L 9 B 13/05 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 98/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 B 13/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. März 2005 wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin als Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts einen Betrag von monatlich 345,00 Euro ab 01. März 2005 bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu zahlen hat. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der Antragsteller (Ast) beantragte diese am 17.12.2004. Er gab im Antrag auf Nachfrage an, dass er derzeit ohne festen Wohnsitz sei und im Wohnmobil eines Bekannten wohne. Die Antragsgegnerin (Ag) bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 23.12.2004 Alg II in Höhe von 345,00 Euro für den Monat Januar 2005. Hiergegen erhob der Ast am 24.01.2005 Widerspruch. Mit einem Antrag vom 03.01.2005 beantragte er ferner für den Verbrauch an Heizungsmaterial (Propangas) näher bezeichnete Beträge, für die er aber keine Quittungen vorlegte. Mit weiterem Bescheid vom 28.01.2005 bewilligte ihm die Ag Alg II in Höhe von 345,00 Euro für den Monat Februar 2005. Auch dagegen erhob der Ast am 07.03.2005 Widerspruch erhob.

Die Ag forderte den Ast mehrfach vergeblich auf, Nachweise zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt in M sowie zu den aufgewandten Unterkunfts- und Heizungskosten zu erbringen. Die Ag hörte ihn daraufhin mit Schreiben vom 11.02.2005 gemäß § 24 SGB X zur "Einstellung der Leistung" an. Sie führte aus, sie beabsichtige, die Leistung nach dem SGB II für den Ast zum 01.03.2005 einzustellen. Da der Ast anlässlich einer Vorsprache am 01.02.2005 keine Nachweise hinsichtlich seines gewöhnlichen Aufenthaltes vorgelegt hatte - auch nicht nach dem Hinweis der Ag, dass Zeugenerklärungen der getrennt lebenden Ehefrau oder anderer Personen ausreichten -, er aber Quittungen über den Verbrauch von Propangas vorgelegt hatte, die aus verschiedenen Städten außerhalb M in Nordhrein-Westfalen stammten, ging die Ag von einem nicht nachgewiesenen gewöhnlichen Aufenthalt des Ast in Langenfeld aus und erteilte den Bescheid vom 28.02.2005 über die "Einstellung der Leistung nach dem SGB II". Sie führte aus, die Leistung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) werde zum 01.03.2005 eingestellt, weil der Ast nicht der Aufforderung nachgekommen sei, seinen gewöhnlichen und tatsächlichen Aufenthalt in geeigneter Weise nachzuweisen. Mit Bescheiden vom 01. und 07.03.2005 bewilligte die Ag jeweils für die Monate Januar 2005 und Februar 2005 aufgrund der vorgelegten Quittungen über den Verbrauch von Propangas Heizkosten in Höhe von jeweils 43,65 Euro. Gegen beide Bescheide erhob der Ast am 07.03. und 20.04.2005 Widerspruch.

Der Ast beantragte beim Sozialgericht am 16.03.2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Verpflichtung der Ag zur Zahlung einer Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro monatlich ab 01.03.2005 sowie der Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Er führte zur Begründung aus, dass die Ag auch dann zur Leistung verpflichtet sei, wenn sie sich für unzuständig halte. Sie sei dafür beweispflichtig, dass er sich entgegen seinen Angaben nicht in M aufhalte.

Die Ag hat vorgetragen, sie könne keine Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Entscheidung sehen. Es beständen nämlich erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Ast, weil er dauernd ein Kraftfahrzeug benutze, das schon wegen der Betriebskosten schlichtweg vom Regelsatz zu bestreiten sei. Dies gelte erst Recht im Hinblick darauf, dass der Ast ein Wohnmobil fahre.

Das Sozialgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 31.03.2005 stattgegeben. Es hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast vom 07.03.2005 gegen den Bescheid der Ag vom 28.02.2005 angeordnet. Ferner hat es die Ag verpflichtet, dem Ast bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 80 % der nach den gesetzlichen Vorschriften zustehenden Leistungen zu gewähren. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der erstmaligen Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 20.12.2004 habe es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gehandelt, so dass es in der Hauptsache um die Anfechtung des die Leistung einstellenden Bescheides vom 28.02.2005 gehe. Der hiergegen erhobene Widerspruch habe nach § 39 SGB II keine aufschiebende Wirkung, die hier aber anzuordnen sei. Denn der Verwaltungsakt vom 28.02.2005 sei offensichtlich rechtswidrig, weil die Ag nach § 43 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) auch für eine vorläufige Auszahlung der Leistungen zuständig sei, wenn der Leistungsträger seine Zuständigkeit bestreite. Dies treffe auf die Ag zu, weil vorliegend nur streitig sei, wer von mehreren Leistungserbringern zur Leistung verpflichtet sei. Außerdem sei der Ast nicht im Sinne des § 66 Absatz 3 Satz 1 SGB I unter Fristsetzung zur Mitwirkung aufgefordert worden. Hieran ändere auch nichts, dass der Ast keine Nachweise über seinen gewöhnlichen Aufenthalt vorgelegt habe. Gegenüber der erstmaligen Leistungsbewilligung habe sich nämlich in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen nichts geändert, so dass eine Rücknahme des Dauerverwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 SGB X nicht in Betracht komme. Hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizkosten habe der Ast sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht. Denn die Antragsgegnerin selbst habe in der Vergangenheit für die Monate Januar und Februar 2005 Kosten für die Heizung in von ihr errechnetem angemessenen Umfang übernommen, so dass der Ast sie weiterhin benötige. Dies werde dem Grunde nach durch die Ag auch nicht in Abrede gestellt. Soweit sie auf die Nutzung des Kraftfahrzeugs verweise, treffe der Vergleich nicht zu, da der Ast das Kraftfahrzeug nicht zur Fortbewegung, sondern als Wohnung benutze. Um vorliegend die Hauptsache nicht vorwegzunehmen, habe das Gericht eine Begrenzung der aufgrund der einstweiligen Anordnung zu erbringenden Leistung auf 80 % der gesetzlichen Vorschriften vorgenommen.

Zu diesem Beschluss hat der Ast mit Schreiben vom 05.04.2005 eine Tenorergänzung dahingehend beantragt, welche konkreten Beträge er gegenüber der Ag geltend machen könne. Mit Schreiben vom 14.04.2005 trägt er vor, dass er die von der Ag ausgezahlte Höhe der Leistung aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts für unzutreffend halte, weil sie nicht 100 % der möglichen Leistungen betrage. Mit weiterem Schreiben vom 15.04.2005 erklärt er erneut, dass er nicht mit 80 % der Regelleistung einverstanden sei, die die Ag zahle.

Der Ast beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03.2005 abzuändern und die Ag zu verpflichten, ihm eine volle Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro monatlich sowie Unterkunftskosten an Miete für das Wohnmobil von 270,00 Euro monatlich und tatsächliche Heizkosten für Januar 2005 in Höhe von 180,84 Euro und Februar 2005 in Höhe von 140,75 Euro zu zahlen.

Die Ag beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie teilt mit, dass sie aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts vom 31.03.2005 ab 16.03. (Tag des Antragseingangs bei Gericht) 80 % des Regelsatzes sowie 80 % der Unterkunfts- und nachgewiesenen Heizkosten zahle. Heizkosten könnten für den Monat März nicht ermittelt werden, da sie vom Ast nicht nachgewiesen seien. Da im Antrag 270,00 Euro für das Wohnmobil (Unterkunft) geltend gemacht seien, ergebe sich aus ihrer Sicht für den Ast insgesamt eine sehr günstige Berechnung, zumal im Beschluss des Sozialgerichts eine konkrete Aussage zur Zahlung fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten - Az: 000 - Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zugrundegelegen haben.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Da allein der Ast mit seinen als Beschwerde auszulegenden Schriftsätzen vom 05.04. und 14.04.2005 ein Rechtsmittel eingelegt hat, steht ihm in Anwendung des Verböserungsverbots (Grundsatz der reformatio in peius) zumindest der Umfang an Leistungen zu, den ihm das Sozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung zugesprochen hat, unabhängig davon, dass die Entscheidung mangels Mitwirkung des Ast zur Glaubhaftmachung seiner Bedürftigkeit kaum als zutreffend zu bestätigen wäre und im Übrigen auch sonst erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen.

Dies bedeutet, dass dem Ast, obwohl im Tenor des angefochtenen Beschlusses kein Betrag ausgewiesen, der Tenor also nicht eindeutig, aber auslegungsfähig ist (vgl. Zeihe, SGG, 8. Auflage, Stand November 2004, 39. Lieferung, § 136 Rn. 11 b; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 136 Rn. 5 d), entgegen den Ausführungen der Ag nicht 80 %, sondern 100 % der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes - also 345,00 Euro monatlich - zustehen und dies klarzustellen ist. Denn das Sozialgericht hat hinsichtlich der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Bescheid vom 28.02.2005 abgestellt, mit dem "die Leistung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) zum 01.03.2005 eingestellt wird", und insoweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 07.03.2005 angeordnet. Da die Ag für die Vormonate Januar/Februar 2005 als Regelleistung 345,00 Euro bewilligt hatte, der Ast diesen Betrag auch ab März haben wollte und das Sozialgericht - unabhängig von der rechtlichen Beurteilung des Verfahrensablaufs (vgl. unten) - allein durch die Herstellung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruches im Tenor des Beschlusses die Weiterzahlung dieses Betrages sichern wollte, hat die Ag den vollen Betrag als vorläufig zugesprochen auszuzahlen - und zwar mangels einer zeitlichen Einschränkung im Tenor hinsichtlich des Beginns bereits ab 01.03.2005.

Verfahrensrechtlich ist das Sozialgericht jedoch von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen, indem es den Bescheid vom 28.02.2005 als Leistungsaufhebungsbescheid angesehen hat. Denn entgegen dessen Wortlaut hat es sich nicht um eine Leistungseinstellung gehandelt, da entgegen der Meinung des Sozialgerichts keine vorhergehende Dauerbewilligung vorgelegen hatte. Die Ag hatte nämlich zuvor nur für jeweils einen Monat Leistungsbewilligungen ausgesprochen und entsprechende Bescheide erteilt, so mit Bescheid vom 20.12.2004 Regelleistung 345,00 Euro allein für Januar 2005 und mit Bescheid vom 28.01.2005 allein für Februar 2005. Darüber hinaus hat für die Folgezeit keine Leistungsbewilligung vorgelegen, die einstellbar gewesen wäre. Der Bescheid vom 28.02.2005 stellt daher vielmehr inhaltlich die Ablehnung einer beantragten Leistung für den Monat März 2003 (und die Folgezeit) dar, gegen den sich der Ast gewandt hat. Es handelt sich im vorliegenden Verfahren somit nicht um eine reine Anfechtungs-, sondern um eine Vornahmesache, mit der im Ergebnis von der Behörde der Erlass eines Verwaltungsaktes begehrt wird und die Aufhebung des ablehnenden Bescheids nur ein notwendiges Durchgangsstadium dafür ist. Der Ausspruch einer aufschiebenden Wirkung würde daher dem Ast zur Erreichung seines Zieles nicht weiterhelfen, so dass § 39 Abs. 2 SGB II keine Anwendung findet. (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 86 a Rn. 6; Eicher/Spellbrink, SGB II, München 2005, § 39 Rn. 4). Demzufolge hat sich das Begehren des Ast entgegen der Meinung des Sozialgerichts von vornherein als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG dargestellt. Diesem hat das Sozialgericht - wie oben dargelegt - mit seiner Regelung im Umfang einer - nunmehr klargestellten - vollen Regelleistung von 345,00 Euro monatlich bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Tenor und den Entscheidungsgründen vorläufig entsprochen.

Soweit der Ast hinsichtlich der Unterkunfts- und Heizungskosten über die zugesprochenen 80 % "der nach den gesetzlichen Vorschriften zustehenden Leistungen" weitere 20 % im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, hat er keinen Anordnungsgrund - also keine besondere Eilbedürftigkeit - glaubhaft gemacht. Da die Ag aufgrund des angefochtenen Beschlusses - vom Ast nicht in Zweifel gezogen - für die Miete als Unterkunftskosten (des Wohnmobils) von 270,00 Euro ausgeht, liegt der Anteil von 80 % mit 216,00 Euro bereits weit höher als der für Unterkunft und Heizung zusammen bewilligte Betrag von 43,65 Euro für die Monate Januar und Februar 2005. Da der Ast somit bereits auf dieser Grundlage (volle Regelleistung zuzüglich 80 % der Unterkunftskosten) über erheblich mehr Geld als in den Vormonaten verfügt, ist es ihm zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Eine Existenzbedrohung ist derzeit nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Ast seit März auch somit nicht seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist, die Kosten für die Heizung glaubhaft zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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