L 16 KR 109/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 239/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 109/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten einer Behandlung mittels Rezepturarzneimittel sowie Akupunktur.

Die Klägerin leidet an einer Gonarthrose des linken Kniegelenks. Aufgrund dauerhafter, therapieresistenter Beschwerden empfahl der Orthopäde Dr. G ... eine Behandlung mittels IL-a Antagonisten (Orthokininjektion) und führte eine entsprechende Behandlung in der Zeit zwischen dem 11.04. und 21.07.2000 in Kombination mit Akupunktur durch. Gestützt auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 22.05. und 03.07.2000 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung der entsprechenden Behandlung mit Bescheid vom 24.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2000 ab.

Die Klägerin hat am 23.10.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage auf Erstattung der Behandlungskosten erhoben und geltend gemacht, die Behandlung sei bei ihr wirksam gewesen. Der Einsatz der Therapie unterliege allein der Verantwortung des behandelnden Arztes. Für das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Wirksamkeit der Behandlungsmethode fehle eine ausreichende Gesetzesgrundlage.

Mit Urteil vom 19.02.2002 hat das SG die Klage abgewiesen, weil die Behandlung vor der Entscheidung der Beklagten begonnen worden sei, so dass deren ablehnende Entscheidung auch für die nachfolgenden Leistungen nicht mehr ursächlich geworden sei.

Gegen das ihr am 08.04.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.05.2002 Berufung eingelegt, ohne diese inhaltlich zu begründen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 25.05.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2000 aufzuheben und sie zu verpflichten, ihr die Kosten der IL-a Antagonisten-Therapie zu ersezten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II. Die Berufung ist zulässig. Nach den von Dr. G ... bezifferten Sachkosten von bereits 920,00 DM übersteigen die streitigen Behandlungskosten offensichtlich den für die zulassungsfreie Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) erforderlichen Wert von 500,00 Euro.

Da die Berufsrichter des Senats die Berufung jedoch einstimmig für unbegründet erachten und eine mündliche Verhandlung als nicht notwendig ansehen, weist der Senat nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten die Berufung im Beschlussverfahren (§ 153 Abs. 4 SGG) zurück.

Es ist schon zweifelhaft, ob die Klage zulässig ist, da der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht beziffert worden ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 37, 41; BSG, Urt. vom 24.09.2002 - B 3 P 15/01 R -). Die Klage ist aber jedenfalls unbegründet, weil der Klägerin der erhobene Anspruch nicht zusteht.

Nach der hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3, 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sind, sofern die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dies setzt voraus, dass die Krankenkasse vor der Beschaffung der Leistung mit der Angelegenheit befasst worden ist und ihre Einstandspflicht geprüft hat (BSG SozR 3-2500 § 13 Nrn. 15, 22). Dies ist, wie das SG zu Recht dargelegt hat, nicht der Fall gewesen, weil die streitige Behandlung von Dr. G ... bereits am 11.04.2000 begonnen worden ist und zu diesem Zeitpunkt die Prüfung ihrer Einstandspflicht von der Beklagten noch nicht abgeschlossen war. Da die Therapie von vornherein auf mehrere Behandlungseinheiten konzipiert war, konnte die ablehnende Entscheidung der Beklagten auch nicht mehr diejenigen Behandlungsabschnitte (zwei) beeinflussen, die nach der Ablehnung der Leistung noch durchgeführt worden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 6 m.w.N.).

Unabhängig davon schuldete die Beklagte der Klägerin die streitige Behandlung nicht, so dass die Ablehnung zu Recht erfolgt ist. Dem Anspruch steht § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V entgegen. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Dieser Erlaubnisvorbehalt erfasst auch neuartige Arzneitherapien unabhängig davon, ob es sich um Fertigarzneimittel oder Rezepturarzneimittel, die anders als erstere keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfen, handelt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 5; § 135 Nr. 14).

Es handelt sich bei der Behandlung mit Orthokin-ra um eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V, denn sie beruht auf einem eigenständigen Konzept - autologe Herstellung von Interleukin 1-Rezeptorantagonisten, einer Substanz, der von ihren Anwendern ein gesicherter chondroprotektiver und zusätzlich entzündungshemmender Effekt zugeschrieben wird -, die in die vertragsärztliche Praxis bisher keinen Eingang gefunden hat (vgl. Stellungnahme des PD Dr. W ... vom 21.02.2001).

Da der Bundesausschuss keine Empfehlung zu Gunsten dieser Therapie abgegeben hat, darf sie von der Krankenkasse als Sachleistung nicht gewährt werden, was zugleich einen Freistellungs- oder Kostenerstattungsanspruch für den Fall ausschließt, dass sich der Versicherte die Behandlung selbst beschafft (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 14 S. 62 m.w.N.).

Ein solcher Anspruch kommt auch nicht ausnahmsweise in Betracht, weil die mangelnde Anerkennung auf einem sog. Systemversagen beruht (vgl. BSG SozR § 135 Nrn. 4, 14). Es fehlen nämlich ausreichende wissenschaftliche Nachweise bezüglich der Wirksamkeit dieser Therapie, so dass auch kein Anlass für den Bundesausschuss bestand, sich mit der Behandlungsmethode zu befassen, wobei auf den Zeitpunkt der Behandlung und nicht auf zukünftige Erkenntnisse abzustellen ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 12). Der Nachweis der Wirksamkeit neuer Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden ist grundsätzlich dadurch zu führen, dass in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken ausreichende Behandlungserfolge belegt werden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5; § 109 Nr. 5). An solchen Statistiken hat es im Zeitpunkt der Behandlung durch Dr. G ... gefehlt, worauf dessen Praxiskollege PD Dr. W ... in seiner für die Klägerin gefertigten Stellungnahme vom 21.02.2001 selbst ausdrücklich verwiesen hat. Die Methode hatte sich zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht in einem größeren Umfang in der medizinischen Praxis durch gesetzt, da PD Dr. W ... selbst bescheinigt hat, dass nur etwa 40 Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland diese Behandlungsmethode angewendet haben.

Auch die Kosten der zugleich durchgeführten Akupunktur-Behandlungen sind nicht erstattungsfähig, weil es sich um eine einheitliche Behandlung handelt, so dass nicht einzelne Teile der Behandlung der Leistungspflicht der Krankenkasse unterliegen und einen Kostenerstattungsanspruch auslösen können. Im Übrigen fehlte auch für die Anwendung der Akupunktur im Zeitpunkt der Behandlung eine entsprechende Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (vgl. jetzt Anlage B Nr. 31 der Richtlinien über die Bewertung Ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V - BUB-Rl - vom 10.12.1999 in der Fassung vom 17.10.2001).

Die Berufung musste daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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