekasse/Krankenkasse oder der Aufnahme in ein Heim hin.

Mit Bescheid vom 27.12.1995 erhöhte der Beklagte das Blindengeld mit Wirkung zum 01.01.1996 auf 650,00 DM (später 333,00 EUR). Auf Seite 3 des Bescheides nannte er wiederum die Mitteilungspflichten u. a. bezüglich des Erhaltes von Pflegegeld und führte auf Seite 2 des Bescheides aus, dass, soweit gleichartige Leistungen (auch Sachleistungen) bezogen würden, welche nicht auf die Zahlung angerechnet worden seien, oder sonstige Änderungen der maßgebenden Verhältnisse eingetreten seien, werde das Blindengeld unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der späteren Neufeststellung ab 01.01.1996 gezahlt. Überzahlte Beträge seien zu erstatten.

Am 19.07.2002 teilte die Seniorenresidenz "V ..." auf eine Anfrage des Beklagten mit, dass die Leistungsempfängerin in der Einrichtung seit dem 21.01.2002 vollstationäre Pflege erhalte. Der Leistungssatz betrage monatlich pauschal 2.058,48 EUR, die Pflegekasse zahle monatlich 1.279,00 EUR zu.

Am 09.09.2002 bekam der Beklagte aufgrund eines Schreibens der AOK Sachsen Kenntnis davon, dass die Leistungsempfängerin seit 01.12.2000 Pflegegeld der Pflegestufe II erhielt. Ausweislich des Pflegegutachtens vom 09.04.2001 benötigte die Leistungsempfängerin vor allem wegen der allgemeinen Gebrechlichkeit fremde Hilfe bei den Verrichtungen der Körperpflege, Ernährung und Moblität. Der Allgemeinzustand habe sich seit Dezember 2000 verschlechtert. Ferner wird im Gutachten als Fremdbefund ein Pflegegutachten vom 22.02.1999 zitiert, aufgrund dessen Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I festgestellt worden sei.

Der ärztliche Dienst des Beklagten schätzte in einer Stellungnahme vom 30.09.2002 ein, dass die Leistungsempfängerin pflegebedürftig im Zusammenhang mit der Blindheit sei.

Daraufhin wies der Beklagte die Leistungsempfängerin darauf hin, dass sie den Bezug von Pflegegeld entgegen der ihr obliegenden Mitteilungspflicht nicht angegeben habe. Die Leistungen der Pflegeversicherung seien auf das Blindengeld teilweise anzurechnen. Vom 01.12.2000 bis 31.12.2001 sei eine Überzahlung von 3.458 DM (1.768,05 EUR) entstanden. Wegen des Aufenthaltes in einem Pflegeheim sei das Landesblindengeld ab 01.02.2002 um die Hälfte zu kürzen. Dadurch sei für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis 30.11.2002 eine weitere Überzahlung in Höhe von 1.660,00 EUR entstanden. Die Überzahlung betrage insgesamt 3.428,05 EUR und sei zu erstatten. Der Bescheid vom 27.12.1995 sei mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gemäß § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde Gelegenheit gegeben, innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens zur beabsichtigten Entscheidung Stellung zu nehmen.

Am 17.10.2002 teilte der Kläger für die Leistungsempfängerin dem Beklagten daraufhin mit, dass er und seine Mutter durch die Rückforderung in jeder Beziehung überfordert seien. Es werde um Erlass gebeten.

Am 07.11.2002 erließ der Beklagte einen Bescheid - Neufeststellung -, mit dem der Bescheid vom 27.11.1995 geändert und ab 01.12.2000 Blindengeld in Höhe von 384,00 DM, ab 01.01.2002 in Höhe von 333,00 EUR und ab 01.02.2002 in Höhe von 167,00 EUR bewilligt wurde. Die im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwände hätten keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Entscheidung rechtfertigten.

Im Widerspruchsschreiben vom 09.12.2002 gab der Kläger an, seine Mutter könne der Rückforderung nicht nachkommen. Sie habe das Geld in gutem Glauben ausgegeben.

Mit Anhörungsschreiben vom 16.01.2003 führte der Beklagte aus, dass im Bescheid vom 07.11.2002 für Januar 2002 trotz des Bezuges von Pflegegeld versehentlich kein Anrechnungsbetrag ausgewiesen worden sei. Die Rückforderung betrage insgesamt 3.519,05 EUR.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 03.02.2003 zurückgewiesen; die Höhe der Rückforderung wurde auf 3.519,05 EUR festgesetzt. Bezüglich der Begründung des Widerspruchsbescheides, insbesondere hinsichtlich der Berechnung des Rückforderungsbetrages wird auf Bl. 63 bis 67 der Verwaltungsakte verwiesen.

Am 20.02.2003 ist Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben worden. Am 27.02.2003 ist die Leistungsempfängerin verstorben, der Kläger hat einen Erbschein vom 11.04.2003 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er Alleinerbe der Leistungsempfängerin ist.

Mit Urteil vom 16.03.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Einkommen erzielt worden sei, das auf das Blindengeld anzurechnen sei. Das Pflegegeld stelle eine gleichartige Leistung im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 LBlindG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung (a. F.) dar und müsse auf das Blindengeld angerechnet werden. Gerechtfertigt sei bei der Pflegestufe II eine Anrechnung in Höhe eines Drittels des gewährten Pflegegeldes. Für die Zeit ab 01.01.2002 müssten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 LBlindG in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung (n. F.) bei der Pflegestufe II 33,3 % des Pflegegeldes angerechnet werden. Bei Gewährung von Leistungen zur stationären Pflege werde das Blindengeld gemäß § 4 Abs. 1 LBlindG n. F. um 50 % gekürzt. Hiernach ergebe sich entsprechend der Berechnung des Beklagten im Widerspruchsbescheid eine Rückforderung von 3.519,05 EUR.

Die Feststellung habe rückwirkend zum 01.12.2002 erfolgen müssen. Ein Ermessen sei dem Beklagten nicht eröffnet. Dahinstehen könne, ob die Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen schuldhaft verletzt worden sei. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stelle allein auf das Erzielen von anzurechnendem Einkommen oder Vermögen ab. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Der irreversible Verbrauch der erhaltenen Überzahlung stelle für sich genommen ebenso wenig wie Blindheit oder hohes Alter einen Umstand dar, der die Aufhebungsbefugnis des Beklagten einschränken könne. Auch habe die Leistungsempfängerin nicht aufgrund besonderer Umstände damit rechnen können, nicht erstattungspflichtig zu werden, da der Beklagte mehrfach darauf hingewiesen habe, dass der Bezug von Pflegegeld Auswirkungen auf die Höhe des Blindengeldes habe. Ein mitwirkendes Fehlverhalten des Beklagten sei nicht ersichtlich.

Gegen das ihm am 25.03.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.03.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung nochmals auf das hohe Alter seiner Mutter zum Zeitpunkt des Empfangs der Leistungen hingewiesen. Sie habe bis zur Heimaufnahme am 21.01.2002 in ihrer Wohnung gelebt und eigenständig gehandelt. Im Anmeldeformular zur Heimaufnahme vom 10.02.2001 seien die Einkommensverhältnisse korrekt angegeben worden. Es sei nicht vorsätzlich etwas verschwiegen worden.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.03.2004 aufzuheben und den Bescheid vom 07.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2003 insoweit aufzuheben, als 3.519,05 EUR zurückgefordert wurden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat sich auf die angefochtenen Bescheide und die Gründe der Entscheidung des SG bezogen und zuletzt noch ausgeführt, dass, wenn der Nachlass der im Klageverfahren verstorbenen Leistungsempfängerin für die Tilgung des Rückforderungsbetrages, der zu den Nachlassverbindlichkeiten gehöre, nicht ausreiche, müsse dies anhand entsprechender Nachweise nach Beendigung des anhängigen Berufungsverfahrens geprüft werden. Erst nach Bestandskraft der angefochtenen Bescheide könne durch den Rechtsnachfolger eine Unzulänglichkeitseinrede nach § 1990 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend gemacht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, die Blindengeld- und die Schwerbehindertenakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten; die Berufung war daher zurückzuweisen.

Der Beklagte durfte den ursprünglichen Leistungsbescheid wegen des Eintritts einer wesentlichen Änderung teilweise aufheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ist nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat, soll der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß Satz 3 der Vorschrift in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn dieses Anrechnungszeitraumes.

Mit dem Bezug von Pflegegeld ab Dezember 2000 bzw. dem Heimaufenthalt ab 21.01.2002 war in den Verhältnissen der Leistungsempfängerin eine wesentliche Änderung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Die Leistungsempfängerin hat des Weiteren nach Erlass des Verwaltungsaktes vom 27.12.1995 Einkommen, nämlich Leistungen zur stationären Pflege, erzielt, das zur Minderung ihres Blindengeldanspruches geführt hat:

Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 LBlindG a. F. wurden gleichartige Leistungen, die der Blinde zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen nach anderen Vorschriften erhält, auf das Blindengeld angerechnet. Bei dem der Leistungsempfängerin gewährten Pflegegeld handelte es sich um eine gleichartige Leistung i. S. dieser Vorschrift. Insoweit hat das Sächs. Landessozialgericht vor Inkrafttreten des LBlindG n. F. am 01.01.2002, das diese Rechtsprechung übernommen hat, in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteile vom 28.04.1999 - L 2 BL 1/98 und L 2 BL 5/97) die Auffassung vertreten, dass Blindheit bei der Bewertung des Pflegebedarfs grundsätzlich mit zu berücksichtigen ist und bei Gewährung der Pflegestufe II die Anrechnung eines Drittels der Pflegeleistungen gerechtfertigt ist. Für die Zeit ab Januar 2002 ist die Vorschrift § 5 Abs. 2 Nr. 2 LBlindG n. F. maßgeblich, wonach Leistungen der Pflegestufe II mit 33,3 % auf das Blindengeld angerechnet werden. Auch soweit seit Beginn des Heimaufenthaltes Leistungen zur stationären Pflege (nach der Pflegestufe II gemäß § 43 Abs. 5 Nr. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - in Höhe von 1.279,00 EUR monatlich) gewährt worden sind, handelt es sich um Einkommen, das zur Minderung des Anspruchs auf Blindengeld führt: Bei Bezug von Leistungen zur stationären Pflege nach § 43 SGB XI ist nach § 4 Abs. 1 LBlindG n. F. das Blindengeld um 50 % zu kürzen.

Soweit der Beklagte einen Betrag von 3.519,05 EUR zurückfordert, ist dies auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Für die Zeit vom 01.12.2000 bis 31.12.2001 war 1/3 des gewährten Pflegegeldes (1/3 von 800,- DM) auf das Blindengeld anzurechnen und für die Zeit vom 01.01. bis 21.01.2002 1/3 des für diesen Zeitraum gewährten Pflegegeldes. Auch soweit der Beklagte für die Zeit ab 01.02.2002 bis 30.11.2002 das Blindengeld wegen des Aufenthaltes in einem Pflegeheim bei Bezug von Leistungen zur stationären Pflege um 50 % gekürzt hat, ist dies nicht zu beanstanden.

Des Weiteren musste die Neufeststellung wie von der Beklagten vorgenommen rückwirkend zum 01.12.2002 erfolgen:

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X "soll" der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt des Eintritts der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wobei nach den allgemeinen Auslegungsprinzipien mit "soll" ein auf den Regelfall abstellendes Müssen gemeint, jedoch für Ausnahmen eine andere Entscheidung erlaubt ist. In "atypischen" Fallgestaltungen besteht dann für die Verwaltung keine Pflicht zur rückwirkenden Aufhebung. Vielmehr hat sie im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, ob der Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben ist oder nicht (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 26.10.1998, Az.: B 2 U 35/97 R m. w. N.).

Die Entscheidung darüber, ob ein bestimmter Sachverhalt einen atypischen Fall darstellt, liegt nicht im Ermessen der Verwaltung (BSGE 59, 111, 115; 66, 103, 108; 74, 287, 293); vielmehr haben dies die Gerichte selbst zu überprüfen und zu entscheiden. Die Entscheidung hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 44). Ein solcher muss, um als atypisch angesehen werden zu können, Merkmale aufweisen, die signifikant vom (typischen) Regelfall abweichen. Zu berücksichtigen ist bei dieser Beurteilung - wegen der mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Erstattungspflicht des Empfängers zu Unrecht erbrachter Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) -, ob die Rückerstattung nach Lage des Falles eine unzumutbare Härte bedeuten würde, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastete als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSGE 74, 287, 294). Ein irreversibler Verbrauch der erhaltenen Überzahlung, aus der die Empfängerin die Erstattungsforderung sonst beglichen hätte, stellt, worauf bereits das SG hingewiesen hat, für sich genommen keinen Umstand dar, der als besondere Härte die sich aus Nr. 3 des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergebende Aufhebungsbefugnis einschränken könnte.

So hat das BSG einen atypischen Fall dann angenommen, wenn der Betroffene aufgrund besonderer Umstände nicht damit zu rechnen brauchte, erstattungspflichtig zu werden, und er im Vertrauen darauf das nachträglich erzielte Einkommen, aus dem er sonst die Erstattungsforderung beglichen hätte, ausgegeben hat (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Betroffene aus seiner Sicht zu Recht davon ausgehen konnte, dass eine Doppelleistung überhaupt nicht entstanden sei (vgl. BSG vom 26.10.1998, Az.: B 2 U 35/97 R).

Der hier zu beurteilende Sachverhalt stellt keinen atypischen Fall dar. Insbesondere ergibt sich aus dem Verhalten des Beklagten kein Umstand, der zum Vorliegen eines atypischen Falles führen könnte. Zwar kann grundsätzlich ein mitwirkendes Fehlverhalten auf der einen Seite, das als atypische Behandlung im Sinne einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu werten ist, im Einzelfall die Atypik des verwirklichten Tatbestandes nach § 48 Abs. 1 SGB X ergeben (BSGE 74, 287, 294). Hier hatte der Beklagte jedoch bereits im Bescheid vom 27.12.1995 darauf hingewiesen, dass Änderungen in den Verhältnissen, insbesondere die Gewährung von Pflegegeld aufgrund von Blindheit, mitgeteilt werden müssten. Auch ist die Leistungsempfängerin gemäß § 24 SGB X angehört worden.

Die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sind eingehalten.

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Dementsprechend ist vom Beklagten eine Rückforderung in Höhe von 3.519,05 EUR geltend gemacht worden. Bei diesem Betrag handelt es sich, worauf der Beklagte in seinem Schreiben vom 04.06.2004 bereits hingeweisen hat, um eine Nachlassverbindlichkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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