L 1 P 1/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 P 51/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 P 1/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 02.11.2000 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 26.06.1998 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben der Klägerin als Gesamtschuldner die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Kündigungen der Versorgungsverträge über eine Kurzzeitpflegeeinrichtung sowie des ambulanten Pflegedienstes.

Die Klägerin betrieb in der K ...straße ... in D ... eine Kurzzeitpflegeeinrichtung.

Mit Wirkung ab 01.04.1995 war die Klägerin aufgrund des Versorgungsvertrages vom 01.09.1995 zur Erbringung ambulanter Pflegeleistungen zugelassen.

Mit Wirkung ab 01.01.1997 schloss die Klägerin mit den Landesverbänden der Pflegekassen einen Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI für Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vereinbarung Bezug genommen.

Mit Anhörungsschreiben vom 05.03.1998, das im Briefkopf den Arbeitskreis der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen im Freistaat Sachsen" ausweist, wurde die Klägerin auf Defizite in der Versorgung hingewiesen. Als Mitglieder des Arbeitskreises sind die AOK Sachsen, der BKK-Landesverband Ost, der IKK-Landesverband Ost, die VdAK-Landesvertretung Sachsen, die AEV-Landesvertretung Sachsen, die Bundesknappschaft, die Pflegekasse für den Gartenbau und die Landwirtschaftliche Krankenkasse angegeben.

Es lägen Informationen vor, nach denen mit der personellen Ausstattung der Kurzzeitpflegeeinrichtung und des ambulanten Pflegedienstes keine bedarfsgerechte, gleichmäßige sowie fachlich qualifizierte Pflege gewährleistet sei. Leistungen der Behandlungspflege seien von nicht qualifiziertem Personal erbracht worden. Zur Übung der Verabreichung von Spritzen sei das Setzen von Spritzen mit Kochsalzlösungen durchgeführt worden; dies sei an einer verstorbenen Person geprobt worden.

Pflegebedürftige seien außerhalb der zugelassenen Kurzzeitpflegeeinrichtung im A ...weg in D ... untergebracht gewesen. Bei Notwendigkeit ärztlicher Versorgung seien die Personen in die Einrichtung in die K ...straße verbracht worden. Ein im A ...weg untergebrachter Pflegebedürftiger sei dort nach Krampfanfällen verstorben, ohne dass ärztliche Hilfe hinzugezogen worden sei. Eine Pflegebedürftige sei als Arbeitskraft in der Küche der Kurzzeitpflegeeinrichtung eingesetzt. Im Vorfeld von Begutachtungen zur Feststellung der Pflegestufe seien den Bewohnern Beruhigungsmittel verabreicht worden.

Im Rahmen der häuslichen Pflege seien von den versorgten Personen Blanko-Leistungsnachweise unterzeichnet worden.

Darüber hinaus lägen Informationen vor, dass Pflegebedürftige aufgrund unzulänglicher pflegerischer Betreuung und einer verspäteten Hinzuziehung ärztlicher Hilfe verstorben seien. Eine Lungenentzündung sei nicht ärztlich behandelt worden, so dass die Pflegebedürftige verstorben sei. Am 10.01.1998 solle es wegen einer durch unzulänglich qualifiziertes Personal vorgenommenen Pflege zu einem Todesfall gekommen sein.

Die Ausstattung der Einrichtung sei mangelhaft. Es fehlten Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Schutzhandschuhe und Utensilien zur Blutzuckerbestimmung.

Die Verpflegung sei ebenfalls mangelhaft. Speisen und Getränke stünden nicht in ausreichender Menge zur Verfügung.

Die Einrichtung sei überbelegt. Über die im Versorgungsvertrag vereinbarte Platzkapazität (11 Betten) würden in 2-Bett-Zimmern drei Personen untergebracht.

Für in der Kurzzeitpflege untergebrachte Pflegebedürftige würden Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet.

Zur Aufklärung des Sachverhalts werde um Stellungnahme gebeten. Ferner wurde auf den Wortlaut von § 74 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XI hingewiesen, wonach ein Versorgungsvertrag mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden könne, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend eine der Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI nicht mehr erfülle sowie der Versorgungsvertrag auch ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden könne, wenn die Einrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder ihren Kostenträgern derart gröblich verletze, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn Pflegebedürftige infolge der Pflichtverletzung zu Schaden gekommen oder die Einrichtung nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechne.

Mit Schreiben vom 19.03.1998 hat die anwaltlich vertretene Klägerin mitgeteilt, die im Schreiben vom 05.03.1998 erhobenen Vorwürfe seien unbegründet. Die Heimaufsicht habe bei den regelmäßig durchgeführten, auch unangemeldeten, Besichtigungen keine Beanstandungen festgestellt. Die Pflege werde im Zweischichtbetrieb gewährleistet. In jeder Schicht sei mindestens eine qualifizierte Krankenschwester tätig. Die Behauptung zur Übung von Spritzen sei falsch. Auch würden Pflegebedürftige nicht außerhalb der Kurzzeitpflegeeinrichtung untergebracht. Lediglich während einer Überbelegung während der Sommerferien im Jahr 1997 sei ein Patient im A ...weg untergebracht worden. Nach einem akuten Schwächeanfall sei er in ambulante Behandlung überführt worden. Zutreffend sei, dass eine Patientin in der Küche mit arbeite. Dies erfolge auf deren ausdrücklichen Wunsch unentgeltlich.

Sterbefälle wegen unzulänglicher Pflege seien nicht eingetreten. Sowohl die sachliche Ausstattung als auch die Verpflegung seien ausreichend. Eine Überbelegung liege nicht vor. In der Kurzzeitpflegeeinrichtung würden auch keine Leistungen für ambulante Pflege abgerechnet. Offensichtlich würden Kurzzeitpflegeeinrichtung und die ebenfalls im gleichen Hause untergebrachte Station für betreutes Wohnen verwechselt.

Mit den Schreiben vom 26.06.1998, ebenfalls mit Briefkopf des Arbeitskreises der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen im Freistaat Sachsen, wurden für die Versorgungsverträge der Kurzzeitpflegeeinrichtung und der häuslichen Pflege fristlose Kündigungen gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI ausgesprochen. In der Kurzzeitpflege sei in verschiedenen Fällen nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden, z.B. für verstorbene Patienten. In weiteren Fällen seien die leistungsrechtlichen Höchstgrenzen der jeweiligen Pflegestufe überschritten worden. Auch seien in der Kurzzeitpflegeeinrichtung Leistungen der ambulanten Pflege sowie behandlungspflegerische Leistungen für Versicherte auch dann als ambulante Leistungen gemäß den SGB V abgerechnet worden, wenn diese zu dem Versorgungsauftrag der Kurzzeitpflegeeinrichtung gehörten.

Die fristlose Kündigung werde weiterhin auf die im Anhörungsschreiben genannten pflegerischen Defiziten gestützt. Diese Sachverhalte seien auf die Stellungnahme zum Anhörungsschreiben nicht überzeugend widerlegt worden. Hinsichtlich der Verdachtsmomente, die auf eine mögliche Schädigung von Pflegebedürftigen hinwiesen, würden weitere Ermittlungen erfolgen.

Zur Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege wurde ausgeführt, es seien Leistungen für Zeiten abgerechnet worden, obwohl der Pflegebedürftige bereits verstorben war. Auch während eines Krankenhausaufenthaltes eines Versicherten seien Leistungen abgerechnet worden. Leistungen der ambulanten Pflege seien auch während der Unterbringung von Pflegebedürftigen in der Kurzzeitpflegeeinrichtung in Rechnung gestellt worden. Von Pflegebedürftigen in häuslicher Umgebung seien Blanko- Leistungsnachweise unterschrieben worden. Eine Rückforderung unzulässig abgerechneter Leistungen sei bereits am 26.09.1996 erfolgt. Hier sei bei wiederholten Vertragsverstößen auf eine zu erwartende fristlose Kündigung hingewiesen worden.

Gegen die am 03.07.1998 zugestellten Kündigungen richtete sich die am 03.08.1998 beim Sozialgericht erhobene Klage. Die Kündigungen seien unwirksam. Genaue Beispiele und Vorwürfe zu den angeblichen Unzulänglichkeiten seien nicht gemacht worden.

Die Kündigungen seien im Übrigen bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht durch die Beklagten selbst, sondern durch den Arbeitskreis der Landesverbände erfolgt seien. Eine etwaige Bevollmächtigung sei nicht ersichtlich, auch nicht ein Handeln im Namen der Beklagten.

Darüber hinaus liege auch ein wichtiger Grund für die Kündigungen nicht vor. Die behaupteten Pflichtverletzungen seien nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es handele sich um pauschale Behauptungen. Auch fehle es an einer Abmahnung. Das durch die Versorgungsverträge begründete Dauerschuldverhältnis verpflichte die Beteiligten, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Fortsetzung der bestehenden Verträge möglich und zumutbar machten.

Die Beklagten haben erwidert, bei dem von der Klägerin angegebenen betreuten Wohnen handele es sich nach Ansicht des Regierungspräsidiums D ... in seiner Stellungnahme vom 12.05.1998 um einen sog. verdeckten Heimbetrieb.

Bereits vor Abschluss des Versorgungsvertrages für die Kurzzeitpflege sei eine Qualitätsprüfung durch dem MDK gemäß § 80 SGB XI erfolgt. In einem Telefonat vom 29.06.1996 und in der schriftlichen Beschwerde von C ... R1 ... vom 13.06.1996 als auch in einem Telefonat mit dem Gesundheitsamt der Stadt D ... vom 02.07.1997 seien auf bestehende Mängel hingewiesen worden. Im Ergebnis der Begutachtung durch den MDK unter Beteiligung des Hygienischen Dienstes des Gesundheitsamtes vom 11.09.1996 sei festgestellt worden, dass die für einen Versorgungsvertrag erforderlichen Voraussetzungen nur zum Teil erfüllt gewesen wären. Nachdem von der Klägerin die bestehenden Mängel (Einbau eines Treppenliftes, Nachtbeleuchtung, Rufanlange etc). beseitigt worden seien, sei der Versorgungsvertrag abgeschlossen worden.

Aufgrund der Beschwerde einer Person, dessen Angehöriger wegen Fehlverhaltens der Pflegepersonen in der Einrichtung verstorben sein soll, sei am 04.09.1997 eine erneute Qualitätsprüfung durchgeführt worden, in deren Ergebnis keine gravierenden Mängel festgestellt worden seien.

Am 12.09.1997 seien drei ehemalige Angestellte der Klägerin mit schriftlich verfassten Stellungnahmen über Missstände in der Einrichtung an die AOK Sachsen herangetreten. Zwei der Angestellten hätten nach vorheriger Terminabsprache weitere Aussagen zu der Pflegesituation in der Einrichtung gemacht. Aufgrund dieser Umstände sei die Einrichtung verstärkt beobachtet und weitere Ermittlungen vorgenommen worden. Wegen der Einzelheiten der schriftlichen Angaben der Beschäftigten wird auf deren Stellungnahme vom 12.09.1997 sowie der von der Beklagten gefertigten Protokolle vom 23.12.1997 verwiesen.

Die Kontrolle der Heimaufsicht am 27.01.1998 habe hingegen keine weiteren Anhaltspunkte für grobe Pflichtverstöße gebracht.

Weitere Anhaltspunkte, insbesondere zu Falschabrechnungen, hätte erst das Gespräch mit Dr. W1 ... am 02.03.1998 ergeben. Die weiteren Nachprüfungen hätten ergeben, dass die Klägerin bereits bei einer Aussprache am 26.09.1996 darauf hingewiesen worden sei, dass Leistungen der ambulanten Pflege sowohl nach dem SGB V als auch dem SGB XI nicht abgerechnet werden können, wenn sich der Versicherte in einer stationären Einrichtung befinde und bei wiederholten Vertragsverstößen eine fristlose Kündigung in Betracht komme. Auch Dr. U1 ..., die bis Dezember 1996 die Einrichtung medizinisch betreut hätte, habe in einem Telefongespräch am 03.03.1998 über erhebliche Mängel berichtet.

Am 06.04.1996 hätten Mitarbeiter der AOK Sachen in der Einrichtung der Klägerin untergebrachte Versicherte besucht, die in ihren schriftlichen Angaben ebenfalls erhebliche Missstände berichtet hätten. Frau W2 ... habe angegeben, dass die Hunde der Klägerin frei herumgelaufen seien und überall Haufen" hingemacht hätten. Die Versicherte K1 ... habe angegeben, dass während ihres sechswöchigen Aufenthaltes die Bettwäsche nicht gewechselt worden sei, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit schon von der Vorgängerin benutzt worden sei. Auch Frau W2 ... habe angeben, dass die Bettwäsche oft vor Dreck gestunken" habe. Lediglich vor Kontrollen hätten die Schwestern die ganze Nacht putzen müssen.

Die AOK Sachsen habe schließlich im April 1998 Strafanzeige bei der Staatsanwalt gestellt. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren sei jedoch im Juli 1998 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden. Gleichwohl hätten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft die Sachverhalte des Spritzensetzens an lebenden und verstorbenen Personen zu Übungszwecken und auch hygienische Defizite bestätigt.

Im Ergebnis dieser Nachforschungen würden der Klägerin folgende Verstöße vorgehalten: - mangelhafte Arbeitskräftsituation; i.m.-Spritzen seien durch Hilfskräfte ohne Spritzenerlaubnis gesetzt worden. Dies gelte insbesondere für die gelernte Hauswirtschafterin N ... F1 ... - Die Verabreichung von Spritzen sei mit Kochsalzlösung an dem Heimbewohner G1 ... wie auch an der verstorbenen Pflegebedürftigen V1 ...geübt worden. - Die Pflegebedürftige F2 ... sei als alleinige Arbeitskraft in der Küche eingesetzt worden. - Die Verpflegungssituation sei qualitativ unzureichend gewesen. Der beauftragte Essensdienst habe weniger Portionen als Bewohner geliefert. - Es habe am notwendigen Verbands- und Desinfektionsmitteln gefehlt. Die drei in der Einrichtung frei herumlaufenden Hunde hätte Verunreinigungen verursacht und die Bewohner belästigt. - Die Einrichtung sei überbelegt gewesen. Der Großteil der Zimmer sei für drei Pflegebedürftige genutzt worden. - Die Pflegedokumentationen seien unvollständig gewesen. - Zur Erreichung von höheren Pflegestufen seien die Versicherten durch die Angestellten beeinflusst worden.

Die weiteren Recherchen hätten unberechtigte Abrechnungen ergeben. Bei dem Versicherten H ... K2 ... seien Leistungen während der Zeit in der Einrichtung auch als ambulante Leistungen abgerechnet worden.

Bei den Versicherten A ... R1 ..., H ... H1 ... und M ... S1 ... seien nicht genehmigte bzw. noch nicht einmal beantragte Leistungen abgerechnet worden.

Bei der Versicherten J ... S2 ... sei eine Doppelabrechnung der Leistungen vorgenommen worden. Leistungen seien auch für den bereits verstorbenen G ... Z1 ... abgerechnet worden. Bei dem Versicherten H ... Z2 ... seien Leistungen abgerechnet worden, obwohl es sich im Krankenhaus befunden habe.

Bei der Versicherten L ... P1 ... sei für die kleine Morgen- und Abendtoilette durchgängig ein um 10 DM zu hoher Preis angesetzt worden.

Im Ergebnis dieser Feststellungen seien die fristlosen Kündigungen ausgesprochen worden. Die Kündigungen seien von den Beklagten als den zuständigen Vertragspartnern erfolgt. Die Beklagte zu 1. habe für sich und in Vertretung für die übrigen Beklagten gehandelt. Deren schriftliche Vollmachten hätten vorgelegen. Das Einvernehmen sei sowohl mit dem Landeswohlfahrtsverband Sachsen als auch der Landeshauptstadt Dresden hergestellt gewesen. Die Kündigungen seien ausdrücklich von den Landesverbänden der sächsischen Pflegekassen ausgesprochen worden. Die Mitglieder des Arbeitskreises seien in den Schreiben ausdrücklich genannt. Den Kündigungen sei eine Anhörung der Klägerin vorausgegangen. Soweit eine Abmahnung für erforderlich angesehen werde, liege diese zugleich in der Anhörung. Auch sei die Klägerin bereits am 26.09.1996 abgemahnt worden. Insbesondere unter Berücksichtigung der mangelnden Einsichtsfähigkeit der Klägerin sei eine Abmahnung ohnehin nicht als notwendig zu erachten. Durch die wiederholt angefallenen Abrechnungsmanipulationen sei das Vertrauensverhältnis schwerwiegend gestört. Ein weiteres Festhalten am Vertrag für die Dauer eines Jahres sei in Verantwortung für die Versicherten sowie zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und menschenwürdigen Versorgung nicht zumutbar gewesen.

Mit Schriftsatz vom 04.08.1999 haben die Beklagten ergänzt, eine Falschabrechnung habe auch in den Fällen vorgelegen, in denen die Versicherten (z.B. I ... B1 ..., M ... G2 ..., E ... H2 ..., E ... S4 ...) in den sog. Einrichtung des betreuten Wohnens der Klägerin aufgehalten hätten. Zur Abrechnung ambulanter Pflegeleistungen habe es an einem eigenen Haushalt des Versicherten im Sinne von § 36 SGB XI gefehlt. Die Einstellung des Strafverfahrens zu den Tatbeständen einer fahrlässigen Tötung sowie zu Körperverletzungen stehe dem Fehlverhalten wegen der Übungen zum Spritzensetzen nicht entgegen.

Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass den Beklagten nur ein begrenztes Instrumentarium zur Qualitätskontrolle zur Verfügung stehe. Für eine Überprüfung nach § 80 SGB XI sei eine vorherige Anmeldung der Prüfung notwendig. Mangels regelmäßiger Kontrollen müssten erst Anhaltspunkte für Mängel bestehen, um eine Prüfung vornehmen zu können. Zeitliche Verzögerungen seien daher systemimmanent. Gerade in Anbetracht der schwerwiegenden Vorwürfe sei eine gründliche Recherche notwendig erschienen. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Charakters einer Kündigung als ultima ratio. Schließlich führe auch die notwendigen Absprache unter den Pflegekassen sowie die Herstellung des Einvernehmens der zuständigen Sozialhilfeträger zu Verzögerungen. Abrechnungsfehler könnten zudem erst nach Einreichung der entsprechenden Unterlagen entdeckt werden. Darüber hinaus habe die Klägerin auch noch in jüngster Vergangenheit unter dem 09.11.1998 eine falsche Abrechnung für den Versicherten P1 ... vorgenommen. Hier seien nicht genehmigte Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet worden. Für den Versicherten N1 ... habe die Klägerin unter dem 06.06.1999 für den Zeitraum vom 20.04.1998 bis 10.06.1998 Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet, obwohl sich dieser in der Kurzzeitpflegeeinrichtung befunden habe. Wegen der von den Beklagten zum Zustand der Einrichtung vorgelegten Photos wird verwiesen.

Zur Bestätigung ihres Vortrages haben die Beklagten weiterhin die staatsanwaltschaftlichen Zeugenaussagen vorgelegt.

Zur Abrechnung bei dem Versicherten Z2 ... haben die Beklagten nochmals vorgetragen, dass mit der Rechnung vom 05.12.1997 grundpflegerische Leistungen in Höhe von 3.000 DM abgerechnet worden seien. Der Leistungsnachweis für den Monat Oktober 1997 sei von einer Frau S3 ... i.V. unterzeichnet. Für den Zeitraum vom 10.08.1997 bis 26.08.1997 seien Leistungen abgerechnet worden, obwohl sich der Versicherte wegen einer Oberschenkelhalsfraktur in stationärer Behandlung im Krankenhaus D ...-F ... befunden habe, wo er am 26.08.1997 verstorben sei. Leistungen seien in Höhe von 378,30 DM zu viel berechnet worden.

Mit Rechnung vom 14.02.1997 habe die Klägerin Leistungen für die Versicherte M ... S1 ... in Höhe von insgesamt 10.345,23 DM geltend gemacht. Die Versicherte habe im ersten Quartal 1996 Pflegegeld bezogen. Gleichwohl habe die Klägerin Sachleistungen abgerechnet. Es seien 4.500 DM zu viel berechnet worden.

Mit der Rechnung vom 17.02.1997 sei für den Versicherten Z1 ... die Erbringung von Leistungen für den Zeitraum vom 19.02.1997 bis 31.03.1997 in Höhe von 1.660,50 DM abgerechnet worden. Der Leistungsnachweis sei auch mit dem Namen des Versicherten abgezeichnet. Der Versicherte sei bereits am 03.03.1997 verstorben, so dass 1.134,00 DM zu viel abgerechnet worden seien.

Bei der Versicherten P1 ... habe die Klägerin unter dem 10.04.1997 für den Zeitraum vom Juli bis Dezember 1996 insgesamt 7.985,25 DM berechnet. Für den von der Klägerin angesetzten Leistungskomplex kleine Morgen- und Abendtoilette", für die ein Einzelpreis nach der Vergütungsvereinbarung von 15,75 DM gegolten habe, habe die Klägerin den Preis für die große Wäsche von 25,20 DM angesetzt. Die durchgehende Abrechnung des zu hohen Preises spreche gegen eine versehentliche Falschabrechnung. Insgesamt seien 2.145,35 DM zu viel abgerechnet worden.

Mit der am 19.02.1998 eingegangenen Rechnung vom 05.12.1997 für die Versicherte G2 ... sei für die Erbringung von Pflegesachleistungen für die Monate Dezember bis Januar 1998 ein Betrag in Höhe von 1.500 DM gefordert worden. Während dieser Zeit habe sich die Versicherte jedoch in der Kurzzeitpflegeeinrichtung befunden. Auch hier könne eine versehentliche Falschabrechnung nicht angenommen werden, weil der Klägerin diese Umstände bekannt gewesen seien.

In den Fällen R1 ... und W3 ... habe die Klägerin jeweils eine zu hohe Pflegestufe abgerechnet.

Bei der Versicherten S5 ...habe die Klägerin mit Rechnung vom 16.07.1997 insgesamt 3.000 DM eingefordert. In der Zeit vom 01.07. bis 17.08.1997 habe sich die Versicherte jedoch in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgehalten, so dass Sachleistungen nicht abrechenbar gewesen seien.

Für den Ausspruch der Kündigungen seien jedoch in erster Linie die pflegerischen und hygienischen Defizite bei der Leistungserbringung maßgeblich gewesen.

Die Klägerin hat in ihren Stellungnahmen die von den Beklagten jeweils erhobenen Vorwürfe bestritten. Bei dem betreuten Wohnen habe es sich nicht um einen verdeckten Heimbetrieb gehandelt. Einen Nachweis hierfür hätten die Beklagten nicht erbracht. Auf etwaige unzureichende hygienische Verhältnisse im Jahre 1996 könnten die Kündigungen nicht gestützt werden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflege seien bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten alle Mängel abgestellt gewesen.

Auch habe die Klägerin im Jahre 1996 Leistungen nicht unberechtigt abgerechnet. Schon wegen des langen Zeitablaufes in den Jahren 1996 und 1997 könnten etwaige Verstöße eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen.

Insbesondere auch mit der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung sei bewiesen, dass die erhobenen Vorwürfe unberechtigt seien. Es treffe auch nicht zu, dass an den Versicherten G1 ... und V1 ... das Setzen von Spritzen geübt worden sei.

Die Versorgung mit Essen sei in Abstimmung mit der Regierungspräsidium D ... erfolgt. Die Hunde der Klägerin hätten sich, wenn überhaupt, nur in den Büroräumen oder im Keller aufgehalten. Leistungen seien nicht unberechtigt abgerechnet worden, auch nicht über den Tod der Versicherten hinaus.

Überdies werde von den Beklagten übersehen, dass die Klägerin von ihr erbrachte Leistungen auch abrechnen könne. Wenn die Beklagte eine Kostenzusage nicht erteilt habe, ändere dies nichts an den erbrachten Leistungen. Die Verträge über die Pflegeleistungen seien mit den Patienten direkt abgeschlossen worden. Wenn die Beklagten für diese Leistungen nicht einstehen wollten, stelle dies selbstverständlich keine Abrechnungsmanipulation der Klägerin dar. Die Klägerin habe auch nie behauptet, dass die Beklagten für die abgerechneten Leistungen einzustehen hätten. Eine Vergütung der Pflegeleistungen der Klägerin sei auch in den Fällen, in denen der Todesfall eingetreten sei, für den gesamten Monat erfolgt. Eine etwaige Abmahnung im Jahr 1996 rechtfertige eine fristlose Kündigung in 1998 nicht.

Die vorgelegten Photos seien zum Beweis ebenfalls ungeeignet. Diese seien zu einem Zeitpunkt aufgenommen worden, als die Klägerin das betreute Wohnen nicht mehr geführt habe.

Mit Urteil vom 02.11.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die auf die Nichtigkeit der Kündigungserklärungen, kombiniert mit einem Leistungsbegehren, gerichteten Anträge seien zulässig. Bei der Kündigung eines Versorgungsvertrages handele es sich um einen Verwaltungsakt. Dies ergebe sich aus § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB XI i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI.

Die Anträge seien jedoch unbegründet. Gründe, die gemäß § 40 Abs. 1 SGB X die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begründeten, lägen nicht vor. Dies gelte insbesondere, soweit die Klägerin wegen der mit den Schreiben verwendeten Briefköpfe des Arbeitskreises der Landesverbände einen Erlass durch die unzuständige Behörde geltend gemacht habe. Ausdrücklich heiße es in beiden Kündigungen, dass die Versorgungsverträge von den Landesverbänden der Sächsischen Pflegekassen gekündigt werden. Bei der Verwendung des Briefkopfes des Arbeitskreises handele es sich insofern um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 38 Satz 1 SGB X.

Hinsichtlich des Hilfsantrages handele es sich um eine zulässige Anfechtungsklage. Eines Vorverfahrens habe es nach § 74 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI nicht bedurft. Die Kündigungen seien auch rechtmäßig.

Die Klägerin habe mehrfach nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abgerechnet. Diese rechtfertige eine außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege. Gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI liege eine grobe zur außerordentlichen Kündigung berechtigende, Pflichtverletzung insbesondere bei der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen vor. Hierbei müsse es sich zwar in Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes um eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschabrechnung handeln. In einem derartigen Fall reiche aber dann auch der einmalige Verstoß aus.

Dies treffe auf die Abrechnung der Klägerin zu. Sie habe für den verstorbenen Versicherten Z1 ... Leistungen abgerechnet. Auch für den Versicherten Z2 ... seien Leistungen abgerechnet worden, obwohl er sich für den abgerechneten Zeitraum im Krankenhaus befunden habe. Bei den Versicherten S5 ... und N1 ... habe die Klägerin Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet, obwohl diese Versicherten in der Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgenommen worden seien. Damit lägen gröbliche Pflichtverletzungen vor, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigten.

Gleiches gelte für die Kündigung des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflege. Gerade in den letzten beiden Fälle bestehe ein Zusammenhang der Falschabrechnungen mit der Kurzzeitpflegeeinrichtung. Ob weitere Mängel zur Kündigung berechtigt hätten, könne dahintehen.

Gegen das am 20.12.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, den 22.01.2001 eingelegte Berufung der Klägerin. Nach dem Vergleichsverhandlungen nach Mitteilung des Prozessbevollmächtigten erfolglos geblieben sind, hat die Klägerin die Berufung unter Heranziehung der Grundsätze des Urteils des SG Chemnitz vom 02.12.1999 (S 15 P 96/98) wie folgt begründet:

Die vom Sozialgericht vorgenommene Charakterisierung der Kündigungen als Verwaltungsakte sei nicht zwingend. Diese würden auch als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen beurteilt. (Krauskopf, Sozial Pflegeversicherung, § 74 Rndr. 15) Der jeweils vorgenommenen Qualifizierung entsprechend müssten auch die in den verschiedenen Rechtsgebieten entwickelten Grundsätze, wie z.B. eine Abmahnung, Anwendung finden.

Auch bei einer Bewertung als Verwaltungsakt würden die Kündigungen nicht den dafür maßgeblichen Rechtsgrundsätzen entsprechen.

Den Kündigungsschreiben sei nicht zu entnehmen, dass sie von den Landesverbänden der Pflegekassen ausgesprochen worden seien. Ihre Erklärung hätten sie nur unterschriftlich zum Ausdruck bringen können. Auch entsprechende Vollmachten der anderen Kassen seien nicht vorgelegt worden.

Das nach § 74 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB XI erforderliche Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe sei nicht hergestellt worden. Eine nachträgliche Zustimmung heile den Mangel nicht.

Die durchgeführte Anhörung habe nicht den Anforderungen des § 24 SGB X entsprochen. In dem Anhörungsschreiben seien nur allgemeine Ausführungen getätigt worden. Ein konkreter Bezug auf Einzelfälle sei nicht vorhanden. Auch gehe nicht hervor, ob überhaupt eine behördliche Entscheidung getroffen und auf welche beabsichtigte Entscheidung sich die Anhörung beziehen solle.

Die außerordentlichen Kündigungen seien auch in der Sache nicht rechtmäßig. Außerordentliche Kündigungen dürften nicht der Bestrafung dienen. Aufgrund des bestehenden Sachverhalts müsse vielmehr eine Zukunftsprognose getroffen werden. Die im Juni 1998 ausgesprochenen Kündigungen für Verhaltensweisen im Frühjahr 1997 sowie August 1997 seien aufgrund des Zeitablaufes verwirkt. Vielmehr hätte eine positive Zukunftsprognose gestellt werden müssen. Die vom Sozialgericht herangezogenen Pflichtverletzungen in Form von Falschabrechnungen seien zudem in nur geringem Ausmaß und in einem nur kurzen Zeitraum erfolgt. Darüber hinaus sei für die Versicherte S5 ... ein längerer Abrechnungszeitraum genehmigt worden. Von einem verfestigen Fehlverhalten der Klägerin könne nicht ausgegangen werden.

Auch hätte es nach Feststellung von Pflichtverletzungen unter Beachtung der Grundsätze der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit die Klägerin zunächst aufgefordert werden müssen, das pflichtwidrige Verhalten einzustellen. Auch ließen die Kündigungen nicht erkennen, dass sich die Beklagten ihres Ermessensspielraumes bewusst gewesen seien.

Wegen des Inhalts der von der Klägerin vorgelegten Photos zur Einrichtung der Kurzzeitpflege wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt festzustellen,

1. dass die außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages für die Kurzzeitpflegeeinrichtung der Klägerin gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI der Beklagten vom 26.06.1998 unwirksam ist, 2. dass die außerordentliche Kündigung für die häusliche Krankenpflege der Klägerin gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI der Beklagten vom 26.06.1998 unwirksam ist und 3. die Beklagten zu verurteilen, die Versorgungsverträge für die Kurzzeitpflegeeinrichtung und die häusliche Krankenpflege der Klägerin ordnungsgemäß zu erfüllen.

hilfsweise,

den Bescheid vom 26.06.1998 über die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflege sowie den Bescheid vom 26.06.1998 über die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Kündigungen von Versorgungsverträgen seien nach der Rechtsprechung des BSG als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Einer Abmahnung habe es daher nicht bedurft. Eine solche sei im übrigen auch wegen der schwerwiegenden Verstöße der Klägerin entbehrlich gewesen. Die Kündigungen seien von den zuständigen Verwaltungsträgern ausgesprochen worden. Das erforderliche Einvernehmen mit den Trägern der Sozialhilfe habe vorgelegen. Der Landeswohlfahrtsverband habe als überörtlicher Sozialhilfeträger mit Schreiben vom 16.06.1998 zugestimmt. Für die Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege habe die Landeshauptstadt Dresden als örtlicher Sozialhilfeträger mit Schreiben vom 17.06.1998 ihr Einverständnis erklärt.

Die durchgeführte Anhörung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Ein ausreichender Bezug zu Einzelfällen liege vor. Die beabsichtigte Verwaltungsentscheidung sei mit der Darlegung der Pflichtverstöße und der gesetzlichen Norm des § 74 SGB XI erkennbar.

Eine gesonderte Ermessensausübung habe es nicht bedurft. Bei § 74 Abs. 2 SGB XI handele es sich um eine Norm mit intendiertem Ermessen. Für den Regelfall werde von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne, nämlich der außerordentlichen Kündigung ausgegangen. Außergewöhnliche Umstände, die im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes eine andere Entscheidung ermöglicht hätten, seien nicht zu erkennen gewesen. Dass die Klägerin durch die Kündigungen von einem Bereich der Versorgung ausgeschlossen werde und dies Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb habe, liege in der Natur der Kündigungen und werde daher gerade vom gesetzlichen Regelfall umfasst.

Die Kündigungen seien auch materiell rechtmäßig. Falschabrechnungen berührten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht lediglich die Vergütungsebene. Gerade die Regelung in § 74 Abs. 2 SGB XI mache deutlich, dass die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen eine gröbliche Pflichtverletzung darstelle.

Die Falschabrechnungen wie auch die hygienischen und pflegerischen Missstände, wie sie erstinstanzlich vorgetragen worden seien, hätten ein weiteres Festhalten an den Verträgen unzumutbar gemacht. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit am Festhalten der Verträge seien Art, Gewicht, und Häufigkeit der begangenen Pflichtverletzungen zu würdigen. Vorliegend seien die verschiedensten Pflichtverletzungen mehrfach erfolgt. Diese hätten auch ein erhebliches Gefährdungspotential zu Lasten der Versicherten beinhaltet. Darüber belegten gerade die auch nach Ausspruch der Kündigungen noch falsch eingereichten Rechnungen vom Juni 1998 und November 1998 die Verfestigung des Verhaltens der Klägerin.

Im Übrigen stehe der zeitliche Zusammenhang zwischen Pflichtverletzungen und Kündigungen einer fristlosen Kündigung nicht entgegen. Erste Vorwürfe seien erst im letzten Quartal 1997 zur Kenntnis gelangt, auf die auch entsprechende Ermittlungen eingeleitet worden seien.

Der Senat hat die Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums D ... betreffend die Kurzzeitpflegeeinrichtung sowie die Akte der Staatsanwaltschaft D ... ( ...) beigezogen.

Die Staatsanwaltschaft D ... hat auf die Strafanzeige der Beklagten zu 1. vom 20.04.1998 die ehemaligen Beschäftigten der Klägerin zu 1. N ... F1 ... S ... S6 ... und K ... M1 ... sowie die Angestellte der Beklagten zu 1. Frau E1 ... unter dem 08.06.1998 sowie unter dem 03.07.1998 Dr. W1 ... vernommen.

Die Zeugin F1 ... hat ausgesagt, bei der Klägerin vom 02.09.1996 bis 16.12.1996 beschäftigt gewesen zu sein. Sie sei gelernte Hauswirtschafterin. Nach zwei Wochen Arbeit in der Einrichtung, habe ihr die Mutter der Klägerin das Blutdruckmessen, das Verabreichen von ärztlich verschriebenen Medikamenten gezeigt. Am 06.09.1996 habe ihr die Klägerin gesagt, dass sie nun auch im Außendienst (= ambulante Pflege) spritzen müsste. Sie habe bei dem Patienten Z1 ... im Heim in der K ...straße Faxiporin in die Bauchdecke gespritzt. Sie habe die Klägerin aufgefordert, ihr eine Spritzenerlaubnis zu besorgen. Die Klägerin habe ihr gesagt, eine solche werde für Insulin nicht benötigt. Dr. U1 ... habe für die Schwester C ... S3 ... eine Spritzenerlaubnis ausgestellt. Dies für sie aber abgelehnt, weil sie sie nicht kennen würde. Sie habe nachher nur noch Insulin gespritzt. Im September 1996 habe sie aber entgegen ihrer ursprünglichen Absicht doch bei dem Patienten H3 ... im Außendienst Faxiporin gespritzt. Nach ihrer zweiten Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin ihr gekündigt. Beim Abholen bzw. Abgeben der Patientenschlüssel in der K ...straße sei ihr von den Beschäftigten M1 ... und S6 ... erzählt worden, dass Frau M1 ... auf Drängen der Klägerin an der verstorbenen Patientin V1 ... zum Üben eine Kochsalzlösung gespritzt habe. Auch dem Patienten G1 ... sei von der Schwester C ...S3 ... zur Übung eine Kochsalzlösung gespritzt worden.

Die Zeugin S6 ... hat bekundet, den Beruf der Krankenschwester zwei Jahre erlernt zu haben, allerdings ohne Abschluss. Sie habe praktisch alle Tätigkeiten verrichtet, auch intramuskuläre und subkutane Spriten gesetzt. Vor dem Spritzen von Faxiporin in die Bauchdecke habe sie Angst gehabt, weil mehr verletzt werden könne. Letztlich habe sie dies immer dem Spätdienst überlassen. Lediglich Schwester C ...S3 ... habe eine Spritzenerlaubnis gehabt. Während ihrer Tätigkeit habe es einen "unnatürlichen Tod" gegeben. Sie habe bei der Patientin L1 ... den Blutzucker um 6.30 mit 3,0 festgestellt gehabt. Nach dem Telefonat mit Dr. W1 ... sollte sie der Versicherten Tee mit Traubenzucker geben, was sie getan habe. Bei der nächsten Messung gegen 10.00 Uhr habe sie die Patientin L1 ... tot vorgefunden. Dr. W1 ... sei sofort gekommen und habe nach einer Untersuchung einen unnatürlichen Tod angegeben. Zu der von Dr. W1 ... beabsichtigten Obduktion sei es nicht gekommen. Die am Nachmittag eintreffende Kriminalpolizei habe viele Fragen gestellt. Mehr wisse sie hierzu nicht. Die Beschäftigte M1 ... habe an der verstorbenen Patientin V1 ... das Spritzensetzen üben müssen. Diese habe eine Kochsalzlösung bekommen, die sie intravenös spritzen sollte. Unter Weinen und dem Eindruck einer sonst drohenden Kündigung habe Frau M1 ... die Spritze gesetzt. Auch habe die Klägerin, nachdem sich eine Patientin über Schwester S3 ... beschwert habe, angeordnet, dass an Herrn G1 ... das Spritzen mit einer Kochsalzlösung geübt werden solle. Dies habe die Schwester S3 ... getan.

Die Zeugin M1 ... hat angegeben, als examinierte Krankenschwester im betreuten Wohnen in F ... und in der K ...straße vom 18.05.1997 bis 17.07.1997 beschäftigt gewesen zu sein. Als examinierte Altenpflegerin sei sie befugt, wenn der Arzt eine Genehmigung erteilt habe, intramuskulär und subkutan und Insulin zu spritzen. Der Vorfall, bei dem sie unter Anwesenheit anderer Mitarbeiter bei der "noch warmen" verstorbenen V ... das Spritzensetzen habe demonstrieren müssen, mache ihr noch heute zu schaffen. Unter Weinen sei sie der Aufforderung der Klägerin nachgekommen. Auch habe sie 14 Tage lang bei einem Patienten ein morphiumhaltiges Mittel gespritzt, wobei sie stets ein schlechtes Gewissen gehabt habe. Aufgrund eines Vorfalls am 17.07.1997 mit dem Patienten E2 ... sei sie gekündigt worden. Er habe sich einen Katheter herausgerissen, worauf sie sofort einen Arzt gerufen habe. Sie sei hoffnungslos überfordert gewesen.

Dr. W1 ... hat angegeben, in ihrer Funktion als Ärztin in der Einrichtung tätig gewesen zu sein. Bei der Neuaufnahme eines Patienten sei sie in der Regel gerufen worden. Die Klägerin habe einmal in ihrer Praxis Blut abgenommen. Das habe sie tadellos gemacht. Auf Befragen zur Schädlichkeit von gespritzten Kochsalzlösungen hat sie angegeben, bei Verwendung von sterilen Ampullen und einer physiologischen Lösung, sei keine Schädlichkeit gegeben. Bei einer großen Menge könnten lokale Rötungen oder Schwellungen auftreten. Normales Wasser dürfe nicht gespritzt werden. Auch "Luft spritzen" sei gefährlich. Luft in der Vene führe zu einer Lungenembolie. Werde Luft bei subkutanen Spritzen injiziert, könnten Entzündungen auftreten. Zum Vorfall mit der Patientin S7 ... könne sie nur berichten, sie am 30.10.1997 untersucht zu haben. Sie sei am 20.12.1997 mit dem Notarzt in das Krankenhaus eingeliefert worden. Beim Betten oder sonstwie sei bei Schwester I1 ... der Nierenkatheter herausgegangen. Die Schwester habe dann wohl versucht, den unsterilen Katheter wieder an seine alte Stelle zu stecken. Sie hätte wissen müssen, dass sie schon den Versuch, den Katheter wieder an seine alte Stelle zu setzen, nicht hätte unternehmen dürfen. Die Patientin sei später verstorben. Weitere derartige Vorkommnisse seien ihr nicht bekannt.

Wegen der weiteren Angaben der Zeugen wird auf die staatsanwaltschaftlichen Protokolle verwiesen.

Mit Verfügung vom 06.07.1998 hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung u.a. gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt. Nach den angestellten Ermittlungen seien weder eine fahrlässige Tötung noch andere Straftaten nachzuweisen. Soweit die Beschäftigen übereinstimmend bekundet hätten, gegen ihren Willen subkutane Spritzen setzen zu müssen, liege eine Nötigung im Sinne von § 240 StGB nicht vor. Sanktionen für den Fall der Weigerung habe die Klägerin nicht ausgesprochen.

Das Setzen von Spritzen mit Kochsalzlösungen habe straflos zu bleiben. Das Spritzensetzen an einer toten Person, zu der die Klägerin als Anstifterin in Betracht komme, werde nicht vom Straftatbestand der Störung der Totenruhe nach § 168 StGB erfasst. Für einem mögliche Körperverletzung zum Nachteil des Herrn G1 ... fehle es an dem erforderlichen Strafantrag. Zudem sei nach Aussage von Dr. W1 ... das Spritzen einer physiologischen Kochsalzlösung ohne jede Nebenwirkung.

Auch eine fahrlässige Tötung zum Nachteil der Frau L ... S7 ... könne nicht festgestellt werden. Aus der Aussage von Dr. W1 ... ergäben sich für ein Fehlverhalten der Klägerin keine Anhaltspunkte. Soweit von den Zeuginnen, insbesondere wegen der frei herumlaufenden Hunde, mangelnde hygienische Zustände beschrieben worden seien, ergebe sich hieraus kein strafrechtlich relevantes Verhalten. Insoweit obliege es der Anzeigenerstatterin, die erforderlichen Schritte einzuleiten.

Auf das Schreiben der Klägerin vom 31.08.1998 über die noch in der Einrichtung befindlichen Versicherten, die von ihr weiterhin versorgt würden, wurde von den Beklagten eine Verlegung in andere Einrichtungen am 22.09.1998 abgeschlossen.

Nachdem im Rahmen einer unangemeldenten Kontrolle der Hauses in der K ...straße in D ... am 26.11.1998 die Aufgabe der Kurzeitpflegeeinrichtung festgestellt wurde (keine Bewohner, keine Gardinen, beräumte Zimmer), hat das Regierungspräsidium D ... unter dem 13.04.1999 gegen die Klägerin wegen Verletzung mehrerer Anzeigenpflichten (u.a. in Bezug auf die nicht erfolgten Mitteilungen über die Kündigung des Versorgungsvertrages wie auch der Einstellung des Heimbetriebes) ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 4.000 DM festgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, des Regierungspräsidiums D ... sowie der Staatsanwaltschaft D ..., deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die von den Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen über die Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung und die ambulante Pflege sind wegen eines Anhörungsmangels rechtwidrig.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen gerichteten Hauptanträge nicht als zulässig zu bewerten. Vielmehr stellt allein die mit dem Hilfsantrag erhobene Anfechtungsklage die richtige Klageart dar. Die Kündigungen über die Versorgungsverträge stellen Verwaltungsakte dar. Insoweit ist auch die vom Sozialgericht erwogene Auslegung der Hauptanträge als Nichtigkeitsfeststellungklagen im Sinne vom § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG nicht zulässig. Dem steht die Subsidarität dieser Klageart entgegen. Zwar spricht § 55 SGG anders als § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht ausdrücklich aus, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Dieser Grundsatz gilt indes auch für das sozialgerichtliche Verfahren (allgemeine Meinung, vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 55 Rdnr. 19 m.w.Nachw.). Überdies besteht für die Auslegung der Anträge zu 1. und 2. als Nichtigkeitsfeststellungsklagen im Sinne von § 55 SGG schon deshalb kein Raum, weil die Klägerin diese Anträge gerade mit Blick auf den von ihr verneinten Verwaltungsaktcharakter der Kündigungen gestellt hat. Die dem Verwaltungsaktcharakter der Kündigungen Rechnung tragende Hilfsantrag der Klägerin ist demnach allein zulässig. Er erweist sich als begründet.

Die Kündigungen der Beklagten über die Versorgungsverträge stellen nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Verwaltungsakte dar. Pflegeeinrichtungen werden gemäß § 72 Abs. 4 SGB XI durch den Abschluss des Versorgungsvertrages mit den Landesverbänden der Pflegekassen für die Dauer des Vertrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen. Gleichzeitig wird die Pflegeeinrichtung durch die Zulassung zur pflegerischen Versorgung der Versicherten der sozialen Pflegeversicherung verpflichtet. Für die einzelnen Pflegekassen entsteht durch die Zulassung eine Vergütungspflicht (§ 72 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB XI). Die statusbegründende Funktion des Versorgungsvertrages liegt in seiner Verbindlichkeit für die Vertragsbeteiligten (§ 72 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Die Regelungen entsprechen denjenigen über die Zulassung von Krankenhäusern oder Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nach §§ 109 Abs. 4, 111 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Hierzu hat das BSG die Ablehnung der Versicherungsträger, ein Krankenhaus durch Versorgungsvertrag zuzulassen wie auch die Kündigung eines Versorgungsvertrages wegen der hierin enthaltenen Aufhebung der Zulassung als Verwaltungsakt angesehen (BSGE 78, 233, 235 = SozR 3-2500 § 109 Nr. 1); ebenso hat das BSG die Ablehnung, mit einem Heimträger einen Versorgungsvertrag abzuschließen, als Verwaltungsakt gewertet (BSG, Urteil vom 06.08.1998, B 3 P 5/97 R). Insbesondere in seiner Entscheidung vom 29.05.1996 (BSGE a.a.O) hat das Bundessozialgericht den Rechtscharakter von Kündigungen über Versorgungsverträge nach dem SGB V unter Heranziehung der im SGB XI getroffenen Regelungen begründet. Es hat ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei den Regelungen zum Versorgungsvertrag bei stationären Pflegeeinrichtungen deutlich zu erkennen gegeben habe, dass er die Ablehnung eines Versorgungsvertrages als Verwaltungsakt ansehe. Die Regelungen in § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI zur Klage gegen die Ablehnung eines Versorgungsvertrages, wonach ein Vorverfahren nicht stattfinde und der Klage keine aufschiebende Wirkung zukomme, hätte es ansonsten nicht bedurft. Auch habe der Gesetzgeber mit den Regelungen im SGB XI gezeigt, dass er die Auffassung, die Ablehnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sei stets nur ein schlicht hoheitliches Handeln und kein Verwaltungsakt nicht gefolgt sei. Mit Blick auf die in § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB XI für die Kündigung von Versorgungsverträgen angeordnete entsprechende Geltung von § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI, aus der sich zugleich die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens ergibt, ist mithin von einem Verwaltungsaktcharakter der Kündigungen auszugehen.

Die Kündigungen haben sich auch nicht dadurch erledigt, dass die Klägerin die Kurzzeitpflegeeinrichtung und den ambulanten Pflegedienst spätestes Ende September 1998 eingestellt hat. Bis der zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Verlegung der Patienten aus der Einrichtung der Klägerin sowie der Übernahme der Versicherten durch andere ambulante Pflegedienste hat die Klägerin die Versicherten weiterhin versorgt. Für den Fall der Aufhebung der Kündigungen wären die Beklagten zur Vergütung der Leistungen der Klägerin bis zur Betriebseinstellung weiterhin verpflichtet. Mithin hat sich durch eine Betriebseinstellung die Kündigungen der Versorgungsverträge nicht erledigt.

Die Anfechtungsklage ist indes begründet. Die von den Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen der Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung und des ambulanten Pflegedienstes sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Die Entscheidungen über die Kündigungen der Versorgungsverträge unterliegen nicht schon deshalb der Aufhebung, weil sie von einer unzuständigen Behörde getroffen worden sind. Für die Kündigung von Versorgungsverträgen sind wie für deren Abschluss die Landesverbände der Pflegekassen zuständig. In Streitigkeiten, denen es um Aufgaben der Landesverbände der Pflegekassen geht, sind die Landesverbände der Krankenkassen passivlegitimiert. Das SGB XI erwähnt allerdings die Landesverbände der Pflegekassen und weist ihnen u.a. in §§ 72, 74 SGB XI, zahlreiche Aufgaben zu. Das SGB XI enthält allerdings keine dem § 207 SGB V entsprechende Vorschrift, die die Einrichtung der Landesverbänden der Pflegekassen regelt. § 52 SGB XI ordnet lediglich an, dass die Landesverbände der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die als Landesverbände tätigen landwirtschaftlichen Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen die Aufgaben der Landesverbände der Pflegekassen wahrnehmen. Die Ersatzkassen und ihre Verbände habe für alle auf der Landesebene abzuschließenden Verträge einen Bevollmächtigten zu benennen (Verweisung auf § 212 Abs. 5 Satz 4 SGB V). Zwar lässt der Wortlaut von § 52 SGB XI nicht ohne weiteres erkennen, ob der Gesetzgeber von einer Bildung von Landesverbänden der Pflegekassen durch das Gesetz selbst ausgegangen ist und die Landesverbände der Krankenkassen lediglich aufgrund eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses handeln oder ob die Regelung ausdrücken soll, dass die Landesverbände der Krankenkassen bei den nach § 52 Abs. 2 SGB XI zugewiesenen Aufgaben kraft Gesetzes als Landesverbände der Pflegekassen handeln. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich indes die Zuständigkeit der Landesverbände der Krankenkassen, in denen es um Aufgaben der Landesverbände der Pflegekassen geht (BSG, Urteil vom 06.08.1998, B 3 P 8/97 R = SozR 3-3300 § 73 Nr. 1). In der Begründung zum Regierungsentwurf ist davon ausgegangen worden, dass die Pflegekassen keine eigenen rechtsfähigen Verbände erhalten, sondern sich auf Verbandsebene ganz unter dem Dach der gesetzlichen Krankenversicherung befinden. Dies spricht, wie das BSG (a.a.O) hervorgehoben hat, dafür, dass auch der Gesetzgeber § 52 SGB XI so versteht, dass die Landesverbände der Krankenkassen hinsichtlich der im SGB XI den Landesverbänden der Pflegekassen zugewiesenen Aufgaben lediglich unter einer anderen Bezeichnung, nämlich als Landesverbände der Pflegekassen, handeln, es sich hierbei aber um identische juristische Personen handelt. Eine vergleichbare Konstellation besteht im Falle der Existenz nur einer Krankenkassen auf Landesebene, wie es sich hier für die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 3. verhält (§ 207 Abs. 4 SGB V) bzw. der Vereinigung aller Mitglieder eines Landesverbandes der Krankenkassen zu einer Krankenkasse. § 207 Abs. 4 SGB V bestimmt für diesen Fall, dass die einzige Krankenkasse zugleich die Aufgaben eines Landesverbandes wahrnimmt. Satz 2 des § 207 Abs. 4 SGB V stellt hier zudem ausdrücklich klar, dass die einzige Krankenkasse insoweit die Rechtsstellung eines Landesverbandes hat. Die Gesetzesmaterialien belegen, dass der Gesetzgeber zur Verwaltungsvereinfachung hier dieselbe Regelung schaffen und den Landesverbänden der Krankenkassen im Hinblick auf die den Landesverbänden zugewiesenen Aufgaben die Rechtsstellung von Landesverbänden der Pflegekassen einräumen wollte, weil die Gründe, die auf lokaler Ebene für die rechtlich selbständige Einrichtung von Pflegekassen gesprochen haben, insbesondere die getrennte Haushaltsführung, auf Verbandsebene nicht von Bedeutung sind (BSG, Urteil vom 06.08.1998, B 3 P 8/97 R = SozR 3-3300 § 73 Nr. 1).

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Kündigungen der Versorgungsverträge auch von den am Vertragsschluss beteiligten Landesverbänden ausgesprochen worden. Soweit die Kündigungen mit dem Briefkopf des Arbeitskreises der Landesverbände der Pflegekassen im Freistaat Sachsen versehen sind, ist dies unschädlich. In den beiden Schreiben vom 26.06.1998 heißt es im deutlich hervorgehobenen Tenor ausdrücklich, dass der jeweilige Versorgungsvertrag von den Landesverbänden der sächsischen Pflegekassen" gekündigt wird. Insoweit bestehen für eine Zurechnung der Kündigungen auf den Arbeitskreis der Landesverbände keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Der Wirksamkeit der Kündigungen steht auch nicht entgegen, dass sie lediglich von einem Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1. (Verhees) unterzeichnet sind, hingegen nicht von den anderen Landesverbänden. Die Beklagte zu 1. hat die Beklagten zu 2. bis 6. wirksam vertreten. Der Beklagte zu 2. hat der Beklagten zu 1. unter dem 10.06.1998, der Beklagte zu 3. unter dem 11.06.1998, die Beklagten zu 4. Und 5 unter dem 10.06.1998 sowie die Beklagte zu 6. unter dem 11.06.1998 schriftliche Vollmachten für die Kündigungen der Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung und des ambulanten Pflegedienstes erteilt.

Soweit die Kündigungen nicht unter Beteiligung der Sächsischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse und der Krankenkasse für den Gartenbau ausgesprochen worden sind, führt dies ebenfalls nicht zu einem Erlass durch eine unzuständige Behörde. Die Gartenbau- Krankenkasse kann die Aufgaben eines Landesverbandes der Krankenkassen nur aufgrund einer Vereinbarung mit den in einem Land ansässigen landwirtschaftlichen Krankenkassen wahrnehmen (BSG, Urteil vom 20.11.1996, 3 RK 7/96). Eine solche Vereinbarung besteht indes für den Bereich des Freistaates Sachsen nicht. Soweit der Sächsischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse nach § 52 SGB XI i.V.m. § 36 KVLG die Wahrnehmung der Aufgaben eines Landesverbandes obliegt, steht dies ihrer unterlassenen Beteiligung im Rahmen der Kündigungen der hier streitigen Versorgungsverträge nicht entgegen. Die Sächsischen Landwirtschaftliche Krankenkasse war ausweislich der vorgelegten Versorgungsverträge schon bei der Begründung der Versorgungsverträge nicht beteiligt, so dass ihr auch im Rahmen der Kündigung dieser Verträge keine Beteiligtenfähigkeit zukommen kann.

Von der Beklagten wurde auch das nach § 74 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB XI erforderliche Einvernehmen für die Kündigungen hergestellt. Danach haben die Landesverbände der Pflegekassen auch vor einer fristlosen Kündigung das Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe herzustellen. Zuständiger Träger der Sozialhilfe ist nach § 72 Abs. 2 Satz 1 SGB XI der überörtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht nach Landesrecht der örtliche Träger für die jeweilige Pflegeeinrichtung zuständig ist. Nach § 2 Sächsischen Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz (SächsAGBSHG) ist im Freistaat Sachsen überörtlicher Träger der Sozialhilfe der Landeswohlfahrtsverband. Örtliche Träger der Sozialhilfe sind dagegen die kreisfreien Städte und die Landkreise (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Vorliegend haben sowohl der Landeswohlfahrtsverband Sachsen mit am 22.06.1998 eingegangenem Schreiben und die Landeshauptstadt Dresden mit am 24.06.1998 eingegangenen Schreiben den ausgesprochenen Kündigungen der Versorgungsverträge ausdrücklich zugestimmt. Dem Einvernehmenserfordernis ist damit Rechnung getragen. Dies ist in den beiden Kündigungsschreiben entgegen der Auffassung der Klägerin auch mitgeteilt.

Die Bescheide der Beklagten vom 26.06.1998 sind indes wegen Anhörungsfehler rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 SGG).

Die Beklagten haben entgegen § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Klägerin vor Erlass der Bescheide vom 26.06.1998 über die außerordentliche Kündigungen der Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung und den ambulanten Pflegedienst nicht in dem erforderlichen Maße angehört. Die unterlassene Verfahrenshandlung konnte auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr mit heilender Wirkung nachgeholt worden. Die von den Beklagten erlassenen Bescheide vom 26.06.1998 sind schon deshalb aufzuheben (§ 42 Satz 2 SGB X).

Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten sind unter Verletzung rechtlichen Gehörs erlassen worden und damit rechtswidrig. Dies ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 m.w.Nachw.)

Nach § 42 Sätze 1 und 2 SGB X kann derjenige, demgegenüber ein Verwaltungsakt erlassen worden ist, der in seine Rechte eingreift, dessen Aufhebung beanspruchen, sofern die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und oder nicht wirksam nachgeholt worden ist. Die Beklagten haben durch die Bescheide vom 26.06.1998 in die Rechte der Klägerin eingegriffen, indem sie die mit ihr abgeschlossenen Versorgungsverträge außerordentlich gekündigt haben. Mit den Kündigungen wird der Status als zugelassener Leistungserbringer beseitigt. Sie greifen damit in die durch Versorgungsvertrag begründete Rechtsstellung der Klägerin ein.

Die außerordentlichen Kündigungen sind rechtswidrig, weil sie ohne eine den gesetzlichen Anforderungen des § 24 SGB X entsprechende Anhörung ausgesprochen worden sind. § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet die Behörde, vor Erlass der angefochtenen Bescheide dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

§ 24 SGB X dient sowohl der Wahrung der Rechte und Belange des Betroffenen als auch der Vermeidung von Fehlern der Verwaltung bei der Tatsachenermittlung. Einerseits soll durch die Vorschrift sichergestellt werden, dass der Betroffene aktiv auf das Verfahren der Verwaltung und deren Entscheidung Einfluss nehmen kann; der Bürger soll vor Überraschungsentscheidungen und vor vorschnellen Eingriffen geschützt werden; darüber hinaus soll durch diese Verfahrensweise das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung gestärkt werden. Andererseits soll die Verwaltung vor Erlass der Verwaltungsaktes anhand der Stellungnahme des Betroffenen prüfen können, ob diese Veranlassung gibt, von dem Verwaltungsakt abzusehen oder ihn erst nach weiteren Ermittlungen, in anderer Form oder zu einem späteren Zeitpunkt zu erlassen.

Eine hierzu rechtserhebliche Äußerung des Betroffenen setzt jedoch voraus, dass ihm die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen in einer Weise unterbreitet werden, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen sachgerecht äußern kann. Dies erfordert eine hinreichende Information durch die Verwaltung. Was unter einer rechtserheblichen Tatsache im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X zu verstehen ist, richtet sich nach Art und Inhalt des Verwaltungsaktes, dessen Erlass beabsichtigt ist sowie nach den Umständen des Einzelfalles und den jeweils anzuwendenden Vorschriften (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 25.03.1999 B 9 SB 14/97 R, Urteil vom 28.04.1999 B 9 SB 5/98 R, Urteil vom 19.09.2000 B 9 SB 1/00 R).

Im vorliegenden Fall hat eine diesen Maßstäben gerecht werdende Anhörung nicht stattgefunden, weil die Beklagten der Klägerin schon nicht hinreichend deutlich gemacht haben, welche Maßnahmen beabsichtigt waren. Zwar wurde der Klägerin das Schreiben vom 05.03.1998 zugeleitet, dass mit "Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X" überschrieben ist. Auch sind hierin verschiedene, wie es die Beklagten in diesem Schreiben genannt haben, "Defizite" in der Versorgung beschrieben worden. Aus diesem Schreiben geht indes nicht hervor, welche Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf welchen Vertragsgegenstand beabsichtigt sind. Dass aufgrund der dargestellten "Mängel" sowohl eine außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflegeeinrichtung als auch des ambulanten Pflegedienstes erfolgen sollte, ist nicht ausgeführt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Wiedergabe des Wortlauts der Regelungen in § 74 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XI nicht ausreichend. Zwar kann daraus noch geschlossen werden, dass unter den im Gesetz näher beschriebenen Voraussetzungen eine Kündigung des Versorgungsvertrages erfolgen kann. Die Anhörungspflicht bezieht sich indes auf die das Verfahren abschließende Entscheidung. Die Behörde muss daher, damit die Anhörung als ordnungsgemäß im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X angesehen werden kann, den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung, Duldung oder Unterlassung so konkret umschreiben, dass für den Beteiligten hinreichend klar und erkennbar ist, weshalb und wozu er sich äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung und zu welchem ungefähren Zeitpunkt er in etwa zu rechnen hat (Bonk, in Stelkens, Bonk, Sachs, VwVfG, § 28 Rdnr. 34). Die Beklagten haben die Versorgungsverträge unter Heranziehung von § 74 Abs. 2 SGB XI außerordentlich gekündigt. Für eine ordnungsgemäße Anhörung setzt dies voraus, dass die Sachverhalte zur Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten bezeichnet werden und die Bewertung, welcher der Verstöße als derart gröblich angesehen wird, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Vorliegend bleibt auch bei verständiger Würdigung schon die beabsichtigte Maßnahme der Beklagten inhaltlich unbestimmt. Ob eine Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI mit Geltung der Jahresfrist oder von der nach § 74 Abs. 2 SGB XI bestehenden Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung Gebrauch gemacht werden sollte, ggf. für welchen Vertrag, ist nicht zu ersehen. Eine konkrete Bezeichnung der beabsichtigten Maßnahme in Bezug auf den konkreten (Vertrags-)Gegenstand war vorliegend auch mit Blick auf die unterschiedlichen Auswirkungen der Rechtsfolgen der Kündigungen nach § 74 Abs. 1 SGB XI oder § 74 Abs. 2 SGB XI unabdingbar. Bei einer Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI bleibt dem Leistungserbringer wegen der geltenden Jahresfrist die Möglichkeit, seinen Betrieb weiterzuführen und für eine ordnungsgemäße Abwicklung Sorge zu tragen. Gleichzeitig ist ihm damit auch eine Bewährungszeit eingeräumt, in der er seine Verlässlichkeit als Vertragspartner unter Beweis stellen kann und gibt ihm bei ordnungsgemäßen Verhalten damit auch die Möglichkeit, die Voraussetzungen für den Abschluss eines weiteren Versorgungsvertrages zu schaffen. Die Auswirkungen einer Kündigung nach § 74 Abs. 2 SGB XI sind demgegenüber wegen daraus folgenden sofortigen Beendigung des Versorgungsvertrages erheblich schwerwiegender, zumal wegen der Regelung in § 74 Abs. 3 i.V.m. § 73 Abs. 2 SGB XI der Klage, als anders als bei Zulassungsentziehungen im Vertragsarztsachen (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 und 4 SGG a.F.), keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die mit einer außerordentlichen Kündigung verbundenen Auswirkungen der Zulassungsentziehung als Eingriff in die gemäß Art. 12 Grundgesetz (GG) geschützte Freiheit der Berufsausübung sind wegen deren unmittelbar eintretenden Wirkung damit gegenüber einen Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI in ihrem Umfang wesentlich verschieden. Auch ist eine gewerbliche Pflegeeinrichtung ohne die Zulassung nach § 72 SGB XI zur Versorgung der Versicherten auf Dauer, wie auch der vorliegende Sachverhalt belegt, kaum lebensfähig, weil etwa 90 v.H. der Bevölkerung sozialversichert und damit auch sozial pflegeversichert sind. Wenn, wie im vorliegenden Fall, mehrere behördlichen Entscheidungen möglich sind, die in ihren unmittelbaren Auswirkungen verschiedenen sind, ist es unabdingbar, im Rahmen einer Anhörung darauf hinzuweisen, welche konkrete Maßnahme hinsichtlich welchen Gegenstandes beabsichtigt ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, so dass die Bescheide vom 26.06.1998 wegen Verletzung des Anhörungsgebotes als rechtswidrig zu erachten sind.

Eine ordnungsgemäße Anhörung in Bezug auf die außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege steht darüber hinaus entgegen, dass die von der Beklagten in der Kündigung vom 26.06.1998 als maßgeblich erachteten Gründe selbst im Anhörungsschreiben vom 05.03.1998 nicht benannt wurden. Die Beklagten haben die Kündigung insoweit ausschließlich auf Abrechnungsverstöße gestützt, weil die Klägerin Leistungen abgerechnet habe, obwohl der Versicherte bereits verstorben war oder sich im Krankenhaus aufgehalten habe und ambulante Pflegeleistungen während der Unterbringung in der Kurzzeitpflegeeinrichtung abgerechnet worden seien. Diese Sachverhalte sind aber im "Anhörungsschreiben" vom 05.03.1998 schon nicht mitgeteilt.

Auch eine Umdeutung der auf § 74 Abs. 2 SGB XI gestützten Kündigungen in ordentliche" Kündigungen im Sinne von § 74 Abs. 1 SGB XI kommt nicht in Betracht (vgl. hierzu auch SG Chemnitz, Urteil vom 02.12.1999, S 15 P 96/98), weil auch zur Umdeutungsabsicht der Behörde eine Anhörung zu erfolgen hat. Insoweit bestimmt § 43 Abs. 4 SGB X ausdrücklich die entsprechende Anwendung von § 24 SGB X. Insoweit haben die Beklagten eine fristgebundene Kündigung schon nicht geltend gemacht. Soweit man mit der herrschenden Meinung auch eine Umdeutung im Wege eines richterlichen Erkenntnisaktes als zulässig erachtet (Steinwedel in KassKomm, SGB XI, § 43 Rdnr. 8), scheidet eine Umdeutung gleichwohl aus. Die Umdeutung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes zurück und muss ebenso den erforderlichen Form- und Verfahrenerfordernissen genügen. Wegen der zu etwaigen Rechtsfolgen bestehenden inhaltlichen Unbestimmtheit des Schreibens vom 05.03.1998 liegt demgemäß auch die zu einer Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI erforderliche Anhörung nicht vor.

Wegen des Verfahrensfehlers der erforderlichen, aber unterbliebenen Anhörung kommt auch eine Aussetzung des Rechtsstreits zur Nachholung im Gerichtsverfahren nicht in Betracht.

§ 114 Abs. 2 Satz 2 SGG, der durch Art. 21 des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (4. Euro- Einführungsgesetz, BGBl. I S. 1983) eingefügt und am 01.01.2001 in Kraft getreten ist, kann keine Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag das Verfahren zur Heilung u.a. von Verfahrensfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist. Auch ist durch Art. 10 Nr. 5 des 4. Euro-Einführungsgesetzes § 41 Abs. 2 SGB X geändert und mit Wirkung ab 01.01.2001 geregelt worden, dass die Nachholung der Handlungen nach § 41 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 (die Anhörung betrifft Nr. 3) nicht mehr wie bisher nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens, oder falls ein Vorverfahren nicht stattgefunden hat bis zur Erhebung der Klage möglich ist, sondern auch noch im anschließenden Gerichtsverfahren bis hin zur letzten Tatsacheninstanz. Gleichwohl kommt eine Aussetzung des Verfahrens hier nicht in Betracht.

Unter Berücksichtigung des intertemporalen Verfahrensrechts kann § 41 Abs. 2 SGB X n.F. vorliegend keine Anwendung finden, obwohl von einer Änderung des Prozessrechts grundsätzlich alle im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Verfahren erfasst werden, sofern Übergangsvorschriften nicht etwas anderes vorschreiben. Auch ist das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen im allgemeinen weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materiell-rechtlicher Rechtspositionen. Enthält das Verfahrensrecht jedoch nicht nur bloße ordnungsrechtliche technische Prozessführungsregeln, sondern wirkt es sich auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage ein, in der sich ein Prozessbeteiligter befindet, so sind die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes Prüfungsmaßstab. In diesem Fall haben Änderungen von Verfahrensvorschriften, keine rückbezügliche Wirkung", wenn sie eine Partei belasten. Um eine derartige Änderung einer verfahrensrechtlichen Rechtsposition würde es sich handeln, wenn die Regelung in § 41 Abs. 2 SGB X n.F. in Verbindung mit § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG n.F. hier zur Anwendung kommen könnte. Denn dann würde - abstrakt rückwirkend in die Rechtsposition desjenigen eingegriffen, der wegen des Verfahrensfehlers nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht mit Abschluss des Verwaltungsverfahrens im Gerichtsverfahren bereits wegen des Verfahrensfehlers einen Anspruch auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes gehabt hätte. Denn die verwaltungsverfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten beurteilt sich im Gerichtsverfahren zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, also nach der Rechtslage, wie sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 26.06.1998 bestanden hat. Zu diesem Zeitpunkt war eine Heilung von Verfahrens- und Formfehlern nur bis zur Klageerhebung möglich (§ 41 Abs. 2 SGB X aF). Infolgedessen stellt der im Verwaltungsverfahren unterlaufene Fehler jedenfalls bis zum 31.12.2000 einen Aufhebungsgrund dar. Diese die Klägerin begünstigende Rechtsposition würde verlorengehen, wenn der Aufhebungsgrund abgeschnitten würde (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 12.06.2001 B 4 RA 37/00 R, Urteil vom 24.07.2001 B 4 RA 27/01 R).

Bei alledem hatte die Berufung Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGGÄndG am 02.01.2002 geltenden Fassung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). -
Rechtskraft
Aus
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