L 4 RA 302/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 9 RA 33/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 302/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06. Juni 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträgerin für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, den Zeitraum vom 01.01.1974 bis zum 31.12.1982 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Der am ... geborene Kläger absolvierte von September 1950 bis Februar 1954 eine Lehre zum Dreher bei dem Unternehmen H ...-L ... K ... Von März 1954 bis Dezember 1955 arbeitete er in diesem Beruf bei der St ...fabrik K ... Im Anschluss hieran war der Kläger bei der V ... - See - tätig und leistete danach seinen Wehrdienst ab. Von Januar 1959 bis September 1960 arbeitete der Kläger als Funkmechaniker beim F ... D ... und sodann bis Dezember 1961 als Rundfunkmechaniker beim VEB K ... K ... Von Januar 1962 bis August 1964 war der Kläger ebenfalls als Rundfunkmechaniker beim VEB G ...- und R ... Radio/Fernsehen K ... beschäftigt. Von September 1964 bis August 1965 besuchte er als Fachschüler die Seefahrtschule W ...; dort bestand er mit Urkunde vom 20.07.1965 die Prüfung zum Sonderfunker für den Seefunkdienst. Von August 1965 bis August 1967 war der Kläger als Funker beim VEB F ... R ... tätig. Von August 1967 bis Juli 1969 besuchte der Kläger erneut als Fachschüler die Seefahrtschule W ... und erlangte dort mit Zeugnis vom 10.07.1969 die Berechtigung, den Titel "Ingenieur für Seefunk" zu führen. Von Juli 1969 bis Januar 1971 war der Kläger erneut als Funker beim VEB F ... R ... tätig und sodann bis Dezember 1973 als Wartungsingenieur beim VEB Kombinat R ... Im hier streitigen Zeitraum war der Kläger von Januar 1974 bis Dezember 1982 als Wartungsingenieur beim VEB R ... Vertrieb D ... tätig und sodann von Januar bis Dezember 1983 ebenfalls als Wartungsingenieur beim VEB R ...n B ... Von Januar bis Februar 1984 arbeitete der Kläger als Elektronikingenieur beim VEB P ...fabrik D ... Von Mai 1984 über den 30.06.1990 hinaus bis Dezember 1991 war der Kläger als Wartungsingenieur bei der Ingenieurhochschule M ... beschäftigt. Der Kläger ist zum 01.04.1976 der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten und hat auf einen monatlichen Verdienst von max. 1.200,00 Mark entsprechende Beiträge entrichtet. Eine Versorgungszusage ist ihm zu DDR-Zeiten nicht erteilt worden.

Der Kläger beantragte am 09.11.1999 bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Der Beklagten lagen Verdienstbescheinigungen der ehemaligen Arbeitgeber des Klägers vor, seine Zeugnisse über die Prüfung zum Sonderfunker für den Seefunkdienst und zum Ingenieur für Seefunk, eine Urkunde vom 25.08.1993 über die erfolgreiche Ablegung der Abschlussprüfung in der Fachrichtung Nachrichtenbetriebstechnik/Seefunk mit der Berechtigung, den Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen, die Sozialversicherungsausweise des Klägers sowie verschiedene arbeitsvertragliche Unterlagen.

Mit Bescheid vom 07.12.2000 stellte die Beklagte die Zeiträume vom 26.07.1969 bis 06.01.1971 sowie vom 01.01.1983 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest. Hiergegen legte der Kläger am 21.12.2000 bei der Beklagten Widerspruch ein, mit dem er auch die Anerkennung des Zeitraums 01.02.1971 bis 31.12.1982 begehrte, in dem er als Wartungsingenieur beim VEB Kombinat R ... beschäftigt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es für die Frage der Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem auf die Art der ausgeübten Tätigkeit, die erforderliche Qualifikation (Berufsabschluss) und den zutreffenden Beschäftigungsbereich an. Ohne erteilte Versorgungszusage lägen Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung im Sinne des § 5 Abs. 1 AAÜG vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, die ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst gewesen sei, also in einem der in Anlage 1 zum AAÜG genannten Texte aufgelistet sei. Diese Voraussetzungen seien im streitigen Zeitraum Februar 1971 bis Dezember 1982 nicht erfüllt. Als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne des § 1 der Verordnung vom 17.08.1950 über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben hätten Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des Bauwesens und Statiker gehört. Zu diesem Kreis hätten ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen gezählt. Die Tätigkeit im VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb bzw. später VEB R ... Vertrieb, Betriebsteil K ..., entspreche zwar der technischen Qualifikation, sei jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 28.03.2001 Klage zum Sozialgericht Chemnitz erhoben. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe es sich beim VEB R ... Vertrieb sehr wohl um einen volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt. Das Unternehmen sei dem Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik zugeordnet worden. Hierbei habe es sich um ein Industrieministerium gehandelt. Der Kläger habe daher Anspruch auf Zuerkennung auch des streitigen Zeitraums. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang verschiedene Arbeits- und Änderungsverträge vorgelegt. Die Beklagte hat im sozialgerichtlichen Verfahren am 17.02.2003 ein Teilanerkenntis abgegeben, mit dem sie auch die Zeit vom 01.02.1971 bis 31.12.1973 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz anerkannt und bereits zuvor mit Bescheid vom 28.01.2003 das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis ausgeführt hat.

Das Sozialgericht (SG) hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 06.06.2003 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeit vom 01.01.1974 bis zum 31.12.1982 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen. Die zulässige Klage sei insoweit begründet. Der Kläger habe Anspruch auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01.01.1974 bis zum "31.12.1981" (richtig wohl: 31.12.1982) beim VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb Betriebsteil K ... als weitere Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem des AAÜG. Das SG hat sodann die Rechtsprechung des BSG zur Einbeziehung von Versicherten, die zu DDR-Zeiten keine Versorgungszusage erhalten haben, dargestellt und ausgeführt, dass der Kläger als Ingenieur zu dem durch die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz umfassten Personenkreis gehört habe. Er sei auch in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Für eine Einbeziehung in das Versorgungssystem sei Voraussetzung gewesen, dass der Kläger eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb ausgeübt habe. Das SG hat sodann die Rechtsprechung des BSG zu den Anforderungen an den Begriff "volkseigener Produktionsbetrieb" dargestellt und weiterhin ausgeführt: Die Betriebe aus dem Wirtschaftsbereich Industrie seien in der ehemaligen DDR den Industrieministerien unterstellt gewesen. Zu diesen Industrieministerien gehörten nach dem Rahmenstatut für die Industrieministerien vom 09.01.1975 auch das Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik. Der streitgegenständliche Betrieb sei als Betriebsteil des VEB R ... Elektronik R ... dem Bereich des Industrieministeriums zuzuordnen gewesen. Nach dem Statut des VEB Kombinat R ... sei der Zentralvertrieb K ... nicht als eigenständiger neuer Betrieb aufgeführt worden, sondern nur der VEB R ... Elektronik R ...

Gegen das am 30.07.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.08.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Dem VEB R ... Vertrieb D ..., bei dem der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigt gewesen sei, sei ausweislich des Statuts des VEB Kombinat R ... vom 09.12.1973 nach dessen § 8 die Aufgabe zugewiesen worden, den Vertrieb und technischen Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik, den Vertrieb von Systemunterlagen in den Südbezirken der DDR und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend geltender Kombinatsordnung wahrzunehmen. Die dem Betrieb als Hauptzweck zugewiesene Aufgaben entsprächen im heutigen Sinne denen eines EDV-Service-Betriebes. Diese Aufgaben stellten jedoch keine Aufgaben der materiellen Produktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar. Der VEB R ... Vertrieb zähle damit nicht zu den von der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben erfassten Beschäftigungsstellen. Soweit das SG davon ausgehe, dass der Kläger ab 01.04.1969 bis zum 30.11.1974 beim R ... B ... K ... beschäftigt gewesen sei, sei dies unzutreffend. Der Kläger sei in dieser Zeit beim VEB Kombinat R ... beschäftigt gewesen. In der Zeit vom 01.04.1969 - dem Zeitpunkt der Kombinatsgründung - bis zum 31.12.1973 habe das Kombinat R ... keine juristisch- oder ökonomisch- selbständigen Kombinatsbetriebe gehabt, zu denen ein Arbeitsrechtsverhältnis hätte begründet werden können. In dieser Zeit sei der Kläger im VEB Kombinat R ... Abteilung Zentralvertrieb beschäftigt gewesen. Ab 01.01.1974 seien juristisch selbständige Kombinatsbetriebe gegründet worden. Einer dieser Betriebe sei der VEB R ... Vertrieb D ... gewesen. Der Kläger sei auch nicht in einem Betriebsteil des VEB R ... Elektronik R ... beschäftigt gewesen. Der VEB R ... Elektronik R ... sei ein weiterer Kombinatsbetrieb gewesen, der jedoch außer der gemeinsamen Zugehörigkeit zum VEB Kombinat R ... nichts mit dem VEB R ... Vertrieb D ... gemeinsam gehabt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.06.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat und den Beteiligten lagen Registerunterlagen zum VEB Kombinat R ... und zu den Kombinatsbetrieben vor, darunter die Statuten des VEB Kombinat R ... vom 19.12.1973.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verpflichtet, unter Abänderung des Bescheides vom 07.12.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2001 in der Fassung des Bescheides vom 28.01.2003 die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01.01.1974 bis 31.12.1982 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) festzustellen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, den nunmehr nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten nur noch streitigen Zeitraum vom 01.01.1974 bis 31.12.1982 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech festgestellt zu erhalten.

Der Senat lässt in diesem Zusammenhang ausdrücklich offen, ob das AAÜG tatsächlich am Stichtag 30.06.1990 auf den Kläger Anwendung findet, oder ob die Beklagte insoweit in den angefochtenen Bescheiden, in denen sie den Zeitraum vom 26.07.1969 bis 31.12.1973 und vom 01.01.1983 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz anerkannt hat, lediglich die Vorschriften der §§ 5 - 8 AAÜG angewandt hat, ohne durch Verwaltungsakt zugleich festzustellen, dass der Kläger zu dem für die Geltung des AAÜG maßgeblichen Zeitpunkts des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes am 01.08.1991 einen Versorgungsanspruch oder eine Versorgungsanwartschaft auf Grund der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz erworben hatte oder nur wegen eines Anwartschaftsverlustes im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nicht hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R). Der Kläger hat jedenfalls in dem hier nur noch streitigen Zeitraum 01.01.1974 bis 31.12.1982 keine "Zeit der Zugehörigkeit in einem Versorgungssystem" und damit auch keine gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten im Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG erlangt. Er hat in dem genannten Zeitraum keine Beschäftigung ausgeübt, derentwegen ihrer Art eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen, welches in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist. Das SG ist in diesem Zusammenhang insbesondere von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, soweit es in der angefochtenen Entscheidung ausführt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum beim VEB Kombinat R ...Zentralvertrieb als Betriebsteil des VEB Kombinat R ... R ... tätig gewesen sei. Im streitigen Zeitraum war vielmehr der zutreffende Beschäftigungsbetrieb des Klägers auch ausweislich der Sozialversicherungsausweise - der VEB R ... Vertrieb D ...

Der VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb D ... hatte ausweislich des Auszuges aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft der DDR zum 31.12.1973 seine Rechtsfähigkeit beendet und war zum 01.01.1974 jeweils in dem sich aus der Gründungsanweisung vom 20.12.1973 ergebenden Umfang in die juristisch selbständigen Betriebe VEB R ... Vertrieb D ..., VEB R ... Vertrieb B ..., VEB R ... Vertrieb L ... und VEB R ... Anlagenbau L ... aufgegliedert worden. Ausweislich der Eintragungen im Sozialversicherungsausweis des Klägers wie auch der Änderungsverträge vom 02.01.1975 und 01.11.1977 sowie vom 23.06.1982 war der Kläger entgegen den Feststellungen des Sozialgerichts im streitigen Zeitraum beim VEB R ... Vertrieb D ... beschäftigt. Nach dem Registerauszug (Reg.Nr. 110-12-2506) wurde der VEB R ... Vertrieb D ... zum 01.01.1983 in VEB R ... B ... D ... umbenannt und beendete seine Rechtsfähigkeit zum 30.06.1984; als Rechtsnachfolger entstanden erneut selbstständige Betriebe, wobei der Kläger sodann ab Januar bis Dezember 1983 als Wartungsingenieur beim oben genannten VEB R ...-B ... D ... arbeitete.

Der Kläger erfüllte in dem hier noch streitigen Zeitraum die nach der Versorgungsordnung für die Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech erforderliche betriebliche Voraussetzung indes nicht und hat damit gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Feststellung von (weiteren) fiktiven Zugehörigkeitszeiten zur AVItech.

Die - für den vorliegenden Fall - relevanten Vorschriften der AVItech ergeben sich aus den Texten der "Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben" vom 17.08.1950 (GBl. Nr. 93 S. 844 - VO-AVItech) und aus der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben" vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S. 487 - 2. DB); demgegenüber hat die Erste Durchführungsbestimmung nur historisch-heuristische Bedeutung für die Auslegung (vgl. § 10 Abs. 2 der 2. DB und BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R). Gem. § 1 VO-AVItech in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB hängt ein Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech in persönlicher, sachlicher und betrieblicher Hinsicht im Wesentlichen von drei Voraussetzungen ab: Die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz war generell eingerichtet für Personen, die (1) berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R).

Der streitige Beschäftigungszeitraum vom 01.01.1974 bis 31.12.1982 kann somit nur dann als Zugehörigkeitszeit i.S. des § 5 Abs. 1 AAÜG nach der hier allein in Betracht kommenden AVItech sein, wenn die Beschäftigung bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder bei einem der Art nach in § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betriebe verrichtet worden wäre. Dies ist zu verneinen.

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers im streitigen Zeitraum, der VEB R ... Vertrieb D ..., war kein volkseigener Produktionsbetrieb i.S. von § 1 der VO-AVItech i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB.

Der Ausdruck "Betrieb" in der genannten Vorschrift lässt erkennen, dass es sich um eine Organisationsform handeln musste, die im Wirtschaftsrecht der DDR unter den Oberbegriff "Wirtschaftseinheit" viel. Als Wirtschaftseinheiten verstand man in der DDR solche "Organisationsformen der sozialistischen Volkswirtschaften, die geschaffen wurden, um als warenproduzierende Glieder der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Kollektive sozialistischer Werktätiger wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, und die zu diesem Zweck auch über entsprechende Leitungsbefugnisse verfügen" (vgl. Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin 1985, S. 65 und 75; BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R). Soweit von "warenproduzierenden" Gliedern gesprochen wird, kann davon ausgegangen werden, das der Ausdruck "Ware" nicht nur im Sinne von Sachgütern zu verstehen ist, sondern sowohl materielle als auch immaterielle Güter umschreibt, da ansonsten Dienstleistungsbetriebe keine Betriebe im Sinne des DDR-Rechts gewesen wären. Bezogen auf den Betrieb erfasste der Ausdruck "Warenproduktion" in der DDR letztlich jede Form von wirtschaftlicher Tätigkeit (BSG, a.a.O.). Trotz systembedingter Abweichungen entspricht diese Bedeutung des Ausdrucks "Betrieb" weitgehend dem marktwirtschaftlichen Verständnis; danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von persönlichen, sächlichen und materiellen Mitteln zur fortgesetzten Verfolgung eines "technischen" Zwecks. Ausgehend vom staatlichen Sprachgebrauch der DDR hat der Ausdruck "Betrieb" im Rahmen des Versorgungsrechts nur die Bedeutung, dass er wirtschaftsleitende Organe ausschließt (deswegen deren Gleichstellung in § 1 Abs. 2 der 2. DB; vgl. BSG, a.a.O.).

Eine weitere Eingrenzung erfolgt durch das Merkmal "volkseigen". Dadurch beschränkt sich der Anwendungsbereich der AVItech auf Betriebe, die auf der Basis des gesamtgesellschaftlichen Volkseigentums gearbeitet haben, der wichtigsten Erscheinungsform des sozialistischen Eigentums (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 3/02 R). Ausgeschlossen waren damit nicht nur Betriebe, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sondern auch solche, für die die beiden anderen Formen des sozialistischen Eigentums kennzeichnend waren, nämlich das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R).

Schließlich erfolgte - entgegen der Ansicht des Klägers - auch eine weitere Begrenzung auf (volkseigene) "Produktionsbetriebe" (der Industrie und des Bauwesens). Die Maßgeblichkeit des Merkmals "Produktionsbetrieb" folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 der 2. DB. Dass es dabei auf Produktionsbetriebe nur der "Industrie" und des "Bauwesens" ankommt, ergibt sich mit Blick auf die Produktionsbetriebe der Industrie u.a. schon aus der Einbeziehung des Ministeriums für Industrie in § 5 der VO-AVItech und für die Produktionsbetriebe des Bauwesens aus der sprachlichen und sachlichen Gegenüberstellung von "Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens" einerseits und allen anderen "volkseigenen Betrieben" andererseits, welche die DDR spätestens ab den 60er-Jahren und jedenfalls am 30.06.1990 in ihren einschlägigen Gesetzestexten vorgenommen hatte (vgl. BSG, a.a.O.).

Aus § 5 der VO-AVItech wie aus § 1 der 1. DB ergeben sich zwei Forderungen für die Bedeutung des Wortes "volkseigener Produktionsbetrieb" in § 1 Abs. 2 der 2. DB: Es muss sich bei dem betroffenen Betrieb erstens um einen VEB handeln, der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet war; ferner muss zweitens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Dem betrieblichen Anwendungsbereich der AVItech unterlagen als "Produktionsbetriebe" somit nur VEB der Industrie, d.h. solche VEB, die als Hauptzweck industrielle Fertigung von Sachgütern betrieben (vgl. BSG, a.a.O.). Gleiches gilt für einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Bauwesen. Industrie und Bauwesen waren in der DDR die "führenden" Produktionsbereiche (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Auf ihre Unterscheidung von den "anderen Bereichen der Volkswirtschaft" wurde auch in den Regelungen zu den VEB, Kombinaten und VVB Wert gelegt (z.B. § 16 der "Verordnung über die Bildung und Rechtsstellung von Kombinaten" vom 18.10.1968, GBl. II Nr. 121 S. 963; § 2 der Kombinatsverordnung 1973 und § 41 Abs. 1 der Kombinatsverordnung 1979). Dort wurden ausdrücklich die VEB in den Sektoren Industrie und Bauwesen, den Sektoren Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft sowie allen anderen Bereichen der Volkswirtschaft gegenübergestellt. Auch nach dem Sprachgebrauch der DDR waren daher volkseigene Produktionsbetriebe nur solche dieser beiden Wirtschaftsbranchen: Industrie und Bauwesen. Hieraus folgt somit, dass es auch für die Bejahung eines volkseigenen Produktionsbetriebes des Bauwesens im Sinne der 2. DB erforderlich ist, dass der Betrieb als seinen Hauptzweck Bautätigkeiten ausführte.

Diese Kriterien, insbesondere das Kriterium des Produktionsbetriebes, werden vom Beschäftigungsbetrieb des Kläges im hier streitigen Zeitraum nicht erfüllt.

Dabei ist im streitgegenständlichen Zeitraum nicht auf den VEB Kombinat R ..., sondern auf den VEB R ... Vertrieb Dresden als dessen Beschäftigungsbetrieb abzustellen. Nach § 2 Abs. 1 der Gründungsanweisung vom 20.12.1973 war der VEB R ... Vertrieb D ... Rechtsnachfolger des VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb hinsichtlich dessen in den Bezirken Dresden und Cottbus sowie durch seinen Betriebsteil Karl-Marx-Stadt ausgeübten Wirtschaftstätigkeit mit Ausnahme der Herstellung und des Vertriebs von Systemunterlagen für die elektronische Datenverarbeitung und der Erbringung der damit im Zusammenhang stehenden anwendungstechnischen Leistungen. Auch die im Verwaltungsverfahren vorliegenden Änderungsverträge vom 02.01.1975 und 01.11.1977 sowie vom 23.06.1982 belegen jeweils, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem mit Wirkung vom 01.01.1974 gegründeten VEB R ... Vertrieb D ... bestand. Denn ausweislich des Kopfes der Vertragsurkunden wurden die Änderungsverträge mit dem VEB R ... Vertrieb D ... geschlossen. Dem entsprechen auch die Eintragungen im Sozialversicherungsausweis des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum, die als Beschäftigungsbetrieb ebenfalls den VEB R ... Vertrieb D ... ausweisen. Bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers handelte es sich indes im Schwerpunkt um einen Handels- und Dienstleistungsbetrieb mit allenfalls nachgeordneten produktionstechnischen Aufgaben. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den beigezogenen Auszügen aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb D ... und des VEB R ... Vertrieb D ..., der Gründungsanweisung des VEB R ... Vertrieb D ...vom 20.12.1979 sowie dem Statut des VEB Kombinat R ... vom 19.12.1973.

Der mit Wirkung vom 01.01.1974 gegründete VEB R ... Vertrieb D ... war in dem sich aus § 2 Abs. 1 der Gründungsanweisung ergebenden Umfang Rechtsnachfolger des VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb geworden. Nach § 2 Abs. 2 der Gründungsanweisung ergaben sich seine Aufgaben aus dem Statut des VEB Kombinat R ... Dieses sah in seinem § 7 als Aufgabe für den VEB R ... Vertrieb D ... den Vetrieb und den technischen Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik in den Südbezirken der DDR und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend der Kombinatsordnung vor. Damit bildeten auch nach Auffassung des Senats Handels- und Dienstleistungsaufgaben den Schwerpunkt des Beschäftigungsbetriebes des Klägers. Wegen der rechtlichen Selbstständigkeit des VEB R ... Vertrieb D ... ist für die Beurteilung, ob dieser ein Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung war, nur auf dessen spezielle Aufgabengebiete innerhalb des Kombinats abzustellen. Eine Zurechnung von Produktionsleistungen anderer Kombinatsbetriebe (Produktion von Geräten der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik) kann daher - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht erfolgen. Hieran ändert auch nichts, dass der VEB R ... Vertrieb D ... - wie auch der VEB Kombinat R ... - dem Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik als einem Industrieministerium unterstellt war. Denn allein die Unterstellung eines Betriebes unter ein Industrieministerium besagt noch nicht, dass dieser Betrieb auch tatsächlich schwerpunktmäßig produktiv tätig war. Zwar mag der VEB R ... Vertrieb D ... auch eigene Produktionslinien unterhalten haben sowie die spätere Aufspaltung des VEB R ... Vertrieb in mehrere Nachfolgebetriebe mit zum Teil Produktionstätigkeit Hinweis darauf sein können, dass auch im VEB R ... Vertrieb D ... Produktionsaufgaben ausgeführt wurden. Vorrangig waren diese, nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Kombinatsstatuts vom 19.12.1973, jedoch nicht. Auch übte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum als Wartungsingenieur durchgängig eine Tätigkeit im Dienstleistungsbereich aus.

Damit hatte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine Versorgungsanwartschaft in der AVItech (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) erworben.

Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht ersichtlich. Der Einigungsvertrag (EV) hat nur die Übernahme bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das Bundesrecht entsprochen und Neueinbeziehung ausdrücklich verboten (vgl., § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz vom 28.06.1990 [GBl. I S. 495], Nr. 9a der Anlage II, Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III EV). Diese Vorschriften sind in sich verfassungsgemäß. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen. Art. 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebieten nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlung im EV angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 190 f.). Der Bundesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür ausgeschaltet (vgl. zur Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG: BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebietes überführten, aus der DDR stammenden Versorgungsrechts war er nicht verpflichtet, da er diesen gesamten Rechtsbereich ab 01.01.1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im Wesentlichen genügenden Gesetz, dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2).

Eine Verletzung des Art. 3 GG ist vorliegend auch insoweit nicht ersichtlich, als der Kläger eine Ungleichbehandlung in der Anerkennung der von ihm im VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb D ... und VEB R ...-B ... D ... gegenüber den im VEB R ... Vertrieb D ... geleisteten Beschäftigungszeiten rügt. Denn der Kläger verkennt, dass sein Arbeitsverhältnis insoweit mit unterschiedlichen, rechtlich selbständigen Betrieben bestand. Es handelt sich um drei unterschiedliche Wirtschaftseinheiten, für die die betrieblichen Voraussetzungen der AVItech jeweils gesondert zu prüfen ist. Da den drei Betrieben unterschiedliche Betriebsteile zugeordnet waren, kann sich der Kläger vorliegend nicht darauf berufen, dass die Beklagte, als sie den VEB Kombinat R ... Zentralvertrieb und dem VEB R ...-B ... D ... den Status eines Produktionsbetriebes zuordnete, dieses auch für den abgespaltenen VEB R ... Vertrieb D ... hätte tun müssen.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Kläger auch ohne Anwendung von § 6 Abs. 1 AAÜG dieselben Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI wie bei Anwendung des AAÜG hätte erreichen können. Ab Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der FZR in dem dort vorgesehenen "Höchstumfang" zu versichern. Da der Kläger von der DDR niemals eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR-Sicherung wegen eines Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Es lag allein in seiner Entscheidungskompetenz, entsprechende FZR-Beiträge zur rentenrechtlichen Absicherung im Alter zu entrichten.

Nach alldem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. -
Rechtskraft
Aus
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